Auf einen Tee in der Wüste (eBook)

11000 Kilometer bis Jerusalem
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2013 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-49431-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auf einen Tee in der Wüste -  Schwester Jordana,  Iris Rohmann
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Ein göttliches Abenteuer Entlang der Stätten des ersten mittelalterlichen Kreuzzuges: Von Istanbul, der Stadt zwischen Okzident und Orient, reist Schwester Jordana bis nach Jerusalem, in einem roten Chevrolet, auf der Autobahn oder der Wüstenpiste, kreuz und quer durch die Türkei, den Libanon und Israel. Sie erlebt sechs Wochen voller spannender Ereignisse, begegnet ungewöhnlichen Menschen, lernt dabei auf besondere Art die drei großen Weltreligionen kennen und setzt sich gleichzeitig ganz persönlich mit ihrem eigenen Glauben und Ordensleben auseinander. «Als ich vor einundzwanzig Jahren in den Orden eintrat, sagte jemand zu mir: ?Willst du die Welt besehen, musst du in ein Kloster gehen.? Wahrscheinlich kam es zu dieser Äußerung, weil Ordensfrauen häufig in die Mission gehen, nach Afrika, Asien oder Südamerika, was ich jedoch keineswegs vorhatte. Und doch sollte dieser Satz auf besondere Weise für mich wahr werden. Ich würde die weiteste Reise meines Lebens antreten! In einem roten Chevrolet, mit einem jungen Mann. Auf den Spuren mittelalterlicher Kreuzfahrer, mit Startpunkt in Istanbul und Stationen wie Konya und Antakya, Tripoli und Tyros, Hebron und Jerusalem. Hätte ich nicht Lust? Und ob ich Lust hatte. Was für eine Frage! Noch nie hatte ich mich außerhalb der Grenzen von Europa bewegt, schon gar nicht in Israel, im Heiligen Land. ?Wann? Sofort?? Meine Begeisterung ließ mein Herz höherschlagen. Es gibt Momente, die stimmen einfach. Die landen direkt vom Himmel vor meinen Füßen und füllen den Raum, meine Sinne - und verändern mein Leben. Dies war so einer.»

Schwester Jordana Schmidt, 1969 geboren, ist Diplom-Heilpädagogin und Familientherapeutin. 1990 trat sie in ein Zisterzienserkloster ein und wechselte 1994 zu den weltoffeneren Dominikanerinnen von Bethanien. Von 2002 bis 2012 arbeitete sie als Erziehungsleiterin im Bethanien-Kinder- und Jugenddorf Schwalmtal-Waldniel. Seit Juli 2012 ist sie Kinderdorfmutter von fünf Kindern. Ganz im Sinne des Predigerordens ist sie oft unterwegs, um Vorträge und Predigten zu halten.

Schwester Jordana Schmidt, 1969 geboren, ist Diplom-Heilpädagogin und Familientherapeutin. 1990 trat sie in ein Zisterzienserkloster ein und wechselte 1994 zu den weltoffeneren Dominikanerinnen von Bethanien. Von 2002 bis 2012 arbeitete sie als Erziehungsleiterin im Bethanien-Kinder- und Jugenddorf Schwalmtal-Waldniel. Seit Juli 2012 ist sie Kinderdorfmutter von fünf Kindern. Ganz im Sinne des Predigerordens ist sie oft unterwegs, um Vorträge und Predigten zu halten. Iris Rohmann, geboren 1962, hat Germanistik und Geschichte studiert und lebt als freie Journalistin in Köln. Seit 1991 arbeitet sie für verschiedene Fernsehanstalten, Zeitungen und Verlage. Sie lernte Schwester Jordana Schmidt 2006 bei einem Fernsehdreh auf dem Weltjugendtag kennen. Seither sind die beiden befreundet und widmen sich gemeinsam dem Schreiben, wie zuletzt bei «Auf einen Tee durch die Wüste».

1 Es müffelt ein wenig – zum ersten Mal in einer Moschee


Einchecken in der Vorfreude auf eine große Reise ist wunderbar. Mein erster Flug Non-EU! Genüsslich schlürfe ich an diesem ersten Septembertag einen völlig überteuerten Tee mit Blick auf das nebelige Rollfeld des Flughafens. Frauen mit Kopftuch, Männer in dunklen Jacketts, ein paar frühe Businesstypen mit Computertasche, junge Menschen mit Rucksack – und dazwischen ich. Schauer der Dankbarkeit laufen mir über den Rücken, und ich kann nur mit den Worten einer Mitschwester sagen: «Unglaublich, was Berufung alles beinhaltet!» Berufung zum Ordensleben scheint erst einmal mit Verzicht zu tun zu haben. Auf den zweiten Blick aber ist es pure Fülle. Wie in diesem Augenblick. Denn jetzt wartet die Türkei auf mich – Sehnsuchtsziel für so manchen im Viel-Regen-Land Deutschland. Ich kenne es von verlockenden Prospekten, auf denen mir weiße Strände und ein blaues Meer entgegenlachen. Die Fernsehdokumentation wird natürlich kein Urlaub sein, so viel steht fest. Filme machen ist Arbeit. Und die Strecke, die wir vor uns haben, ist nicht ohne. An die Länder, die man mit dem Label «Nahost-Konflikt» beklebt, möchte ich aber jetzt noch nicht denken. Die Türkei ist für den Anfang aufregend genug.

