Die Spur des Barolo (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
400 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42740-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Spur des Barolo -  Paul Grote
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Der zwölfte Band der Weinkrimi-Reihe Die fröhliche Weinreise ins Piemont endet im Desaster. Arnold Sturm, einer der sieben Düsseldorfer Weinfreunde, ist spurlos verschwunden. Und zwar, wie es aussieht, auf dem Rückflug von Turin. Wurde er entführt? Aber wie und warum? Und lebt er noch? Ehefrau Francesca will so rasch wie möglich Antworten auf diese Fragen, aber die Behörden erweisen sich als wenig kooperativ. Also nimmt die energische Italienerin die Sache selbst in die Hand und stellt, als Wein-Einkäuferin getarnt, Nachforschungen an.

Paul Grote ist Deutschlands bekanntester Weinkrimi-Autor. Als Reporter in Südamerika entdeckte er sein Interesse für Wein und Weinbau und machte ihn zu seinem Thema. Seitdem hat er die wichtigsten europäischen Weinbaugebiete bereist und 18 Weinkrimis veröffentlicht.

Paul Grote ist Deutschlands bekanntester Weinkrimi-Autor. Als Reporter in Südamerika entdeckte er sein Interesse für Wein und Weinbau und machte ihn zu seinem Thema. Seitdem hat er die wichtigsten europäischen Weinbaugebiete bereist und 18 Weinkrimis veröffentlicht.

1


Wieso kam er nicht? Vor dem Abflug erst hatte er angerufen – da war noch alles in Ordnung gewesen. Es wird etwas passiert sein, dachte sie und schluckte. Sie fasste sich an den Hals, das Luftholen fiel ihr plötzlich schwer. Sie merkte, wie ihr Mund trocken wurde, die Beklemmung begann im Magen – und Hitze stieg ihr in die Wangen. Mühsam kämpfte sie gegen die Panik an.

Es muss etwas passiert sein, dachte sie, denn die Maschine aus Turin war längst gelandet. Wo blieben seine Begleiter? Warteten sie noch am Gepäckband auf ihre Koffer? Sie waren zu siebt unterwegs gewesen.

Francesca blickte auf die kleine goldene Uhr, die Arnold ihr zum zehnten Hochzeitstag geschenkt hatte. Die anderen Passagiere aus der Maschine hatten längst den Zollbereich passiert, da war sich Francesca absolut sicher. Für Italiener hatte sie einen Blick, es war momentan die einzige Maschine aus Italien, außerdem hatte die Frau eben ziemlich laut geredet.

»Non puoi neanche immaginarti quanta acqua è venuta giù prima della partenza, volevano persino posticipare il decollo.«

Aber der Start war nicht verschoben worden, der schwere Regen hatte nachgelassen, und die Maschine war pünktlich gestartet. Jetzt wartete sie hier bereits seit einer Dreiviertelstunde …

Wieder schaute sie auf die Uhr und blickte sich um. Einige Meter weiter rechts stand, wie sie vorhin bemerkt hatte, die Frau von Dr. Arlitt. Der Internist gehörte zu Arnolds Verein, es war die zweite oder dritte Weinreise, die sie gemeinsam unternahmen, persönlich nähergekommen war man sich jedoch auch bei gegenseitigen Einladungen nicht.

Frau Doktor jedenfalls, wie sie sich gern nennen ließ, hatte an nichts weiter Interesse geäußert als an ihrem Bridgeclub und den Modeläden auf der Königsallee. Ihr Mann kannte lediglich seinen Beruf und den Weinclub. Das Interesse an teuren Roten war wirklich die einzige Verbindung zu Arnold. Ob Arlitt als Arzt taugte, hatte er lieber nicht herausfinden wollen. Die Begleiterin von Hanna Arlitt, klein und pummelig – die hochgesteckten Haare machten sie auch nicht größer, dazu ein rosa Wollkostüm, der Rock viel zu eng –, gehörte auch zum Kreis der Weinfreunde. Sie war Francesca, wenn sie sich recht erinnerte, anlässlich eines fünfzigsten Geburtstags vorgestellt worden. War sie mit Trautmann verheiratet oder mit Grünleger? Es war seinerzeit bei höflichen Floskeln geblieben, so war ihr Eindruck oberflächlich, das gegenseitige Interesse hatte sich in Grenzen gehalten.

