Vier Quadratmeter Freiheit

Als Dachzelt-Nomaden durch den Nahen und Mittleren Osten
Buch | Softcover
220 Seiten
2016 | 2. Nachdruck
Stock und Stein Verlag
978-3-9817174-1-9 (ISBN)
14,90 inkl. MwSt
Was ist alles nötig, um sich auf eine großartige Reise zu begeben? Und wie viel Vorbereitung ist notwendig? Nicht viel, denken sich Anja und Chris, als sie im Sommer 2013 mit einem kleinen, rudimentär ausgestatteten Land Rover Defender aufbrechen. Eigentlich wollen sie nur bis in die Türkei reisen, aber es gibt gute Gründe für sie, dort den europäischen Kontinent zu verlassen und nur mit Karte und Kompass bewaffnet ihren Weg zu suchen, der sie immer weiter Richtung Osten führt. Acht Monate lang durchstreifen sie Landschaften und Kulturkreise bis in den Mittleren Osten, Reiseziele, auf denen sie ihren ganz persönlichen Zugang zur Bevölkerung finden. Aus ihrem individuellen Blickwinkel und ohne Schönfärberei schildern die beiden die Unwägbarkeiten einer Abenteuerreise, begegnen den charismatischen Bewohnern des Iran, reisen durch Oman, Saudi Arabien, Jordanien und Israel/Palästina. Sie werden unterwegs irrtümlich verhaftet. Aber überall treffen sie auf unverhofft warme Gastfreundschaft. Steigen Sie ein und erleben Sie eine echte Geschichte über die Welt da draußen, so wie sie wirklich ist – jenseits der beängstigenden Horror-Nachrichten in unseren Medien.

Christian Ebener, Jahrgang 1981, entdeckte schon sehr früh zwei Leidenschaften für sich: Geländefahrzeuge und das Reisen durch unberührte, weite Landschaften. Nach einer begonnenen Ausbildung zum KFZ-Mechaniker übte er anschließend den Beruf des Forstwirtes aus und versuchte so, seinen Interessen im Berufsalltag zu begegnen. Im Alter von zwanzig unternahm er seine erste Individualreise mit Zelt und Campingkocher in einem alten, aber frisch restaurierten Jeep. Danach folgten mindestens jährlich weitere Touren: entweder im Allradfahrzeug oder mit Wanderstiefeln und Kanu, aber immer auf der Suche nach ursprünglichen Lebensräumen. Seit 2009 hat er sich konsequent der Leidenschaft des Individualreisens verschrieben: Er konstruiert und baut freiberuflich Fernreisefahrzeuge auf Land Rover Defender Basis – für Gleichgesinnte.

• Prolog
• Nächste Ausfahrt: Freiheit
• Millionäre für dreißig Tage
• Wüsten, Wadis und andere Abenteuer
• Vom Ende einer langen Reise
• Epilog
• Zahlen & Fakten

Noch am gleichen Tag reisen wir weiter entlang des Mittelmeeres. Wir durchqueren herrliche Bananenplantagen, in denen reichlich gelbe Früchte hängen. Bei Adana ändern wir unseren Kurs, es geht nun Richtung Norden. Bei weit geöffneten Seitenfenstern genießen wir die gemächliche Fahrt im lauen Lüftchen, das von draußen hereinströmt. Ich hänge so meinen Gedanken nach, als Anja mich plötzlich mit einem “Autsch, mich hat was gestochen!” aus der Lethargie reißt. Grundsätzlich ist so ein Stich kein Grund zur Panik, aber Anja reagiert hochgradig allergisch auf Bienenstiche. Sofort gehe ich in die Eisen und halte auf dem Seitenstreifen, laufe ums Auto herum und reisse die Beifahrertüre auf. Im Fußraum kreiselt tatsächlich eine der so gefürchteten Bienen im Todeskampf. Die Einstichstelle an Anja´s Arm ist schon jetzt deutlich zu erkennen. Ich versuche, mit dem Mund den größten Teil des Giftes heraus zu saugen. “Wo hast Du das Gegenmittel?”, frage ich beunruhigt. “Meinst Du wirklich, ich muss das nehmen? Sollen wir nicht erstmal abwarten, was passiert?” “Auf keinen Fall!”, protestiere ich. Zwar ist mir bewusst, dass wir erst seit einem guten Monat unterwegs sind und die