Chaosköniginnen (eBook)
224 Seiten
Tulipan (Verlag)
978-3-641-32919-8 (ISBN)
Valentina Brüning wurde in Frankfurt am Main geboren. Sie studierte Produktion und Drehbuch an der Filmakademie Baden-Württemberg und arbeitet seither als Drehbuchautorin. Zuletzt erschien der erste Band ihrer neuen Buchreihe 'Bulettenbande'.
ALLE GEGEN EINE
Die erste Doppelstunde Latein nach den Osterferien und gleich ein Test. Ist das zu fassen?! Fritzi drückt ihrem Klassenlehrer Herrn Mollenhauer ihr mittelmäßig bis gar nicht ausgefülltes Blatt in die Hand und rauscht ohne ein weiteres Wort aus dem Klassenraum. Natürlich ist sie die Letzte im Zimmer. Sie hat sich gezwungen, bis zum bitteren Ende auf ihr Blatt zu starren, als ob das was nützen würde. Sie ist mit Abstand die Schlechteste in Latein. Dabei geben Chiara und Peti ihr seit letztem Herbst regelmäßig Nachhilfe, aber Fritzi wird einfach nicht besser. Sie sprintet die letzten Stufen hinunter, stößt die große Tür zum Schulhof auf und saugt die frische Frühlingsluft ein. Ihre Mitschüler stehen in Grüppchen zusammen, lachen und erzählen sich aufgeregt von den Ferien.
Sie steuert geradewegs auf die Bank neben dem Kiosk zu. Kurz vor Weihnachten wurde diese Bank genau an der Stelle aufgestellt, an der Fritzi ohnehin immer saß. Sie kam den drei Chaosköniginnen wie gerufen und so haben sie sie zu »ihrer Bank« auserkoren. Wahrscheinlich war die Schulleiterin Frau Doktor Fleck so glücklich darüber, dass Fritzi in der Lateinklasse geblieben und sich mit Chiara und Peti angefreundet hat, dass sie die Bank extra für sie dort hat hinstellen lassen.
Fritzi bahnt sich ihren Weg durch die ellenlange Kioskschlange, als ihr völlig unerwartet ein Skateboard vor die Füße rollt. Mit einem geübten Schritt stoppt sie das Board und hebt es auf. Sie weiß genau, wem es gehört, und plötzlich fühlt sich ihr Magen schrecklich leer an.
Petis Bruder Jannik war die ganzen Osterferien hier, genau wie Fritzi. Sie sind sich ein paar Mal zufällig begegnet. Jedes Mal war sie drauf und dran, ihm Hallo zu sagen, aber ohne Peti war das merkwürdig schwer. Kurz vor Ostern, am Gründonnerstag, hatte sie es dann im Schreibwarenladen einfach gewagt. Jannik probierte gerade ein paar Tags mit Filzstiften aus, sie lief bloß so durch die Reihen auf der Suche nach nichts Bestimmtem. Ihre Blicke trafen sich und sie sagte: »Hey, alles klar?« Als wäre es das Normalste auf der Welt. Doch dann waren Lou und die Eiscafé-Tussis lauthals lachend in den Laden gestürmt. Sie hatten Jannik ohne jede Scham in ein Gespräch verwickelt und Fritzi war kurzerhand geflüchtet. Ein letzter Blick, bevor sie den Laden verließ, war alles, was sie von Jannik mitgenommen hatte. Seither hatte Fritzi sich beinahe jeden Tag gefragt, ob er sie nun für völlig bescheuert hielt, da sie einfach verschwunden war? Oder hatte er ihr Verschwinden überhaupt bemerkt?
Und jetzt steht er vor ihr, spricht sie einfach an - vor allen anderen: »Ah cool, danke!«
Fritzi nickt perplex.
