Verwesung (eBook)
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-20651-9 (ISBN)
SIMON BECKETT ist einer der erfolgreichsten englischen Thrillerautoren. Seine Serie um den forensischen Anthropologen David Hunter wird rund um den Globus gelesen und wurde für Paramount+ als sechsteilige Serie verfilmt: «Die Chemie des Todes», «Kalte Asche», «Leichenblässe», «Verwesung», «Totenfang» und «Die ewigen Toten» waren allesamt Bestseller, ebenso sein atmosphärischer Psychothriller «Der Hof». «Die Verlorenen», der Auftakt einer neuen Thrillerserie um den ehemaligen Polizisten Jonah Colley, stand mehrere Wochen auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Simon Beckett ist verheiratet und lebt in Sheffield.
SIMON BECKETT ist einer der erfolgreichsten englischen Thrillerautoren. Seine Serie um den forensischen Anthropologen David Hunter wird rund um den Globus gelesen und wurde für Paramount+ als sechsteilige Serie verfilmt: «Die Chemie des Todes», «Kalte Asche», «Leichenblässe», «Verwesung», «Totenfang» und «Die ewigen Toten» waren allesamt Bestseller, ebenso sein atmosphärischer Psychothriller «Der Hof». «Die Verlorenen», der Auftakt einer neuen Thrillerserie um den ehemaligen Polizisten Jonah Colley, stand mehrere Wochen auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Simon Beckett ist verheiratet und lebt in Sheffield. Andree Hesse wurde 1966 in Braunschweig geboren und wuchs bei Celle auf. Bevor er sich an der Filmhochschule in München einschrieb, erlernte er das Sattlerhandwerk. Sein erster Roman erschien 2001. Andree Hesse lebt als freier Autor und Übersetzer in Berlin.
Vor acht Jahren
Kapitel 1
«Wie war der Name?»
Das Gesicht der Polizistin war kalt, in jeder Hinsicht. Ihre Wangen waren rissig und rot, ihre weite gelbe Jacke glitzerte vom Nebel, der sich über das Land gelegt hatte. Sie betrachtete mich mit unverhohlener Abneigung, als machte sie mich nicht nur für das schlechte Wetter verantwortlich, sondern auch dafür, dass sie an einem solchen Tag draußen im Moor stehen musste.
«Dr. David Hunter. Ich gehöre zum forensischen Team. Detective Chief Superintendent Simms erwartet mich.»
Mit mehr als deutlichem Widerwillen betrachtete sie ihr Klemmbrett und hob dann das Funkgerät. «Hier ist jemand, der zum Ermittlungsleiter will. Ein Mr. David Hunter.»
«Doktor», korrigierte ich sie.
Mit einem Blick machte sie mir klar, dass ihr diese Unterscheidung völlig egal war. Aus dem Funkgerät kam ein Rauschen, dann sagte jemand ein paar Worte, die ich nicht verstehen konnte. Die Laune der Polizistin verbesserten sie jedenfalls nicht. Mit einem letzten mürrischen Blick trat sie zur Seite und winkte mich durch.
«Immer geradeaus, bis zu den anderen Fahrzeugen», sagte sie frostig.
«Vielen Dank auch», brummte ich und fuhr an.
Der ganze Wagen war in einen dichten Nebelschleier gehüllt, der sich nur manchmal lichtete, um das düstere, feuchte Moorland vor der Windschutzscheibe erahnen zu lassen. Nach einer Weile sah ich die Fahrzeuge der Polizei, die auf einem relativ ebenen Abschnitt parkten. Ein Polizist winkte mich heran, und der Citroën holperte und schlingerte über den matschigen Boden, bis ich einen freien Platz gefunden hatte.
Ich machte den Motor aus und streckte mich. Es war eine lange Fahrt gewesen, und ich hatte keine Pause gemacht. Meine Neugier war stärker gewesen als meine Erschöpfung. Simms war nicht ins Detail gegangen, er hatte mir am Telefon nur gesagt, dass im Dartmoor ein Grab gefunden worden war und er mich bei der Bergung dabeihaben wollte. Es hatte nach einem jener Routinefälle geklungen, zu denen ich mehrere Male im Jahr hinzugezogen wurde. Doch seit zwölf Monaten verband man die Worte Mord und Dartmoor nur mit einem Mann.
Jerome Monk.
