Aiga Rasch - Im Schatten des Ruhms

Bildband

Matthias Bogucki (Herausgeber)

Buch | Hardcover
352 Seiten
2021 | 1. Erstausgabe
Verlag Akademie der Abenteuer
978-3-98530-025-9 (ISBN)
49,00 inkl. MwSt
Im Schatten des Ruhms -Dieses Buch ist eine Zeitmaschine. In jede Richtung. Es ist ein Album. Es macht glücklich. Wer zu Lebzeiten der Künstlerin Aiga Rasch in Buchhandlungen ging, in Bibliotheken die Regale durchstöberte, las, wird jetzt gleich von ihren Bilden in Welten katapultiert werden aus innerer Kindheit, Farbe, Traum, Zukunft, sozialer Frage, Tierliebe, Kreuzworträtseln,menschlicher Größe, Schock, Angst, Geschichte, Zukunft, dem Bewusstsein von Perspektive. Aiga Rasch besaß großes Können, sie war Autodidaktin, lernbegeistert, annahmefreudig, kritisch, experimentierfreudig,nahezu unendlich fleißig, sah, schaute, schuf, probierte aus, arbeitete hart, wollte. Schriftzüge, Typographien, Farben, Menschen, Mode, Gesichtsausdrücke, Haltungen, Musik, Diskussionen, Tag und Nacht, Verlage, Kindheiten in Deutschland, Kindheiten überhaupt, Jugendstil, Impressionismus, Pop-Art, den großen Wurf - Aiga Rasch kannteihre Pappenheimer. Und nahezu jede Betrachterin, jeder Betrachter kommt beim Ansehen ihrer Bilder an denselben Punkt: taucht vor sich selbst auf, triff sich, trifft sich wieder und bekommt Lust auf soviel Leben wie in diesen Grafiken, Farben, Farbkombinationen, Grenzsprengungen, Experimenten.Aiga Rasch hätte leicht als unterschätzte (wäre sie nicht durch die drei ??? berühmt geworden) Illustratorin, Malerin, Grafikerin, Bilderfinderin ins Vergessen fallen können. Aber sie hat diese Cover erfunden, sie geschaffen. Sie ist Antreiberin einer Legende. Wie oft, ist damit nicht nur Glück verbunden. Ein Stil kann nicht genügen. Ein Mensch braucht Facetten, muss hart arbeiten, will schaffen, lernt. Dem begegnet man und frau in diesem Buch. Was will man mehr?Dem Sammler Matthias Bogucki und seinem Freundesumfeld gilt großer Dank für die Bereitstellung des Werks von Aiga Rasch, dem wir uns hier gegenübersehen versehen mit Noten, Geschichten und Interviews von: Angelica Guckes, Barbara Hummel, Nora Löhr, Petra Lanfermann, Silvia Christoph, Yvonne Petrina, Andreas Ruch, Dieter Gebhardt, Lillebror, Sven Haarmann, Tobias Greiner. Dies alles kunstvoll gesetzt von der in Australien lebenden Malerin Michèle Meister, verlegt für euch und Sie von mir, Boris Pfeiffer, und herausgegeben von Matthias Bogucki.

Der Sammler und Nachlassverwalter des Werkes der Illustratorin und Malerin Aiga Rasch, deren Lebenswerk weit über die Erfindung der Cover von "Die drei ???" hinausgeht, stellt das Werk der Künstlerin vor.

