Zeit des Sturms (eBook)

Roman - Vorgeschichte 2 zur Hexer-Saga
eBook Download: EPUB
2015 | 2. Auflage
464 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42609-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zeit des Sturms -  Andrzej Sapkowski
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Die Bücher zur NETFLIX-Serie - Die Vorgeschichte 2 in der opulenten Fan-Edition Das Königreich Kerack wird von Kämpfen um den Thron erschüttert. Auf der Suche nach Arbeit reist der Hexer Geralt von Riva dorthin und wird kurz nach seiner Ankunft verhaftet. Die Zauberin Koralle will ihn so zwingen, den Auftrag einer Gruppe von Zauberern anzunehmen. Er soll einen Dämon finden, der in Menschengestalt blutige Massaker verübt. Mit Unterstützung des Barden Rittersporn wieder frei, beginnt Geralt eine erotische Affaire mit Koralle und nimmt den Auftrag an. Es stellt sich heraus, dass einer der Zauberer die Dämonengeschichte erfunden und selbst die Morde begangen hat, um sich Geralts zu bemächtigen, an dessen außergewöhnlichen Augen er ein obskures Interesse hat ... 

Andrzej Sapkowski, geboren 1948, ist Wirtschaftswissenschaftler, Literaturkritiker und Autor. Er lebt in ?ód?. Seine Hexer-Saga erreicht weltweit Millionenauflagen. Höchst erfolgreich ist auch seine Mittelalter-Trilogie um den Medicus Reinmar von Bielau. 2008 wurde Andrzej Sapkowski mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt ?ód? ausgezeichnet.   

Andrzej Sapkowski, geboren 1948, ist Wirtschaftswissenschaftler, Literaturkritiker und Autor. Er lebt in Łódź. Seine Hexer-Saga erreicht weltweit Millionenauflagen. Höchst erfolgreich ist auch seine Mittelalter-Trilogie um den Medicus Reinmar von Bielau. 2008 wurde Andrzej Sapkowski mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Łódź ausgezeichnet.   

Das erste Kapitel


Er lebte nur, um zu töten.

Er lag auf dem sonnenerwärmten Sand.

Er spürte die Vibrationen, die von den an den Boden gepressten behaarten Fühlern und Borsten übertragen wurden. Obwohl die Vibrationen noch weit entfernt waren, spürte Idr sie deutlich und genau, er konnte danach nicht nur die Richtung und das Tempo bestimmen, mit dem sich das Opfer bewegte, sondern auch sein Gewicht. Für die meisten solcherart jagenden Raubtiere hatte das Gewicht der Beute eminente Bedeutung – Anschleichen, Angriff und Verfolgung bedeuteten Energieverlust, der vom Energiewert der Nahrung ausgeglichen werden musste. Die meisten Raubtiere von der Art Idrs verzichteten auf einen Angriff, wenn die Beute zu klein war. Nicht aber Idr. Idr existierte nicht, um zu fressen und sich fortzupflanzen. Nicht zu diesem Zweck war er erschaffen worden.

Er lebte, um zu töten.

Vorsichtig die Beine bewegend, kroch er aus der Stubbenhöhle und über einen morschen Baumstamm hinweg, überwand mit drei Sätzen den Windbruch, huschte wie ein Geist über eine Wiese, verschwand im farnbewachsenen Waldrand, tauchte ins Dickicht ein. Er bewegte sich schnell und lautlos, bald laufend, bald springend wie ein riesiger Grashüpfer.

Er warf sich in das trockene Gehölz, presste sich mit dem segmentierten Bauchpanzer an den Boden. Die Vibrationen des Untergrunds wurden immer deutlicher. Die Impulse, die Idr mit Tasthaaren und Borsten aufnahm, formten sich zu einem Bild. Zu einem Plan. Idr wusste bereits, von woher er sich dem Opfer nähern, an welcher Stelle er ihm den Weg abschneiden, wie er es zur Flucht zwingen würde, wie er sich mit einem langen Sprung von hinten auf es stürzen, aus welcher Höhe er mit den rasiermesserscharfen Mandibeln zuschlagen und schneiden würde. Schon ließen die Vibrationen und Impulse in ihm die Freude aufkommen, die er fühlen würde, wenn sich das Opfer unter seinem Gewicht wände, die Euphorie, die ihm der Geschmack heißen Blutes bereiten würde. Die Lust, die er empfinden würde, wenn ein Schmerzensschrei die Luft zerrisse. Er zitterte sacht, während er Zangen und Beinscheren öffnete und schloss.

Die Vibrationen des Bodens waren sehr deutlich und nun auch zu unterscheiden. Idr wusste schon, dass es mehrere Opfer waren, wahrscheinlich drei, vielleicht vier. Zwei erschütterten den Boden auf gewöhnliche Weise, die des dritten deuteten auf geringe Masse und Gewicht hin. Das vierte jedoch – falls es überhaupt ein viertes gab – rief unregelmäßige, schwache und vage Vibrationen hervor. Idr erstarrte, reckte die Antennen übers Gras, untersuchte die Luftbewegungen.

