Was dich nicht tötet - Those Girls (eBook)
464 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403632-8 (ISBN)
Chevy Stevens ist die einzige Kanadierin unter den internationalen Top-Thrillerautor:innen. Sie lebt in Nanaimo auf Vancouver Island mit seiner beeindruckenden Natur. Ihre eindrücklichen Thriller um Frauen, die ums Überleben kämpfen, stehen weltweit auf den Bestsellerlisten. Chevy Stevens ist auf einer Ranch aufgewachsen und liebt Wandern, Paddeln und Zelten mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihren Hunden.
Chevy Stevens ist die einzige Kanadierin unter den internationalen Top-Thrillerautor:innen. Sie lebt in Nanaimo auf Vancouver Island mit seiner beeindruckenden Natur. Ihre eindrücklichen Thriller um Frauen, die ums Überleben kämpfen, stehen weltweit auf den Bestsellerlisten. Chevy Stevens ist auf einer Ranch aufgewachsen und liebt Wandern, Paddeln und Zelten mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihren Hunden. Maria Poets übersetzt seit vielen Jahren Belletristik, darunter viele Spannungstitel, und zeichnet sich u.a. durch Dialogstärke und ihr Gespür für Ton und Tempo aus. Sie lebt als freie Übersetzerin und Lektorin in Norddeutschland.
›Those Girls – Was dich nicht tötet‹ ist ein packender Thriller mit äußerst überzeugenden Charakteren.
erzählt von […] starken Mädchen, die sich gegen ihre Peiniger zur Wehr setzen, was das Buch zu einem starken Thriller um Rache und Widerstand macht.
›Those Girls‹ ist so mörderisch spannend, dass man das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen kann – und das trotz des großen Umfangs.
Chevy Stevens webt ein derartig bedrohliches Netz, dass man die Protagonistinnen am liebsten warnen möchte.
Teil 1
Jess
1. Kapitel
Juli 1997
Wir waren gerade mal eine Stunde unterwegs, als uns bereits das Benzin knapp wurde. Die durchgezogene Mittellinie auf dem Highway verschwamm vor meinen Augen, mir wurden die Lider schwer. Es war drei Uhr morgens, und wir hatten seit Tagen kaum geschlafen. Dani fuhr. Sie war blass, ihre langen, dunkelblonden Haare wurden von einer Baseballkappe in einem improvisierten Pferdeschwanz zurückgehalten, den Blick hatte sie starr geradeaus gerichtet. Eigentlich hieß sie Danielle, aber wir nannten sie nur Dani. Mit fast achtzehn war sie die Älteste von uns und die Einzige, die einen Führerschein hatte. Seit wir Littlefield verlassen hatten, hatte sie kaum ein Wort gesprochen.
Rechts von mir starrte Courtney ebenfalls aus dem Fenster. Als ihr Lieblings-Country-Song »Wide Open Spaces« von den Dixie Chicks im Radio kam, schaltete sie es aus und blickte wieder hinaus in die dunkle Nacht. Sie rieb sich über die Wangen, und ich merkte, dass sie weinte. Ich drückte ihre Hand. Sie erwiderte die Geste. Ihr Haar hing schlaff herunter, auf der eine Seite hatte sie ein paar Strähnen nach vorn gezogen, um die Verbrennung zu verbergen, eine leuchtend rote Wunde am Kinn.
Keine von uns war jemals so weit von zu Hause fort gewesen. In einem Eisenwarengeschäft hatten wir eine Karte gefunden – Dani hatte sie gestohlen, während wir Schmiere gestanden hatten – und gewissenhaft unsere Route nach Vancouver geplant. Wir schätzten, dass wir die Strecke in etwa acht Stunden schaffen könnten, solange der Pick-up durchhielt. Vorher mussten wir allerdings in Cash Creek anhalten und uns von einem Ex von Courtney etwas Kohle borgen.
Es war Mitte Juli und so heiß, dass man nicht nach draußen gehen konnte, ohne das Gefühl zu haben, die Haut würde sofort zu kochen anfangen. Unsere Haut war goldbraun, Sommersprossen bedeckten unsere Gesichter und Oberarme – das liegt bei uns in der Familie. Seit Monaten wurde überall vor der Waldbrandgefahr gewarnt, ein paar Ortschaften waren bereits evakuiert worden. Alles war vertrocknet, die Felder waren hellgelb, die Gräser in den Gräben mit einer grauen Staubschicht überzogen. Wir trugen Jeansshorts und T-Shirts, unsere Haut war selbst so spät in der Nacht schweißnass, und die Luft roch heiß.
