Traumzeit Australien (eBook)
256 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-95211-8 (ISBN)
Dieter Kreutzkamp, Jahrgang 1946, ist als Abenteurer, Autor und Fotograf eine feste Größe in der Globetrotter-Szene. Seit den Siebzigerjahren hat er unzählige Reisen in alle Welt unternommen, vor allem nach Kanada und Alaska. Über seine Reiseerfahrungen schrieb der fundierte Kenner vieler Länder bereits zahlreiche Erfolgstitel. Bei MALIK NATIONAL GEOGRAPHIC erschienen zuletzt »Auf dem Dach Afrikas« und »Mitternachtssonne über Alaska«.
Dieter Kreutzkamp, Jahrgang 1946, ist als Abenteurer, Autor und Fotograf eine feste Größe in der Globetrotter-Szene. Seit den Siebzigerjahren hat er unzählige Reisen in alle Welt unternommen, vor allem nach Kanada und Alaska. Über seine Reiseerfahrungen schrieb der fundierte Kenner vieler Länder bereits zahlreiche Erfolgstitel. Bei MALIK NATIONAL GEOGRAPHIC erschienen zuletzt "Auf dem Dach Afrikas" und "Mitternachtssonne über Alaska".
Willkommen in Australien!
Das dumpfe Dröhnen dringt wie durch dichten Nebel zu mir, steigert sich, wird klarer. Ein Lichtstrahl streicht über mein Gesicht. Ich öffne die Augen einen Spalt und blinzele in das erste Licht des Tages. Wie goldene Fäden schieben sich die Strahlen der Sonne über die Wolken. Ein Sonnenaufgang an sich ist schon ein großartiges Erlebnis, in 10000 Metern Höhe über der Timorsee, an der Schnittstelle von Asien zu Australien aber wird er zur leuchtenden Superpanoramashow mit glühenden Wolkenspitzen, unter denen sich die gute alte Erde noch im Grau der Nacht verbirgt.
Juliana neben mir ist schon wach: »Kaum zu fassen, dass unser Flug in letzter Minute doch noch zu Stande gekommen ist.« Sie drückt ihre Nase ans Fenster. »Sonst hätten wir diesen Anblick nicht erlebt.«
48 Stunden vorher war die Airline, bei der wir den Flug nach Melbourne gebucht hatten, Pleite gegangen. Ein Alptraum. Unsere Flüge hatten wir bereits bezahlt, und unsere Planung war auf das Datum fixiert. Ein hektischer Tag mit viel Lauferei durch die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur folgte. Schlange stehen an Schaltern. Verhandeln. Daumen drücken. Dann die erlösende Nachricht: Malaysian Airlines springt für die Gestrandeten ein. Für uns war Kuala Lumpur die letzte Etappe unseres Umwegs, der in der weinseligen, herrlich verrückten Nacht bei Johannesburg begonnen hatte.
Ein Umweg, der ein Jahr gedauert hatte, gut 60000 Kilometer lang war und ein großes Abenteuer wurde.Wir erlebten live den Sudan, die Wüsten Ägyptens, den Iran, Indien und den Himalaja. So näherten wir uns schließlich Australien. Den Bulli, der uns auf dem ersten Teil unserer Weltreise über 100000 Kilometer sowohl ein Stück Heimat wie auch Transportmittel gewesen war, hatten wir in Nepal zurückgelassen.
Wir würden uns nach einem neuen Fahrzeug umsehen müssen. Was für eines es sein würde, das war zu diesem Zeitpunkt völlig offen. Genauso wie die Route.
Ein kleiner Australien-Reiseführer – groß genug für die Hosentasche – war unser einziges Informationsmittel. Was mich nicht störte. Schließlich hatten wir Zeit, waren ungebunden. Kein Boss wartete, ein Rückflugticket nach Zuhause hatten wir nicht. Das gibt die Freiheit, spontan zu sein, neuen Ideen zu folgen und unbekannte Ziele anzusteuern. Eine einengende Planung für das Land hatten wir nicht. Es gab kein Streckensoll, das wir erfüllen mussten. Beste Voraussetzungen für Australien, ein Land der weiten Horizonte.
Die Maschine der Malaysian Airlines braucht noch eine Stunde bis zur Landung in Melbourne. Eine hübsche, freundliche Stewardess – mandeläugig, als sei sie eben einem Buch von Pearl S. Buck entstiegen – beugt sich zu uns: »Do you want breakfast?«
»Zwei Kaffee und Orangensaft«, bestelle ich.
