Honesty. Was die Lüge uns kostet (eBook)
400 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0526-1 (ISBN)
Franzi Kopka wurde 1990 im bergischen Land als Tochter einer Buchhändlerin geboren. Dank der zahlreichen Romane im Haus ist sie mit der Frage »Was wäre, wenn« aufgewachsen und hat schon früh damit angefangen, sich Geschichten für ihre drei jüngeren Geschwister auszudenken. Heute vergeht kaum ein Tag, an dem sie keine Zeilen zu Papier bringt. Wenn sie nicht gerade schreibt, tauscht sie sich auf Instagram unter franzikopka mit ihrer Community über Bücher aus oder sammelt neue Inspiration.
Franzi Kopka wurde 1990 im bergischen Land als Tochter einer Buchhändlerin geboren. Dank der zahlreichen Romane im Haus ist sie mit der Frage »Was wäre, wenn« aufgewachsen und hat schon früh damit angefangen, sich Geschichten für ihre drei jüngeren Geschwister auszudenken. Heute vergeht kaum ein Tag, an dem sie keine Zeilen zu Papier bringt. Wenn sie nicht gerade schreibt, tauscht sie sich auf Instagram unter franzikopka mit ihrer Community über Bücher aus oder sammelt neue Inspiration. Chuly Kopka ist 28 Jahre alt und seit Juni 2023 selbstständig als Künstlerin, Content Creatorin und Streamerin. Damit erfülle ich sie sich ihren größten Traum und genießt wirklich jeden Tag, den sie für ihre Projekte nutzen kann.
Im Rahmen der Vereidigung von Ada Sotaro, Blaise Nolan und Nicholas Elking für die neuen Taskforces des Investigationssektors kam es vor wenigen Minuten zu einer Explosion im Kuppelsaal des Parlaments. Für die Bevölkerung Sestibys besteht ausdrücklich keine Gefahr. Es wird dennoch gebeten, das Regierungsgelände vorerst weiträumig zu umgehen.
Ein Update aus dem Parlament wird in Kürze erwartet.
Newsmeldung vom 29.04.2306
Kapitel 1
Ich atme. Vier Sekunden durch die Nase ein, sieben Sekunden Luft anhalten, acht Sekunden durch den Mund wieder aus. Es tut weh. Als würden die Splitter, die bisher nur in meinem Herzen waren, jetzt auch in meiner Lunge stecken. Laut der Behandelnden ist es eine geprellte Rippe, nichts, was die Zeit nicht wieder heilen würde. Zur Unterstützung hat man mir ein Medikament gegeben, meine zahlreichen Schnittwunden wurden mit HealFix versorgt.
Sie haben großes Glück gehabt, Maeander Elking, hallen die Worte des Behandelnden in meinem Kopf nach. Ein paar Tage Schonung, und es wird alles so sein wie vorher. Vielleicht ist er ein Liar, vielleicht glaubt er seinen eigenen Bullshit wirklich. In Wahrheit wird nichts mehr so sein wie vorher. Nicht, nachdem diese Fremden das Parlament gestürmt und die ganze Welt in Scherben geschlagen haben.
Ich sehe kurz zu Paps und meiner großen Schwester Vain, mit denen ich auf einem steril weißen Gang sitze und auf Neuigkeiten aus dem OP warte. Da ich jedes Zeitgefühl verloren habe, ziehe ich mein SmartPad aus dem Dekolleté. Eine Helfende hat es mir nach meiner Behandlung in die Hand gedrückt, auch wenn ich keine Ahnung habe, wo sie es herhatte. Ich aktiviere das Display. Achtzehn Uhr. Sitzen wir echt schon so lange hier? Mein Finger gleitet wie von selbst zum Messenger. Die App ist ausgegraut, genau wie die meisten anderen. Eine Maßnahme des Partner Evaluation Programs, damit wir uns ganz auf die Tests konzentrieren können, deren Ergebnisse uns zur perfekten Partnerschaft verhelfen sollen. Obwohl erst drei der geplanten acht Wochen vorbei sind, fühlt es sich an, als wäre es Jahre her, seit ich das Camp zum ersten Mal betreten habe – oder seit ich heute Morgen aufgestanden und für die Vereidigung meines Bruders Richtung Parlament gefahren bin.
Ich öffne die App des Programms, die über einen eigenen Messenger verfügt – mit limitiertem Kontingent. Vermutlich ist es für diese Woche bei den meisten aufgebraucht, was erklären würde, warum ich nicht einmal eine Nachricht von Therese habe. Schließlich müsste sie doch längst etwas von Grayson gehört haben, richtig? Oder möchte sie mir die schlechten Nachrichten lieber persönlich überbringen?