Monk war ein Serienmörder und Vergewaltiger, der vier Morde an jungen Frauen gestanden hatte. Zwei von ihnen waren noch minderjährig gewesen, ihre Leichen hatte man nie gefunden. Sollte hier eine dieser Leichen liegen, bestand die Möglichkeit, dass auch die anderen in der Nähe waren. Ihre Bergung und Identifikation würde eine der größten Ermittlungen des Jahrzehnts werden.
Und ich wollte unbedingt daran beteiligt sein.
«Man hat immer vermutet, dass er dort seine Opfer vergraben hat», hatte ich am Morgen in der Küche zu meiner Frau Kara gesagt, während ich mich hastig fertig machte und meine Sachen zusammensuchte. Wir wohnten bereits seit über einem Jahr in dem alten Haus in South West London, aber ohne Karas Hilfe fand ich mich noch immer nicht zurecht. «Dartmoor ist ein riesiges Gebiet, aber so viele Leichen können dort nicht liegen.»
«David», mahnte Kara und schaute hinüber zu Alice, die gerade frühstückte. Ich zuckte zusammen und warf ihr einen schuldbewussten Blick zu. Normalerweise erwähnte ich die grausigen Einzelheiten meiner Arbeit nicht in Anwesenheit unserer fünf Jahre alten Tochter, doch dieses Mal hatte ich mich von meinem Enthusiasmus mitreißen lassen.
«Was sind Opfer?», fragte Alice und betrachtete konzentriert, wie der Erdbeerjoghurt von ihrem Löffel tropfte. Nachdem sie vor kurzem beschlossen hatte, viel zu alt für Cornflakes zu sein, war Joghurt ihr Lieblingsessen.
«Das ist nur Papas Arbeit», sagte ich und hoffte, dass sie nicht weiter nachfragen würde. Sie hatte noch genug Zeit, etwas über die dunkleren Aspekte des Lebens zu erfahren, wenn sie älter war.
«Warum sind sie vergraben? Sind sie tot?»
«Komm, Liebling, iss dein Frühstück auf», sagte Kara. «Papa muss gleich los, und wir wollen nicht zu spät zur Schule kommen.»
«Wann kommst du zurück?», fragte Alice mich.
«Bald. Ehe du dichs versiehst, bin ich wieder zu Hause.» Ich hob sie hoch. Ihr kleiner Körper war warm und unglaublich leicht, trotzdem erstaunte es mich immer wieder, wie groß sie geworden war. Mir kam es so vor, als wäre sie noch gestern ein Baby gewesen. Werden alle Kinder so schnell groß? «Wirst du ein liebes Mädchen sein, solange ich weg bin?»
«Ich bin immer ein liebes Mädchen», sagte sie empört. Sie hatte noch den Löffel in der Hand, von dem nun Joghurt auf die Notizen tropfte, die ich auf den Tisch gelegt hatte.
«Oje», Kara riss ein Stück von der Küchenrolle und wischte die Papiere ab. «Das gibt einen Fleck. Ich hoffe, sie sind nicht wichtig.»
Alice schaute mich verzagt an. «Tut mir leid, Papa.»
«Nichts passiert.» Ich gab ihr einen Kuss, setzte sie ab und packte meine Notizen zusammen. Das oberste Blatt hatte einen klebrigen Joghurtfleck. «Ich fahr dann mal los.»
Kara folgte mir in den Flur, wo bereits meine Tasche stand. Ich nahm sie in den Arm. Ihr Haar roch nach Vanille.
«Ich ruf dich später an. Dann weiß ich bestimmt schon, wie lange ich bleiben muss. Hoffentlich nur ein paar Tage.»
«Fahr vorsichtig», sagte sie.
Wir waren beide an meine Reisen gewöhnt. Ich war einer der wenigen forensischen Anthropologen des Landes, und es gehörte zu meinem Job, dass ich dorthin fahren musste, wo gerade eine Leiche gefunden wurde. In den letzten Jahren war ich sowohl im Ausland als auch überall in England zu Ermittlungen gerufen worden. Meine Arbeit war häufig grausig, aber in jedem Fall notwendig, und ich war nicht nur auf meine Fähigkeiten, sondern auch auf meinen immer besser werdenden Ruf stolz.
