Das blaue Leuchten (eBook)

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2014 | 1. Auflage
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-50541-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das blaue Leuchten -  Andreas Laudan
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Ein geheimnisvolles Licht, eine Geschichte aus uralter Zeit. Im Odenwald wird eine Höhle entdeckt. Sehr schnell gerät sie ins Visier fanatischer Schatzsucher. Doch welch tödliche Gefahr wirklich tief im Inneren der Erde lauert, ahnen sie nicht. Bald sitzen die Abenteurer in der Falle. Nur eine kann sie retten: Tia ist Höhlenforscherin, eine der besten - und sie ist blind. Zusammen mit ihrem Assistenten Leo stößt sie ins Unbekannte vor. Bis eine gewaltige Explosion das Höhlensystem erschüttert. Der Rückweg ist abgeschnitten ... «Ein packender Öko-Thriller, der fast nur an einem einzigen Ort spielt - in einer tiefdunklen Höhle. Trotzdem schwindet keine Sekunde lang die Spannung, der Leser fiebert bis zur letzten Seite mit den Verschütteten.» (Südhessen Woche)

Andreas Laudan, geboren 1967 in Lüneburg, ist promovierter Musikwissenschaftler. Neben der Musik hat er sich auch begeistert mit Philosophie, Psychologie, Geschichte und Naturwissenschaften beschäftigt. Das Romanschreiben erlaubt es ihm, seine vielfältigen Interessen gleichzeitig zu verfolgen und sein großes Wissen unterhaltsam umzusetzen. Er hat bereits den Thriller «Pharmakos» und den Wendland-Krimi «Das weiße Mädchen» veröffentlicht.

Andreas Laudan, geboren 1967 in Lüneburg, ist promovierter Musikwissenschaftler. Neben der Musik hat er sich auch begeistert mit Philosophie, Psychologie, Geschichte und Naturwissenschaften beschäftigt. Das Romanschreiben erlaubt es ihm, seine vielfältigen Interessen gleichzeitig zu verfolgen und sein großes Wissen unterhaltsam umzusetzen. Er hat bereits den Thriller «Pharmakos» und den Wendland-Krimi «Das weiße Mädchen» veröffentlicht.

Erster Teil

Das Leuchten


Dortmund, Gegenwart
Dienstag, 10. September

Tia


Der weiße Ford Transit legte sich in die Kurve und fädelte sich in einen Kreisverkehr ein. Tia Traveen musste nicht raten, wo sie sich befanden. Zwar hatten die Straßen sich verändert, und den Kreisel hatte es im vorigen Jahr noch gar nicht gegeben. Dennoch wies ihr Richtungssinn untrüglich nach Osten.

«Nächste Möglichkeit rechts raus», sagte sie.

Leon, der neben ihr am Steuer des Vans saß, schmunzelte hörbar. «Wenn du das sagst?»

«Verlass dich einfach auf mich.»

«Tu ich doch immer, mein geniales kleines Navi.»

Leon ging vom Gas, und Tia konnte die Fliehkraft spüren, als sie nach rechts ausscherten.

«Tatsächlich», gab er schließlich zu, offenbar ein Straßenschild musternd. «Schomakerstraße.»

«Wir kommen nur von der anderen Seite als sonst», erklärte Tia. «Halt mal Ausschau, da müsste gleich links eine Tankstelle sein.»

Leon fuhr langsam. Schließlich brauchte er im Gegensatz zu Tia seine Augen, um sich zu orientieren.

«Ja, da ist die Tankstelle. Dahinter dann rechts?»

«Links», korrigierte Tia.

Bereits das Geräusch der Reifen auf der kleinen Seitenstraße sagte ihr, dass sie richtig waren. Sie erkannte das brüchige Pflaster, die Bodenwellen, den Rhythmus der Schlaglöcher. Selbst die Ampelanlage summte noch auf derselben Frequenz wie in früheren Jahren. Die Reihenhaussiedlung, traditionelles Wohnviertel der Bergleute und Fabrikarbeiter, sah wahrscheinlich kaum anders aus als zur Zeit ihrer Erbauung. Nur wenig hatte sich seitdem verändert – abgesehen von der Schließung der letzten Zeche und der steigenden Arbeitslosigkeit, die nicht eben dazu beigetragen hatte, das Stadtviertel attraktiver zu machen. Einige der Wohnungen standen leer, und die Bewohner der übrigen waren ärmer denn je. Im Geist sah Tia die endlosen identischen Fassaden mit identischen Fenstern und Balkonen vor sich, einige davon in verblichenem Hellblau angestrichen, um ein wenig Farbe in die Eintönigkeit zu bringen.