vorwort
kalender
cover
menschen
pop-art
r ä u m l i c h k e i t e n
t i e r e
unterwegs
v e r k e h r + t e c h n i k
l a y o u t
c o l l a g e
w i t z + k r i t i k
b i o g r a p h i e + w e r k e

Matthias Bogucki Darf ich Ihnen meine Karte zeigen? Wenn das Telefon um Mitternacht klingelte, gab es keinen Grund zur Sorge – vorausgesetzt, man war mit Aiga Rasch befreundet. Gespräche zu später Stunde waren keine Seltenheit. Ein schmunzelndes „Guten Morgen, Aiga“ eröffnete ein Gespräch, das meist lange dauerte. Sie hatte nie Scheu, so spät zum Hörer zu greifen, und meistens auch keinen besonderen Grund. Neu aufgetauchte Kornkreise in England, eine 3sat-Dokumentation über Müllrecycling oder Rettungsaktionen für den Sumatra-Tiger durch Tierschützer – die Themen waren breit gefächert und unterhaltsame Konversationen vorprogrammiert. Meine Geschichte mit Aiga begann nach der Jahrtausendwende als Fanbekanntschaft. Mehr und mehr lernte ich die private Seite der erfolgreichen Illustratorin kennen. Über die Jahre entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, die bis zu Aigas Tod Bestand hatte. An unsere erste Begegnung erinnere ich mich, als wäre sie gestern gewesen. Als Fan und Sammler von „Die drei ???“-Hörspielen und -Büchern aus In- und Ausland griff ich eines Tages einfach zum Hörer, stellte mich höflichst vor – zeigte ihr quasi meine Visitenkarte – und bat ganz forsch um Autogramme. [BILD] Es folgten ein Briefwechsel – typisch für Aiga waren ihre Briefe mit kleinen Zeichnungen gespickt – und weitere Telefongespräche, bis mein Umzug zum Studienort nach Stuttgart die Distanz zu ihrem Wohnort in Leinfelden-Echterdingen auf einen Schlag auf weniger als 20 min schrumpfen ließ. So kam es zu einem ersten gemütlichen Treffen bei Kaffee und Kuchen. Trotz der vierzig Jahre Altersunterschied konnten wir uns irgendwie gut leiden. Zu dem Zeitpunkt ahnten wir beide nicht, dass noch unzählige weitere Treffen folgen würden, stets begleitet von stundenlangem Austausch über die Kinderbuchszene, aktuelle Kinderhörspiele oder ausländische „Die drei ???“-Ausgaben. Bei dieser ersten Begegnung war ich wie erstarrt. Plötzlich stand ich vor der Künstlerin, deren Werke sich in Form von Buch- und Hörspielcovern über 30 Millionen Mal verkauft hatten und auch meine Wandregale massenhaft füllten. Das verschaffte eine ordentliche Portion Respekt, wenn nicht gar Ehrfurcht. Für Aiga war es ein Heimspiel. An diesem sonnigen Spätnachmittag saßen wir auf der Terrasse ihres Lieblingscafés in Leinfelden-Echterdingen. Sie aß zwei Stücken Schwarzwälder Kirschtorte, was sich später als ihr häufiges Spätfrühstück herausstellen sollte. Aiga war es gewohnt, von Fans und Autogrammjägern kontaktiert und gelegentlich besucht zu werden. Die Ruhe selbst war auch ihr Hund, der ihr zu Fuße lag und geduldig wartete, bis er den Teller und die Gabel heimlich unter dem Tisch abschlecken durfte. Berufswunsch? Hauptsache Schreiben Aiga konnte gut aus dem Nähkästchen plaudern, was nicht sonderlich überraschend war, denn immerhin hatte sie fast vier Jahrzehnte Erfahrung in der Kunst- und Grafikbranche. Deshalb verwundert es auf den ersten Blick, dass ihre große Leidenschaft als Kind und Jugendliche nicht das Zeichnen, sondern das Lesen und Schreiben war. Ihre Großmutter brachte ihr das Lesen bei und sie war stolz darauf, es zu können, bevor sie in die Schule kam. In ihren autobiographischen Notizen erinnert sie sich zudem an zwei prägende Ereignisse aus der Schulzeit: „Die Amerikaner richteten auch die erste Lesestube für Kinder ein. Die war bei uns um die Ecke. Dort habe ich eigentlich die meiste Zeit verbracht. Das Lesen war mir immer das Wichtigste. Deshalb habe ich mich später als Grafikerin auch auf Buchgestaltung spezialisiert.