Im Westen nichts Neues (eBook)

Roman. Herausgegeben und mit Materialien versehen von Thomas F. Schneider

(Autor)

Thomas F. Schneider (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
368 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30553-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Westen nichts Neues -  E.M. Remarque
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Der Weltbestseller der Anti-Kriegsliteratur - das Buch zur Oscar-prämierten Netflix-Verfilmung Der bedeutendste deutsche Roman zum Ersten Weltkrieg in einer Sonderausgabe - mit neuer Materialiensammlung und einem Nachwort des Remarque-Spezialisten Thomas F. Schneider: Schullektüre ohne Verfallsdatum. Mit diesem Roman begründete Erich Maria Remarque seinen Weltruhm und schuf ein zeitlos gültiges Bild der Schrecken des modernen Krieges. Zum hundertsten Jahrestag des Kriegsbeginns 1914 erscheint eine besonders ausgestattete, mit einem Nachwort von Thomas F. Schneider, Leiter des Remarque-Friedenszentrums der Universität Osnabrück, zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte versehene Sonderausgabe.  Die Geschichte des neunzehnjährigen Paul Bäumer, der als ahnungsloser Kriegsfreiwilliger von der Schulbank an die Front kommt, ist inzwischen Allgemeingut. Auch bei der erneuten Lektüre ist der Eindruck jedoch wieder erschütternd: Wie Bäumer statt der erhofften Kriegsbegeisterung und eines kurzen Abenteuers die ganze Brutalität des Gemetzels und das sinnlose Sterben seiner Kameraden erlebt, ist anrührend und empörend.

Erich Maria Remarque, 1898 in Osnabrück geboren, besuchte das katholische Lehrerseminar. 1916 als Soldat eingezogen, wurde er nach dem Krieg zunächst Aushilfslehrer, später Gelegenheitsarbeiter, schließlich Redakteur in Hannover und Berlin. 1932 verließ Remarque Deutschland und lebte zunächst im Tessin/Schweiz. Seine Bücher »Im Westen nichts Neues« und »Der Weg zurück« wurden 1933 von den Nazis verbrannt, er selber wurde 1938 ausgebürgert. Ab 1939 lebte Remarque in den USA und erlangte 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1970 starb er in seiner Wahlheimat Tessin.

Erich Maria Remarque, 1898 in Osnabrück geboren, besuchte das katholische Lehrerseminar. 1916 als Soldat eingezogen, wurde er nach dem Krieg zunächst Aushilfslehrer, später Gelegenheitsarbeiter, schließlich Redakteur in Hannover und Berlin. 1932 verließ Remarque Deutschland und lebte zunächst im Tessin/Schweiz. Seine Bücher »Im Westen nichts Neues« und »Der Weg zurück« wurden 1933 von den Nazis verbrannt, er selber wurde 1938 ausgebürgert. Ab 1939 lebte Remarque in den USA und erlangte 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft. 1970 starb er in seiner Wahlheimat Tessin. Thomas F. Schneider, Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums an der Universität Osnabrück, veröffentlichte zahlreiche Bücher zur Kriegs- und Antikriegsliteratur im 20. Jahrhundert und zur Exilliteratur. Er hat die Romane Erich Maria Remarques einer kritischen Durchsicht unterzogen und jeweils mit Anhang, Nachwort und weiterführender Literatur versehen.

I


Wir liegen neun Kilometer hinter der Front. Gestern wurden wir abgelöst; jetzt haben wir den Magen voll weißer Bohnen mit Rindfleisch und sind satt und zufrieden. Sogar für abends hat jeder noch ein Kochgeschirr voll fassen können; dazu gibt es außerdem doppelte Wurst- und Brotportionen, – das schafft. So ein Fall ist schon lange nicht mehr dagewesen: Der Küchenbulle mit seinem roten Tomatenkopf bietet das Essen direkt an; jedem, der vorbeikommt, winkt er mit seinem Löffel zu und füllt ihm einen kräftigen Schlag ein. Er ist ganz verzweifelt, weil er nicht weiß, wie er seine Gulaschkanone leerkriegen soll. Tjaden und Müller haben ein paar Waschschüsseln aufgetrieben und sie sich bis zum Rand gestrichen voll geben lassen als Reserve. Tjaden macht das aus Freßsucht, Müller aus Vorsicht. Wo Tjaden es läßt, ist allen ein Rätsel. Er ist und bleibt ein magerer Hering.

Das Wichtigste aber ist, daß es auch doppelte Rauchportionen gegeben hat. Für jeden zehn Zigarren, zwanzig Zigaretten und zwei Stück Kautabak, das ist sehr anständig. Ich habe meinen Kautabak mit Katczinsky gegen seine Zigaretten getauscht, das macht für mich vierzig Zigaretten. Damit langt man schon einen Tag.

Dabei steht uns diese ganze Bescherung eigentlich nicht zu. So splendid sind die Preußen nicht. Wir haben sie nur einem Irrtum zu verdanken.