Blau … Wie lange schon hatte sie diese Farbe nicht mehr gesehen, die sie einst geliebt hatte? Es war lange her, dass die kleine Tia, zwölfjährig und mit intakten Augen, auf dem schmalen Rasenstreifen an dieser Straße gespielt hatte.

«Sechsundvierzig … achtundvierzig …» Leon musterte die Hausnummern. «Hier.»

Er stoppte den Transit. Sie stiegen aus, und Tia roch die vertraute Luft. Sie kam nicht oft hierher, in der Regel zwei- oder dreimal im Jahr, doch stets berührte sie die Mischung aus den Abgasen der Großstadt und dem Duft des schmalen Rasenstreifens. Den Plattenweg zur Haustür hätte sie ohne Mühe gefunden. Dennoch ging sie an Leons Arm, wie sie es gewohnt war, während er das Gepäck trug.

Klingeln erwies sich als unnötig, denn die Tür stand bereits offen. Ein schwacher Geruch nach Scheuermittel drang aus dem Treppenhaus, und zugleich ein anderer, milder und lebendiger.

«Tieken!»

Die Stimme ihres Vaters war ein wenig heiser, doch voller Wärme. Tia löste sich von Leon und sank ihm in die Arme.

«Hallo, Papa.»

Er war nicht größer als sie. Dennoch hielt er sie aus alter Gewohnheit wie ein Kind: eine Hand auf ihrem Haar, ihren Kopf in seine Halsbeuge gedrückt. Tia schloss die Augen und atmete glücklich den vertrauten Geruch. Nur im allerhintersten Winkel ihres Gehirns blieb ein Rest von analytischem Denken wach, forschte, beobachtete, sondierte. Hatte er Gewicht verloren? Nein, er fühlte sich an wie beim letzten Besuch. Rasselte sein Atem? Nicht mehr als gewöhnlich. Seine Haut war warm, sein Herz schlug regelmäßig. Das war beruhigend.

«Herzlichen Glückwunsch zum Sechzigsten», flüsterte sie an seinem Hals.

«Und dir zum Achtundzwanzigsten, meine Kleine», gab er leise zurück.

Tia spürte sein Kinn an ihrer Schläfe. Dieses leichte Kratzen – seit Kindertagen hatte sie es gespürt, ganz gleich, wie sauber er sich rasierte. Sie hätte etwas vermisst, wenn es anders gewesen wäre.

«Hallo, Leon.» Jürgen Traveen trennte sich gerade so weit von Tia, dass er Leon die Hand reichen konnte. «Kommt doch rein!»

 

Sie folgten ihm die Treppe hinauf ins Wohnzimmer.

Tia brauchte keine Hilfe; sie fand den Weg mit einer Sicherheit, die mit gesunden Augen kaum größer gewesen wäre. Dies war die Wohnung, in der sie aufgewachsen war, und sie erinnerte sich an jede Stufe, jede Türklinke, jedes Stückchen Wand. Zwar waren fast alle Möbel mit den Jahren ausgetauscht, die Lampen ersetzt und Laminat verlegt worden, doch Tias innerer Lageplan gab die Gestalt der Räume noch immer exakt wieder. Es war ein Bild ohne Farben und ohne Details, ähnlich einer Computersimulation, in der jedes Zimmer als maßstabsgetreuer Quader vor neutralem Hintergrund erschien.

Nicht immer war es für Tia so einfach gewesen, sich zu orientieren. Als sie vor vielen Jahren nach ihrem Unfall aus dem Krankenhaus gekommen war, hatte sie sich vollkommen hilflos gefühlt. Sie hatte kaum ihr Bett gefunden, mit Mühe den Weg ins Bad ertastet und den Weg über die Treppe wie eine lebensgefährliche Kletterpartie im Hochgebirge erlebt. Doch sie hatte geübt, monatelang, mit der ihr eigenen Zähigkeit und Ausdauer. Sie hatte jedem verboten, ihr zu helfen – auch ihrem Vater, was Kämpfe und Tränen gekostet hatte. Damals hatte er aus Sorge um sie kaum eine ruhige Minute gehabt.

Heute war es Tia, die sich um ihn sorgte. Während sie neben Leon auf dem Sofa Platz nahm, lauschte sie aufmerksam, wie er an der Küchenzeile den Kaffee aufbrühte und mit Tassen und Tellern hantierte. Das leichte Rasseln seines Atems war erträglich. Tia war es gewohnt, denn die chronisch-obstruktive Bronchitis, die ihm von seiner Zeit als Bergmann geblieben war, hatte er schon in ihren Kindertagen gehabt. Der Kohlenstaub hatte seine Lungen ruiniert, sodass es im Grunde ein Glück gewesen war, dass man die Zeche in den Achtzigern stillgelegt hatte. Danach hatte Jürgen Traveen noch längere Zeit in einem Walzwerk gearbeitet. Erst als es zu jenem Autounfall gekommen war, der seine Frau das Leben und seine Tochter das Augenlicht gekostet hatte, war er in Frührente gegangen und zu Hause geblieben. Wie seltsam sich die Dinge seitdem entwickelt hatten, dachte Tia: Heute war er es, den seine schwache Gesundheit an die Wohnung fesselte – während seine blinde Tochter in der ganzen Welt herumreiste.

