Running Girl (eBook)

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
480 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0769-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Running Girl -  Simon Mason
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Geh chillen, Sherlock - hier kommt Garvie Smith Garvie Smith ist 16, sieht hammer aus, hat ein fotografisches Gedächtnis und den höchsten IQ, den es je an der Schule gegeben hat - plus die miesesten Noten. Wozu auch der Stress? Das Leben nervt total. Nie passiert irgendwas Spannendes ... Bis eines Tages die Leiche von Garvies Ex-Freundin Chloe aus dem Teich gefischt wird. Und der junge Kommissar Singh sich bei seinen Ermittlungen einfach zu dämlich anstellt. Jetzt muss Garvie wohl oder übel eingreifen. Langeweile? Endlich mal keine. Schule? Muss halt warten. Nominiert für den Costa Book Award

Simon Mason, 1962 in Sheffield geboren, ist sowohl Autor als Verlagsleiter bei David Fickling Books, Oxford. In Deutschland kennt man ihn hauptsächlich durch seine Kinderbuchreihe über die ?Quigleys?.Sein Jugendbuch »Moon Pie« wurde 2011 für den Guardian Children`s Fiction Award nominiert. Literaturpreise: ?Zu schön, um tot zu sein? Nominiert für den Costa Children's Book Award 2014

Simon Mason, 1962 in Sheffield geboren, ist sowohl Autor als Verlagsleiter bei David Fickling Books, Oxford. In Deutschland kennt man ihn hauptsächlich durch seine Kinderbuchreihe über die ›Quigleys‹.Sein Jugendbuch »Moon Pie« wurde 2011 für den Guardian Children`s Fiction Award nominiert. Literaturpreise: ›Zu schön, um tot zu sein‹ Nominiert für den Costa Children's Book Award 2014

1


Ein Dreckswetter fegte über die Stadt. Der Regensturm peitschte die gläsernen Bürotürme im Westen und prasselte gegen die Dächer, Kuppeln und prächtigen Fassaden der Altstadt. Er breitete sich nach Norden aus, über Krankenhäuser und Schulen, und nach Süden, über Clubs und Casinos. Immer dunkler wurde es, und der Sturm legte noch an Geschwindigkeit zu, raste ostwärts über die Kläranlage, das Industriegebiet und die Autofabrik hinweg. Und schließlich stürzte er sich auf die Wohnanlage Five Mile, schwärzte den gesprungenen Asphalt, überflutete verstopfte Abflüsse und trommelte gegen die Fenster der Wohnung in 12 Eastwick Gardens, wo der sechzehnjährige Garvie Smith, die Hände hinterm Kopf verschränkt, auf seinem Bett lag und an die Zimmerdecke starrte.

Garvie war ein schlanker Junge mit einem schönen Gesicht. Er trug tiefhängende Röhrenjeans, einen schlichten Kapuzenpullover und schmutzstarrende Chucks. Seit zwei Stunden lag er so da, ohne sich zu rühren. Lag da und starrte.

Seine Mutter erschien in der Tür. Sie war eine gesetzte Dame aus Barbados, mit breitem Gesicht und kurzgeschnittenen schwarzen Haaren mit einem leichten Grauschleier. In der Hand hielt sie einen amtlich aussehenden Brief, den sie zusammenfaltete und in ihre Jackentasche steckte, während sie ihren Sohn zornig ansah. Sie machte den Mund auf. In sechzehn Jahren als alleinerziehende Mutter war sie nicht nur stetig breiter und robuster geworden, sondern hatte sich auch eine verblüffend durchschlagende Stimme zugelegt.

«Garvie!»

Er gab nicht zu erkennen, ob er sie gehört hatte.

«Garvie!»

«Ich bin beschäftigt», sagte er schließlich zur Decke.

«Komm mir nicht auf die Tour, Garvie. Warum bist du nicht am Lernen?»

«Ich bin am Lernen.»

Eine Pause entstand, in der seine Mutter Garvies Zimmer betrachtete, nicht nur den wüsten Stapel schmutziger Wäsche, die Berge von Gerätschaften und Krimskrams aller Art, sondern auch – und im Speziellen – den kleinen, fürs Lernen reservierten Tisch, der seit Monaten nicht benutzt worden und mit allem Möglichen beladen war, nur nicht mit Schulbüchern.

«Was genau lernst du denn gerade?»

Es folgte eine noch längere Pause, in der Garvie über die gestellte Frage nachdachte. «Komplexe Zahlen», kam schließlich die Antwort.

