Joseph und seine Brüder (eBook)

Vier Romane in einem Band

(Autor)

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2009 | 1. Auflage
1344 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400059-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Joseph und seine Brüder -  Thomas Mann
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Endlich wieder: Thomas Manns Josephsromane in einem Band! Thomas Mann hat mit seiner vierbändigen Joseph-Geschichte einen der größten mythischen Romane des 20. Jahrhunderts geschrieben. Aus einer kurzen biblischen Erzählung entwickelt der Autor ein episches Gemälde, das durch szenischen Reichtum, durch seine menschlichen Figuren, seinen Humor und seine Weisheit gleichermaßen begeistert. Insgesamt 17 Jahre hat Thomas Mann an seinem Opus magnum gearbeitet, bis 1943 der letzte Band erschien. Mit Daten zu Leben und Werk.

Thomas Mann, 1875-1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.

Thomas Mann, 1875–1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.

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»Aus den Tagen des Set«, – die Wendung gefiel dem jungen Joseph, und wir teilen sein Vergnügen daran; denn auch wir, wie die Leute Ägyptenlandes, finden sie höchst verwendbar und schlechthin auf alles passend, – ja, wohin wir nur blicken im Bereiche des Menschlichen, legt sie sich uns nahe, und aller Dinge Ursprung verliert sich bei schärferem Hinsehen in den Tagen des Set.

Zu dem Zeitpunkt, da unsere Erzählung beginnt – ein ziemlich beliebiger Zeitpunkt, aber irgendwo müssen wir ansetzen und das andre zurücklassen, da wir sonst selbst »in den Tagen des Set« beginnen müßten –, war Joseph schon ein Hirte des Viehs mit seinen Brüdern, wenn auch in schonenden Grenzen zu dieser Leistung berufen: er hütete, wenn es ihm Freude machte, mit ihnen auf den Weiden von Hebron seines Vaters Schafe, Ziegen und Rinder. Wie sahen diese Tiere aus, und worin unterschieden sie sich von denen, die wir halten und hüten? In gar nichts. Es waren dieselben befreundeten und gefriedeten Geschöpfe, auf derselben Stufe ihrer Züchtung, wie wir sie kennen, und die ganze Zuchtgeschichte etwa des Rindes aus seinen wilden Büffel-Formen war in des jungen Joseph Tagen seit so langem zurückgelegt, daß »längst« ein schlechthin lächerlicher Ausdruck ist für diese Strecken: das Rind war nachweislich gezüchtet schon in der Frühe jener Gesittungsepoche der Steinwerkzeuge, die dem Eisen-, dem Bronzezeitalter voranging und von welcher der babylonisch-ägyptisch gebildete Amurru-Knabe Joseph fast ebenso weit abstand wie wir Heutigen, – der Unterschied ist verschwindend.

Erkundigen wir uns nach dem wilden Schafe, aus welchem das unsrige und Jaakobs Herdenschaf »einst« gezüchtet worden, so wird uns bedeutet, daß es ausgestorben ist. »Längst« kommt es nicht mehr vor. Seine Verhäuslichung muß sich in den Tagen des Set vollzogen haben, und die Züchtung des Pferdes, des Esels, der Ziege und die des Schweines aus dem wilden Eber, der Tammuz, den Schäfer, zerriß, ist desselben nebelhaften Datums. Unsere geschichtlichen Aufzeichnungen reichen ungefähr siebentausend Jahre zurück; während dieser Zeit ist jedenfalls kein wildes Tier mehr nutzbar und häuslich gemacht worden. Das liegt vor jeder Erinnerung.