Notfallmedikamente nur für zwei derartige Zwischenfälle mit uns führen. Jedoch befinden wir uns jetzt irgendwo im Nirgendwo, und die letzte größere Ortschaft hatten wir vor mehr als vierzig Kilometern passiert. Auf das türkische Rettungswesen will ich mich nicht verlassen und die Adrenalin-Notfallspritze will ich auch nicht gleich ausprobieren. Ich bestehe darauf, dass Anja die beiden flüssigen Notfallpräparate sofort einnimmt, bevor wir vorsichtshalber umkehren, um in der erwähnten Ortschaft ein Krankenhaus oder Arzt zu suchen. Als Anja´s Arm während der nächsten Stunde nicht dramatisch anschwillt und sie auch sonst keine Anzeichen auf einen Allergieschock aufweist, setzen wir nach einiger Zeit die Fahrt doch wie geplant fort, denn eigentlich ist heute Kappadokien unser Ziel. Hier wollen wir uns wieder mit Anna und Tom treffen. Immer wieder stoppen wir unterwegs, um bei einem Kaffee einen Blick auf die Karte zu werfen und uns zu versichern, dass wir uns auf dem richtigen Kurs befinden. Die letzte Pause ist schon eine Weile her, als Anja zu mir herüberblickt: “Wo ist denn eigentlich das Handy?” Wir hatten es während der Pause benutzt, um unseren Freunden per SMS unsere Ankunft anzukündigen. “Keine Ahnung, du hast es doch gehabt, oder?” Sie hatte es vorne neben die Karte auf die Motorhaube gelegt. Das war vor vielleicht zehn Kilometern ... Ich trete auf die Bremse, und getrieben von einem Funken Hoffnung schauen wir nach, ob das Telefon nicht vielleicht einfach nur unter das Reserverad gerutscht ist. Aber wir können es nicht finden. Das Handy ist unser einziges Gerät, mit dem wir mit Anna und Tom in Verbindung treten konnten, und ohne das Telefon wäre ein Treffen in der weitläufigen Landschaft Kappadokiens ein unwahrscheinlicher Zufall. Wir drehen also um und fahren im Schritttempo und bei eingeschaltetem Warnblinklicht die Strecke bis zu der Stelle zurück, an der wir unsere letzte Pause gemacht hatten. Fehlanzeige! Wieder drehen wir und wiederholten das Manöver auf der gegenüberliegenden Fahrbahn, die suchenden Blicke fest auf den Boden gerichtet. “Der Junge da, der hat gerade was aufgehoben!” Anja deutete mit dem Finger auf einen vielleicht Siebenjährigen, der etwas entfernt die Fahrbahn überquert. Auf der anderen Straßenseite nimmt seine Mutter ihn an die Hand, und gemeinsam verschwinden die beiden in einer kleinen Seitengasse. Unsicher, ob wir die Verfolgung aufnehmen sollen, drehe ich erneut und fahre zu dem Punkt, wo die beiden in der Gasse verschwunden sind. Da sind sie wieder! Immer wieder dreht sich der Kleine um. Anja steigt aus und läuft den beiden hinterher. Vom Auto aus sehe ich, wie die drei sich wild gestikulierend austauschen, bis sie gemeinsam langsam zurück kommen. Der Junge führt uns zögernd an eine Stelle am Straßenrand, bückt sich und zaubert tatsächlich unser Telefon aus dem hohen Gras hervor! Scheinbar hatte er bemerkt, dass wir ihn beobachteten und das Handy wohl aus Angst, erwischt zu werden, wieder weggeworfen. Wir sind erleichtert, mindestens die SIM-Karte gerettet zu haben und bedanken uns deswegen herzlich bei Mutter und Sohn. Äußerlich hat das Gerät einige Schrammen und ist abgeschaltet. Wir schalten es ein, das Display ist noch intakt und wenige Sekunden später begrüßt uns die vertraute Melodie zur PIN-Eingabe. Es funktioniert einwandfrei! Spätestens jetzt hat es sich doch gelohnt, irgendwann einmal ein so klobiges, aber eben sehr robustes Outdoor-Handy gekauft zu haben. Unser Rendezvous mit Anna und Tom klappt perfekt. In einem kleinen Straßencafé in Göreme