Die beiden Australier in der Reihe vor uns ordern das elfte Bier an diesem Morgen.
Melbourne hat sich geputzt, als wir landen. Die Luft ist kühl und klar, der Himmel blau und wolkenlos wie an einem Vorfrühlingstag in Deutschland. Ein netter Zöllner stempelt den 26. August in unsere Pässe. »Willkommen in Australien!«, ruft er in akzentfreiem Deutsch hinter uns her. Ich gebe Juliana einen Kuss auf die Wange und meine zu ihr: »Eigentlich wollten wir schon vor einem Jahr hier sein.« Sie lacht. Dann bleibt sie bei unseren Rucksäcken, während ich nach der Touristeninformation suche. Leider hat die zur frühen Morgenstunde noch geschlossen. Stattdessen bietet uns eine fröhliche Dame (»Hallo, ich bin die Trudy«), bei der ich mich nach Busverbindungen erkundige, eine Mitfahrgelegenheit Richtung Innenstadt.Wir nehmen an. Und als Trudy uns in der City absetzt, drückt sie mir ihre Visitenkarte in die Hand: »Ihr müsst mich unbedingt besuchen.«
»Bestimmt kommen wir vorbei«, verspreche ich. Wir winken ihr zum Abschied.
Boy, was für eine Rasanz! Kaum im Land und schon die erste Einladung. Bisher kannten wir keine Menschenseele auf dem Kontinent. Nur der Zettel mit einer Kontaktadresse in Sydney steckte irgendwo in unserem Adressbüchlein.Wir hatten sie auf merkwürdige Weise bekommen. Ein Verwandter Julianas kennt jemanden, der hat einen Bekannten, und dessen Freund hat einen good old fellow in Australien. Ich wollte diese Adresse eigentlich gar nicht mitnehmen. »Wir kennen die Leute doch gar nicht«, wandte ich ein. Aber Juliana hat einen Sinn fürs Praktische, und mit den Worten: »Bis wir in Sydney sind, ist es noch einige Zeit hin.Wer weiß, wozu die Anschrift gut ist. Überlegen können wir es uns dann immer noch«, hat sie den Zettel kurzerhand eingesteckt.
Melbourne ist eine Millionenstadt, die Einwohnerzahl hat steigende Tendenz, in ihrem Großraum leben etwa 4 Millionen Menschen. Für ein Land mit insgesamt rund 22 Millionen Einwohnern ist das gewaltig.Was auch bezeichnend für die Einwohner- und Siedlungsstruktur Australiens ist. Rund 80 Prozent aller Australier leben in einem schmalen Wohngürtel, der sich wie ein Ring um die Peripherie des fünften Kontinents zieht.
Mein erster Eindruck an diesem Morgen ist Großbritannien am anderen Ende der Welt. Mehrere Ladys stöckeln vorüber, aufgeputzt wie zu einer Gartenparty. Ich beobachte Menschen, die sich in grüne Straßenbahnen mit dem Charme der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwängen. Melbourne ist die Hauptstadt von Victoria, dem kleinsten australischen Bundesstaat auf dem Festland (nur der Inselstaat Tasmanien ist kleiner). Hier leben allerdings mehr als ein Viertel aller Aussies. Allein die Bezeichnung Victoria schlägt Brücken nach England, stand doch Queen Victoria bei der Namensgebung Pate.
Die Geschichte Melbournes ist jung. Sie begann, als 1835 ein John Batman, Sohn eines ehemaligen Sträflings, den Yarra River aufwärts segelte, um im Auftrag tasmanischer Interessenten den Ureinwohnern, den Aborigines, ein Riesengebiet im Tausch für einen Haufen billigen Plunder abzuschwatzen. In diesem Gebiet begann sich noch im selben Jahr Melbourne zu entwickeln, während Sydney bereits ein Menschenalter existierte. Melbournes Einwohnerzahl stieg ab 1850 in nur zehn Jahren von 30000 auf über eine halbe Million – damit wurde Melbourne zur größten Stadt in Australien. Von 1901 bis 1927 war Melbourne sogar Hauptstadt des Landes.