Ebendort liegt die Veredelung wilder und tauber Gräser zum brottragenden Korne. Unsere Getreidearten, mit denen auch Joseph sich nährte, die Gerste, den Hafer, Roggen, Mais und Weizen, auf ihre wildwachsenden Originale zurückzuführen, erklärt unsere Pflanzenkunde sich mit dem größten Bedauern außerstande, und kein Volk kann sich rühmen, sie zuerst entwickelt und gebaut zu haben. Wir hören, daß es zur Steinzeit in Europa fünf verschiedene Arten des Weizens und drei Arten Gerste gab. Und was die Züchtung des wilden Weines aus der Rebe betrifft, eine Tat sondergleichen, als menschliche Leistung genommen, wie man auch sonst darüber denken möge, so schreibt die abgründig weit herhallende Überlieferung sie Noah, dem Gerechten, zu, dem Überlebenden der Flut, demselben, den die Babylonier Utnapischtim und dazu Atrachasis, den Hochgescheiten, nannten und der seinem späten Enkel, Gilgamesch, dem Helden jener Tafel-Mären, die anfänglichen Dinge berichtete. Dieser Gerechte also hatte, wie auch Joseph wußte, zuallererst Weinberge gepflanzt, – was Joseph nicht sehr gerecht fand. Denn konnte er nicht pflanzen, was von Nutzen wäre? Feigenbäume oder Ölbäume? Nein, sondern Wein stellte er erstmals her, ward trunken davon und in der Trunkenheit verhöhnt und verschnitten. Wenn aber Joseph meinte, das sei gar nicht so lange her, daß das Ungeheuere geschehen und die Edelrebe entwickelt worden, etwa ein Dutzend Geschlechter vor seinem »Urgroßvater«, so war das ein ganz träumerischer Irrtum und eine fromme Heranziehung unausdenklicher Urferne, – wobei nur mit blassem Staunen darauf hinzuweisen bleibt, daß diese Urferne ihrerseits schon so spät, in solchem Abstande von den Ursprüngen des Menschengeschlechtes gelegen war, daß sie eine Hochgescheitheit zeitigen konnte, die solcher Gesittungstat wie der Veredelung des wilden Weines fähig war.

Wo liegen die Anfangsgründe der menschlichen Gesittung? Wie alt ist diese? Wir fragen so in Hinsicht auf den fernen Joseph, dessen Entwicklungsstufe sich, abgesehen von kleinen träumerischen Ungenauigkeiten, über die wir freundschaftlich lächeln, von der unsrigen schon nicht mehr wesentlich unterschied. Diese Frage aber eben braucht nur gestellt zu werden, damit das Gebiet der Dünenkulissen sich äffend eröffne. Sprechen wir vom »Altertum«, so meinen wir meistens die griechisch-römische Lebenswelt und damit eine solche von vergleichsweise blitzblanker Neuzeitlichkeit. Zurückgehend auf die sogenannte griechische »Urbevölkerung«, die Pelasger, gewahren wir, daß, ehe sie die Inseln in Besitz nahmen, diese von der eigentlichen Urbevölkerung bewohnt waren, einem Menschenschlage, der den Phöniziern in der Beherrschung des Meeres voranging, somit diese in ihrer Eigenschaft als »erste Seeräuber« zu einer bloßen Kulisse macht. Damit nicht genug, neigt die Wissenschaft in zunehmendem Grade zu der Vermutung und Überzeugung, daß diese »Barbaren« Kolonisten von Atlantis waren, des versunkenen Erdteils jenseits der Säulen des Herkules, der vor Zeiten Europa und Amerika verband. Ob aber dieser die vom Menschen erstbesiedelte Gegend der Erde war, steht so sehr dahin, daß es sich der Unwahrscheinlichkeit nähert und vielmehr wahrscheinlich wird, daß die Frühgeschichte der Gesittung und auch diejenige Noahs, des Hochgescheiten, an weit ältere, schon viel früher dem Untergange verfallene Landgebiete anzuknüpfen ist.

Das sind nicht zu erwandernde Vorgebirge, auf welche nur mit jener ägyptischen Redensart unbestimmt hinzudeuten ist, und die Völker des Ostens handelten so klug wie fromm, wenn sie ihre erste Erziehung zum Kulturleben den Göttern zuschrieben. Die rötlichen Leute von Mizraim sahen in jenem Dulder Usiri den Wohltäter, der sie zuerst im Ackerbau unterrichtet und ihnen Gesetze gegeben hatte, worin er eben nur durch den tückischen Anschlag des Set unterbrochen worden war, der sich dann wie ein reißender Eber gegen ihn benahm. Und die Chinesen erblicken den Gründer ihres Reiches in einem kaiserlichen Halbgott namens Fu-hi, welcher das Rind bei ihnen eingeführt und sie die köstliche Schreibkunst gelehrt habe. Die Astronomie zu empfangen erachtete dieses Wesen sie damals, 2852 vor unserer Zeitrechnung, offenbar noch nicht für reif, denn ihren Annalen zufolge wurde sie ihnen erst ungefähr dreizehnhundert Jahre später durch den großen Fremdenkaiser Tai-Ko-Fokee vermittelt, während die Gestirnpriester von Sinear sich auf die Zeichen des Tierkreises bestimmt schon mehrere hundert Jahre früher verstanden und uns sogar berichtet wird, daß ein Mann, der Alexander, den Mazedonier, nach Babylon begleitete, dem Aristoteles astronomische Aufzeichnungen der Chaldäer übersandte, deren Angaben, in gebackenen Ton geritzt, heute 4160 Jahre alt wären. Das hat bequemste Möglichkeit; denn es ist wahrscheinlich, daß Himmelsbeobachtung und kalendarische Berechnungen schon im Lande Atlantis geübt wurden, dessen Untergang nach Solon neuntausend Jahre vor den Lebzeiten dieses Gelehrten datierte, und daß also gut elfeinhalbtausend Jahre vor unserer Zeitrechnung der Mensch bereits zur Pflege dieser hohen Künste gediehen war.