Die beiden Frauen hatten sich anscheinend viel zu sagen, nicht eine Sekunde schauten sie herüber. Francesca schien es, als wichen sie bewusst ihrem Blick aus. Entweder wollen sie mich nicht kennen oder übersehen mich geflissentlich, sagte sie sich. Andererseits fühlte sie sich in keiner Weise bemüßigt, hinüberzugehen. Die beiden machten trotz der Verspätung ihrer Männer nicht den Eindruck, als seien sie beunruhigt, ganz im Gegensatz zu ihr. Aber wie Francesca bemerkt hatte, waren beide angerufen worden, die Kleine in Rosa, das farblich auf ihr Mobiltelefon abgestimmte Kleid war ihr sofort aufgefallen, hatte kurz herübergeschaut und sofort wieder weggeguckt.

Normalerweise schaltete Arnold sein Mobiltelefon ein, sobald er nach der Landung eine Maschine verließ und sie ihm sagen konnte, wo auf dem Düsseldorfer Flughafen sie parkte oder auf welchem Parkdeck sie den Wagen für ihn abgestellt hatte. Wenn die Arbeit es zuließ, holten sie sich gegenseitig ab oder brachten sich zum Bahnhof oder Flughafen, es war ein lieb gewordenes Ritual, seit sie sich kannten.

Francesca rief erneut bei Arnold an, doch die Telefonstimme wiederholte nur, was sie bereits zweimal gesagt hatte: Der Dienst stünde momentan nicht zur Verfügung. Das war ein weiterer Stich im Magen.

Inzwischen musste eine Maschine aus Indien gelandet sein, Frauen in farbenfrohen Saris mit Kindern in den Armen und Männer mit Bergen von Koffern hinter überladenen Gepäckwagen drängten zum Ausgang.

Da, hinter den Glaswänden, tauchte Dr. Arlitt auf und winkte seiner Frau zu, nein, jetzt winkte er sie heran, und auch die Dame in Rosa folgte. Da entdeckte der Arzt, dass Francesca sich der Absperrung näherte. Sofort änderte sich seine Haltung. Als sei er bei etwas Verbotenem ertappt worden, ließ er den Arm sinken, starrte sie durch das Glas an, was sein Gesicht grotesk verzerrte, und wich zurück.

Es ist etwas passiert, dachte Francesca, es muss etwas passiert sein, etwas mit Arnold. Ihr Herz schlug schneller, sie versuchte, ruhiger zu atmen, sie spürte, wie eine Angst nach ihr griff, die sie nicht ignorieren konnte. Da bemerkte sie, dass auch Frau Doktor Arlitt zu ihr herüberblickte. Fragend? Nein, eher zornig, als wäre sie der Grund für die Verspätung. Dafür, dass ihr Mann sich wie in Quarantäne hinter den Glaswänden befand und sich nicht hervorwagte.

Hatte Arnold geschmuggelt und war vom Zoll erwischt worden? Was ließ sich im innereuropäischen Flugverkehr überhaupt schmuggeln? Nein, Arnold war nicht dumm, und wenn er etwas Ungesetzliches tat, ließ er sich nicht erwischen. Um Wein konnte es sich nicht handeln. Die auf ihren Reisen eingesammelten und bestellten Weine ließen sich die Mitglieder des 1. Düsseldorfer Weinclubs immer von der Spedition liefern.

Dr. Arlitt wirkte unentschlossen, als wisse er nicht, wem er sich zuwenden solle, seiner Frau oder Francesca. Dann machte er auf dem Absatz kehrt, ungreifbar verschwand er zwischen spiegelnden Glaswänden. Verstohlen stand da noch der Ehemann vom rosa Kostüm – das war Grünleger – und winkte linkisch. Er entdeckte Francesca, tat, als bemerke er sie nicht, und drehte sich weg.

Wieso tauchte Arnold nicht endlich auf, um ihr ein Zeichen zu geben? Wenigstens ein Zeichen, bitte, irgendeines, flehte sie im Stillen …

Wie eine Klammer legte sich die Angst jetzt um Francescas Hals und drückte zu, die Bedrohung war real, da war etwas geschehen. Von den anderen Männern, die mit im Piemont gewesen waren, zeigte sich keiner. Francesca fühlte sich gänzlich von der Hitze überschwemmt und stand hier mit glühenden Wangen. So hatte sie sich zuletzt mit fünfzehn gefühlt, als die Polizei ihr mitgeteilt hatte, dass ihre Eltern auf der Rückfahrt von Turin hinter dem Bernardino-Tunnel den schweren Autounfall gehabt hatten.

