Der Tote im Sumida (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2017 | 1., Auflage
368 Seiten
Piper ebooks (Verlag)
978-3-492-98335-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Tote im Sumida - Sujata Massey
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Agatha-Award-Gewinnerin Sujata Massey ist zurück mit einem neuen spannenden Kriminalfall und schickt Rei Shimura in eine neue gefährliche Ermittlung Die Glitzerwelt des japanischen Luxuskaufhauses »Mitsutan« ist der neue Arbeitsplatz von Hobbydetektivin Rei Shimura. Als Verkäuferin getarnt soll die Halbjapanerin den skrupellosen Machenschaften der Chefetage auf die Spur kommen. Bald schon bemerkt Rei, dass die edle Welt der Designer-Kimonos und japanischen Höflichkeitsfloskeln in Wirklichkeit eine äußerst raue und brutale ist ...

Sujata Massey, geboren 1964 als Tochter einer Deutschen und eines Inders in Sussex, verbrachte ihre Kindheit und Jugend in den USA und lebte dann mehrere Jahre in Hayama, Japan. Ihr Krimi-Debüt »Die Tote im Badehaus« wurde mit dem renommierten Agatha-Award ausgezeichnet. Dem folgten weitere Romane mit Rei Shimura: »Zuflucht im Teehaus«, »Bittere Mandelblüten«, »Tödliche Manga«, »Der Brautkimono«, »Die Tochter des Samurai«, »Japanische Perlen«, »Der japanische Liebhaber« und »Der Tote im Sumida«. Zuletzt erschien »Brennender Hibiskus«, ihr zehnter Rei Shimura-Krimi. Sujata Massey lebt in Baltimore und kehrt so oft wie möglich nach Japan zurück.

1

Ich habe fast mein ganzes Leben gebraucht, um überzeugend lügen zu lernen.

Manchmal plagt mich dabei immer noch das schlechte Gewissen, obwohl das Flunkern mir eine wunderbare zweite Karriere eröffnet hat. Ich erzähle unangestrengt Geschichten und wechsle mühelos zwischen Englisch und Japanisch. Aber oft frage ich mich, wie ich an diesen Punkt gelangt bin und wo das alles noch hinführen wird.

Es war ein kühler Wintertag wie jeder andere in Monterey, acht Stunden Kurse im Defense Language Institute und anschließend wie üblich Joggen hinaus zum Lover of Jesus Point in Pacific Grove. Der Pazifik trennte mich von Japan, von meinem alten Leben. Ich würde ihn überqueren müssen, um nach Hause zurückzukehren.

Merkwürdig, diese Sehnsucht. Schließlich war ich in Kalifornien zur Welt gekommen, in San Francisco, etwa zwei Stunden nördlich von Monterey, wo meine Eltern lebten. Aber Japan, wo ich so wenige, jedoch glückliche Jahre Englisch unterrichtet und Antiquitäten verkauft hatte, lockte mich noch immer. Dieses Gefühl war an jenem kalten Wintertag stärker als in den zwei Monaten, die ich mich am DLI nun schon auf meinen neuen Beruf vorbereitete, über den ich niemandem etwas erzählen durfte und der mich vielleicht nach Japan zurückführen würde.

Auf gute Dinge lohnt es sich zu warten, dachte ich, während ich in einem langärmeligen, schwarzen, eigentlich für Radfahrer gedachten Top und Shorts dahinjoggte. Der kühle Wind an den Beinen störte mich nicht; schlimmer war es da schon, dass auf dem Rückweg mein Knie zu schmerzen begann. Ich würde mir bald neue Nike Airs kaufen müssen. In Monterey war die Auswahl leider nicht allzu groß. Natürlich hätte ich ohne Weiteres zum Shoppen nach San Francisco fahren können, aber das wollte ich nicht, weil ich bereits Weihnachten und den Jahreswechsel bei meinen Eltern verbracht und mich mit ungesundem Essen und unangenehmen Fragen hatte abmühen müssen. Meinen Eltern durfte ich nichts von der Organization for Cultural Intelligence, kurz OCI, erzählen, jener Geheimdienstorganisation, für die ich jetzt arbeitete. Ich konnte ihnen auch nicht erklären, warum Hugh Glendinning, der Mann, mit dem ich einmal so gut wie verlobt gewesen war, mich ein für alle Mal aus seinem Leben und seiner Wohnung in Washington, D. C., verbannt hatte.