Vor vierzehn Tagen mußten wir nach vorn, um abzulösen. Es war ziemlich ruhig in unserm Abschnitt, und der Furier hatte deshalb für den Tag unserer Rückkehr das normale Quantum Lebensmittel erhalten und für die hundertfünfzig Mann starke Kompagnie vorgesorgt. Nun aber gab es gerade am letzten Tage bei uns überraschend viel Langrohr und dicke Brocken, englische Artillerie, die ständig auf unsere Stellung trommelte, so daß wir starke Verluste hatten und nur mit achtzig Mann zurückkamen.

Wir waren nachts eingerückt und hatten uns gleich hingehauen, um erst einmal anständig zu schlafen; denn Katczinsky hat recht: Es wäre alles nicht so schlimm mit dem Krieg, wenn man nur mehr Schlaf haben würde. Vorne ist es doch nie etwas damit, und vierzehn Tage jedesmal sind eine lange Zeit.

Es war schon Mittag, als die ersten von uns aus den Baracken krochen. Eine halbe Stunde später hatte jeder sein Kochgeschirr gegriffen, und wir versammelten uns vor der Gulaschmarie, die fettig und nahrhaft roch. An der Spitze natürlich die Hungrigsten: der kleine Albert Kropp, der von uns am klarsten denkt und deshalb erst Gefreiter ist; – Müller V, der noch Schulbücher mit sich herumschleppt und vom Notexamen träumt; im Trommelfeuer büffelt er physikalische Lehrsätze; – Leer, der einen Vollbart trägt und große Vorliebe für Mädchen aus den Offizierspuffs hat; er schwört darauf, daß sie durch Armeebefehl verpflichtet wären, seidene Hemden zu tragen und bei Gästen vom Hauptmann aufwärts vorher zu baden; – als vierter ich, Paul Bäumer. Alle vier neunzehn Jahre alt, alle vier aus derselben Klasse in den Krieg gegangen.

Dicht hinter uns unsere Freunde. Tjaden, ein magerer Schlosser, so alt wie wir, der größte Fresser der Kompagnie. Er setzt sich schlank zum Essen hin und steht dick wie eine schwangere Wanze wieder auf; – Haie Westhus, gleich alt, Torfstecher, der bequem ein Kommißbrot in eine Hand nehmen und fragen kann: Ratet mal, was ich in der Faust habe; – Detering, ein Bauer, der nur an seinen Hof und an seine Frau denkt; – und endlich Stanislaus Katczinsky, das Haupt unserer Gruppe, zäh, schlau, gerissen, vierzig Jahre alt, mit einem Gesicht aus Erde, mit blauen Augen, hängenden Schultern und einer wunderbaren Witterung für dicke Luft, gutes Essen und schöne Druckposten. –

Unsere Gruppe bildete die Spitze der Schlange vor der Gulaschkanone. Wir wurden ungeduldig, denn der ahnungslose Küchenkarl stand noch immer und wartete.

Endlich rief Katczinsky ihm zu: »Nun mach deinen Bouillonkeller schon auf, Heinrich! Man sieht doch, daß die Bohnen gar sind.«

Der schüttelte schläfrig den Kopf: »Erst müßt ihr alle da sein.«

Tjaden grinste: »Wir sind alle da.«

Der Unteroffizier merkte noch nichts. »Das könnte euch so passen! Wo sind denn die andern?«

»Die werden heute nicht von dir verpflegt! Feldlazarett und Massengrab.«

Der Küchenbulle war erschlagen, als er die Tatsachen erfuhr. Er wankte. »Und ich habe für hundertfünfzig Mann gekocht.«

Kropp stieß ihm in die Rippen. »Dann werden wir endlich mal satt. Los, fang an!«

Plötzlich aber durchfuhr Tjaden eine Erleuchtung. Sein spitzes Mausegesicht fing ordentlich an zu schimmern, die Augen wurden klein vor Schlauheit, die Backen zuckten, und er trat dichter heran: »Menschenskind, dann hast du ja auch für hundertfünfzig Mann Brot empfangen, was?«

Der Unteroffizier nickte verdattert und geistesabwesend.

Tjaden packte ihn am Rock. »Und Wurst auch?«

Der Tomatenkopf nickte wieder.

Tjadens Kiefer bebten. »Tabak auch?«

»Ja, alles.«

Tjaden sah sich strahlend um. »Donnerwetter, das nennt man Schwein haben! Das ist dann ja alles für uns! Da kriegt jeder ja – wartet mal – tatsächlich, genau doppelte Portionen!«

Jetzt aber erwachte die Tomate wieder zum Leben und erklärte: »Das geht nicht.«

Doch nun wurden auch wir munter und schoben uns heran.

»Warum geht das denn nicht, du Mohrrübe?« fragte Katczinsky.

»Was für hundertfünfzig Mann ist, kann doch nicht für achtzig sein.«

»Das werden wir dir schon zeigen«, knurrte Müller.

»Das Essen meinetwegen, aber Portionen kann ich nur für achtzig Mann ausgeben«, beharrte die Tomate.