Ich berührte den Fotoapparat, der an meinem Hals hing. Meine Mom hatte ihn mir geschenkt, kurz bevor sie starb. Dani hasste es, wenn ich sie fotografierte, aber Courtney liebte es – zumindest hatte sie es früher geliebt. Wie es jetzt war, wusste ich nicht. Ich schaute wieder zu ihr hinüber, dann auf meine abgebissenen Fingernägel. Manchmal bildete ich mir ein, ich könnte noch das Blut darunter sehen, als wäre es in meine Haut eingesickert wie in unseren Fußboden.
»Wir müssen demnächst tanken«, sagte Dani so unvermittelt, dass ich zusammenfuhr.
Courtney wandte den Blick vom Fenster ab. »Wie viel Geld haben wir?«
»Nicht genug.« Ehe wir die Stadt verlassen hatten, hatten wir etwas Diesel aus dem Truck eines Nachbarn gesaugt und so viel Essen wie möglich zusammengesucht, hatten Obst und Gemüse von den Feldern gepflückt, den Hennen die Eier aus dem Nest geklaut und alles in unsere Kühlbox gepackt. Unsere Schränke waren zu dem Zeitpunkt schon längst leer – wir hatten von Suppen, Dosenfraß, Reis und den letzten paar Kilo Rehfleisch gelebt, die von dem Bock übrig geblieben waren, den Dad im Frühling geschossen hatte. Wir hatten unser Geld zusammengelegt – ich hatte ein paar Dollar vom Babysitten, und Dani hatte noch etwas von dem Geld, das sie für ihre Hilfe bei der Heuernte bekommen hatte. Aber den Großteil davon hatte sie bereits in diesem Jahr ausgegeben, als sie versucht hatte, uns über Wasser zu halten.
»Wir könnten etwas Geld für deine Kamera bekommen«, sagte sie.
»Kommt nicht in Frage!«
»Courtney hat ihre Gitarre verkauft.«
»Du weißt, warum sie sie wirklich verkauft hat«, sagte ich. Daraufhin sagte Dani nichts mehr. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber ich konnte es nicht tun, konnte nicht mein einziges gutes Stück hergeben.
»Was sollen wir machen?«, fragte ich jetzt.
»Wir werden Benzin klauen«, sagte Dani wütend.
Dani klang immer angefressen, aber ich scherte mich nicht darum, solange sie nicht richtig sauer war. Dann sah ich zu, dass ich ihr nicht in die Quere kam.
Sie hatte ein Recht darauf, wütend zu sein. Wir alle hatten das.
Im nächsten Ort entdeckten wir eine Tankstelle, eine alte Chevron mit zwei uralten Zapfsäulen und einer einsamen Gestalt, die schemenhaft durch das Fenster erkennbar war. War das der Einzige, der hier arbeitete? Wir fuhren vor, der Kies knirschte unter den Reifen. Dani stellte den Motor aus, doch wir blieben noch eine Weile sitzen, während der Motor knackend abkühlte. Ich hielt meinen Fotoapparat fest umklammert.
»Jess, geh rein und sieh nach, ob noch jemand da ist«, sagte Dani.
Ich warf ihr einen Blick zu, doch in ihrer Miene regte sich nichts. »Okay.« Ich versuchte, selbstsicher zu klingen, aber so etwas hatten wir nie zuvor getan – nur im Laden Lebensmittel und Schminkzeug mitgehen lassen, Kleinkram eben. Natürlich war das mein Job. Courtney war zu hübsch – sie hatte dasselbe dunkelblonde Haar wie wir alle, aber sie hellte es mit Peroxid auf, und sie hatte die blauen Augen unseres Vaters, die bei ihrer gebräunten Haut noch heller wirkten. Und jetzt, mit dieser Brandwunde, würden sich die Leute erst recht an sie erinnern. Ich dagegen war für meine vierzehn Jahre ziemlich klein, hatte glattes, mausbraunes Haar und grüne Augen. Mich vergaßen die Menschen rasch wieder.
Eine Glocke schellte, als ich die Tür öffnete. Der Typ hinter der Ladentheke blickte auf. Er war jung, vielleicht Anfang zwanzig, hatte lange Koteletten und Akne. Ich sah mich um und entdeckte niemanden sonst, der hier arbeitete. Der Laden war leer, und es gab auch keine Überwachungskameras oder Monitore. Ich räusperte mich.
