Das flüchtige Werk

Pianistische Improvisation der Beethoven-Zeit
Buch | Hardcover
212 Seiten
2019 | 1. Auflage
Edition Argus (Verlag)
978-3-931264-92-5 (ISBN)
35,00 inkl. MwSt
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Obwohl es keine musikalische Epoche ohne Improvisation gab (und gibt) und sich zu allen Zeiten berühmte Vertreterinnen und Vertreter der flüchtigen Kunst des Ex-tempore-Spiels finden, muss das Zeitalter Beethovens wohl als das letzte gelten, in der die pianistische Improvisationspraxis eine Selbstverständlichkeit und das Stehgreif-Spiel bis zu einem gewissen Grade eine für alle Tasteninstrumente notwendige Fertigkeit war. Dennoch nahmen bei aller Selbstverständlichkeit in der Praxis Künstler wie Ludwig van Beethoven selbst oder Johann Nepomuk Hummel hier eine Sonderstellung ein und erfuhren die besondere Wertschätzung und Bewunderung des Publikums, wie zahlreiche Quellen dokumentieren: im ungläubigen Staunen der Zuhörer über den Komplexionsgrad beim ›Komponieren im Moment‹ ebenso wie über den solchen Aufführungen innewohnenden ästhetischen Reiz des Außergewöhnlichen.
Ziel des vorliegenden Bandes ist es, diese vielfältige Improvisationskultur der Beethoven-Zeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln darzustellen. Musikhistorische Erkenntnisse aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (beispielsweise von Herbert Schramowski, Peter Schleuning und Arnfried Edler) sollen hier in Einzelaspekten vertieft und insbesondere um Fragestellungen der historically informed performance practice und historisch informierten Musiktheorie ergänzt werden. Mithilfe der Einbeziehung des Musiktheorieverständnisses der Zeit lassen sich konkrete Fragen zu improvisatorischen Strategien etwa in der Offenlegung satztechnischer Modelle, Muster oder formaler Anlagen eingehender behandeln und so zumindest Rückschlüsse auf die erfolgte Inklangsetzung improvisierter Musik ziehen.
Eine weitere Absicht dieses Bandes ist es, die Improvisationskultur um 1800 in ihren vielfältigen Ausprägungen und mit ihren gesellschaftlichen und ästhetischen Implikationen darzustellen, wovon Beethovens herausragendes Ex-tempore-Spiel letztlich nur einen, wenn auch einen sehr prominenten Fall darstellt. Die Bedeutung der Improvisation für Beethovens Wirken als Pianist und Komponist ist dabei relativ gut dokumentiert und umfassend dargestellt. In den Beiträgen von Leonardo Miucci und Nathalie Meidhof wird dieser Forschungsstand um zwei Aspekte ergänzt: hinsichtlich der Entstehung- und Veröffentlichungsgeschichte der Beethoven’schen Klavierkonzerte einerseits, hinsichtlich satztechnischer Verfahren in Variationssätzen andererseits.
Die übrigen Beiträge streben an, das Blickfeld auf die Improvisationskultur der Zeit in unterschiedlichen Themenfeldern zu erweitern. Dazu gehören die Lehrwerke der Zeit, konventionelle, satztechnische Muster des Improvisatorischen, die Partimento-Tradition in klassischer Formensprache, komponierte Fantasien und ihr Verhältnis zum improvisatorischen Erbe, die ästhetischen Sichtweisen auf die Stegreif-Praxis und nicht zuletzt deren Stellenwert im gesellschaftlichen Gefüge am Beispiel der Stadt Wien. In insgesamt zehn Beiträgen wird versucht, diesen Aspekten auch in ihrer gegenseitigen Verflechtung in unterschiedlichen Ausrichtungen und Blickwinkeln Rechnung zu tragen.
Die Kenntnis von Improvisationslehren und Partimenti sowie das Herausarbeiten satztechnischer Modelle und formaler Strategien in improvisationsbasierten Genres kann Ansätze einer zumindest partiellen Rekonstruktion und einer Reaktivierung historischer improvisatorischer Stile für die heutige musikalische Praxis ermöglichen. Dies böte nicht nur eine erfreuliche Bereicherung einer allzu starren Konzertkultur, sondern ist für die angemessene Interpretation notierter Kompositionen der Wiener Klassik eigentlich unabdingbar. Das Zusammengehen von historischer Quellenforschung und künstlerischer Forschung im Zuge der historisch informierten Aufführungspraxis zieht längst Vorstellungen von einem ›unveränderlichen Werk‹ und der selbstverständlich scheinenden Grundlage eines erschließbaren Urtexts für Klaviermusik um 1800 in Zweifel. Forschungsergebnisse wie diese stellen die dringliche Frage, ob es noch angemessen sein kann, selbst Passagen im Frühwerk Beethovens – von Mozarts zahlreichen nur gerüstartig notierten Sätzen ganz zu schweigen – schlicht auf der Grundlage des erhaltenen Notentexts zu spielen, oder ob Interpretation im eigentlichen Wortsinn nicht bedeuten müsste, Verzierungen und improvisatorische Figuren dort anzufügen, wo sie im Notentext zum Beispiel durch Fermaten oder klar erkennbare Gerüstsätze erwartbar sind – ganz gleich ob sie dann tatsächlich im Moment erfunden oder ausgearbeitet und quasi-improvisando vorgetragen werden. Wenn es dem vorliegenden Band gelänge, Impulse für eine aktivere Rolle des Improvisierens in diesem Sinne zu geben, wäre dies allein ein großer Gewinn. Ausführliche Informationen finden Sie unter www.editionargus.de
Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Musikforschung der Hochschule der Künste Bern ; 12
Zusatzinfo Mit zahlr. Abb. und Notenbeispielen
Verlagsort Schliengen
Sprache englisch; deutsch
Maße 190 x 285 mm
Gewicht 730 g
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Musik Musikgeschichte
Kunst / Musik / Theater Musik Musiktheorie / Musiklehre
Schlagworte Beethoven • Czerny • Fantasie • Improvisation • Lipavsky • Partimento • Preindl • Rondeau-Fantaisie • Tritto
ISBN-10 3-931264-92-0 / 3931264920
ISBN-13 978-3-931264-92-5 / 9783931264925
Zustand Neuware
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