Future Fairy Tales - Geschichten aus einer anderen Welt (eBook)

Nominiert für den deutschen Jugendliteraturpreis 2023
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0850-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Future Fairy Tales - Geschichten aus einer anderen Welt -  Holly-Jane Rahlens
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Was für ein Lesevergnügen! Holly-Jane Rahlens zeigt mit diesen höchst originellen Märchenvariationen ihr ganzes Können: Ob Aschenputtel, Rapunzel oder Sterntaler, die Autorin spielt gekonnt mit Märchenmotiven und erzählt sie aus einer futuristischen Perspektive völlig neu. Dazu liefert sie unterschiedlichste Erzählweisen, vom Tagebucheintrag über Kurzgeschichte, Drehbuch oder Gedicht bis hin zum Blogeintrag. Es sind Texte voller Humor und Tiefe, Emotion und literarischem Erfindungsgeist. Und wie nebenbei entsteht für den Leser eine ganz neue Welt in der fernen Zukunft. Ein besonderes Märchenbuch für starke Mädchen - und für die Frauen, die sie auf ihrem Weg begleiten.

Holly-Jane Rahlens kam Anfang der 70er-Jahre aus ihrer Heimatstadt New York nach Berlin. Mit Funkerzählungen, Hörspielen und Solo-Bühnenshows machte sie sich dort in den 80ern und 90ern einen Namen. Außerdem arbeitete sie als Journalistin, Radiomoderatorin und Fernsehautorin, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete.

Holly-Jane Rahlens kam Anfang der 70er-Jahre aus ihrer Heimatstadt New York nach Berlin. Mit Funkerzählungen, Hörspielen und Solo-Bühnenshows machte sie sich dort in den 80ern und 90ern einen Namen. Außerdem arbeitete sie als Journalistin, Radiomoderatorin und Fernsehautorin, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete.

Die Schlafende und der Jüngling


Magnus ließ sich am Rande des Waldes auf einem Felsbrocken nieder. Er schaute auf das undurchdringliche Gewirr von Bäumen und Unterholz vor ihm. Der Moment, auf den er so lange gewartet hatte, war endlich gekommen. Sein hartes Training hatte sich ausgezahlt – die Push-ups morgens um sechs, die gesunde Ernährung, das Judo, das Yoga, das Fechten. Magnus de Koning der Jüngere von Amsterdam war in Topform. Es konnte nichts mehr schiefgehen. Allerdings wäre es vielleicht vernünftiger gewesen, er hätte gestern Abend nicht so lange mit Bodo und Nixo in der Hotelbar gesessen und Spicer getrunken. Was hatte er sich dabei bloß gedacht? Wie viele hatte er getrunken, drei? Moment! Er hatte die Runden doch in seinen BB eingetragen.

Magnus aktivierte seinen Brain Button. Er klickte die Tagebuchfunktion an und las seinen Eintrag vom gestrigen Abend: Magnus hatte einen Espresso, ein zwei Marswasser und drei vier fünf Spicer.

Fünf also. Mist. Eindeutig zu viel.

Er spürte, dass er Kopfschmerzen bekam, ein winziger stechender Schmerz an seiner linken Schläfe. Wo waren die kleinen rosa Mind-Binders, die er neulich gekauft hatte? Hektisch kramte er in seinen Taschen nach den Pillen – da! Er nahm eine und legte sie sich unter die Zunge. Sie schmeckte nach Kirsch, war aber so sauer, dass er das Gesicht verziehen musste, doch er spürte beinahe sofort, wie sich der Nebel in seinem Kopf lichtete.

Er rollte den Kopf ein paar Mal nach rechts und links und hörte, wie es in seinem Nacken knackte. Er seufzte. Jetzt, wo er wieder klar denken konnte, merkte er, dass er auch etwas für seine Nerven brauchte. Ärgerlich, dass er keine Chill-Pill dabeihatte.

Wie spät war es eigentlich? Magnus klickte in seinem Brain Button nach der genauen Zeit. 13:29. Okay. Seine Kumpels Bodo und Nixo würden erst in einer halben Stunde kommen. Hatte er soweit alles? Er checkte sein Laserschwert. Es war geladen und auf Stand-by. Er bückte sich und überprüfte die Schnallen an seinen Stiefeln. Sie saßen fest. Er inspizierte die Stiefelschäfte – sie waren staubfrei und glänzten. Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, falls dort noch Krümel vom Frühstück steckten. Alles gut.

