Die Strichpunkte und die zwei Wahrsagerinnen (eBook)
112 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-7396-8 (ISBN)
Ein Blick in die Zukunft
Pita stand frustriert vor dem Periskop in der Zentrale der Strichpunkte. Der gestrige Hagelsturm hatte offenbar einen der Spiegel zerstört.
Man könnte meinen, der Wind würde nie in ein waagrechtes Rohr wehen, doch offenbar hatte er sich geirrt.
„Da guckste in die Röhre, was?“, rief Blacki von dessen Käfig aus. „Kannst du nicht einfach mal den Schnabel halten?“, maulte Pita ihn an.
Lars sah von seiner, wie Pita fand, langweiligen Lektüre auf und seufzte. „Wenn du weißt, dass der Spiegel kaputt ist, dann bringt es nichts, wenn du hier herumstehst und jammerst. Geh einfach rauf und setz einen anderen ein.“
„Wo soll ich denn bitte einen Spiegel herbekommen?“ Lars hob eine Augenbraue: „Wir sind hier auf einem Schrottplatz, Zweiter, hier findet man alles.“
Kurzentschlossen liefen die beiden Detektive nach draußen, um in den Untiefen der Regale nach einem passenden Spiegel zu suchen.
Nach ungefähr 10 Minuten der Suche hatten sie einen gefunden und stiegen auf das Dach der Zentrale, um ihn auszutauschen.
Sie bemerkten nicht, wie Jonas, der erste Detektiv, den Schrottplatz betrat. Bis gerade eben war er im Schachklub von Rocky Beach gewesen und hatte natürlich gewonnen.
Seine Kollegen auf dem Dach der Zentrale hätte er nicht wahrgenommen, wenn Pita in diesem Moment nicht laut geschrien hätte. „Was macht ihr denn dort oben?“, fragte Jonas erstaunt.
„Wir wollten eigentlich unser Periskop reparieren, aber Pita hat sich an den Scherben des Spiegels verletzt.“ „Ich hätte es mir gleich denken können“, murrte Pita, „ein zerbrochener Spiegel bringt sieben Jahre Pech.“ „Du musst einfach besser aufpassen“, erwiderte Lars tadelnd.
In diesem Moment kippte Pita nach hinten über und stürzte mit einem langgezogenen Schrei in das Gerümpel unter ihm. Lars, der ihn noch hatte festhalten wollen, sprang hinterher.
Jonas rannte seinerseits um die Zentrale herum und suchte Pita. Dieser krabbelte auf allen Vieren stöhnend unter einem Flugschreiber und mehreren Kanistern hervor.
„Was habe ich gesagt?“, knurrte er. „Irgendeinen Unsinn“, erwiderte Jonas und half ihm auf die Beine.
Lars sprang von den Autoreifen. „Brauchst du einen Arzt?“ „Nein, es geht schon.“
„Entschuldigung“, fragte eine Frau, die vom Eingang des Schrottplatzes auf sie zukam, „seid ihr die Strichpunkte?“ Die Frau war Mitte 30 und trug eine leichte fliederfarbene Bluse und eine Leinenhose. An einem Faden um den Hals trug sie einen durchsichtigen Stein und an ihren Ohren hingen gelbe und pinke Quasten.
„Ja, wieso?“, fragte Lars. „Ich brauche eure Hilfe.“ Die Frau kam näher.
„Dann sagen Sie uns doch zunächst, wer Sie sind“, forderte Jonas sie auf. Die Strichpunkte stellten sich in einer Reihe vor die Frau und warteten gespannt.
Die Frau lächelte freundlich: „Mein Name ist Fiona. Ich bin Wahrsagerin und komme eigentlich aus Los Angeles. Als ich neulich nach Santa Monica fuhr, um eine Freundin zu besuchen, hörte ich von einer anderen Wahrsagerin in der Stadt. Ich dachte mir, ich könnte die Kollegin besuchen, aber als ich dort ankam, traf mich fast der Schlag!“
Sie holte tief Luft. „Ich saß im Wartezimmer und habe mit einer anderen Frau geredet, die Kundin bei dieser Wahrsagerin war. Aber das, was sie der Frau vorhergesagt hatte, war totaler Schwachsinn! Alles war falsch und aus den Fingern gesaugt. Und ihre Theatralik und Behauptungen über das Universum und irgendwelche griechischen Götter und… ach, es war einfach furchtbar!“ Sie schüttelte sich.
„Woher wissen Sie, dass die Behauptungen falsch waren?“, fragte Jonas und knetete seine Unterlippe. Fiona lächelte: „Ich habe eben andere Dinge für die Zukunft dieser Frau gesehen.“ Die Strichpunkte sahen sich zweifelnd an. Fiona ließ sich durch diese Ablehnung jedoch nicht verunsichern: „Aber jetzt kommt der Oberhammer! Eine andere Frau kam plötzlich herein, stürmte an uns vorbei, riss die Tür zum Besprechungszimmer auf und verkündete der Wahrsagerin laut, ihre Prophezeiung sei nun in Erfüllung gegangen! Sie hätte jetzt endlich ihren geliebten Hund wieder, der verschwunden gewesen war. Als ob diese Betrügerin jemals eine wahre Voraussage gemacht hätte! Ich war so schockiert von all dem, dass ich wieder gegangen bin, ohne mit dieser `Wahrsagerin´ geredet zu haben. Danach wusste ich gar nicht, was ich machen sollte, weil die Polizei mich wahrscheinlich nicht ernst nehmen würde. Gestern hat mir eine andere Bekannte von euch erzählt und ich habe mich gleich auf die Suche nach euch gemacht.“
„Und wie genau sollen wir Ihnen nun helfen?“, fragte Jonas vorsichtig. Er wusste nicht, was er von Fiona halten sollte, doch sein schauspielerisches Talent erlaubte ihm, dies zu verstecken. „Indem ihr beweist, dass sie eine Betrügerin ist.“
„Wie sollen wir das anstellen?“, fragte Pita skeptisch und (ein wenig) ängstlich. „Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass ihr es schaffen werdet, das sehe ich genau!“ Sie machte vor Begeisterung einen kleinen Luftsprung.
