Kaya Silberflügel ? Zwischen Himmel und Freundschaft (eBook)
304 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0544-5 (ISBN)
Nelly Möhle liebte es als Kind, durch den riesigen Garten ihrer Großeltern zu streifen und sich Geschichten auszudenken. Zwischen Rosenranken und geheimnisvollen Tannen ließ sie ihrer Phantasie freien Lauf, und irgendwann begann sie, ihre Geschichten aufzuschreiben. Mit ihrer ersten Kinderbuchreihe »Der Zaubergarten« landete Nelly Möhle sofort auf der »Dein SPIEGEL«-Bestsellerliste. Die Autorin lebt mit ihrer Familie, einem Hund und einer hundertjährigen Schildkröte in Offenburg.
Nelly Möhle lebt mit ihrer Familie in Offenburg und schrieb sich mit ihrer ersten Kinderbuchreihe Der Zaubergarten in die Herzen ihrer Leser*innen. Als Kind hat sie im Garten ihrer Großeltern gerne Vögel beobachtet und sich vorgestellt, wie toll es wäre, fliegen zu können. Nicht mit dem Flugzeug, sondern einfach die Arme ausbreiten und losfliegen – oder eben die Flügel. Und dann von oben die Stadt anschauen, die Landschaft, über den Schwarzwald zu fliegen oder schnell in die Vogesen. Jetzt verleiht sie ihrer neuen Kinderbuchfigur Kaya genau diese magische Eigenschaft.
Eine Warnung
Ich war am nächsten Tag die Einzige von uns vier Avanosti, die am Nachmittag nichts zu tun hatte. Mama arbeitete in der Musikschule. Deshalb saß ich zur Mittagszeit allein in unserer gemütlichen Küche unter der Dachschräge und löffelte die aufgewärmte Kartoffelsuppe vom Vortag. Meine Gedanken kreisten, ich überlegte die ganze Zeit, was ich Sinnvolles tun könnte. Auch Merle war verplant, sie hatte ein Treffen mit der Umwelt-AG unserer Schule. Sie war ein eifriges Mitglied und konnte uns Avanosti dadurch immer wieder mit wichtigen Infos über unrechtmäßige Aktionen der Firma Stein-BAU füttern. Diese Firma gehörte nämlich Xaver Steinadler, wodurch er in unserer Stadt Sonnberg eine wichtige Rolle als Bauunternehmer und als Arbeitgeber spielte. Leider nutzte er diese Macht aus, um sich über Hindernisse hinwegzusetzen, die seinen Bauvorhaben im Weg standen. Zum Beispiel wollte er in den Auen, dem Brutgebiet der Eisvögel, einen Baggersee ausheben, um an neuen Kies für seinen Baustoffhandel zu kommen. Und sein neustes Projekt war eben der Stausee hinten im Höllental, für das er ganz Sonnberg zu mobilisieren versuchte. Doch Merle stand auf der Seite der Vögel und des Naturschutzes. Und der Avanoste.
Genau in dem Moment meines Gedankenspaziergangs wusste ich plötzlich, was ich an diesem Nachtmittag Sinnvolles tun konnte.
»Ich besuche Aurelia!«, rief ich in die leere Wohnung hinein. Der alten Dame konnte ich von unserer Vermutung erzählen, dass die Avanost-Gegenstände in der Höhle lagern könnten. Natürlich war das nicht der einzige Grund, um zu ihr zu radeln. Ich mochte Aurelia unglaublich gerne. Und sie war der erste Avanost, den ich kennengelernt hatte. Schnell schlüpfte ich in die Turnschuhe und schwang mich aufs Rad.
Etwas außer Atem erreichte ich die Vogelsinger-Villa. Aurelias hübsches Haus lag in einem anderen Viertel als unser altes Mietshaus in der Stadtmitte. Hier gab es ausschließlich Einfamilienhäuser in üppigen Gärten.
Als ich auf die Klingel neben der vornehmen blauen Tür drückte, regte sich erst einmal nichts.
»Oh nee, bitte sei da!«, murmelte ich und hielt den Knopf dauerhaft gedrückt. Riiing!
»Ich komme schon!«, hörte ich endlich eine Stimme und mein Herz begann, schneller zu schlagen. So sehr freute ich mich auf meine Freundin.
Doch es war nicht Aurelia, die die Tür mit Schwung aufriss.
»Kaya!«, rief Celia und klatschte in die Hände. »Was für eine schöne Überraschung!« Dann schloss sie mich in die Arme und ich versank in ihrem ausladenden Kaftan. Celia war ungefähr in Aurelias Alter und ihre Freundin. Und vor allem war auch sie ein Avanost.