“ Das Medium Buch wirkte also in zweifacher Hinsicht auf die heranwachsende Aiga und die Liebe zu Büchern sollte nie aufhören. Deutlich negativer behaftet war ein anderes Erlebnis, das ihr auch Jahrzehnte später in Erinnerung geblieben war: „Es gab auch schon Comics. Keine Ahnung, wie ich in den Besitz von Supermann, Tarzan und Prinz Eisenherz kam – aber meine Lehrerin entdeckte es, ging zu meinen Eltern und alle drei schimpften mich aus: Das sei Schund und ich dürfe sowas nicht lesen! Dann steckten sie die Heftchen vor meinen Augen in den Ofen! Ich sehe sie heute noch in der offenen Ofentüre aufflammen und verbrennen!“ Für Aiga war dieser Verlust doppelt schmerzvoll. Sie liebte es zu lesen, sie liebte Kunst, und in keinem anderen Medium verbindet sich das Schreiben mit Bildern besser als im Comic. Ich erlaube mir die Vermutung, dass ihr die Graphic-Novel-Adaptionen von „Die drei ???“ extrem gut gefallen hätten. In ihrem Bestreben, nach dem Abitur (1961) Journalistin oder Schriftstellerin zu werden, versuchte Aiga, die Weichen zu stellen. Sie schrieb erste Kurzgeschichten und machte mit „Klug sein und lieben“ an einem Romanwettbewerb mit. Dabei nahm sie sich die Freiheit heraus, diesen zusammen mit einer dazu gehörenden Illustration abzuschicken. Sie schrieb sich an der Universität Tübingen ein, um Germanistik zu studieren. Zusätzlich machte sie ein Praktikum in der Pressestelle der Ilseder Hütte. Doch ihr Traum vom Schreiben ging nicht in Erfüllung. Familiäre Umstände zwangen sie dazu, rasch nach einer geldbringenden Arbeitsstelle zu suchen. Da war es naheliegend, das Angebot ihrer Mutter anzunehmen. Diese war neben der Malerei auch als Covergestalterin für mehrere Buchverlage tätig und öffnete ihrer Tochter die ersten Türen. Folglich arbeitete Aiga bereits ab 1963 als freischaffende Grafikerin, anfänglich für die gleichen Verlage wie ihre Mutter. Kunst in die Wiege gelegt Von Kindesbeinen an war Aiga mit Kunst vertraut, stammte sie doch aus einer überaus begabten Familie, in der ihre Mutter Lilo Rasch-Nägele und ihr Großvater Karl Alfons Nägele ihr Geld mit der Malerei verdienten. Weil es am Ende des Zweiten Weltkriegs kein Spielzeug gab, bekam sie häufig Pinsel und Palette ihrer Mutter, wenn die Tubenfarben zu hart für ihren feinen Strich geworden waren und sie sich eine neue Palette mischte. Damit durfte die kleine Aiga dann die Rückseiten der Skizzen ihrer Mutter bemalen. „Mit zweieinhalb Jahren wusste ich schon, wie man den Pinsel richtig halten muss, das war toll“, schwelgte sie in Kindheitserinnerungen (Interview mit Sven Haarmann / Matthias Bogucki 2004). Die Kunst wurde ihr in die Wiege gelegt und sie profitierte zweifelsohne davon, die Tochter der erfolgreichen Malerin Lilo Rasch-Nägele zu sein. In Aigas Anfängen half ihre Mutter ihr bei einzelnen Zeichnungen und Malversuchen, auch wenn es manchmal nur kleine Details waren. In den 1960ern und 1970ern herrschte ein reger Austausch zwischen Mutter und Tochter, nicht selten postalisch und mit jeder Menge Verzierungen auf den Briefen und Umschlägen. Im Jahr 2006 fügte Aiga rückblickend hinzu: „Ihr Einfluss war in meiner Jugend mein Problem Nr.1. Meine Zeichenlehrerin hat sich vergeblich bemüht, ihren Stil aus mir hinaus zu prügeln, und gab mir deshalb schlechte Noten. Und weil ich diesem femininen Stil nicht entkommen konnte, wurde ich auch an der Kunstakademie abgelehnt. Begründung: Es sei fraglich, ob ich je zu einem eigenen Stil finden würde. Ich konnte mich aber freischwimmen.