Jannik sieht sie schief an und deutet erwartungsvoll auf sein Board in ihrer Hand: »Darf ich?«
Endlich bemerkt Fritzi, dass sie Jannik, ohne auch nur ein Wort zu sagen, einfach anstarrt und obendrein auch noch sein Skateboard in der Hand hält. Sie spürt, wie ihre Gesichtsfarbe von Zartrosa zu Quietschrot wechselt, drückt Jannik sein Board in die Hand und murmelt ein: »Hier, bitte schön«, doch nicht einmal das bekommt sie geradeheraus, denn ihre Stimme bricht und klingt mehr nach verrosteter Tür als nach ihr selbst. Ohne auf Janniks verdutzten Gesichtsausdruck zu achten, schiebt Fritzi sich an ihm vorbei und verschwindet in den Schülermengen Richtung Chaosbank.
Dort angekommen, kann sie über sich selbst nur den Kopf schütteln. Warum bloß setzen all ihre Gehirnfunktionen immer ausgerechnet dann aus, wenn Jannik in der Nähe ist?
»Da bist du ja!«, ruft Chiara glücklich.
»Und, wie wars?«, will Peti sofort wissen.
»Spinn ich oder waren das vor allem Vokabeln, die wir noch gar nicht hatten?«, fragt Fritzi.
Peti legt den Arm um Fritzis Schultern. »Mach dir nichts draus! Ich habe auch nicht alles richtig. Ausgerechnet ›Aurora habet aurum in ore‹ hab ich falsch übersetzt. Ist das zu fassen?«
Fritzi schnaubt ironisch: »Diese Eins minus wird dir deinen Streberruf verderben!«
»Du meinst, er zieht mir wegen eines Fehlers eine halbe Note ab?«, fragt Peti ehrlich entsetzt.
»Quatsch«, versucht Chiara Peti zu beruhigen.
Die Eiscafé-Tussis stolzieren gerade an ihrer Bank vorbei und ein paar Gesprächsfetzen schwappen zu ihnen herüber: »Dann ziehen wir das jetzt wirklich durch, Emmi?«
»Hab ich doch gesagt, dumme Nuss.«
»Ich war nicht sicher, ob du diese Pause meinst.«
»Sollen wir nicht noch mal mit ihr reden? Vielleicht ist es ja ein Missverständnis«, versucht Doro zu vermitteln.
»Zu spät!« Emma trippelt voran, in der Hand einen großen Becher grasgrünen Shake, der mehr an Glibberschleim erinnert, als an etwas zu trinken. Mandy und Doro eilen hinter ihr her.
Fritzi, Chiara und Peti sehen den dreien nach. »Ich bin echt jedes Mal aufs Neue überrascht, wie man so hohl sein kann.«
»Ich auch.«
»Was ist das für ein widerlicher Drink?«
»Kohlsuppendiät-Shake«, vermutet Fritzi.
Alle drei schmunzeln amüsiert. Die Eiscafé-Tussis bahnen sich ihren Weg durch die Menge zur Treppe vom Oberstufen-Hof und Fritzis Gedanken driften ab. Ob sie heute Nachmittag wohl mal mit dem Bus hoch zur Baracke fahren soll? In den letzten Wochen lag auf dem Feldberg immer noch Schnee, sodass an Longboard fahren dort oben nicht zu denken war. Erst seit Samstag ist es nun endlich wärmer.
»Und wie war denn eigentlich Jugend forscht?«, will Chiara von Peti wissen.
»Offen gestanden …«, Peti zögert. »Es war fürchterlich!«
»Oh nein! Warum das denn?«, klinkt Fritzi sich ins Gespräch ein.
»Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Die Professorin hat mir am Ende gesagt, dass ich wirklich talentiert bin, aber dass sie es sehr bedauert, dass ich mein Potenzial scheinbar nicht ausschöpfen möchte.«
»Oh!«, haucht Chiara mitfühlend.
»Was war los?«, will Fritzi wissen.
Peti antwortet nicht. Die beiden folgen ihrem Blick – Torben kommt gerade mit seinem Rennrad auf den Hof.
»Ich bin gleich wieder da!« Peti springt auf und läuft zum Fahrradständer hinüber, sie rennt beinahe.
»Wow, die hat es aber eilig.«
Peti und Torben bewegen sich aufeinander zu wie zwei Magnete. Er nimmt ihr Gesicht in beide Hände und küsst sie auf den Mund.
»Er scheinbar auch!«
»Muss Liebe schön sein«, schmachtet Chiara und beobachtet sie fasziniert beim Küssen.
