Die Reise mit Charley - John Steinbeck

Die Reise mit Charley

Auf der Suche nach Amerika

(Autor)

Buch | Hardcover
304 Seiten
2002
Zsolnay, Paul (Verlag)
978-3-552-05190-4 (ISBN)
19,90 inkl. MwSt
zur Neuauflage
  • Titel erscheint in neuer Auflage
  • Artikel merken
Zu diesem Artikel existiert eine Nachauflage
Zum 100. Geburtstag des Nobelpreisträgers erscheint Steinbecks berühmter Roman in neuer Übersetzung von Burkhart Kroeber. Wie kein anderer hat Steinbeck auch in diesem Buch die Vielfalt und die Widersprüchlichkeit seines Landes dargestellt. 1960 macht sich der damals 58jährige noch einmal "auf die Suche nach Amerika" und fährt in Begleitung seines Pudels Charley elf Wochen quer durch 34 Bundesstaaten. Ironische Beobachtungen, skurrile Begegnungen und hellsichtige Diagnosen vermischen sich zu einem einzigartigen Reisebuch eines modernen Tramps - ein unverstellter Blick ins Innere von Amerika.

Zum 100. Geburtstag des Nobelpreisträgers erscheint Steinbecks berühmter Roman in neuer Übersetzung von Burkhart Kroeber. Wie kein anderer hat Steinbeck auch in diesem Buch die Vielfalt und die Widersprüchlichkeit seines Landes dargestellt. 1960 macht sich der damals 58-jährige noch einmal "auf die Suche nach Amerika" und fährt in Begleitung seines Pudels Charley elf Wochen quer durch 34 Bundesstaaten. Ironische Beobachtungen, skurrile Begegnungen und hellsichtige Diagnosen vermischen sich zu einem einzigartigen Reisebuch eines modernen Tramps - ein unverstellter Blick ins Innere von Amerika.

John Steinbeck, amerikanischer Erzähler deutsch-irischer Abstammung, geboren am 27. Februar 1902 in Pacific Grove bei Salinas, Kalifornien, gestorben 1968 in New York. Studierte Naturwissenschaften in Stanford. Gelegensheitsarbeiter, später Reporter und im Zweiten Weltkrieg Kriegsberichterstatter. Für sein erzählerisches Werk wurde er unter anderem mit dem Pulitzerpreis und dem Nobelpreis ausgestattet.

Mein Plan war klar, präzise und vernünftig, denke ich. Viele Jahre lang bin ich in vielen Teilen der Welt gereist. In Amerika lebe ich in New York oder schaue kurz in Chicago oder San Francisco vorbei. Aber New York ist so wenig Amerika, wie Paris Frankreich oder London England ist. So entdeckte ich eines Tages, daß ich mein eigenes Land nicht mehr kannte. Ich, ein amerikanischer Schriftsteller, der über Amerika schreibt, arbeitete aus dem Gedächtnis, und das Gedächtnis ist bestenfalls ein schadhafter, undichter Speicher. Zu lange hatte ich die Sprache Amerikas nicht mehr gehört, sein Gras, seine Bäume, seine Abwassergräben nicht mehr gerochen, seine Hügel und Gewässer nicht mehr gesehen, seine Farben und die Eigenart seines Lichts. Ich kannte die Veränderungen nur aus Büchern und Zeitungen. Aber nicht nur das: Ich hatte das Land seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr gefühlt. Kurzum, ich schrieb über etwas, das ich nicht kannte, und mir scheint, bei einem, der sich Schriftsteller nennt, ist das kriminell. Meine Erinnerungen waren durch fünfundzwanzig vergangene Jahre verzerrt worden.
Früher war ich in einem alten Lieferwagen durchs Land gezockelt, einem zweitürigen Klapperkasten mit einer Matratze auf dem Boden. Ich hatte angehalten, wo Leute standen oder zusammenkamen, hatte zugehört und hingesehen und gefühlt, und auf diese Weise hatte ich ein Bild meines Landes gewonnen, dessen Genauigkeit nur durch meine eigenen Unzulänglichkeiten getrübt worden war.
So beschloß ich, erneut hinzusehen und zu versuchen, dieses monströse Land wiederzuentdecken. Andernfalls hätte ich beim Schreiben nicht mehr die kleinen diagnostischen Wahrheiten ausdrücken können, die das Fundament der größeren Wahrheiten sind. Sofort erhob sich eine erste Schwierigkeit. In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren war mein Name ziemlich bekannt geworden. Und ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Leute, wenn sie von einem gehört haben, ob in gutem Sinne oder nicht, sich verändern; aufgrund der Befangenheit oder der anderen Reaktionen, die ein bekannter Name hervorruft, verhalten sie sich anders, als sie es unter normalen Umständen tun würden. Daher verlangte meine Reise, daß ich meinen Namen und meine Identität zu Hause ließ. Ich mußte ein Paar wandelnder Augen und Ohren sein, eine Art reisende Fotoplatte. Ich durfte mich in kein Hotelregister eintragen, keine Leute treffen, die ich kannte, keine anderen interviewen oder auch nur befragen. Außerdem stören zwei oder mehr Menschen das ökologische Gleichgewicht einer Region. Ich mußte also allein reisen und autark sein, ähnlich einer Schildkröte, die ihr Haus auf dem Rücken trägt.
Mit alldem im Kopf schrieb ich an die Geschäftsleitung eines großen Konzerns, der Lastwagen herstellt. Ich erläuterte ihr mein Vorhaben und was ich dazu brauchte. Ich wollte einen Dreiviertel-Tonner mit Ladefläche, der jedem Gelände auch unter härtesten Bedingungen gewachsen war, und auf der Ladefläche wollte ich ein kleines Haus ähnlich einer Bootskajüte haben. Ein Wohnanhänger ist auf Bergstraßen schwer manövrierbar, läßt sich unmöglich oder nur illegal parken und unterliegt allerlei Beschränkungen. Nach gebührender Zeit kam die Beschreibung eines robusten, schnellen und bequemen Fahrzeugs mit einem Camper-Aufsatz - eine Kabine mit Doppelbett, vierflammigem Herd, Heizofen, Kühlschrank und Lampen, alles mit Butangas betrieben, dazu eine chemische Toilette, Wandschrank, Vorratsschrank und Fenster mit Insektengittern. Genau das, was ich wollte. Es wurde im Sommer zu meinem kleinen Fischeranwesen in Sag Harbor unweit der Spitze von Long Island geliefert. Zwar wollte ich nicht vor Labor Day* aufbrechen, wenn die Nation wieder zum normalen Leben zurückkehrt, aber ich wollte mich schon ein bißchen an mein Schildkrötenhaus gewöhnen, es einrichten und kennenlernen. Es kam im August, ein prächtiges Gefährt, stark und doch wendig. Es ließ sich fast so leicht handhaben wie ein Personenwagen. Und weil meine geplante Reise schon ein paar sarkastische Bemerkungen unter meinen Freunden hervorgerufen hatte, taufte ich es "Rosinante", was bekanntlich der Name von Don Quijotes Pferd war.
Da ich aus meinem Projekt kein Geheimnis machte, erhob sich unter meinen Freunden und Ratgebern eine Anzahl von Einwänden. (Eine geplante Reise erzeugt Ratgeber in Scharen.) So wurde ich darauf hingewiesen, daß es mir angesichts der weiten Verbreitung meines Fotos, für die mein Verleger nach Kräften gesorgt hatte, so gut wie unmöglich sein werde, unerkannt zu reisen. Ich möchte hier gleich vorausschicken, daß ich auf mehr als zehntausend Meilen in vierunddreißig Staaten kein einziges Mal erkannt worden bin. Ich glaube, die Leute erkennen jemanden nur im Kontext. Selbst diejenigen, die mich vor einem Hintergrund, wie sie ihn bei mir erwarten, vielleicht identifiziert hätten, haben mich in keinem Fall am Steuer von Rosinante erkannt.
Des weiteren wurde ich darauf hingewiesen, daß der Name Rosinante, den ich in barockem Spanisch auf die Seite des Wagens gepinselt hatte, an manchen Orten Neugier und entsprechende Fragen hervorrufen werde. Ich weiß nicht, wie vielen Menschen der Name ein Begriff war, jedenfalls hat mir keiner jemals irgendeine Frage über ihn gestellt.