»Ist Aurelia nicht da?«, fragte ich, nachdem Celia mich wieder freigegeben hatte und mich hereinwinkte.
»Doch, doch!«, antwortete Celia. »Mit ihrem Gipsbein ist sie nach wie vor etwas langsam unterwegs. Sogar ich bin momentan flinker als sie und deshalb öffne meistens ich die Tür.« Sie strich sich während des Sprechens über ihre üppige Figur und lachte fröhlich. Ich folgte Celia durch die Eingangshalle, durch das Esszimmer und bis auf die andere Seite des Hauses. Und dort, im sonnendurchfluteten Wohnzimmer, lag Aurelia auf dem samtigen Sofa, gestützt durch ein paar Kissen im Rücken und das Gipsbein von sich gestreckt. Wie immer sah die alte Dame sehr vornehm aus in ihrer grün schillernden Rüschenbluse, den langen Perlenketten und dem schicken Dutt im Nacken.
»Wir haben Besuch!«, trällerte Celia und ließ sich ächzend in einen der Sessel plumpsen.
Aurelia streckte ihre Hand aus und zog mich zu sich aufs Sofa. »Ach, Kaya, wie schön, dass du vorbeischaust!«, sagte sie und streichelte meine Hand.
Auf der Sofakante sitzend, fragte ich: »Wie geht es dir? Wann kann dein Gips endlich ab?« Aurelia hatte sich das Bein gebrochen, als ihr vor einiger Zeit ihre magische Feder gestohlen worden war. Mutig war sie dem flüchtenden Dieb gefolgt und dabei schwer gestürzt.
»Ohne den Gips ginge es mir blendend«, antwortete Aurelia. »Aber ich muss diesen Klotz am Bein höchstens noch eine Woche ertragen, dann kommt er ab. Ich bin so dankbar, dass Celia so viel Zeit bei mir verbringt und mich hier im Haushalt unterstützt.«
Das waren doch mal gute Nachrichten. Deshalb beeilte ich mich auch, den beiden Frauen meine Neuigkeiten zu erzählen: Vom anonymen Brief in meinem Fahrradkorb bis zum Avanosti-Treffen auf der Schwaneninsel berichtete ich haarklein. Einfach weil ich mir von den beiden erfahrenen Avanost-Frauen ein paar Ratschläge erhoffte.
»Hmm!«, machte Aurelia, als ich geendet hatte. »Wer schreibt dir einen solchen Brief? Und was hat er zu bedeuten?«
Ich zuckte mit den Schultern, denn genau das wollte ich ja auch gerne wissen.
Dieses Mal antwortete Celia: »Ich denke, es ist eine Warnung. Du musst aufpassen. Ihr Avanosti solltet auf euch aufpassen. Ihr fliegt zu hoch hinaus. Sodass ihr euren eigenen Schatten nicht mehr sehen könnt. Doch andere sehen euren Schatten, ja folgen ihm sogar, um euch zu kontrollieren. Das ist gefährlich!«
Ich schluckte, denn Celias Worte hörten sich irgendwie unheimlich an. »Aber wer will mich denn warnen?«, fragte ich fast verzweifelt.
»Tja … «, war Celias einzige und sehr leise Antwort.
Aurelia sagte: »Ich weiß nur ziemlich sicher, dass Xaver Steinadler seine Finger im Spiel hat. Doch irgendwie glaube ich nicht, dass der Brief von ihm stammt. Das ist nicht seine Art. Er würde dir eher auflauern und direkt drohen. Ohne Schnickschnack und rundheraus.«
Kurz herrschte Schweigen.
Schließlich fragte Aurelia: »Und ihr seid euch sicher, dass ihr auf der Schwaneninsel beobachtet wurdet?«
»Na ja, so richtig sicher nicht«, antwortete ich. »Aber ich hatte ein ganz komisches Gefühl. Und die anderen auch. Da war jemand, eine große Vogelgestalt. Und ich glaube, dass sie uns belauscht hat.«
Aurelia drückte meine Hand und sagte: »Das würde Celias Theorie unterstreichen, dass ihr verfolgt werdet. Es wäre mir lieber, wenn ihr Kinder euch nicht mehr auf der einsamen Schwaneninsel trefft. Ihr könnt stattdessen meinen Avanost-Dachboden für eure Zusammenkünfte benutzen. Da oben seid ihr sicher.«
»Wirklich?«, rief ich aufgeregt.
Der Dachboden der Vogelsinger-Villa war ein richtiges Paradies: Er war gemütlich eingerichtet mit Sofas und Teppichen. Das Beste war jedoch das Spitzdach, das zu großen Teilen aus Glas bestand. Und drückte man auf einen Schalter, fuhren eben diese Glasfenster nach unten und gaben den Himmel frei. Ein Traum für jeden Vogelwandler, denn man konnte natürlich einfach die Flügel ausbreiten und durch das geöffnete Dach in die Freiheit fliegen.