Landeanflug Istanbul: so weit das Auge reicht, nur Häuser. Ein Meer von Häusern. Und mittendrin das blaue Band des Bosporus mit den zwei Brücken. Sie spannen sich wie dünne Arme über das Wasser. Schon während des Flugs habe ich Ausschau nach Menschen gehalten, die mir vielleicht zur Seite stehen könnten. Denn ehrlich gesagt schwindet mein Mut mit jeder zurückgelegten Flugmeile – der Flughafen Istanbul-Atatürk ist schließlich einer der größten in Europa! Und nun stehe ich allein am Gepäckband und warte auf meinen Koffer. Vielleicht ist es meine hilflose Ausstrahlung oder aber wieder ein Geschenk des Himmels, dass mich just in dieser Situation ein Mann anspricht: «Brauchen Sie Hilfe?»

Er stellt sich als Mohammed vor, ein Mann in Geschäftsoutfit, etwa Mitte vierzig, mit einem sympathischen Lachen. Er lebt in Krefeld und besucht, auf der Durchreise nach Asien, seine Familie in Istanbul. Es sei nämlich Zuckerfest, erklärt er, mit dem man ja das Ende des Ramadan feiere, und da besuche man seine Familie, in der Regel die jüngeren die älteren Leute. Plausibel. Viele der deutsch-türkischen Mitreisenden im Flugzeug waren mittleren Alters, wahrscheinlich alles Zuckerfest-Besucher.

«Gott hat Sie zu mir geschickt, damit ich Ihnen helfe», bemerkt mein Begleiter. Ich weiß nicht, warum er das sagt, aber ich kann es kaum glauben – ich trage nicht einmal meinen Habit! Hat in Deutschland je ein Mensch so etwas zu mir gesagt? Just in diesem Moment kommt auch mein Koffer, den der Herr Mohammed vom Band hievt. Danke, Gott! Du hast mich also hier schon erwartet!

«Vielen Dank, Mohammed», sage ich.

«Kein Problem», antwortet er und holt seinen eigenen Koffer, bevor er mich fragt: «Und wohin wollen Sie in Istanbul?»

Ich krame den Zettel mit der Hoteladresse aus meiner Tasche und zeige ihn meinem Engel in Menschengestalt. Mohammed liest stirnrunzelnd, dann lacht er und sagt: «Das ist bei den großen Moscheen, ganz leicht zu finden. Kommen Sie, die Bahn fährt dort vorn.» Mit Riesenschritten zieht er los, sodass ich gar nicht in der Lage bin, ihn zu fragen, was er denn mit den großen Moscheen meinen würde. Egal. Mohammed kauft mir ein Ticket, weil ich noch kein türkisches Geld habe, und begleitet mich bis zu der Station, an der ich umsteigen muss, nicht ohne mir seine Telefonnummer zu geben, mit dem Hinweis, dass ich ihn jederzeit anrufen könne, wenn ich Hilfe bräuchte. Zum Glück hatte ich mich im letzten Augenblick entschlossen, mein Handy mitzunehmen, und nicht, wie ursprünglich geplant, alles hinter mir zu lassen. Sorgfältig programmiere ich die Telefonnummer, sehr beruhigend ist das. Man sagt ja, der erste Eindruck ist wichtig. Mein erster Eindruck von der Türkei: die Freundlichkeit und ungewöhnliche Hilfsbereitschaft von Mohammed aus Krefeld. Das macht mein Herz weit und offen.

Das Hotel finde ich ohne große Probleme. Mein Zimmer besteht aus einem großen Doppelbett, einem wackeligen Kleiderschrank mit leicht klemmender Tür, weiß getünchten Wänden und einem goldgerahmten Bild: Menschen mit Turbanen sind darauf zu sehen, eine Menge Obst auf einem Tisch, Frauen in langen und farbenfrohen Gewändern, leicht verschleiert – wahrscheinlich die türkische Version des deutschen Hotelklassikers «Röhrender Hirsch». Die Aussicht aus dem Fenster lässt allerdings jede Möblierung augenblicklich unwichtig erscheinen: Ich schaue direkt auf den Bosporus, es ist ein beeindruckender Anblick, dort fahren Ozeanriesen, Fähren und eine Menge Tanker; die Meerenge ist breiter als jeder Fluss, den ich bisher gesehen habe. Ich packe meine Sachen aus, während mir das Wasser die Stirn herunterläuft, denn im Zimmer ist es heiß. Dass es eine Klimaanlage gibt, bemerke ich erst am nächsten Morgen, nach einer stickigen Nacht. Jetzt ist aber erst einmal Mittag, und ich eile nach draußen, in der Hoffnung auf etwas frische Luft.