Daß die Schreibkunst nicht jünger, sehr möglicher Weise aber viel älter ist, leuchtet ein. Wir reden davon, weil Joseph ihr so besonders lebhaft zugetan war und sich, im Gegensatz zu allen seinen Geschwistern und anfangs mit Eliezers Beihilfe, früh darin vervollkommnete, nämlich sowohl in babylonischer wie in phönizischer und chetitischer Schriftart. Er hegte geradezu eine Vorliebe und Schwäche für den Gott oder Abgott, den man im Osten Nabu, den Geschichtsschreiber, in Tyrus und Sidon aber Taut nannte und in dem man hier wie dort den Erfinder der Zeichen und den Chronisten der Uranfänge sah: den ägyptischen Thot von Schmun, den Briefschreiber der Götter und Schutzherrn der Wissenschaft, dessen Amt dort unten für höher geachtet wurde als alle Ämter, – diesen wahrhaften, mäßigen und sorgsamen Gott, der zuweilen ein Affe mit weißem Haare war, von lieblicher Gestalt, zuweilen auch ibisköpfig erschien und, wiederum ganz nach Josephs Sinn, sehr zarte und feierliche Beziehungen zum Mondgestirn unterhielt. Dem Jaakob, seinem Vater, durfte der junge Mann diese Neigung nicht einmal eingestehen, da dieser das Liebäugeln mit solchem Götzengezüchte unbeugsam verpönte und also sich wohl strenger erwies als gewisse höchste Stellen selbst, denen seine Strenge geweiht war; denn Josephs Geschichte lehrt, daß diese ihm solche kleinen Abschweifungen ins eigentlich Unerlaubte nicht ernstlich, oder wenigstens nicht auf die Dauer verübelten.

Die Schreibkunst angehend, so ließe sich, um ihre verschwimmende Herkunft anzudeuten, von ihr in leichter Abwandlung jener ägyptischen Wendung besser sagen, sie stamme aus den Tagen des Thot. Die Schriftrolle als Abbildung findet sich in den ältesten ägyptischen Denkmälern, und wir kennen den Papyrus, der Hor-Sendi, einem Könige der zweiten dortigen Dynastie, sechstausend Jahre vor uns, gehörte, damals aber bereits für so alt galt, daß man sagte, Sendi habe ihn von Set ererbt. Als Snofru und jener Chufu, Sonnensöhne des vierten Hauses, herrschten und die Pyramiden von Gizeh erbaut wurden, war die Kenntnis der Schrift im niederen Volke so gang und gäbe, daß man heute die einfältigen Inschriften studiert, mit denen Arbeitsleute die riesigen Baublöcke bekritzelt. Daß aber zu derart entlegener Zeit die Wissenschaft so gemein geworden, kann nicht wundernehmen, wenn man sich jener priesterlichen Relation über das Alter der geschriebenen...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2009
Reihe/Serie Fischer Klassik Plus
Fischer Klassik Plus
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Ägypten • Anspruchsvolle Literatur • Aussöhnung • Bruderzwist • Erstgeburt • Goschen • Jaakob • Joseph • Monotheismus • Palästina • Rahel • Roman • Vorratshaltung • Vorspiel
ISBN-10 3-10-400059-X / 310400059X
ISBN-13 978-3-10-400059-6 / 9783104000596
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