erzählen wir uns aufgeregt gegenseitig von den Erlebnissen der letzten Wochen. Gemeinsam bestaunen wir später die Felsbehausungen, die hier vor vielen Jahren von den Menschen in die weiche, bizarr geformte Felslandschaft gehauen wurden. Morgens – es ist noch fast dunkel – wecken uns stoßartige Fauchgeräusche, die mal näher, mal weiter weg erscheinen. Vom Dachzelt aus beobachten wir überall um uns herum um die sechzig Heißluftballons, die in die sanfte Morgendämmerung aufsteigen. Jeden Tag fahren sie, um Touristen die eindrucksvollen Felsformationen im besonders weichen Licht des Sonnenaufgangs zu präsentieren. Die Temperaturen liegen hier im zentralen Hochland um diese Jahreszeit nachts um den Gefrierpunkt, und auch tagsüber wird es mittlerweile recht kühl. Wir müssen uns mit unserem Dachzelt auf einiges gefasst machen. Irgendwo auf einer halbwegs ebenen Stelle in den Bergen bocke ich den Ländy auf und tausche die schwachen Federn gegen die von Tom mitgebrachten stärkeren Heavy Duty-Exemplare. Unser Gefährt steht nun endlich gerade, und die Federn schlagen auch auf der übelsten Piste fortan nicht mehr durch. Gemeinsam mit Anna und Tom sind wir weiter unterwegs, mit Kurs Nordost auf Schotterpisten und kurvigen Landstraßen durch wunderschöne Bergpanoramen. Genau auf einer solchen Landstraße ist es, als wir unerwartet hinter einer Kurve das Ergebnis des rasanten, gefährlichen Fahrstils einiger Türken mitansehen müssen. Ein Kleinwagen und eine Mercedes S-Klasse stehen sich vollkommen zerstört auf der Fahrbahn gegenüber. Überall liegen Trümmerteile verstreut, der Kleinwagen ist als Hochzeitsauto geschmückt. Davor liegt ein Mann auf der Fahrbahn. Die frontale Kollision muss erst wenige Minuten her sein. Nur wenige andere Autos sind an der Unfallstelle. Ich schnappe mir unseren Verbandskasten und laufe rüber zu dem Kleinwagen, will helfen. Überall Rufe, die Menschen schreien aufgeregt durcheinander. Das Gesicht des Mannes am Boden ist von blutenden Schnittwunden übersät, aber er ist bei Bewusstsein. Neben ihm kniet bereits ein Ersthelfer, der dem Verletzten eine Halskrause anlegt. Ich spähe kurz ins Innere auf die Rücksitze des Wagens, ob sich sonst noch jemand im Fahrzeug befindet, aber das Auto ist leer. Dann laufe ich zu dem schwarzen Mercedes hinüber. Alle Airbags haben sich geöffnet, im Fahrzeug läuft geisterhaft Entspannungsmusik. Der Fahrer liegt ohne Bewusstsein auf dem Rücken hinter seinem Gefährt. Einige Menschen umringen ihn, um zu helfen. In der Überzeugung, hier nichts weiter tun zu können, kehre ich zum Ländy zurück. Stumm und beklommen setzen wir unsere Fahrt fort und erreichten am Abend Trabzon. In der Stadt am Schwarzen Meer befindet sich das östlichste iranische Konsulat der Türkei. Hier soll die Beschaffung des Touristenvisums laut Internet am problemlosesten funktionieren. Gleich am folgenden Tag, einem Montag, schellen wir an der Pforte. Die eingangs erwähnte Mitarbeiterin öffnet, um uns kurz und bündig mitzuteilen, dass wir am Mittwoch wieder kommen sollen. Heute und am Dienstag würden keine Visa ausgestellt, da in der Türkei Feiertag sei. Unsere Nervosität schlägt in Enttäuschung um, resigniert ziehen wir ab und überlegen, wie wir die beiden Tage verbringen wollen. In Erwartung einiger vor uns liegender kalter Wochen, in denen wir möglicherweise auch Frostperioden durchstehen müssen, beschließen Anja und ich, unsere Standheizung irgendwie auch im Dachzelt nutzbar zu machen. Wir ziehen also los und durchforsten die Baumarktmeile in Trabzon nach verwertbarem