Schließlich signalisierten die Erschütterungen des Bodens, worauf Idr gewartet hatte. Die Opfer trennten sich. Eins, das kleinste, blieb zurück. Das vierte aber, jenes undeutliche, verschwand. Es war ein falsches Signal gewesen, ein Trugecho. Idr ignorierte es.

Die kleine Beute entfernte sich noch weiter von den Übrigen. Der Boden erzitterte stärker. Und näher. Idr spannte die hinteren Beine, stieß sich ab und sprang.

 

Das kleine Mädchen schrie durchdringend. Statt zu fliehen, stand es starr da. Und schrie ohne Unterlass.

 

Der Hexer stürzte zu ihm hin und zog im Sprung das Schwert. Und sogleich wurde ihm klar, dass etwas nicht stimmte. Dass er sich hatte täuschen lassen.

Der Mann, der den Wagen mit Reisig zog, schrie auf und flog vor den Augen des Hexers gut einen Klafter in die Höhe, und es sprühte reichlich Blut aus ihm. Er stürzte herab, nur um sogleich wieder emporgeschleudert zu werden, diesmal in zwei Stücken, aus denen Blut schoss. Er schrie nicht mehr. Jetzt war es die Frau, die durchdringend schrie, wie ihre Tochter erstarrt und vor Angst gelähmt.

Obwohl er nicht glaubte, dass es ihm gelingen würde, vermochte der Hexer sie zu retten. Er sprang hinzu und stieß die blutbespritzte Frau mit ganzer Kraft vom Weg in den Wald, ins Farnkraut. Und er erkannte augenblicklich, dass er abermals einer Täuschung aufgesessen war. Einer List. Denn schon löste sich eine graue, flache, vielfüßige und unglaublich schnelle Gestalt vom Wagen und dem ersten Opfer. Hin zu dem zweiten Opfer. Zu dem noch immer mit dünner Stimme kreischenden Mädchen. Geralt stürmte ihm nach.

Hätte sie sich nicht vom Fleck bewegt, dann wäre er zu spät gekommen. Das Mädchen bewies jedoch Geistesgegenwart und stürzte in wilder Flucht davon. Das graue Ungeheuer hätte sie trotzdem rasch und mühelos eingeholt – hätte sie eingeholt, getötet und wäre umgekehrt, um auch die Frau zu ermorden. So wäre es gekommen, wäre nicht der Hexer zugegen gewesen.

Er holte das Ungeheuer ein, sprang und drückte dabei mit dem Absatz eins der vielen Beine nieder. Wäre er nicht sofort zurückgeschnellt, hätte er sein eigenes Bein verloren – das graue Geschöpf bog sich mit unheimlicher Geschwindigkeit zurück, und seine sichelförmigen Beißzangen klappten zusammen, verfehlten ihn um Haaresbreite. Ehe der Hexer das Gleichgewicht wiedererlangt hatte, stieß sich das Ungeheuer vom Boden ab und griff an. Geralt verteidigte sich mit einem reflexartigen, ausholenden und ziemlich chaotischen Schwerthieb, stieß das Ungeheuer zurück. Schaden hatte er ihm nicht zugefügt, aber die Initiative gewonnen.

Er sprang vor, führte einen Streich schräg von oben, um den Panzer auf dem flachen Kopf-Brust-Stück aufzubrechen. Ehe das betäubte Geschöpf zu sich kam, schlug er ihm mit dem zweiten Hieb die linke Mandibel ab. Das Ungeheuer stürzte sich auf ihn, fuchtelte mit den Pfoten, versuchte ihn mit der verbliebenen Mandibel wie ein Stier aufzuspießen. Der Hexer schlug ihm auch diese zweite ab. Mit einem raschen Schlag zurück trennte er eine der Beinscheren ab. Und hieb wieder auf das Kopfstück ein.

 

Endlich dämmerte es Idr, dass er sich in Gefahr befand. Dass er fliehen musste. Er musste fliehen, weit fort, sich irgendwo verkriechen, verstecken. Er lebte nur, um zu töten. Um zu töten, musste er sich regenerieren. Er musste fliehen … fliehen …

 

Der Hexer ließ ihn nicht entkommen. Er holte ihn ein, trat das hintere Körpersegment nieder, hieb weit ausholend von oben her zu. Diesmal gab der Panzer des Kopf-Brust-Teils nach, aus dem Riss spritzte und quoll eine dicke grünliche Brühe. Das Ungeheuer warf sich herum, seine Beine zerwühlten das Erdreich.

Geralt schlug mit dem Schwert zu und trennte diesmal den flachen Kopf ganz vom Rest.

Er atmete schwer.

In der Ferne donnerte es. Ein Windstoß und der rasch dunkelnde Himmel kündigten ein heranziehendes Gewitter an.