»Wirklich«, antwortete Aurelia lächelnd. »Das Versteck für den Hausschlüssel kennst du ja bereits. Du kannst mit den Avanosti gerne jederzeit den Dachboden als Treffpunkt nutzen. Kommt doch gleich morgen vorbei.«
Ich umarmte Aurelia ganz fest.
»Das ist echt super!«, sagte ich. »Morgen haben wir Avanosti allerdings keine Zeit. Wir fliegen nach der Schule ins Höllental. Zur Höhle der Avanoste.« Ich zuckte vielsagend mit den Augenbrauen.
»Zur Höhle?«, fragten die beiden Damen wie aus einem Mund.
»Was wollt ihr denn dort?«, schob Celia hinterher, dabei hoben sich ihre dünnen Augenbrauen bis unter die lockigen Ponyfransen.
»Na ja«, meinte ich, etwas verunsichert von den strengen Blicken der Avanost-Frauen. »Xaver Steinadler versucht gerade, vom Stadtrat die Genehmigung zu bekommen, hinten im Tal einen Stausee bauen zu dürfen. Dadurch würde die Höhle geflutet werden. Und vielleicht ist sein Hauptziel gar nicht die Trinkwasserversorgung von Sonnberg, sondern die Zerstörung von etwas, was in der Höhle lagert: die gestohlenen Avanost-Gegenstände.«
Ich hatte den letzten Satz fast geflüstert. Die Terrassentüren standen schließlich sperrangelweit offen – wer weiß, ob da draußen nicht wieder ein Spion saß und meine Worte aufsaugte, um sie dann sofort zu Xaver Steinadler zu tragen.
Aurelia schüttelte sacht den Kopf. »Das kann ich kaum glauben«, meinte sie dann. »Xaver würde die machtvollen Gegenstände doch nicht in unserer Avanost-Höhle verstecken. Direkt unterhalb der Hütte der Wächterin! Das wäre viel zu riskant für ihn. Jederzeit könnte das Versteck von einem Avanost entdeckt werden!«
Ich warf ein: »Aber manchmal sind gerade solche Verstecke doch die besten, oder? Also, ich meine die, die an einem Ort sind, wo sie kein Mensch vermutet. Oder in unserem Fall: kein Avanost.«
»Also, ich weiß nicht so recht«, murmelte Aurelia.
»Außerdem ist die Höhle ja mit Brettern verrammelt«, fiel mir noch ein. »Keiner kommt einfach so hinein.«
Die Damen schwiegen nachdenklich.
Dann sagte Aurelia: »Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Kinder ganz allein ins Höllental fliegt und in die Höhle eindringt. Du hast Xavers hasserfüllte Worte beim großen Stadtfest gehört: Er wird alles tun, um die Avanost-Gemeinschaft zu zerschlagen. Ein Avanosti-Schwarm im Höllental bietet ihm einen prima Vorwand. Falls ihr wirklich belauscht wurdet, kennt er euren Plan.«
Ich rief: »Aber was sollen wir denn sonst machen?«
Aurelia antwortete: »Wir erwachsenen Avanoste treffen uns noch diese Woche. Es ist nun an uns, uns um das Problem Xaver Steinadler zu kümmern.«
Celia nickte und meinte: »Wir werden bei unserem Treffen auch eure Vermutung, dass die Höhle ein Versteck sein könnte, besprechen. Doch ich bin mir sicher, dass sich nichts Geheimnisvolles darin...
Erscheint lt. Verlag | 30.10.2024 |
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Reihe/Serie | Kaya Silberflügel |
Illustrationen | Alina Brost |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuergeschichten • Alkonost • Bücher für starke Mädchen • Buch über Freundschaft • Der Zaubergarten • Fantasybuch • Fantasy für Kinder • Fantasy für Kinder ab 9 • Federn-Fantasy • Geschichten wie die Woodwalkers • getrennte Eltern • Kampf um Gut und Böse • Kinderbuchserie • Kinderbuchserie ab 9 Jahren • Kinderbuch über Empowerment • Kinderroman ab 9 Jahren • magische Gegenstände • Magische Geschichten für Kinder • magisches Kinderbuch • Magisches Mädchenbuch • neue Freunde finden • Sagengestalten • Spannendes Kinderbuch für Mädchen und Jungen • Traum vom Fliegen • Umweltschutz Kinderbuch • Vatersuche • Vogelwandler |
ISBN-10 | 3-7336-0544-6 / 3733605446 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0544-5 / 9783733605445 |
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