«So …» Tassen klirrten, als er das Tablett zum Wohnzimmertisch herübertrug. «Bedient euch!»

Tia streckte eine Hand aus und zog den Kaffee heran, der nach Zimt roch. Sie liebte diesen Geruch. Für sie musste Kaffee stets jene Prise Zimt enthalten, die sie von ihrem Vater kannte. Leon war längst auf diese Vorliebe konditioniert und vergaß sie nie, wenn er daheim das Frühstück machte.

«Gut hergefunden trotz der Umleitung?», fragte Jürgen Traveen, der sich ihnen gegenüber in seinen Sessel sinken ließ.

«Jo», bestätigte Leon. «Kein Problem.»

«Ihr seht gut aus, ihr zwei! Frisch und gesund. Wo wart ihr noch mal?»

«Andalusien.»

«Ach ja …» Er lachte entschuldigend. «Tut mir leid. Ihr seid so viel unterwegs, ich kann es mir einfach nicht merken.»

Tia fühlte einen leichten Stich – doch es lag keinerlei Vorwurf in den Worten ihres Vaters. Nie hatte er sich beklagt, dass seine Tochter so selten Zeit für ihn hatte. Er war stolz auf sie, das wusste Tia: Stolz auf sein kleines Mädchen, das Forschungsreisen machte und Vorträge an Universitäten hielt.

«Sieht ganz so aus, als hättet ihr zur Abwechslung mal ein paar Stunden über Tage verbracht», scherzte er. «Tieken hat richtig Farbe bekommen.»

Etwas unsicher stimmte Tia in sein Lachen ein. «Na ja … der Sonne wegen waren wir eigentlich nicht dort.»

«Schade!», meinte ihr Vater. «Immer nur in dunklen Höhlen herumzuklettern, tut deinem Teint gar nicht gut. Welches Höllenloch hatte es dir denn diesmal angetan?»

«Die Cueva de Nerja», erklärte Tia. «Eine riesige Höhle an der Südküste, fast viertausend Meter Gangsystem, aber nur zu einem Drittel erschlossen. Es war sehr aufregend.»

«Irgendetwas entdeckt?»

«Ein paar Räume, die noch nicht bekannt waren … und einige Höhlenmalereien. Aber die Entdeckung geht auf Leons Konto – schließlich konnte ich sie nicht sehen.»

«Wir haben eine Menge Fotos gemacht», erklärte Leon. «Die spanischen Behörden werden ein Archäologenteam zusammenstellen und die Sache genauer untersuchen.»

«Wie schön.» Jürgen Traveen lehnte sich zurück; Tia hörte es am leichten Knarren des Sesselleders. «Warum seid ihr nicht noch ein paar Tage dort geblieben?»

«Aber Papa!», fuhr Tia entrüstet auf. «Wir wollten doch unbedingt zu deinem Geburtstag zurück sein.»

«Ach, ich hätte es schon überlebt», schmunzelte ihr Vater. «Trotzdem freue ich mich natürlich, dass wir beiden Jungfrauen wieder gemeinsam feiern.»

Alle lachten – auch Leon, der den familiären Insiderwitz kannte. Sie waren beide Jungfrauen: Tias Geburtstag war am vierten September, der ihres Vaters am zehnten. Schon immer hatten sie ihre Geburtstage zusammengelegt und aus praktischen Gründen am zehnten September gefeiert – eine so altbewährte Tradition, dass Tia ihren eigenen Geburtstag manchmal fast vergaß.

«Ich hoffe doch, ihr könnt bis morgen bleiben?»

«Klar», bestätigte Tia. «Die Uni fängst erst nächste Woche wieder an.»

«Schön! Aber ich möchte nicht, dass ihr jungen...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2014
Reihe/Serie Höhlenforscherin Tia Traveen
Höhlenforscherin Tia Traveen
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Blinde • Expedition • Explosion • Fracking • Geheimnis • Höhlenforschung • Odenwald • Ökothriller • Tia Traveen
ISBN-10 3-644-50541-1 / 3644505411
ISBN-13 978-3-644-50541-4 / 9783644505414
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