Seine Mutter atmete tief durch. Er konnte es hören.

Ohne den Blick von der Zimmerdecke zu wenden, sagte er: «Sagen wir, mein Übungsbuch ist Einheit a –»

«Garvie!» Ihre Stimme glich einem tiefen Knurren.

«Und meine Lernerei ist Einheit bi –»

«Garvie, ich warne dich!»

«Dann entspricht das Gelernte der komplexen Zahl a + bi, wobei i die Eigenschaft i2 = –1 besitzt.» Er machte eine Pause. «Man bezeichnet so etwas als unlösbare Gleichung.»

«Garvie!»

Er schwieg.

«Rauchst du wieder dieses Zeug?»

Er antwortete nicht und änderte auch nicht seine Position, während seine Mutter eindringlich auf sein ausdrucksloses Gesicht starrte. Er konnte sie starren hören.

Gleich würde sie ihm sagen, dass er ihr ein absolutes Rätsel sei.

«Du bist mir ein absolutes Rätsel», sagte sie.

Und dann würde sie ihm sagen, dass sie gar nicht mehr wisse, wer er sei.

«Garvie Smith?», sagte sie. «Ich weiß gar nicht mehr, wer das eigentlich ist.»

Er hörte sie tief Luft holen. Sie war im Begriff, ihre übliche Liste durchzugehen. Es war eine lange Liste, und sie erforderte einen langen Atem.

Mit einem Minimum an Erläuterung und einem Maximum an Nachdruck zählte sie verschiedene gewichtige Punkte auf. Dass Garvies Zimmer eine Kiste voller Müll sei. Dass ernsthaftes Lernen an einem Tisch mit Büchern und einem eingeschalteten Computer stattfinde. Dass Garvie Smith der faulste Junge in der ganzen Siedlung und überhaupt der faulste Junge sei, von dem sie je gehört habe, vielleicht sogar der faulste Junge aller Zeiten, ganz zu schweigen davon, dass er ungezogen, rücksichtslos und schwierig sei. Dass er sich ständig und immer tiefer in den Schlamassel reite – und er solle bloß nicht glauben, dass sie nicht darüber Bescheid wisse. Und dass seine Prüfungen in noch nicht mal zwei Monaten für ihn die absolut letzte Chance seien, die Schule noch zu schaffen.

Er antwortete nicht.

«Ich warne dich, Garvie», sagte sie. «Komm in die Hufe. Und zwar sofort. Steh auf, hol deine Bücher aus der Tasche und schalte den Computer ein.»

Sie war auf dem Sprung ins Krankenhaus, wo sie als stellvertretende Oberschwester im OP oft unregelmäßige Arbeitszeiten hatte. Der Brief, über den sie eigentlich hatte sprechen wollen, war vergessen. Sie warf ihrem Sohn einen letzten zornigen Blick zu, bevor sie sich abwandte. «Wenn ich zurückkomme», sagte sie, «erwarte ich, dass dein Zimmer aufgeräumt ist und du was geschafft hast. Das ist mein Ernst, Garvie. Du gehst nicht raus, verstanden? Du hast Hausarrest, bis du ordentlich gelernt hast.»

Schnaubend ging sie davon, und kurz darauf knallte die Wohnungstür zu.

Ihr Sohn, das Rätsel, starrte weiterhin an die Zimmerdecke. Da waren noch ein paar Dinge, die seine Mutter zu sagen vergessen hatte, und die sprach er sich jetzt vor. Dass er ein Junge sei, dessen angeblicher Intelligenzquotient eines Genies ihm in fünf Jahren an der weiterführenden Schule nicht eine einzige Eins im Zeugnis, egal in welchem Fach, verschafft habe. («Keine einzige, Garvie!») Dass er ein Junge aus gutem Haus sei, der sich in Schwierigkeiten bringe – und zwar nicht nur durch Vernachlässigung der Schule, Unordnung in seinem Zimmer und allgemeine Faulheit, sondern auch durch Schwänzen, Alkohol und dadurch, dass er («Streite es nicht ab, Garvie!») dieses Zeug rauche.

Er starrte weiter an die Decke. Der Regen trommelte weiter gegen das Fenster.