»Urg, ist das … sind das ihre … Küssen die mit Zunge?« Fritzi kann kaum hinsehen. Wegsehen kann sie aber irgendwie auch nicht. »Kriegen die noch Luft? Ich meine, wie, oh nein! Wann hören die denn wieder auf?«
Chiara seufzt. »Ich finde es wunderschön.«
Fritzi schüttelt sich: »Ich finde es einfach nur peinlich.«
»Du bist doof. Das fühlt sich bestimmt an wie …«
»Wie?!«
»Ein Feuerwerk.«
Die beiden Chaosköniginnen halten ihre Köpfe schief und beobachten Peti und Torben noch mal genau.
»Sieht irgendwie zu nass aus für Feuerwerk.«
»Du bist so blöd, Fritzi!«
Fritzi zuckt mit den Schultern. »Hör einfach nicht auf mich, ich hab doch von diesem Liebeskram keinen Plan.«
»Und DAS ist echt totaler Quatsch. Schließlich hast du – im Gegensatz zu mir – einen heimlichen Verehrer!«, tönt Chiara so stolz, als wäre es ihr eigener.
Peti und Torben lösen sich voneinander und Peti kehrt beschwingt zu ihnen zurück.
»Schau doch«, sagt Chiara, »so glücklich könntest du auch bald sein, wenn du ihm eine Chance gibst.«
»Moment, Moment! Was hab ich verpasst? Wem willst du eine Chance geben?«, fragt Peti begeistert und setzt sich aufgeregt zu ihnen auf die Bank.
Fritzi winkt ab, aber Chiara zieht einen kleinen Zettel aus ihrer Hosentasche und entfaltet ihn: Du siehst heute wunderschön aus.
»Den hat Fritzi bekommen, als der Molli die Tests ausgeteilt hat.«
»Wow!«, staunt Peti.
»Wieso hast du den denn aufgehoben?«, fragt Fritzi irritiert.
»Du hast den ersten Liebesbrief deines Lebens einfach WEG-GE-WORFEN! Glaub mir, das hättest du bereut.«
Fritzi schnaubt. »Wenn du mich fragst, ist das einfach nur ein schlechter Scherz. Sonst hätte die Person ja wohl ihren Namen draufgeschrieben, da steht aber nichts! Nicht mal ein Buchstabe, das ist also quasi völlig egal!«
Chiara und Peti tauschen vielsagende Blicke. »Mhm, ist klar, völlig egal.«
»Und mein Bruder?«, stichelt Peti. »Ist der dir auch völlig egal?« Sie nickt bedeutungsvoll zur Treppe hinüber, die den oberen und den unteren Schulhof miteinander verbindet. Chiara und Fritzi folgen ihrem Blick. Jannik grindet auf seinem Skateboard das Treppengeländer hinunter und wird prompt von Herrn Renneberg ermahnt. Fritzi kann nicht anders, sie muss Jannik ansehen. Als würde der es spüren, guckt er zu ihr hinüber und lächelt unbeholfen. Sie lächelt zurück. Erst jetzt bemerkt Fritzi, dass die anderen beiden Chaosköniginnen sie interessiert mustern.
»Ja okay«, gibt Fritzi zu. »Jannik ist mir nicht so richtig egal.«
»Du bist verliebt, oder?«, flüstert Peti.
Fritzi schüttelt heftig den Kopf. »Sicher nicht!«, betont sie, dabei hatte sie die gleiche Vermutung natürlich auch schon. Spätestens seit Jannik nicht mehr nur noch nachts in ihren Träumen herumgeistert, sondern sich neuerdings auch tagsüber in ihren Gedanken breitmacht. »Vielleicht finde ich ihn ganz gut«, murmelt Fritzi vorsichtig und wird dabei so rot wie eine Erdbeere.
»Verstehe...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2024 |
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Illustrationen | Maja Bohn |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | 2024 • ab 12 • eBooks • Freche Mädchen • Freundschaft • Liebe • Mädchenroman • Neuerscheinung • verliebt • wilden Hühner |
ISBN-10 | 3-641-32919-1 / 3641329191 |
ISBN-13 | 978-3-641-32919-8 / 9783641329198 |
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