Magnus machte sich auf dem Stein etwas gemütlicher, dann zog er eine Flasche aus seinem Rucksack und nahm einen Schluck Wasser. Schon besser. Okay. Und jetzt? … Vielleicht sollte er sich die Geschichte noch mal anhören, zur Einstimmung. Er konnte sich noch entsinnen, als er sie das erste Mal gehört hatte. Er fand sie so toll. Die Frauen und Männer, die sich um ihn gekümmert hatten, die Nannys und Nandys, hatten den Kindern in seinem Near & Dear vor dem Schlafengehen immer gern vorgelesen. Er erinnerte sich gern daran. Und schon damals war seine Lieblingsgeschichte Es war einmal in der fernen Zukunft gewesen. Das Beste daran war, dass es sich um eine wahre Geschichte handelte.

Magnus aktivierte wieder seinen BB, tippte mit seinen Gedanken Z-u-k-u-n-f-t im Suchfenster des Rasters ein. Es war einmal in der fernen Zukunft wurde angezeigt, und er klickte darauf. Sein BB spielte ihm die Geschichte vor, und er hörte sie in seinem geistigen Ohr:

 

Es war einmal in der fernen Zukunft – ein Märchen.

In alten Zeiten, nur wenige Jahre nach der Jahrtausendwende, lebten ein Mann und eine Frau. Sie –

 

Magnus hielt die Lesung an. Ihm gefiel die Stimme des Erzählers nicht. Es war eine junge männliche Stimme mit Mandarin-Akzent. Magnus mochte Mandarin, aber der Akzent passte nicht zu dieser Geschichte. Er klickte auf Einstellungen und wechselte zu einer reifen weiblichen Stimme mit einem leichten nordamerikanischen Akzent. Sie erinnerte ihn an seine Lehrerinnen auf dem Schul-Kanal.

 

Es war einmal in der fernen Zukunft – ein Märchen.

In alten Zeiten, nur wenige Jahre nach der Jahrtausendwende, lebten ein Mann und eine Frau. Sie hießen Mr. und Mrs. Sheen und wünschten sich nichts mehr als ein Kind. Doch was sie auch taten und wie sehr sie es auch versuchten, sie bekamen doch keines.

 

Magnus grinste und hielt die Geschichte wieder an. Er überlegte, ob «was sie auch taten» vor zweihundert Jahren wohl dasselbe gewesen war wie heute. In zwei Jahrhunderten würde sich diese Angelegenheit wohl nicht so sehr verändert haben, oder? Und dann fragte er sich, was wohl mit «wie sehr sie es auch versuchten» gemeint sein konnte. Hatten sie es schneller getan? Oder wilder? Oder einfach nur öfter? Hatten sie besondere Kleidung getragen oder irgendwelche Hilfsmittel benutzt? Wenn ja, welche? Als Kind hatte er sich so etwas nie gefragt. Aber jetzt mit einundzwanzig dachte er viel über solche Dinge nach – sehr viel.

 

Endlich fand ein Urologe namens Dr. Froschmaier den Grund für ihre Kinderlosigkeit heraus. Die Spermien des Mannes waren einfach zu langsam. Also verschrieb Dr. Froschmaier ihm ein Medikament und sagte zu den Sheens: «Euer Wunsch wird euch erfüllt werden. Bevor ein Jahr um ist, werdet ihr ein Kind bekommen. Habt Vertrauen.»

Bald darauf – siehe da! – wurde die Frau tatsächlich schwanger, und neun Monate später gebar sie eine Tochter. Und was für eine süße Tochter es war! Der Mann und die Frau nannten sie Dawn, wie der neue Tag, denn für die beiden hatte wirklich eine neue Zeit, ein neues Leben begonnen. Ihr zweiter Vorname war Rose, wie das erste rosige Licht der Morgenröte.

Die Eltern waren so froh über ihre Tochter, Dawn, dass sie beschlossen, ihr Glück mit einem großen Brunch zu feiern, zu dem Familie, Freundinnen und Nachbarinnen eingeladen waren. Doch als der Tag kam, ein Sonntag, und die Gäste gegen Mittag in der Wohnung der Sheens eintrudelten, wirkte die kleine Dawn krank. Ganz reglos lag sie in den Armen ihrer Mutter. Mr. Sheen hastete hinunter zum ersten Stock des Hauses und bat eine Nachbarin, eine stadtbekannte Kinderärztin, streng, aber weise, nach dem Baby zu sehen. Obwohl es ein Sonntag war und die Sheens sie nicht einmal zu ihrer Feier eingeladen hatten, weigerte sich die Ärztin nicht, ihren hippokratischen Eid zu erfüllen.