Gerade in dem Moment, als sie sich den beiden Frauen zuwenden wollte, erschien der Völkerkundler Trautmann im Ausgang. Der Professor legte immensen Wert darauf, dass man ihn Ethnologe statt Völkerkundler nannte, und bei passender und unpassender Gelegenheit zitierte er sein großes Vorbild, Claude Lévi-Strauss, und den von diesem postulierten Strukturalismus als Mittel, andere Völker zu begreifen. Was darunter zu verstehen war, hatte er nie erklärt. Konnte er es überhaupt?

Dem Professor folgte Grünleger, der Oberregierungsrat im Finanzministerium, heute noch farbloser als sonst, dafür einen Sonnenbrand auf der Nase. Beide zogen die Rollkoffer zaghaft hinter sich her, unbeholfen wie Jungen, die zu spät vom Spielen heimkamen und Angst hatten, dass Mutti schimpft. Was war ihnen peinlich? Dass sie Arnold in Turin vergessen hatten? Absurd, allein der Gedanke war grotesk.

Eilig drängte Dr. Arlitt an den beiden vorbei, er stürzte auf seine Frau zu, als müsse er die Begegnung mit Francesca unbedingt vermeiden. Trautmann hingegen steuerte nach einem tiefen Seufzer mit ausgestreckter Hand auf sie zu.

»Frau Sturm?«

Sie zuckte zusammen. Wieso fragt er mich nach meinem Namen, wo er mich doch kennt? Wir waren bei ihm zu Hause, es war sein Fünfzigster gewesen. Francesca wollte etwas sagen, doch sie krächzte nur, die Worte blieben ihr im Halse stecken.

»Ihr Mann, äh …« Jetzt zögerte Trautmann und wandte sich um, als könne er von Arlitt oder Grünleger Hilfe erwarten.

Francesca stockte der Atem. »Wo ist Arnold?« Mehr brachte sie nicht heraus. Sie reckte sich, um zu sehen, wer hinter dem Völkerkundler aus dem Ausgang trat. »Was ist mit ihm? Was ist passiert?«

Ihre eigene Stimme kam ihr fremd vor. Sie presste die Lippen zusammen, um ihn nicht anzubrüllen. Was wurde hier aufgeführt, was sollte das Theater?

»… er ist nicht, äh, mitgekommen!«, stammelte Trautmann und räusperte sich verlegen.

»Nicht mitgekommen? Wie? Er ist dageblieben, im Piemont, in Turin? Wo?«

»Nein, auch das nicht …« Ratlos zuckte Trautmann mit den Achseln.

»Obwohl wir zusammen eingecheckt haben«, platzte es aus Dr. Arlitt heraus, der jetzt näher gekommen war. Er sprach, als wolle er jedes Wort möglichst schnell hinter sich bringen. »Mehr wissen wir nicht.«

In einer Geste der Hilflosigkeit breitete er die Arme aus und machte ein ziemlich dummes Gesicht.

»Beim Boarding war er noch da.« Reinhold Kirsch, den Francesca recht gut kannte und mit dem sie sich duzten, war herangekommen. »Wirklich, Francesca, ich habe ihn gesehen, wie er im Warteraum aufstand, als wir aufgerufen wurden. Er hatte die Bordkarte und den Ausweis in der Hand, beides, glaub mir, niemand versteht das, keiner von uns.«

Inzwischen waren die beiden letzten Mitglieder des Weinclubs herangekommen. Nur Grünleger hielt sich fern, seine Frau redete unhörbar, aber äußerst eindringlich auf ihn ein und zerrte ihn am Ärmel, Francesca mit einem finsteren Blick strafend.

»Wir haben eben mit dem hiesigen Bodenpersonal gesprochen«, meinte Justus Heimbüchler, der Francescas Hand hielt, als wenn er sie beruhigen müsste. Den Rechtsanwalt kannte sie am besten, er arbeitete häufig mit Arnold zusammen. »Auch die Fluggesellschaft hat keine Erklärung. Sie haben sich bereits mit ihrem Büro in Turin in...

Erscheint lt. Verlag 21.8.2015
Reihe/Serie Europäische-Weinkrimi-Reihe
Europäische-Weinkrimi-Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Cosy Crime • Düsseldorf • eBook • Geldwäsche • Italien • Kriminalroman • Kulinarischer Krimi • Mailand • Piemont • Sachbuch • Turin • Unterhaltung • Urlaubslektüre • Wein • Weinanbau • Weingut • Weinkrimi
ISBN-10 3-423-42740-X / 342342740X
ISBN-13 978-3-423-42740-1 / 9783423427401
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