Rohrleitungsmaterial. Das Ergebnis ist eine Konstruktion aus fünfzig Millimeter-Kunststoffwasserrohr und Winkelverbindern mit deren Hilfe es uns tatsächlich gelingt, die warme Luft in unser “Schlafzimmer” zu leiten. Welch ein Luxus! Wir verbringen die Nacht vor einem wunderschönen alpenähnlichen Panorama hoch oben in den Bergen am Uzungöl. Kaum verschwindet die Sonne hinter den Gipfeln, wird es bitterkalt – beste Voraussetzungen, um unsere neue Errungenschaft gleich zu testen. Am nächsten Morgen begrüßt uns Tom mit einem fröstelnd-fröhlichen “Mann, war das scheißekalt! Lebt ihr noch?” Die beiden schlafen zwar im Bus, hatten aber vor der Reise die Standheizung aus Platzgründen ausgebaut, was sie von nun an fast jeden Tag bereuen werden. Tom´s Außenthermometer loggte eine Tiefsttemperatur von minus acht Grad Celsuis, wir schliefen wohlig tief und fest und merkten von der Kälte draußen nichts. Am Mittwoch morgen stehen wir pünktlich um neun Uhr wie befohlen vor dem Eingang der Botschaft und schellen. Man bittet uns herein. Während wir die zweiseitigen Anträge ausfüllen, prüft man unsere Reisepässe. Es herrscht eine angespannte Stille, und Tom ist so aufgeregt, dass seine Hand zittert, Schweiß perlt von seiner Stirn. Die Benutzung der Toilette wird ihm verweigert. Alle nach uns eintreffenden Traveller werden gleich an der Pforte mit dem kurzen Satz “Come tomorrow!” abgefertigt. Obwohl bei den Beschäftigten keine wirkliche Betriebsamkeit zu beobachten ist, scheint es, als würden unsere Anträge die Bearbeitungskapazität zumindest für diesen Tag ausreizen, vielleicht gar sprengen. Wir sollen um fünf Uhr wiederkommen, dann wären unsere Visa fertig. In der Zwischenzeit muss jeder von uns fünfundsiebzig Euro auf das Konto der Botschaft einzahlen. In der Bank lässt man uns über zwei Stunden warten und ist anschließend nicht in der Lage, unsere türkischen Lira in Euro zu tauschen. Der Verweis auf den Exchange-Automaten in der Schalterhalle ist sinnlos, da wir kein Konto bei dem Institut haben und dieser daher für uns nicht funktioniert. Erst als sich die Filialleiterin einschaltet, geht’s auf einmal doch. Aufgeregt von einem Fuß auf den anderen tretend, klingeln wir genau um fünf Uhr wieder an der Tür der Botschaft, um unsere Visa in Empfang zu nehmen. “Come tomorrow!” schallt es blechern aus dem Außenlautsprecher. Das darf doch nicht wahr sein! Wahrscheinlich kann die “Geheimdienstagentin” unsere entgeisterten und fassungslosen Gesichter durch die Kamera sehen. Jedenfalls erscheint sie jetzt doch noch persönlich an der Tür, um sich zu entschuldigen – wir hatten mit unseren vier Anträgen tatsächlich die Kapazität gesprengt. Am nächsten Vormittag ist es endlich soweit, wir erhalten unsere Visa mit einer Aufenthaltserlaubnis von dreißig Tagen. Nach dieser Zwangspause geht die Reise mit Vollgas weiter Richtung Osten. Bis zur Grenze sind es noch fünfhundertfünfzig Kilometer.

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo 49 Farbfotos, drei s/w-Fotos
Verlagsort Krefeld
Sprache deutsch
Maße 1200 x 190 mm
Gewicht 350 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur
Reisen Reiseberichte Afrika
Reisen Reiseberichte Asien
Schlagworte 4x4 • Abenteuer • Abenteuerreise • Allrad • Asien • Aussteiger • Camping • Defender • grenzenlos • HZJ • Landrover • Land Rover • Mittlerer Osten • Naher Osten • Nomadenleben • Oman • Outdoor • Reise • Saudi Arabien • Weltreise
ISBN-10 3-9817174-1-4 / 3981717414
ISBN-13 978-3-9817174-1-9 / 9783981717419
Zustand Neuware
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