Mir gefiel die Einsamkeit des zerklüfteten Küstenabschnitts bei Monterey am eiskalten Pazifik, wo Sardinen, Surfer, Seehunde und Wale wohnten. Ich verfolgte den Sonnenuntergang mit, der hier immer spektakulär war, ein richtiges Kunstwerk in Rot, Orange und Purpur.

Wie immer konnte ich das kurze grüne Leuchten nicht entdecken, das Hugh mir in unseren Urlauben in Japan und Thailand mehrmals zu zeigen versucht hatte. Ich sah nie die gleichen Dinge wie er. Vielleicht war das das Problem.

Ich richtete den Blick wieder geradeaus, auf die Hopkins Marine Station, eine der Stanford University angeschlossene Forschungsstation. Auf dem Felsen befand sich ein schöner Aussichtspunkt, den ich noch nie aufgesucht hatte, weil um das Areal ein hoher Maschendrahtzaun mit Schildern aufragte, die den Zutritt untersagten.

Genau dort entdeckte ich eine einsame Gestalt mit Fernglas.

Derselbe Mann war mir schon eine halbe Stunde zuvor aufgefallen, weil er, anders als die meisten Leute in Monterey, einen Anzug trug.

Ich brauchte ein paar Minuten, um die Felsnase mit der eingezäunten Station zu passieren. Als ich das andere Ende erreichte – das Knie schmerzte inzwischen noch mehr –, sah ich den Mann im Anzug über den Parkplatz der Station laufen. Also hatte ich mich doch nicht getäuscht: Sein Feldstecher war auf mich gerichtet gewesen, nicht aufs Meer.

Obwohl ich bereits eine halbe Stunde gejoggt war, setzte ich meinen Weg zu den American Tin Cannery Outlets fort. Der Mann mit dem Fernglas, das jetzt vor seiner Brust hing, kam immer näher. Kein normaler Jogger war im Anzug unterwegs; es musste sich um einen Verrückten handeln. Ich beschleunigte. Aus der Ferne konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, sicher war nur, dass er graue Haare hatte.

Hinter den Outlets befand sich ein kleines, in freundlichem Rot, Weiß und Blau gehaltenes Lokal, das offenbar sowohl das in Monterey stationierte Militär als auch ausländische Touristen anlocken sollte. Als ich die Tür öffnete, hoben zwei junge Männer in T-Shirts und Jeans, die sich auf Spanisch unterhielten, die Köpfe.

»Könnten Sie die Polizei rufen?«, fragte ich schwer atmend.

Die beiden zögerten einen Moment und verschwanden dann hastig durch die Küche.

»Nein«, rief ich ihnen nach. »Ich wollte nicht …« Hätte ich sie doch nur in Spanisch angeredet, der hier üblichen Sprache, und nicht das Reizwort »Polizei« verwendet.

Ich sah mich nach einem Telefon um. Der Mann hatte mich in das Lokal eilen sehen; es war sinnlos, mich zu verstecken.

Als mein Blick durchs Fenster auf meinen Verfolger fiel, legte ich den Hörer weg, denn es war der Leiter der japanischen Abteilung bei der OCI und seit drei Monaten mein Vorgesetzter: Michael Hendricks.

»Michael! Was für eine Überraschung!«, begrüßte ich ihn, sobald er eintrat. Dass er sich in Kalifornien aufhielt, überraschte mich, denn davon hatte er in seinen zahlreichen E-Mails nichts erwähnt.

»Warum sind Sie denn weggelaufen?«, fragte Michael außer Atem und lockerte seine Krawatte. Man konnte ihn streng genommen nicht als gut aussehend bezeichnen; dazu war er zu schlank und hatte eine zu krumme Nase. Aber seine grau melierten, militärisch kurz geschnittenen Haare fand ich sexy, und seine eisblauen Augen verwirrten mich oft so, dass ich den Blick abwenden musste.

Ich entschied mich für eine ehrliche Antwort. »Ich hatte Angst. Würde es Ihnen nicht so gehen, wenn jemand Sie mit dem Fernglas beobachtet und verfolgt?«

»Ich habe Sie gesucht. Wissen Sie übrigens, dass Sie beim Laufen hauptsächlich die Innenseite des Fußes belasten?«

»Ja, und die Schuhe machen’s noch schlimmer.«

»Sie waren nicht in Ihrer Wohnung, und ich wusste, dass Sie in dieser Gegend joggen. Von der Felsnase aus würde ich Sie auf jeden Fall entdecken, dachte ich mir.« Michael zog sein Sakko aus. Zu meiner Überraschung war sein Oxford-Hemd nicht verschwitzt.

»Ich versuche schon den ganzen Tag, Sie zu erreichen«, erklärte Michael. »Wir müssen etwas besprechen.«

»Was denn?«, fragte ich.