 

Albert Smulka, der neuernannte Gemeindevorsteher, erinnerte Geralt schon bei der ersten Begegnung an eine Kohlrübe – er war rundlich, ungewaschen, dickhäutig und alles in allem ziemlich uninteressant. Mit anderen Worten, er unterschied sich nicht allzu sehr von anderen Beamten auf Gemeindeebene, mit denen der Hexer früher zu tun hatte.

»Es stimmt also«, sagte der Vorsteher. »Dass gegen Ungemach nichts besser hilft als ein Hexer.«

»Jonas, mein Vorgänger«, fuhr er nach einer Weile fort, als seitens Geralts jede Reaktion ausblieb, »hat dich über den grünen Klee gelobt. Dabei hab ich ihn für einen Lügner gehalten. Will sagen, ich hab ihm nicht vollends geglaubt. Ich weiß, wie Dinge sich zum Märchen auswachsen können. Vor allem bei ungebildetem Volk, bei dem gibt’s alle naselang mal ein Zeichen, mal ein Wunder, mal irgendeinen Hexer mit übermenschlichen Kräften. Und siehe da, wie sich zeigt, ist’s die reinste Wahrheit. Dort in dem Wald hinterm Flüsschen sind jede Menge Leute umgekommen. Und weil dort der kürzeste Weg zur Stadt durchführt, sind sie auch da langgegangen, die Trottel … Zum eigenen Schaden. Ohne auf Warnungen zu hören. Jetzt sind solche Zeiten, wo man sich lieber nicht in Einöden rumtreibt, lieber nicht durch Wälder läuft. Überall Ungeheuer, überall Menschenfresser. In Temerien, auf den Tukai-Höhen, ist erst kürzlich eine schreckliche Sache passiert, da hat irgendein Waldgespenst fünfzehn Leute in einer Köhlersiedlung umgebracht. Hornfeld hieß die Siedlung. Du hast sicherlich davon gehört. Nein? Aber es ist wahr, der Schlag soll mich treffen. Sogar die Schwarzkünstler haben danach in Hornfeld eine Untersuchung angestellt. Aber was soll das Gerede. Wir hier in Ansegis sind jetzt sicher. Dank dir.«

Er nahm eine Schatulle aus der Kommode, legte ein Blatt Papier auf den Tisch, tauchte die Feder ins Tintenfass.

»Du hast versprochen, dass du das Biest tötest«, sagte er, ohne aufzublicken. »Hast also keine leeren Versprechungen gemacht. Bist ehrlich für einen Vagabunden … Und diesen Leuten hast du das Leben gerettet. Dem Weib und dem Mädel. Haben sie sich wenigstens bei dir bedankt? Sind vor dir niedergekniet?«

Haben sie nicht, dachte der Hexer verbissen. Weil sie noch nicht vollends zu sich gekommen waren. Und ich werde hier wegreiten, ehe sie zu sich kommen. Ehe sie begreifen, dass ich sie als Köder benutzt habe, weil ich in verständlicher Selbstüberschätzung geglaubt habe, ich könnte alle drei retten. Ich werde wegreiten, ehe das Mädchen das erfasst, ehe sie begreift, dass sie durch meine Schuld eine Halbwaise ist.

Er fühlte sich schlecht. Sicherlich lag das an den Elixieren, die er vor dem Kampf eingenommen hatte. Sicherlich.

»Dieses Monstrum« – der Vorsteher streute Sand auf das Papier, schüttelte ihn dann auf den Fußboden – »ist ein wahres Ekel. Ich habe einen Blick auf das Aas geworfen, als sie es brachten … Was war das denn?«

Geralt war sich dessen nicht sicher,...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2015
Reihe/Serie Die Vorgeschichte zur Hexer-Saga
Die Vorgeschichte zur Hexer-Saga
Übersetzer Erik Simon
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 13. Jahrhundert • Barde Rittersporn • CD Projekt RED • Der Hexer • Drachen • eBook • Fantastik • Fantasy • Fantasyroman • Fantasy-Zyklus • Geralt-Saga • Geralt von Riva • henry cavill • Hexer • Hexer Geralt von Riva • Hexer-Saga • Hexer-Zyklus • High Fantasy • High-Fantasy-Serie • Intrigen • Königreich Kerack • Magie • Michelle Yeoh • Mittelalter • Monsterjagd • Monsterjäger • Netflix • Netflix Serie • Prequel • Prequel-Serie • Sir Lenny Henry • Sophia Brown • Spin-Off • The Witcher • The Witcher: Blood Origin • The Witcher: Nightmare Of The Wolf • Thronfolgestreitigkeiten • Unterhaltung • Zauberer • Zauberin Koralle • Zauberin Yennefer
ISBN-10 3-423-42609-8 / 3423426098
ISBN-13 978-3-423-42609-1 / 9783423426091
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