Trotz aller Seitenhiebe, die sonst zwischen den Bewohnern der beiden Metropolen ausgetauscht werden, kann Sydney Melbourne den Ruf nicht streitig machen, die kulinarische Hauptstadt Australiens zu sein. So trägt man es in Melbourne denn auch mit Fassung, dass die Lage am Yarra River zwar reizend, aber das auch schon alles ist.
Doch aus der traditionellen Rivalität beider Städte halte ich mich besser raus. Sie wird immer wieder mit flotten Slogans angeheizt und gipfelt in der Behauptung eingeschworener Sydney-Fans, die behaupten, das Schönste an einem Besuch von Melbourne sei die Heimfahrt nach Sydney. Dazu reicht mir Juliana eine Illustrierte mit Fotos von einem Pferderennen und meint: »Offenbar gibt es doch etwas, um das der Rest Australiens – und sogar Sydney – Melbourne beneidet: den Melbourne Cup!« Man hatte mir gesagt, das bedeutendste Pferderennen des Landes sei den Aussies so heilig, dass während der Veranstaltung die Straßen wie leer gefegt seien, weil die Nation geschlossen vorm Fernseher säße.
Gleich am ersten Tag quartieren wir uns in der Jugendherberge ein. Die Atmosphäre ist freundlich-familiär und international. Nur wenige Gäste sind dort. David und James aus England, drei junge Franzosen aus Paris, Mary und Richard aus Neuseeland. Tina, eine Amerikanerin, die vorübergehend die Youth-Hostel-Leiterin vertritt, hat sich gerade gemeinsam mit ihrem australischen Freund Peter einen uralten VW-Bulli gekauft. »Für knapp 1000 Dollar. Ein Superpreis!«, schwärmen die beiden.
Beim ersten flüchtigen Studium der Zeitungsannoncen war mir aufgefallen, dass Importwagen aus Europa teuer sind, auch die gebrauchten und erst recht, wenn sie einen Stern auf dem Kühler tragen. Preislich günstiger sind die japanischen Marken und das nationale Produkt, der Holden. Überhaupt sind die Preise in Australien für uns, die wir jahrelang das Tiefpreisniveau von Afrika und Asien kannten, gewöhnungsbedürftig, auch wenn sie im Vergleich zu denen in Mitteleuropa noch moderat sind.
In den nächsten Tagen erkunden wir zu Fuß den Innenstadtbereich und machen uns Gedanken darüber, wie wir Australien individuell, möglichst abenteuerlich und doch billig bereisen können. Am dritten Tag unseres Aufenthaltes ändert sich das Wetter. Juliana notiert abends kurz und prägnant ins Tagebuch: »Sauwetter!« Kalter Wind fegt durch die Straßen. Seit langem haben wir erstmals Regenjacken angezogen. Zum schlechten Wetter kommt noch meine Ernüchterung nach dem heutigen Bummel über die Gebrauchtwagenmärkte.
Spontan kommt mir die Idee: »Was hältst du davon, wenn wir ein Motorrad kaufen?« Vielleicht hätte ich zurückhaltender sein sollen, bis der Himmel wieder aufklart.
»Monatelang bei Wind und Wetter nur auf dem Sozius?«, Juliana zieht die Nase kraus.
»Aber Australien gilt als Traumland für Biker. Und wenn wir erst mal in Alice Springs sind, gibt es garantiert Sonne bis zum Abwinken.«
Juliana murmelt etwas wie »unverbesserlicher Optimist« und wird konkret: »Ein halbes Jahr zu zweit eingepfercht zwischen Gepäckbergen auf nur einer Maschine? Wir werden uns auf die Nerven gehen.« Wir geben die Idee noch am selben Tag auf. Mit Wehmut meinerseits, muss ich zugeben. Ich bin ein leidenschaftlicher Biker, und eines meiner schönsten Erlebnisse war, als wir auf...
Erscheint lt. Verlag | 9.10.2012 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 10.000 • Abenteuer • Abenteurer • Aborigines • Australien • Buch • Bücher • EMU • Ergebnis • Fahrradtour • Gefängnisinsel Tasmanien • Great Barrier Reef • Kajak • Kamel • Känguru • Karte • Kultur • Landschaft • Mitternachtssonneüber Alaska • Outback • Paddeln • Rad • Reise • Reisebericht • Reisebeschreibung • Reisen mit Fahrrad • Schwierigkeiten • Tipps |
ISBN-10 | 3-492-95211-9 / 3492952119 |
ISBN-13 | 978-3-492-95211-8 / 9783492952118 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
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