Bei dem Gedanken an ihn krampft sich mein Magen zusammen. Bevor sich ein verräterisches Zittern in meine Fingerspitzen stehlen kann, schicke ich mein SmartPad in den Ruhemodus und stecke es weg.
Atmen. Ein. Luft anhalten. Aus. Graysons Gesicht verdrängen. Das Blut verdrängen. Die Ungewissheit verdrängen. Mein Innerstes zusammenhalten.
Mein Blick huscht zu der Tür am Ende des Gangs, auf der in großen Buchstaben steht: Zutritt nur für medizinisches Personal. Darüber hängt ein HoloBanner mit der unheilvollen Aufschrift OP 5. Ich wusste nicht, dass es heute noch Operationen gibt, die derartig lange dauern. Andererseits müssen sie einen ganzen Menschen zusammenflicken.
Ein anderes SmartPad vibriert. Vains. Sie drückt den Anruf ungesehen weg. Es ist bereits das fünfte Mal, und ich vermute, dass es ihr Mann Keith ist, der heute Mittag direkt nach Hause gefahren ist. Nicht etwa wegen der Kinder, sondern weil seine Zeit zu kostbar ist, um hier herumzusitzen und zu warten. Allein für diese Aussage hätte ich ihm liebend gern eine reingehauen, was allerdings zu Fragen geführt hätte, die ich besser nicht aufwerfen sollte.
Vain steht auf und streckt ihre Glieder. Abgesehen von den vielen Schnittwunden auf ihren Handrücken sieht sie aus, als hätte sie einen normalen Arbeitstag hinter sich. Ihr Gesicht ist immer noch makellos geschminkt, die Haltung erschreckend aufrecht und ihr Blick zwar müde, aber weit entfernt von einer emotionalen Überreaktion. Paps, der im Sessel neben mir sitzt, gibt ein leises Schnarchen von sich. Sein Kopf ist auf sein Brustbein gesunken, seine kupferroten Locken haben sich gegen das Haargel durchgesetzt und tanzen endlich wieder zerzaust in alle Richtungen. Obwohl ich die Erschöpfung in jeder Faser meines Körpers spüre, kann ich nicht einmal an Schlaf denken. Allein das Sitzen in diesem Sessel ist die reinste Folter.
Die Tür gleitet unter leisem Zischen auf. Ich habe aufgehört, zu zählen, wie oft unsere Hoffnungen bereits enttäuscht wurden, und trotzdem springe ich jedes Mal auf die Beine. Paps hebt ruckartig den Kopf, und auch Vain hält in ihrer Bewegung inne.
Es ist ein Helfender in blassgrüner Kleidung. Als er uns sieht, zuckt er bedauernd mit den Schultern und geht weiter. Wieder keine Neuigkeiten. Scheiße. Anstatt mich zu setzen, versuche ich, einen Blick ins Innere des OPs zu erhaschen, aber hinter der Tür befindet sich nur ein weiterer Gang. Dann gleitet sie wieder zu, und wir sind genauso schlau wie vorher. Paps stöhnt auf, Vain streckt ihren Rücken durch, ich will nur noch schreien.
Atmen, Mae, ermahne ich mich innerlich. Obwohl man AISS nicht sehen kann, spüre ich die Anwesenheit der künstlichen Intelligenz in jedem splitternden Atemzug. Als würde sie nur darauf warten, dass ich mich verrate. Dass eins der Gefühle durchbricht, die ich in unserer heuchlerischen Welt nicht fühlen dürfte. Da ist die heiße Wut auf Kane und alle anderen hohen Tiere, die uns mit ihrem charmanten Lächeln ins Gesicht lügen. Die Hilflosigkeit, nichts dagegen unternehmen zu können. Und die nackte Angst. Um die Menschen, die ich mit ganzem Herzen liebe, so sehr, dass ich nicht einmal darüber nachdenken darf, sie zu verlieren.