Sodann wurde mir bedeutet, daß ein Fremder, der ohne erkennbaren Grund durchs Land fährt, Anlaß zu allerlei Nachforschungen geben und sogar Verdacht erregen werde. Darum hängte ich eine Schrotflinte, zwei Gewehre und ein paar Angelruten in den Wagen, denn ich habe die Erfahrung gemacht, daß jemand, der auf die Jagd oder zum Angeln geht, allgemeines Verständnis und sogar Zustimmung findet. In Wahrheit sind meine Jägertage vorbei. Ich töte oder fange nichts mehr, was nicht in eine Bratpfanne paßt; ich bin zu alt, um Töten als Sport zu betreiben. Diese Bühnenausstattung erwies sich jedoch als unnötig.
Schließlich wurde mir gesagt, daß meine New Yorker Nummernschilder Interesse wecken und vielleicht Fragen auslösen würden, denn sie waren die einzigen äußeren Erkennungszeichen, die ich hatte. Und so geschah es auch wirklich, vielleicht zwanzig- bis dreißigmal während der Reise. Aber diese Begegnungen folgten einem immergleichen Muster, und das ging ungefähr so:
Einheimischer: "New York, eh?"
Ich: "Yep."
Einheimischer: "Bin achtunddreißig da gewesen - oder war's neununddreißig? Alice, war's achtunddreißig oder neununddreißig, daß wir nach New York gefahren sind?"
Alice: "Das war sechsunddreißig. Ich weiß es noch genau, weil's das Jahr war, in dem Alfred gestorben ist."
Einheimischer: "Na jedenfalls, ich hab's scheußlich gefunden. Würd' nicht da leben wollen, auch wenn Sie mich dafür bezahlten."
Viele waren ehrlich besorgt, daß ich allein reisen wollte, ungeschützt gegen Angriffe, Raubüberfälle und dergleichen. Man weiß ja, wie gefährlich unsere Straßen sind. Und ich muß zugeben, hier hatte ich selber mulmige Gefühle. Es ist einige Jahre her, daß ich allein gelebt habe, namenlos, ohne Freunde, ohne all jenen Schutz, den einem die Familie, die Nachbarn und Bekannten geben.

Nachwort Burkhart Kroeber
Übersetzer Burkhart Kroeber
Sprache deutsch
Original-Titel Travels with Charley
Maße 134 x 209 mm
Gewicht 448 g
Einbandart kartoniert
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Schlagworte USA; Reisebericht/Erlebnisbericht • USA; Reise-/Erlebnisber. • USA; Reise-/Erlebnisbericht • USA; Reise-/Erlebnisberichte
ISBN-10 3-552-05190-2 / 3552051902
ISBN-13 978-3-552-05190-4 / 9783552051904
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von Iris Wolff

Buch | Hardcover (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
24,00
Roman

von Joseph Conrad

Buch | Hardcover (2024)
Manesse (Verlag)
38,00