“ (2006 Interview mit Julia Helm) Und sie schwamm sich bravourös frei, auch wenn dieser Prozess viele Jahre in Anspruch nahm. Insbesondere, wenn man Aigas Illustrationen aus den 1960er Jahren mit den Coverbildern ihrer Mutter vergleicht, fallen die Parallelen auf. Nicht nur die Motive, meist Frauen und Mädchen, sondern auch der feine Pinselstrich und die weichen Formen sind sehr ähnlich. Aiga Rasch beim Kunstunterricht im Wald - ca. 1959 / 1960 Regelmäßig kam auch die Frage auf, wie sie denn zu ihrem ungewöhnlichen Namen gekommen sei. In einer ihrer seltenen Direktantworten in ihrem Online-Gästebuch ist zu erfahren, dass ihre Mutter sich des 1878 erschienenen, noch zu Weimarer Zeiten populären, aber heute nahezu vergessenen Epos Dreizehnlinden von Friedrich Wilhelm Weber erinnert hatte, in dem eine Hofmagd namens Aiga mitunter aufmüpfige Reden schwingt. Dieses Buch musste Lilo Rasch-Nägele beim Standesamt vorzeigen, nachdem der Vorname Aiga den Beamten unbekannt war und die Namenregistrierung zunächst verweigert wurde. Fürs Schwingen von aufmüpfigen Reden war Aiga wahrlich nicht bekannt. Für aufmüpfiges Schwingen des Pinsels schon eher, insbesondere als sie in den späten 1960ern auf die Idee kam, schwarze Buchlayouts für Kinderbücher zu entwerfen und die bis dahin fröhlich bunte Welt der Kinderbücher gehörig durcheinander zu wirbeln. Die Grafikerin startet durch Regelmäßig finden in Fan-Foren zu „Die drei ???“ Diskussion statt, welche Coverillustration die Beste und Schönste sei. Covermotive wie der Phantomsee, das Gespensterschloss und der Karpatenhund liegen in der Gunst der Fans oft ganz vorne. Die Frage nach ihrem Lieblingscoverbild ist Aiga oft begegnet. Sie war der Meinung, dass die Frage falsch gestellt war, reduzierte sie doch die Wirkung des Buches auf ein einzelnes Bild. Dieses machte aber oft nur die Hälfte des Frontcovers aus. Backcover und Buchrücken wurden dabei gar nicht beachtet. „Buchgrafik ist mein Lieblingsgebiet. Da sind Cover unvermeidlich dabei. Hier ergänzen sich Layout und Illustration unter den Bedingungen des Posters, wenn auch eines sehr kleinen Posters, eine sehr anspruchsvolle Kombination. Das habe ich bei der Covergestaltung sehr gern: das Layout ist Arbeit für den Verstand, die Illustration ist mehr fürs Gemüt. Alle gucken nur nach meinen Bildern. Dass der typografische Rahmen bei einem Cover genauso wichtig ist, wenn nicht sogar wichtiger, wird den Leuten nur selten bewusst. (2006 Interview mit Julia Helm) Aiga betonte mehrmals, wie eingeengt sie sich fühlte, wenn der Verlag sie nur für das Coverbild beauftragte und das Layout vorgegeben war. Aiga legte viel Wert auf die künstlerische Freiheit, die Position von Schrift und Bild so bestimmen zu können, wie es ihrem künstlerischen Gefühl entsprach. Je erfahrener sie als Grafikerin wurde, desto näher kam sie dieser Freiheit. Von dieser Erfahrung profitierte auch die Grafikerin Angelica Guckes, die nach ihrem Studium Praktikantin bei der zu diesem Zeitpunkt bereits fest etablierten Aiga Rasch wurde. Sie schreibt die Einführung zum Kapitel „Unterwegs“ und schildert, wie sich ihre berufliche Zusammenarbeit zu einer Freundschaft entwickelte. Ein weiterer Grafiker-Kollege war Dieter Gebhardt, der mit Aiga an Kalenderprojekten arbeitete und zur Einführung des Kapitels „Kalender“ interviewt wurde. Der Künstler und Kunstjournalist Tobias Greiner nimmt Aigas technische Affinität unter die Lupe und führt nicht nur in das Kapitel „Verkehr und Technik“ ein. Er kommt meiner besonderen Bitte nach, einige von Aigas Illustrationen zu adaptieren und in die heutige Zeit zu transportieren. Und für das Kapitel „Räumlichkeiten“ war es mir eine besondere Ehre, Silvia Christoph als Aiga Raschs Nachfolgerin bei „Die drei ???