Als die Ärztin das Baby untersucht hatte, war ihr Gesicht ganz bleich geworden. Sie vermutete eine schwere Erkrankung. Dawn Rose wurde eiligst ins Krankenhaus gebracht.

Ein paar Tage und zahlreiche Untersuchungen später war aus der Vermutung der Kinderärztin traurige Gewissheit geworden. Bei Dawn wurde ein schwerer Herzfehler diagnostiziert. Das Kind würde seinen 18. Geburtstag nicht erleben.

Es war eine schreckliche Prophezeiung. Mr. und Mrs. Sheen waren verzweifelt. Sie hatten Angst. Und sie waren zutiefst traurig. Ihr kleines, perfektes Mädchen sollte an einer tödlichen Krankheit leiden? Sie weigerten sich, die Meinung der Ärztinnen zu akzeptieren, und brachten ihre Tochter zu anderen Weisen, um weitere Meinungen einzuholen. Insgesamt befragten sie zwölf Spezialistinnen, doch alle sagten den armen Eltern dasselbe: Dawn Rose Sheen würde ihren achtzehnten Geburtstag nicht erleben.

 

Magnus klickte auf Pause und nahm noch einen Schluck Wasser. Das Leben im frühen 21. Jahrhundert musste schrecklich gewesen sein mit all den Krankheiten, von denen so viele nicht geheilt oder verhindert werden konnten. Heute starb man meist durch Unfälle oder an Altersschwäche. Hin und wieder hörte man auch von gewalttätigen Auseinandersetzungen in abgelegenen Gemeinden, wo die einen oder anderen an schweren Verletzungen starben, weil sie nicht schnell genug Hilfe bekamen. Aber im Großen und Ganzen hatte man alle Krankheiten unter Kontrolle. Wenn Magnus lang genug lebte, würde er vielleicht zu den Glücklichen gehören, die unsterblich würden.

 

Jahre vergingen. Das Mädchen wuchs heran, aus dem Baby wurde ein Kind. Dawn war liebenswert und wunderschön, klug, tugendhaft, sanft und freundlich. Doch sie war auch sehr krank. Sie litt unter chronischer Müdigkeit. Wenn sie zu schnell lief, bekam sie Atemnot. Ihr Puls raste. Oft wurde ihr schwindelig.

Trotz ihrer Krankheit war Dawn Rose voller Hoffnung. «Bestimmt finden sie bald eine Heilmethode für die Krankheit», sagte sie immer.

Ihre Eltern hatten ihr nicht die ganze Wahrheit über ihre Krankheit erzählt. Hätte Dawn gewusst, dass sie ihren achtzehnten Geburtstag nicht erleben würde, wäre sie sicherlich nicht so optimistisch gewesen.

Eines Tages, als Dawn Rose siebzehn Jahre alt war und allein zu Hause, klingelte es an der Tür. Es war eine Frau in schlichtem Kostüm und festem Schuhwerk. Sie hätte einen Termin mit Mr. und Mrs. Sheen, meinte sie. «Das müssen meine Eltern wohl vergessen haben», sagte Dawn. «Nicht schlimm», sagte die Frau, sie würde einen neuen Termin vereinbaren und noch einmal wiederkommen. Sie legte eine Broschüre und ihre Visitenkarte auf die Kommode im Flur und verschwand.

Neugierig nahm Dawn Rose die Broschüre mit zum Sofa. Vorne drauf war ein modernes Gebäude aus Stahl und Glas zu sehen, umgeben von hohen Tannen. Es war eine Forschungseinrichtung namens ALYA. Dawn Rose begann zu lesen.

ALYA, benannt nach einem schwachen Doppelsternsystem, ist eine gemeinnützige Stiftung, die die Technik der Kryonik – das Einfrieren von menschlichen Körpern und Gehirnen in flüssigem Stickstoff nach dem Tod – befürwortet, erforscht und ausübt. Dahinter liegt die Hoffnung, dass diese Menschen in der...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Übersetzer Christiane Steen
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Vorlesebücher / Märchen
Schlagworte Aschenputtel • Brüder Grimm • Der süße Brei • Dornröschen • Empowerment • Froschkönig • Gedankenexperiment • geschenkbuch für jugendliche • Hänsel und Gretel • Hans im Glück • Illustriertes Märchen • illustriertes Märchenbuch • Jugendbuch ab 13 Jahre • Jugendliteratur • Märchen • Moderne Märchen • Rapuzel • Rotkäppchen • Schneewittchen • Science Fiction • Starke Mädchen • Sterntaler • Zukunft
ISBN-10 3-7336-0850-X / 373360850X
ISBN-13 978-3-7336-0850-7 / 9783733608507
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