»Reden wir lieber in Ihrer Wohnung.« Michael holte den Schlüssel eines Mietwagens aus der Tasche. »Ich nehm Sie mit.«

»Nein, danke. Ich jogge lieber nach Hause; es ist nicht mal mehr einen Kilometer. Und dann möchte ich duschen.«

»Klar. Ich besorg uns was zu essen und komm anschließend zu Ihnen. Dann haben Sie genug Zeit zum Duschen und Umziehen.«

Ich brauchte die paar Minuten, um einen klaren Kopf zu bekommen.

Nachdem ich die hintere Tür des Hauses im spanischen Stil aufgeschlossen hatte, ging ich schnurstracks ins Bad, duschte kurz und schlüpfte in eine Jeans und ein Seidenoberteil aus einer kleinen Boutique im Zentrum. Ich legte weder Make-up auf, noch fönte ich mir die Haare, bemühte mich allerdings, die Wohnung aufzuräumen, bevor Michael kam. Das Apartment befand sich im hinteren Teil eines bescheidenen Bungalows aus den Zwanzigerjahren. Früher war es vermutlich hübsch gewesen, doch jetzt bröckelte der Putz; der Vermieter hatte die alten Terrakottafliesen mit Linoleum bedeckt und lediglich billige Gartenmöbel bereitgestellt. Als ich gerade die Kissen auf dem Sofa und den Stühlen arrangierte, klopfte es. Ich schaute durchs Schlüsselloch, sah Michael und öffnete.

Er hatte eine Tüte der Paris Bakery, meiner Lieblingsbäckerei, und zwei Becher Kaffee dabei. Hinter ihm standen mehrere Umzugskartons. Nachdem er mir Tüte und Becher gereicht hatte, machte er sich daran, die Kartons in meine Wohnung zu tragen.

»Kekse? Was soll denn das für ein Abendessen sein?«, fragte ich.

»Wir haben nicht viel Zeit, und der Zucker gibt uns die nötige Energie für das, was wir heute Abend noch schaffen müssen.« Michael räusperte sich. »Wahrscheinlich fragen Sie sich, warum ich überhaupt hier bin.«

»Ja. Monterey ist nicht gerade der nächste Weg von Washington.«

»Ich bin mit einem Learjet, einer Militärmaschine, gekommen. Hat Spaß gemacht.«

»Dann ist es also dringend.« Ich nahm einen Schluck Kaffee und verzog das Gesicht. Michael hatte jede Menge Zucker hineingetan, aber keine Milch.

»Hätten Sie Milch gewollt?«, erkundigte er sich.

»Ja, eine Latte macchiato mit zwei Stück Zucker wäre perfekt gewesen, aber das können Sie sich ja fürs nächste Mal merken. Wird’s überhaupt ein nächstes Mal geben? Ich meine … die Kisten … Irgendwas stimmt nicht, oder?«

»So würde ich das nicht ausdrücken«, antwortete Michael. »Es tut mir leid, dass ich Sie vor Abschluss der Ausbildung wegholen muss. Ihr Kursleiter sagt, Sie schlagen sich gut.«

»Hier kann man kaum was tun außer Lernen.«

»Vielleicht ergibt sich ja später im Jahr die Möglichkeit, noch mal nach Monterey zu kommen.« Er schwieg einen Augenblick. »Aber jetzt brauche ich Sie in Washington. Das wollte ich Ihnen persönlich mitteilen, damit Sie selbst entscheiden können, ob Sie den Auftrag übernehmen oder nicht.«

Die Kartons ließen darauf schließen, dass er mit einer Zusage rechnete. »Handelt es sich um einen OCI-Job?«

Er nickte. »Wir haben etwa einen Monat Zeit für die Vorbereitungen, bevor Sie nach Tokio reisen.«

»Wow.« Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich gute...

Erscheint lt. Verlag 1.2.2017
Reihe/Serie Ein Fall für Rei Shimura
Ein Fall für Rei Shimura
Übersetzer Sonja Hauser
Sprache deutsch
Original-Titel Girl in a Box
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bücher • CIA • Cosy Crime • Hideo Okuda • Japan • Japan Roman • junge Heldin • Kriminalroman • Krimireihe • Krimis an exotischen Orten • Mystery Award • Rei Shimura • spannend • Spannung für Frauen • Starke Frau • weibliche Ermittlerin • Xialong Qiu
ISBN-10 3-492-98335-9 / 3492983359
ISBN-13 978-3-492-98335-8 / 9783492983358
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