Genie, was war das eigentlich? Wenn man in der Lage war, schwierige Gleichungen zu verstehen? Wenn man sich Sachen merken konnte, die andere vergaßen, oder etwas bemerkte, das die anderen übersahen? Na, toll. Aber was bewirkten die Zahlen und Gleichungen? Was passierte denn schon, was sich zu erinnern lohnte? Was sah er, das ihn auch nur eine Sekunde lang daran zweifeln ließ, dass das Leben im Allgemeinen nichts weiter als ein in Zeitlupe vor sich hinschleichender, sinnloser, schäbiger und stinklangweiliger Teppichfussel billigster Machart war?

Und daher starrte er, vollständig bekleidet einschließlich seiner dreckigen Schuhe, mit unbewegtem Gesicht weiter an die Decke. Es war ein ungewöhnliches Gesicht mit diesen pechschwarzen Haaren, dem kupferfarbenen Teint, den strahlend blauen Augen; ein Gesicht, das die Blicke auf sich zog, das Ergebnis seiner gemischten Herkunft. Aber auch ein Gesicht, das von Langeweile beherrscht war.

 

Eine Stunde verging. Regen prasselte gegen das Fenster, Autos zischten über die Ringstraße. Eine weitere Stunde verging.

Dann prasselte etwas anderes gegen das Fenster.

Gähnend hievte Garvie sich vom Bett hoch und schaute hinaus. Unten auf dem Rasenstück stand leicht gebückt ein Junge mit herben Gesichtszügen und schmalen Handgelenken, der ihm zuwinkte. Felix. Felix der Kater. Er war einer von Garvies Freunden, die von seiner Mutter als «schlechter Umgang» eingestuft wurden.

«Ist deine Mutter da?»

«Nee.»

«Kommst du runter, eine rauchen?»

«Okay.»

Garvie zog seine alte Lederjacke über, verließ die Wohnung und ging die Treppe hinunter. Draußen war es fast dunkel. Der Regen hatte vorübergehend ausgesetzt, und die nassen Fassaden von Eastwick Gardens glänzten schwarz und gelb im Schein der Straßenlampen. Hinter dem Häuserblock lagen die Ringstraße, auf der es mittlerweile ruhiger zuging, die schwarzen Umrisse der Autofabrik und jenseits davon Felder und Gestrüpp. In der anderen Richtung erstreckte sich die Siedlung – ein Gewirr aus Haupt- und Nebenstraßen, Doppelhäusern mit Kieselrauputz und Maisonettewohnungen, Garagen und Tante-Emma-Läden, Drahtzäunen, Grünstreifen und rissigen Bordsteinen, alles so öde und gewöhnlich wie vertraut.

Ein Taxi fuhr vorbei und hupte, worauf Garvie die Hand hob, um den Fahrer zurückzugrüßen – Abdul, ein Freund seiner Mutter. Dann schloss er sich Felix an. Die beiden schlurften, die Jacken gegen die feuchte Abendkühle bis oben zugezogen, nebeneinander die Straße entlang, vorbei an den geparkten Lieferwagen, den Elektroläden und Wettbüros in Richtung Old Ditch Road, wo der Spielplatz lag.

Felix blickte sich beim Gehen ständig um, als würde er nach unerwarteten Gelegenheiten Ausschau halten. Sein längliches, weißes Gesicht war übersät von Pickeln. Er war gut zu Fuß, geschmeidig wie ein Tänzer. Garvie hielt in seiner üblichen legeren Gangart und mit gesenktem Kopf Schritt mit ihm.

Nach einer Weile sagte er: «Und wieder ein Freitagabend im Paradies.»

Felix sah ihn von der Seite an, schniefte und wischte sich über die spitze Nase. Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück.

Ein paar von den anderen waren bereits da, hockten auf den zu kleinen Schaukeln und dem winzigen Karussell. Ganz normale Jungs mit Kapuzenpullovern, nassen Haaren und einer Abneigung gegen Langeweile. Sie klatschten die Neuankömmlinge ab und sahen sich forschend um, dann setzten sie sich wieder hin.

«Was geht?», sagte Garvie.

Allgemeines Achselzucken.

Smudge schlug vor, in den Pub zu gehen. «Oder wie wär’s mit diesem neuen Laden in der Stadt, wo...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Reihe/Serie Garvie Smith
Übersetzer Karsten Singelmann
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte chloe • faul • Five Mile • Garvie • IQ • joggingschuhe • Klausuren • Kommisar • Laufen • London • Mord • Raminder • Sherlock Holmes • Singh • Smith
ISBN-10 3-7336-0769-4 / 3733607694
ISBN-13 978-3-7336-0769-2 / 9783733607692
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