Jonas zögerte. „Jo“, zischte Pita dem ersten Detektiv zu.
„Wundervoll! Ich sag‘ euch, ihr werdet den Fall mit Bravour lösen!“ Fiona gab ihnen den Namen und die Adresse der angeblichen Betrügerin und wollte den Strichpunkten ihr Honorar geben, doch Jonas lehnte wie immer ab.
Und schon war Fiona wieder vom Gelände des Schrottplatzes verschwunden.
„W-w-w-wa-was ist da gerade eben passiert?“, stammelte Pita. „Sie hat das Wort `Jo´ aus deinem Munde wohl als Zustimmung verstanden“, erklärte Jonas und blickte auf den Zettel mit der Adresse. „`Anastasia´ nennt sich unser Observierungsziel. Sollte sie wirklich eine Betrügerin sein, ist sie nicht sonderlich kreativ bei ihrer Namensgebung.“
„Was heißt hier `sollte sie eine sein´, ich denke, du glaubst nicht an Wahrsagerei.“ „Tue ich auch nicht, Zweiter. An derartige Spekulationen zu glauben, läge mir fern.“
Pita schüttelte den Kopf. „Dann versteh ich aber nicht, wieso wir Fiona überhaupt helfen? Sie müsste doch auch eine Betrügerin sein.“ „Eben. Vielleicht will sie nur ihre Konkurrenz ausschalten“, warf Lars ein.
„Vielleicht. Aber wir haben den Auftrag, eine Betrügerin zu entlarven, also werden wir das auch tun. Ihr vergesst unser Motto: Wir schnüffeln überall herum. Also, auf nach Santa Monica!“
Obwohl es die Strichpunkte in ihren vielen Fällen bereits des Öfteren nach Santa Monica verschlagen hatte, kannten sie bei weitem noch nicht alle Straßen und Viertel. Dafür war die Stadt einfach zu groß.
Um die Wohnung, welche Anastasia auch für ihre Arbeit nutzte, zu finden, hatten sie sowohl digitale als auch analoge Hilfe in Anspruch nehmen müssen, ebenso das Gehirn des ersten Detektivs.
Die Fahrt war so kompliziert wie der vorherige Satz.
Pita musste seine außerordentlichen Fahrkünste unter Beweis stellen, während er von Jonas und Lars gleichzeitig gemaßregelt wurde. Sein genervtes Röhren beeindruckte die beiden kaum.
Doch schließlich waren sie angekommen. Jonas war guter Dinge, bei seinen Kollegen sah es jedoch ganz anders aus. Lars verstand nicht, warum sie sich die Mühe machten, und Pita hatte Angst vor dem, was Anastasia ihnen voraussagen könnte.
Der Plan von Jonas bestand darin, sich zunächst als Kunden auszugeben und anschließend in die Privaträume der Wahrsagerin einzudringen.
„Müssen wir denn wirklich schon wieder einbrechen?“, fragte Pita in mitleiderregendem Ton. Jonas nahm davon jedoch keine Notiz. „So ist es. Oder hast du eine bessere Idee?“ „Nein.“ „Na also.“
Jonas klingelte an der mit Kringeln und Planeten verzierten Klingel mit der Aufschrift `Anastasias Reich der Zukunft´.
Ein Knacken ertönte und dann meldete sich eine mysteriös raunende Stimme: „Guten Tag, die Herren. Ich habe Sie bereits erwartet.“ Der Türöffner surrte und die drei traten ein.
„Sogar eine Wahrsagerin nutzt die modernen Methoden, um eine Tür zu öffnen.“ „Jo, sie ist schließlich Wahrsagerin und keine Telepathin“, raunte Pita. „Ach, damit kennst du dich wohl aus?“, stichelte Lars. „Na ja,… ja!“
Die Strichpunkte stiegen die Treppe hinauf in den vierten Stock. Allen Dreien wurde bei jedem Schritt mulmiger zumute, doch nur Pita zeigte es offen.
Oben am Ende der Treppe des kalten Betontreppenhauses war eine Tür, aus der farbige Schlangen zu kommen schienen, doch waren sie nur aufgemalt. Dennoch wirkte es so, als würden sie die Tür zu durchbrechen versuchen. Jonas ging zur Tür und drückte die Klinke herunter. Es war offen. „Kommt, Kollegen“, flüsterte er und schritt hindurch.
Das gesamte...
Erscheint lt. Verlag | 29.7.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
ISBN-10 | 3-7597-7396-6 / 3759773966 |
ISBN-13 | 978-3-7597-7396-8 / 9783759773968 |
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