Dennoch fiel mir die Trennung von meiner Frau und meiner Tochter jedes Mal schwer. Aber es sollte ja nur für ein paar Tage sein.
Ich stieg aus dem Wagen und trat vorsichtig auf das matschige Gras. Die Luft roch nach Feuchtigkeit, Laub und Abgasen. Ich ging zum Kofferraum, zog einen Overall aus dem Karton mit Einwegschutzkleidung und schlüpfte hinein. Für gewöhnlich wurde man von der Polizei ausgestattet, doch ich hatte gerne meine eigenen Sachen dabei. Nachdem ich den Reißverschluss des Overalls hochgezogen hatte, nahm ich den Aluminiumkoffer mit meinem Equipment heraus. Bis vor kurzem hatte mir ein alter, abgewetzter Koffer genügt, aber Kara fand, dass ich damit wie ein Vertreter aussah und professioneller auftreten müsste.
Als ich gerade zwischen den geparkten Polizeifahrzeugen hindurchging, hielt ein Wagen an. Die hellgelbe Karosserie hätte mir eigentlich gleich bekannt vorkommen müssen, aber ich war zu abgelenkt und achtete nicht weiter darauf, bis jemand rief.
«Hast du also hergefunden?»
Ich schaute mich um und sah zwei Männer aus dem Wagen steigen. Der eine war klein und hatte vorstehende Zähne und eine spitze Nase. Ich hatte ihn noch nie gesehen, aber den jüngeren Mann an seiner Seite erkannte ich sofort. Groß und gutaussehend und mit den breiten Schultern eines Athleten kam er selbstbewusst heranstolziert. Ich hatte nicht damit gerechnet, Terry Connors hier zu sehen, doch seinen Wagen hätte ich erkennen müssen. Der protzige Mitsubishi war sein ganzer Stolz und setzte sich deutlich von den unauffälligen Autos ab, die die Kriminalpolizei für gewöhnlich benutzte.
Ich lächelte, obwohl ich wie immer gemischte Gefühle hatte, wenn ich auf ihn traf. Einerseits freute es mich, im unpersönlichen Polizeiapparat ein bekanntes Gesicht zu sehen, andererseits herrschte zwischen Terry und mir aus irgendeinem Grund immer eine Befangenheit, die sich nie ganz auflöste.
«Ich wusste nicht, dass du an der Ermittlung beteiligt bist», sagte ich, als die beiden vor mir standen.
Er grinste, wie immer ein Kaugummi zwischen den Zähnen. Seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er ein bisschen abgenommen, sodass seine kantigen Züge ausgeprägter geworden waren. «Ich bin stellvertretender Ermittlungsleiter. Was glaubst du, wer ein Wort für dich eingelegt hat?»
Ich rang mir ein Lächeln ab. Als ich Terry Connors zum ersten Mal begegnet war, war er Detective Inspector bei der Londoner Polizei gewesen, aber wir hatten uns nicht durch die Arbeit kennengelernt. Seine Frau Deborah war zur gleichen Zeit schwanger gewesen wie Kara und hatte zufällig denselben Kurs zur Geburtsvorbereitung besucht. Während die beiden Frauen sich angefreundet hatten, waren Terry und ich uns zunächst voller Argwohn begegnet. Abgesehen von den Überschneidungen unserer Berufe, hatten wir wenig gemeinsam. Er war äußerst ehrgeizig und sah in jedem einen Konkurrenten; ein typischer Sportsmann, für den die Karriere nur eine weitere Arena war, in der er sich Lorbeeren verdienen konnte. Seine Selbstgefälligkeit und Angeberei konnten einem ziemlich auf die Nerven gehen, doch der Erfolg bei den Fällen, die er mir zugeschustert hatte, war für uns...
Erscheint lt. Verlag | 24.2.2011 |
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Reihe/Serie | David Hunter | David Hunter |
Co-Autor | In The Nursery |
Übersetzer | Andree Hesse |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bestseller • Dartmoor • Dartmore • David Hunter • Die Chemie des Todes • englische Krimis • Forensische Anthropologie • forensischer Anthropologe • Krimi Thriller • Monk • Psychothriller • Rechtsmedizin • Serienmörder • spannende Bücher • Thriller • Zuchthaus |
ISBN-10 | 3-644-20651-1 / 3644206511 |
ISBN-13 | 978-3-644-20651-9 / 9783644206519 |
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