“ zu befragen, von der Aiga sagte, dass ihr Stil gut in die Reihe passe. Ihre Antworten sind vor dem Kapitel „Räumlichkeiten“ zu finden. „Ein Konkurrenzdenken hatte ich nie nötig. Vielmehr machte es mir immer Spaß, mich mit Kollegen auszutauschen.“ (2006) Dieser Satz verdeutlicht einerseits Aigas Offenheit und Lernbereitschaft anderen Grafikerinnen und Grafikern gegenüber. Andererseits unterstreicht er ihr gesundes Selbstbewusstsein. Sie kam während nahezu ihrer gesamten Grafikerkarriere ohne Akquise aus und konnte sich die ihr vorgelegten Verlagsangebote aussuchen. Der Verlag als Familie Wer von 1963 bis 1999 für knapp 50 Verlagshäuser arbeitet, hat unausweichlich regelmäßigen Kontakt zu vielen Lektoraten und Redaktionen. Während Arena (1968-1988), Boje (1972-1980), Delp (1966-1973), dtv Junior (1977-1982), Ensslin & Laiblin (1964-1978), Herold (1987-1991), Klopp (1964-1976), Ravensburger (1967-1970; 1984), Seewald (1966-1969) und Stocker (1965-1975) zu den häufigsten Auftraggebern gehörten, entwickelte sich zum Kosmos-Verlag (1963-1999; 2006) eine Verbindung der besonderen Art, nicht nur, weil Aigas Mutter bereits für diesen Stuttgarter Verlag tätig gewesen war. In der fast 40-jährigen Zusammenarbeit entstanden über 240 Buchprojekte sowie wertvolle Freundschaften. Hervorzuheben sind vor allem die Lektorin Irmela Brender (1935-2017) und die Übersetzerin Lore Puschert (1936-2018). Bereits vor der Zusammenarbeit an „Die drei ???“ hatte Aiga für die beiden Freundinnen, die Ende der 1960er Jahre auch als Kinderbuchautorinnen tätig waren, die Cover und Innenillustrationen gezeichnet. Einzelne davon sind auch in diesem Bildband zu finden. Zu dem Team junger und engagierter Kosmos-Mitarbeiterinnen gehörte auch Barbara Hummel, die für den Verlag über viele Jahre in unterschiedlichsten Funktionen arbeitete und an vielen Projekten gemeinsam mit Aiga Rasch an einem Tisch saß. Als ehemalige Lektorin und Redaktionsassistentin berichtet sie über die damals vorherrschende familiäre Atmosphäre in der Einführung zum Kapitel „Seitengestaltung“. Tiere als stetige Begleiter Aiga war selten allein anzutreffen. Auch zu unserer ersten Begegnung kam sie in Begleitung ihres zotteligen 50 Kilo schweren Afghanenmischlings Sonny, der ihr nie freiwillig von der Seite wich und es als selbstverständlich empfand, bei jedem Einkauf oder Restaurantbesuch mit von der Partie zu sein. Im Innern ihres Hauses ging es noch tierischer zu, da nicht selten drei Katzen um die Gunst des Frauchens buhlten. Es wäre eine Untertreibung, Aiga, die mit vielen Hunden aufgewachsen war, nur als tierlieb zu bezeichnen. Es hatte mehr den Anschein einer Symbiose zwischen Mensch und Tier, die in tiefer gegenseitiger Zuneigung verwurzelt war. Als renommierte Grafikerin war sie in der glücklichen Position, sich ihre Arbeit und ihre Auftraggeber aussuchen zu können. Die Möglichkeit, Tiere zu zeichnen – mit Ausnahme des Pferdes, das sie in den seltensten Fällen für gelungen hielt – trug sicher dazu bei, dass Aiga sich im Kinderbuchsektor am wohlsten fühlte. Den Fans sind vor allem Illustrationen von rasenden Löwen, schwarzen Katzen, singenden Schlangen und silbernen Spinnen bestens bekannt. Aus einer Sammlung von über einhundert weiteren Tieren ist eine Auswahl von XX Bildern im Kapitel „Tiere“ zu finden. Für dessen Einführung ist der Düsseldorfer Grafiker Andreas Ruch eine perfekte Besetzung. Er selbst ist stolzer Hundebesitzer und bezeichnet Aiga Rasch als große Inspiration für seine Arbeit. Kontakt zu Fans Nachdem sich Aiga 1999 zur Ruhe gesetzt hatte und nur noch gelegentlich einzelne Aufträge annahm, konnte sie sich entspannt auf ihrer geliebten Le Corbusier L4 Liege zurücklehnen und den Erfolg ihrer wichtigsten Serie aus der Ferne miterleben. Um diese Zeit