»Will noch jemand Kaffee?« Vain hat ihre Dehnübungen beendet und mustert uns fragend. Nicht einmal jetzt lässt sie Sorge durch ihre Miene schimmern, geschweige denn Angst. »Ich meine natürlich einen richtigen Kaffee, nicht diese Brühe aus dem Automaten.«
»Kaffee klingt gut.« Paps rafft sich auf. »Und ich müsste auch mal einen Happen essen. Wenn ich mich nicht täusche, habe ich unten ein Café gesehen. Was ist mit dir, Maelein? Begleitest du uns, oder sollen wir dir was mitbringen?«
Sie sind beide so gelassen. Die Vorstellung, jetzt ein Sandwich zu essen und dabei über belangloses Zeug zu plaudern, ist unerträglich. Aber ich mache weder Paps noch Vain einen Vorwurf. Schuld ist das Betäubungsmittel, das mit jeder Vergabe frisch durch ihre Adern fließt. Der Widerstand nennt es Sedatium, und seit ich davon weiß, sehe ich gewisse Reaktionen mit anderen Augen. Was nicht heißt, dass es weniger schmerzen würde.
»Nein danke. Ich habe keinen Hunger«, erwidere ich und versuche, meine Mundwinkel zu einem Lächeln zu überreden. Keine Chance. Es ist, als wäre mein Vorrat an aufgesetztem Lächeln bei meinem Auftritt im Parlament restlos aufgebraucht worden.
»Du kannst uns auch einfach so begleiten«, bietet Paps an. Sein Gesicht wirkt gerötet, aber sicher täuscht der Eindruck. Als man seine Schnittwunden versorgt hat, wurde er genauso abgeschminkt wie ich, so dass seine Haut eine Mischung aus leuchtenden Sommersprossen und roten Striemen mit transparentem Pflasterfilm ist. Keine Ahnung, wie Vain es geschafft hat, dass nur ihre Hände etwas abbekommen haben. Andererseits trägt sie einen dicken Mantel über ihrem gelben Seidenkleid, und ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ihre Arme nach der Explosion aussahen. Eigentlich sind die meisten Details verschwommen, ich sehe nur zwei Personen in völliger Klarheit vor mir: Grayson und Dad.
»Nein danke«, wiederhole ich. »Lasst es euch schmecken.«
»Wir werden sicher nicht lange weg sein. Bis gleich, Maelein.« Paps’ Vorrat wird niemals erschöpft sein. Er schenkt mir sein typisches Lächeln, das Grübchen auf seine Wangen zeichnet. »Wenn du es dir doch noch anders überlegst, weißt du ja, wo du uns findest.«
Und wieder vibriert Vains SmartPad.
Dieses Mal wirft sie doch einen Blick aufs Display und zuckt kaum merklich zusammen. Dann drückt sie den Anruf erneut weg und schiebt ihren Arm unter Paps’. »Ich brauche jetzt wirklich diesen Kaffee.«
Als die beiden weg sind, bin ich allein auf dem riesigen Gang. Gefühlt ist hier alles dreimal so groß wie in dem MedPlex, in dem wir unsere jährlichen Check-ups haben. Ich drehe mich um die eigene Achse, unschlüssig, was ich jetzt tun soll. Es fühlt sich falsch an, mich wieder zu setzen und nichts zu tun. Ohne länger nachzudenken, laufe ich los. Vorbei an etlichen Türen, die zu Untersuchungszimmern führen, an Pflanzen und Snackautomaten, an weiteren Sitzgruppen, an VisionScreens, auf denen unten die immer gleiche Schlagzeile durchläuft:
Zwischenfall lässt Vereidigung abrupt enden. Es besteht keine Gefahr für die Bevölkerung. Mehr Informationen werden gegen Abend erwartet.
Zwischenfall. Es ist eine lächerlich harmlose Bezeichnung für das, was wirklich passiert ist. Inzwischen ist es sechs Stunden her, seit sich diese schwarzen Gestalten vom SkyWalk des Parlaments abgeseilt haben. Sechs Stunden, seit sie mit roter Farbe diese unheilvollen Worte auf die Glaskuppel gesprayt haben: The program is a lie. Das...
Erscheint lt. Verlag | 28.8.2024 |
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Reihe/Serie | Honesty-Trilogie |
Illustrationen | Charly Kopka |
Zusatzinfo | 7 sw-Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Action Bücher ab 14 • all age bücher • ballad of songbirds and snake • Das Lied von Vogel und Schlange • Die Wahrheit ist unantastbar • Dystopie Roman • Forbidden Love • forced proximity • found family • Franzi Kopka Bücher • Gameshow • Love Triangle • Neal Shusterman • Rebellion • Shatter Me • spannendes Jugendbuch • Systemdystopie • TikTok Bücher • vortex • young adult Bestseller • Young Adult Bücher • zweiter Band Honesty |
ISBN-10 | 3-7336-0526-8 / 3733605268 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0526-1 / 9783733605261 |
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