Katczinsky wurde ärgerlich. »Du mußt wohl mal abgelöst werden, was? Du hast nicht für achtzig Mann, sondern für die 2. Kompagnie Furage empfangen, fertig. Die gibst du aus! Die 2. Kompagnie sind wir.«

Wir rückten dem Kerl auf den Leib. Keiner konnte ihn gut leiden, er war schon ein paarmal schuld daran gewesen, daß wir im Graben das Essen viel zu spät und kalt bekommen hatten, weil er sich bei etwas Granatfeuer mit seinem Kessel nicht nahe genug herantraute, so daß unsere Essenholer einen viel weiteren Weg machen mußten als die der andern Kompagnien. Da war Bulcke von der ersten ein besserer Bursche. Er war zwar fett wie ein Winterhamster, aber er schleppte, wenn es darauf ankam, die Töpfe selbst bis zur vordersten Linie.

Wir waren gerade in der richtigen Stimmung, und es hätte bestimmt Kleinholz gegeben, wenn nicht unser Kompagnieführer aufgetaucht wäre. Er erkundigte sich nach dem Streitfall und sagte vorläufig nur: »Ja, wir haben gestern starke Verluste gehabt –«

Dann guckte er in den Kessel. »Die Bohnen scheinen gut zu sein.«

Die Tomate nickte. »Mit Fett und Fleisch gekocht.«

Der Leutnant sah uns an. Er wußte, was wir dachten. Auch sonst wußte er noch manches, denn er war zwischen uns groß geworden und als Unteroffizier zur Kompagnie gekommen. Er hob den Deckel noch einmal vom Kessel und schnupperte. Im Weggehen sagte er: »Bringt mir auch einen Teller voll. Und die Portionen werden alle verteilt. Wir können sie brauchen.«

Die Tomate machte ein dummes Gesicht. Tjaden tanzte um sie herum.

»Das schadet dir gar nichts! Als ob ihm das Proviantamt gehört, so tut er. Und nun fang an, du alter Speckjäger, und verzähle dich nicht –«

»Häng dich auf!« fauchte die Tomate. Sie war geplatzt, so etwas ging ihr gegen den Verstand, sie begriff die Welt nicht mehr. Und als wollte sie zeigen, daß nun schon alles egal sei, verteilte sie pro Kopf freiwillig noch ein halbes Pfund Kunsthonig.

*

Der Tag ist wirklich gut heute. Sogar Post ist da, fast jeder hat ein paar Briefe und Zeitungen. Nun schlendern wir zu der Wiese hinter den Baracken hinüber. Kropp hat den runden Deckel eines Margarinefasses unterm Arm.

Am rechten Rande der Wiese ist eine große Massenlatrine erbaut, ein überdachtes, stabiles Gebäude. Doch das ist was für Rekruten, die noch nicht gelernt haben, aus jeder Sache Vorteil zu ziehen. Wir suchen etwas Besseres. Überall verstreut stehen nämlich noch kleine Einzelkästen für denselben Zweck. Sie sind viereckig, sauber, ganz aus Holz getischlert, rundum geschlossen, mit einem tadellosen, bequemen Sitz. An den Seitenflächen befinden sich Handgriffe, so daß man sie transportieren kann.

Wir rücken drei im Kreise zusammen und nehmen gemütlich Platz. Vor zwei Stunden werden wir hier nicht wieder aufstehen.

Ich weiß noch, wie wir uns anfangs genierten als Rekruten in der Kaserne, wenn wir die Gemeinschaftslatrine benutzen mußten. Türen gibt es da nicht, es sitzen zwanzig Mann nebeneinander wie in der Eisenbahn. Sie sind mit einem Blick zu übersehen; – der Soldat soll eben ständig unter Aufsicht sein.

Wir haben inzwischen mehr gelernt, als das bißchen Scham zu überwinden. Mit der Zeit wurde uns noch ganz anderes geläufig.

Hier draußen ist die Sache aber geradezu ein Genuß. Ich weiß nicht mehr, weshalb wir früher an diesen Dingen immer scheu vorbeigehen mußten, sie sind ja ebenso natürlich wie Essen und Trinken. Und man brauchte sich vielleicht auch nicht besonders darüber zu äußern, wenn sie nicht so eine wesentliche Rolle bei uns spielten und gerade uns neu gewesen wären – den übrigen waren sie längst selbstverständlich.

Dem Soldaten ist sein Magen und seine Verdauung ein vertrauteres Gebiet als jedem anderen Menschen. Dreiviertel seines Wortschatzes sind ihm entnommen, und sowohl der Ausdruck höchster Freude als auch der tiefster Entrüstung findet hier...

Erscheint lt. Verlag 6.2.2012
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte BAFTA 2023 • Brutalität • Daniel Brühl • Deutschland • Deutschunterricht • Edward Berger • Erich Maria Remarque • Erster Weltkrieg • Felix Kammerer • Film • Front-Dienst • Kiepenheuer & Witsch • Klassiker • Krieg • Lektüre • Lesestoff • Militär-Krieg • Netflix-Film • Netflix-Verfilmung • Oscar-Film 2023 • Oscar-Nominierung 2023 • Oscars 2023 • Schrecken • Schullektüre • Soldaten-Sterben • Weltkriegsdrama
ISBN-10 3-462-30553-0 / 3462305530
ISBN-13 978-3-462-30553-1 / 9783462305531
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