wurde das Internet massentauglich und es entwickelte sich eine immer intensivere Kommunikation mit ihren Fans, welcher der Archivar Sven Haarmann in der Einführung des Kapitels „Witziges & Kritisches“ nachgeht. Anfang der 2000er war Aigas Boomzeit der digitalen Kontakte und Bekanntschaften, die sich teilweise zu langanhaltenden Freundschaften entwickelten. Zu diesem Kreis gehörte auch der Grafiker Lillebror, der in der Einführung zum Kapitel „PopArt und fabelhafte Wesen“ zu Wort kommt und erklärt, wieso er gehörigen Bammel vor der ersten Begegnung hatte. Aiga hatte in den 2000er Jahren plötzlich genug Zeit für die wachsende Fanbase, die mit der steigenden Popularität von „Die drei ???“ einherging, und hat ihren Ruhm auch ausgiebig genossen. In einem Interview zwei Jahre vor ihrem Tod betonte sie, dass sie durch ihre Kunst nicht reich werden konnte, aber die jetzige Popularität und der Zuspruch der Fans seien eine schöne zusätzliche Entlohnung für ihre Arbeit. Die Nachwelt In Bezug auf die Sammelleidenschaft waren Aiga und ich auf einer sehr ähnlichen Wellenlänge. Während ich meinen Fokus auf „Die drei ???“ legte, insbesondere mit einem Faible für ausländische Ausgaben, deren Vergleichsanalysen in unseren Gesprächen ausufernd sein konnten (ihren französischen Kollegen Jacques Poirier fand sie besonders einfallsreich), sammelte Aiga nicht nur Briefmarken, Schallplatten und wenig überraschend Kunstbücher, sondern auch Kaffeetassen, Postkarten und Briefe. Es fiel ihr schwer, sich von Dingen zu trennen – was sich als äußerst wertvoll für die Nachwelt herausstellen sollte. In ihrer aktiven Zeit als Grafikerin war sie immer bemüht, die Originalzeichnungen wieder zurückzuerhalten, was viele Korrespondenzen mit Verlagshäusern belegen. Auf nicht wenigen Kartonagen befinden sich aufgedruckte Stempel mit der freundlichen, aber doch bestimmten Aufforderung: „Original bitte zurücksenden“. Aus ihrer Freude zur Fotografie resultierte eine riesige Menge an Bildern, die sie in prall gefüllten Kartons und alten Kodak-Behältern aufbewahrte. Auf der Suche nach Fotos für diesen Band war es nicht leicht, Aufnahmen von Aiga ohne eine Zigarette in der Hand oder den Aschenbecher in der Nähe zu finden. Ihre besten Jahre verbrachte sie in einer Zeit, in der das Rauchen in der breiten Gesellschaft völlig akzeptiert und selbst im öffentlichen Leben omnipräsent war. So ist ihr massiver Tabakkonsum von zwei bis drei Schachteln pro Tag der Hauptgrund, warum die Illustratorin nur 68 Jahre alt wurde. Er erklärt vollumfänglich Aigas Eigenaussage in Sven Haarmanns Beitrag, sie würde die „Zigaretten doppelt bezahlen“. Für ihre eigene Bestattung hatte die detailverliebte Künstlerin vorgesorgt. Ihre Liebe zur Natur und zu Tieren, für die sie sich Zeit ihres Lebens stark engagiert hatte, fand Ausdruck in einer Baumbestattung. Bei der Einäscherung hatte sie ihr Lieblingsbuch, die deutsche Erstausgabe von Rudyard Kiplings Dschungelbuch, dabei. Gekleidet war sie in ein schwarzes T-Shirt, auf dem eine kleine weiße Fläche mit ihrem berühmten AR Signet abgebildet war – einst ein Geburtstagsgeschenk des Teams der rocky-beach.com. Im Schatten des Ruhms Zum 80. Geburtstag glänzt der Stern von Aiga Rasch mehr als je zuvor. Ihre mit Abstand erfolgreichste Serie „Die drei ???