»Kann ich den Schlüssel für den Waschraum haben?«
Er schob einen Schlüssel über die Theke, dann schaute er wieder nach unten in seine Zeitschrift. Ich stöberte ein wenig in den Regalen, dann ging ich nach draußen und zur Rückseite des Ladens, wo ein Schild auf die Waschräume hinwies. Neben den Toiletten befand sich ein Waschsalon für die Trucker. Ich suchte im Geldeinwurf und unter den Maschinen nach vergessenem Wechselgeld – manchmal hatte man Glück, aber nicht heute. Im Mülleimer fand ich ein paar Getränkedosen und eine Pizzaschachtel mit ein paar Rindenstückchen. Mein Magen knurrte, aber ich ließ die Schachtel, wo sie war, und ging in den Waschraum. Ich benutzte die Toilette, wusch mir die Hände und blickte in den Spiegel. Meine Augen wirkten groß, der Blick verstört. Das Neonlicht über mir summte laut, der Raum kam mir plötzlich kalt und leer vor.
Ich drehte mein Gesicht, so dass ich den blauen Fleck an meinem Kinn erkennen konnte. Das Make-up war verschmiert. Ich verrieb es mit dem Finger und verteilte es gleichmäßig. Ich trat zurück und starrte mein Spiegelbild an. Ich versuchte, die Augen schmal zu machen und die Schultern zu straffen, und zog energisch meine Mütze tiefer, um tougher auszusehen, mehr wie Dani. Es funktionierte nicht.
Ich gab den Schlüssel ab und ging zum Pick-up zurück.
»Und?«, fragte Dani durchs Fenster.
»Da ist nur der Typ am Tresen – er liest den Playboy oder so was.«
Sie nickte.
»Und jetzt?«, fragte ich.
»Courtney, du gehst rein und redest mit ihm.«
»Wieso ich?«, fragte Courtney.
Dani sah sie nur an. Courtney stieß einen tiefen Seufzer aus, öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse und kletterte aus dem Truck.
»Ich gehe mit rein«, sagte ich.
»Nein. Bleib im Truck, Jess.«
»Aber ich hab Hunger!«
»Herrgott nochmal.« Dani meckerte die ganze Zeit, ich würde zu viel essen, trotzdem gab sie mir immer eine Extraportion.
Ich folgte Courtney in den Laden. Sie beugte sich über den Tresen und begann, mit dem Typ zu reden, der prompt seine Zeitschrift weglegte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Dani den Pick-up an eine der Zapfsäulen fuhr. Rasch lief ich durch die Gänge und stopfte mir Schokoriegel und Snacks in die Taschen. Courtney spähte hin und wieder aus dem Fenster und wartete auf das Zeichen. Ich behielt Dani ebenfalls im Auge. Endlich schob sie ihre Baseballkappe hoch und strich sich über die Augenbraue.
Ich verließ den Laden und stieg in den Wagen. Courtney nahm den Stift, den der Typ ihr hinhielt, und schrieb etwas auf ein Stück Papier. Er lächelte breit. Sie tat, als suche sie in den Taschen ihrer Shorts, dann schüttelte sie den Kopf und deutete auf den Pick-up.
Ganz langsam kam sie auf uns zu und wiegte dabei die Hüften hin und her. Der Typ starrte ihr von drinnen fasziniert nach. Sie kletterte in den Truck, ließ es aussehen, als suche sie ihr Portemonnaie, und knallte dann die Tür hinter sich zu. Dani gab Gas. Schleudernd erreichte der Pick-up die Straße und schlingerte am staubigen, trockenen Rand hin und her. Ich sah, wie hinter uns der Typ aus dem Laden gerannt kam, ein Telefon in der Hand, und bereits die Polizei rief. Unser Nummernschild war mit getrocknetem Matsch bedeckt, trotzdem raste mein Herz. Wenn wir erwischt würden, würde man uns zurück nach Littlefield bringen, und die Cops würden Fragen stellen – eine Menge Fragen.
Ich drehte mich um und kramte meine Schokoriegel hervor. Schweigend aßen wir in der Dunkelheit.
»Wisst ihr noch, wie Dad uns früher jedes Jahr zu Weihnachten Caramilk-Riegel...
Erscheint lt. Verlag | 23.6.2016 |
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Reihe/Serie | Kanada-Thriller | Kanada-Thriller |
Übersetzer | Maria Poets |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Aktuelle Psychothriller • Angst • Bestseller • Böse • Claire Douglas • Columbia • Crime • Farm • Fesselnd • Fluss • Freida McFadden • Gewalt • Grauen • Harlan Coben • harter Thriller • Joy Fielding • Kanada • karen dionne • Karin Slaughter • louise penny • Mädchen • Missbrauch • Misshandlung • Nervenkitzel • Opfer • Psychopath • Psychothriller • Rache • Romy Hausmann • Schwester • Schwestern • Sommer • Spannung • Thriller • Tochter • Truck • Überleben • Vancouver • Verbrechen • Vergewaltigung |
ISBN-10 | 3-10-403632-2 / 3104036322 |
ISBN-13 | 978-3-10-403632-8 / 9783104036328 |
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