Eine Stadt wie Istanbul bietet Sehenswürdigkeiten für mehrere Monate. Doch weil ich keine Kulturtouristin bin, mache ich mich ohne Reiseführer auf den Weg, einfach der Nase nach. Auf dem Sultan-Ahmed-Platz verweile ich erst einmal, um mich an die heiß strahlende Sonne zu gewöhnen, die von einem wolkenlosen Himmel sticht. Frische Luft ist etwas anderes. Dafür Palmen überall (ich liebe Palmen!), Brunnen mit sprudelnden Wasserfontänen, Blumen und Menschen – viele Menschen, meist in großen Gruppen, darunter erstaunlich wenig Mitteleuropäer. Von Mohammed habe ich erfahren, dass mindestens vierzehn Millionen Menschen hier leben, davon nur 80000 bis 100000 Christen – enorm wenig, wie ich finde. Jetzt weiß ich auch, welche «großen Moscheen» dieser menschliche Engel gemeint hat, denn hier befinden sich die Hagia Sophia und die Blaue Moschee in Sichtweite, sie liegen sich direkt gegenüber. Ich überlege, ob ich in eines der beiden Gebäude hineingehen soll, verschiebe es aber auf später. Ich muss erst einmal mit den Straßen vertraut werden.

Laut ist es. Das fällt mir sofort auf. Man unterhält sich, man begrüßt sich mit Küssen und Umarmungen, gestikuliert und fällt einander ins Wort, lacht, hält die Hand des anderen, während man ein lockeres Gespräch beginnt, auch oder gerade die Männer! Undenkbar wäre das bei uns, und es gefällt mir. Langsam schlendere ich weiter, um meine Schweißdrüsen nicht unnötig zu provozieren. Anstatt Kirchtürme sehe ich überall Minarette aus dem Häusermeer hervorragen – wie Zeigefinger weisen sie gen Himmel, und ihre nadelförmigen Spitzen erinnern mich an Mondraketen. Wenig später wird zum Gebet gerufen. Zum ersten Mal höre ich den Adhan, den Gebetsruf des Muezzins, der die Gläubigen sammelt. «Allah ist der Allergrößte! Ich bezeuge, dass Allah der einzige Gott ist. Ich bezeuge, dass Mohammed sein Gesandter ist! Kommt her zum Gebet! Kommt her zum Heil! Hajja’ala-salah! Hajja’ala-l-falah! Es gibt keinen Gott außer Allah!» Wenn das hierzulande auch so wäre, würde es wahrscheinlich Beschwerden hageln, weil wir eine viel weltlichere Gesellschaft sind. Anfänglich bereitet mir der Gebetsruf ein Gefühl der Fremdheit, aber im Lauf der Wochen wird es sich legen.

Während ich weiter alles mit Augen und Ohren aufsauge, denke ich über den Ramadan nach. Der Fastenmonat ist ein heiliger Monat, er gehört zu den fünf wichtigen Säulen des Islams. Die vier anderen sind das Gebet, das Glaubensbekenntnis, die Pilgerfahrt nach Mekka (Haddsch) und die Almosen an die Armen (Zakat). Während der Fastenzeit wird von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder etwas gegessen noch getrunken, es sei denn, man ist krank. Wie man das bei dieser Hitze schaffen und dabei noch normal arbeiten kann, ist mir ein Rätsel. Hut ab! Mit Einbruch der Dunkelheit ist dann alles wieder erlaubt. Letztens traf ich in Köln einen jungen Türken, der am späten Abend mit Riesenbissen einen Döner in sich hineinstopfte – aber anstatt mich über seine schlechten Essensmanieren aufzuregen, verstand ich seine Situation. Er hatte seit achtzehn Stunden nichts mehr zu sich genommen. Ich nickte mitfühlend und sagte: «Ramadan!» Er nickte mit vollen Backen und freute sich sehr, dass ich Bescheid wusste, dann kam der nächste große Bissen.

Das Fasten betrifft aber auch das eigene Verhalten: Man soll nicht lügen und betrügen, keine Sünden begehen und sich der Sexualität enthalten. Im Koran steht, dass das Fasten Gott gefällt, Ähnliches gilt für Christen: «Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler», sagt Jesus im Matthäusevangelium. «Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten … Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest, und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der auch das Verborgene sieht; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.» Der Prophet Mohammed hat regelmäßig gefastet, ebenso Jesus: Vierzig Tage lang war dieser allein in der Wüste, um innere Klarheit über seinen Weg zu finden. Fasten macht den Kopf klar und den Geist empfänglich. Als Christen haben wir unsere Fastenzeit vor dem Osterfest, um Jesus auf seinem bevorstehenden Leidensweg gewissermaßen «beizustehen», um mit unseren «kleinen Leiden» sein «großes Leiden» nachzuvollziehen und das große Fest der Auferstehung in aller Tiefe empfinden zu können.

In unserer dominikanischen Gemeinschaft fasten wir...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2013
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Romane / Erzählungen
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Christentum • DAZU • Dominikaner • Glaube • Istanbul • Jerusalem • Kloster • Kreuzzüge • Nonne • Ordensschwester • Pilgern • Reisebericht • Spiritualität • STEHT
ISBN-10 3-644-49431-2 / 3644494312
ISBN-13 978-3-644-49431-2 / 9783644494312
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