“ erfreut sich auch 50 Jahre nach ihrem ersten Layoutentwurf (1970) großer Beliebtheit und die Popularität ihrer Coverbilder ist generationsübergreifend ungebrochen. Ihre Zeichnungen und Entwürfe werden von renommierten Ausstellungshäusern und Museen quer durch die Republik angefragt und ausgestellt. Alle angefragten Kuratorinnen zeigten sich erfreut und sagten rasch zu, einen Beitrag zu diesem Bildband zu schreiben, was mich als Nachlassverwalter mit Dankbarkeit erfüllt. Den Anfang macht Petra Lanfermann, Kuratorin der beiden Ausstellungen „Die geheimen Bilder. Aiga Rasch und die drei Fragezeichen“ (Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen: 2014/2015) und „Von Stuttgart nach Rocky Beach. Aiga Rasch zum 80. Geburtstag“ (Württembergische Landesbibliothek Stuttgart: 2021), mit ihrer Einführung zum Kapitel „Collage-Klebebilder“. Im umfangreichen Kapitel „Menschen“ kommt die geschäftsführende Leitung der Kinder-Akademie Fulda Yvonne Petrina zu Wort, die für die kuratorische Darstellung von „Die sprechenden Bilder. Aiga Rasch und die drei Fragezeichen“ (2018/2019) verantwortlich war. Nora Löhr, die Leiterin der Museumspädagogik im Mittelrhein Museum Koblenz und kuratorisch zuständig für „Die rätselhaften Bilder. Aiga Rasch und die drei Fragezeichen“ (2016/2017), führt mit ihren Bildvergleichen in das Kapitel „Covergestaltung“ ein und betitelt die Illustratorin Aiga Rasch als „Queen of Cover“. Mir persönlich hat es stets viel Spaß bereitet, mit den Ausstellungsmacherinnen das Potential des künstlerischen Nachlasses immer weiter zu erforschen und vor allem der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bei allen Ausstellungen dienten die Originalzeichnungen zu „Die drei ???“ als Zugpferd, doch es war stets mein Bestreben, die Künstlerin Aiga Rasch nicht nur auf eine Serie zu reduzieren. Deshalb wird in Ausstellungen auch zukünftig eine Vielzahl ihrer anderen Arbeiten zu bestaunen sein. Ich bin mir sicher, dass auch in Zukunft der Name Aiga Rasch beinahe symbiotisch mit „Die drei ???“ verbunden bleiben und die Scheinwerfer stets auf das Gespensterschloss & Co. gerichtet sein werden. Auch der Kosmos-Verlag hatte dies erkannt, als er 2014 den Bildband „Die drei ??? und die geheimen Bilder“ mit den Originalzeichnungen zu allen regulären Folgen sowie alternativen, teilweise unbekannten Entwürfen publizierte. Dennoch: Sie stellen nur einen kleinen Teil der insgesamt 600 Bücher dar, die Aiga in fast vier Jahrzehnten illustrierte. Die meisten davon stehen zu Unrecht im Schatten der Coverbilder für Justus, Peter und Bob. Dieser Bildband soll die Person und Künstlerin Aiga Rasch näher beleuchten und gleichzeitig ihre weniger bekannten Illustrationen aus der zweiten Reihe in den Vordergrund rücken. Wenn ich an viele gemütliche Abende bei Aiga zu Hause zurückdenke, erinnere ich mich neben unzähligen Unterhaltungen auch an den Plattenspieler, der oft für Hintergrundmusik sorgte. Am häufigsten kam ihre absolute Lieblingsband The Beatles zum Einsatz, wobei Norwegian Wood und Yellow Submarine zu ihren persönlichen Favoriten zählten. Wir beide hörten die weniger bekannten Beatles-Lieder, die nie in den Charts gewesen waren, mindestens genauso gern. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass Aiga über diesen Bildband mit ihren weniger bekannten Illustrationen sehr glücklich und höchst erfreut wäre.

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo Mit ca. 400 farbigen und schwarzweißen Abbildungen aus dem Leben und Werk der Aiga Rasch.
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 216 x 285 mm
Gewicht 1510 g
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Schlagworte Das illustratorische Gesamtwerk der Erfinderin der Cover der "Die drei ???". • Deutsche Verlagslandschaft • Die berühmte Illustratorin Aiga Rasch wird in ihrem gesamten Schaffen vorgestellt • Illustration • Kinderbuchillustration • Kindheitserinnerungen • Von Bilderbüchern und Büchern in Bildern
ISBN-10 3-98530-025-9 / 3985300259
ISBN-13 978-3-98530-025-9 / 9783985300259
Zustand Neuware
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