Academy of the Sun - Onyekas Superkraft (eBook)
336 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0571-1 (ISBN)
T?lá Okogwu ist Autorin, Journalistin und Haarpflegeberaterin. Sie wurde in Nigeria geboren und wuchs in London auf. Heute lebt T?lá mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Kent, England.
Tọlá Okogwu ist Autorin, Journalistin und Haarpflegeberaterin. Sie wurde in Nigeria geboren und wuchs in London auf. Heute lebt Tọlá mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Kent, England. Eva Schöffmann-Davidov, Jahrgang 1973, ist eine der renommiertesten Kinder- und Jugendbuchillustratorinnen Deutschlands. Nach ihrem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Augsburg machte sie sich in der Kinder- und Jugendliteratur schnell einen Namen und gewann im Lauf ihrer Karriere zahlreiche Preise für ihre Gestaltungen. Als Fachhochschuldozentin gab sie ihr Wissen und ihre Erfahrung auch an junge Künstler*innen weiter. Heute illustriert sie Kinderbuchserien und Jugendbücher unter anderem von Bestsellerautor*innen wie Kerstin Gier oder Tanya Stewner. Die Illustratorin lebt mit ihrer Familie in Augsburg. Simona Ceccarelli ist in Italien aufgewachsen und hat in San Francisco Illustration studiert. Sie lebt in der Schweiz mit ihrem Mann, zwei Kindern, drei Nationalitäten, vier Sprachen und einer Katze.
Kapitel eins
»Onyeka!«
Ich zucke zusammen, und über meine Kopfhaut läuft ein Prickeln, als Cheyennes ungeduldige Stimme durch meine aufkommende Panik dringt.
»Jetzt komm endlich! Wenn’s geht, noch vor 2030.«
Die stickige Luft in der überheizten Umkleide wird noch wärmer, und der beißende Chlorgeruch brennt in meiner Nase. Ich glaube, ich muss mich gleich übergeben.
»Ich geh da nicht raus«, brumme ich die dicke Holztür an, die uns trennt.
Ein schnelles Trippeln, gefolgt von einem kräftigen Klopfen. »Das Schwimmbad macht zu, wenn das noch lange dauert«, erwidert Cheyenne mitleidlos. »Hast du sie an?«
Ich betrachte die Badekappe, die neben mir auf dem Boden liegt, wo ich sie hingepfeffert habe. Mum hat darauf bestanden, dass ich sie trage, obwohl ich wusste, dass das nur Probleme bringt.
»Sie passt nicht«, sage ich. »Ich hab’s versucht. Meine Haare sind einfach zu dick.«
Cheyenne macht ein Geräusch, das wie eine Mischung aus einem Seufzer und einem Knurren klingt … ein Kneufzer. »Kannst du sie nicht einfach weglassen?«
Ich schnaube. »Du weißt, wie Mum reagiert, wenn ich meine Haare offen trage oder nass mache.«
»Das merkt sie doch niemals«, entgegnet Cheyenne, auch wenn wir beide wissen, dass das gelogen ist. Mum merkt so was immer. Es ist ihre Superkraft.
»Ich geh da nicht raus«, wiederhole ich, allerdings mit einem verräterischen Zittern in der Stimme. Gegen Cheyenne habe ich keine Chance.
Cheyenne weiß das auch und stürzt sich darauf wie eine Gepardin aus einer dieser Tierdokus, die Mum so liebt. Die gucken wir immer zusammen, wenn Mum ausnahmsweise mal nicht arbeiten muss.
»Mach auf!«, brüllt Cheyenne. Schlagartig kehrt in der Umkleide Stille ein.
Mein Magen zieht sich zusammen. Ich hasse es, wenn sie das tut. Nur weil sie gern im Mittelpunkt steht, heißt das nicht, dass es mir ebenso geht. Die Wände der engen Kabine rücken näher. Mein Brustkorb verkrampft, und ich bekomme kaum noch Luft. Energiewellen jagen kribbelnd über meine Haut. Mühsam unterdrücke ich sie. Ich darf mich nicht aufregen. Sonst verliere ich die Beherrschung, und das darf auf keinen Fall passieren. Das ist Mums oberste Regel.
Ich erinnere mich daran, wie ich mich zum ersten Mal so gefühlt habe. Mum und ich standen Hand in Hand an einer Bushaltestellte, als eine Gruppe Kinder anfing, sich über meine Haare lustig zu machen. Mum ignorierte sie und beugte sich zu mir runter, als ob sie wusste, dass ich kurz vorm Ausflippen war. Sie lächelte sanft und erklärte mir, dass ich lernen musste, meine Gefühle zu kontrollieren, denn wenn ich ihnen jemals freien Lauf ließ, würden schlimme Dinge geschehen.
Das war bevor sie mir die Fibonacci-Folge beigebracht hat, die mir hilft, meine Emotionen in Schach zu halten. Das ist wohl irgendeine mathematische Zahlenfolge aus dem alten Indien, die irgendwer aus welchen Gründen auch immer stattdessen nach einem Italiener benannt hat. Aber sie funktioniert. Es ist schwierig auszuflippen, wenn man versucht, sich zu erinnern, welche Zahl als Nächstes kommt.
Ich schließe die Augen und fange an, in Gedanken die Zahlen aufzusagen, um mich zu beruhigen.
Null …
Eins …
In meiner Vorstellung fahre ich jede Zahl nach, gebe ihr eine Farbe, eine Textur, einen Geschmack.
Null ist blau mit ungeschliffenen Rändern und schmeckt nach Waffeln ohne Sirup.
Eins glänzt orange und hat den scharf-säuerlichen Geschmack von Essig.
Nach und nach nimmt das Prickeln unter meiner Haut ab. Um sicher zu sein, zähle ich trotzdem weiter.
Die nächste Eins ist braun und matschig, aber so köstlich wie die Donuts, die Mum mir nie erlaubt.
Zwei ist ein nebliges, dumpfes Grau. Total langweilig und normal.
An diesem Punkt entfalten die Zahlen ihre Wirkung, und mein Herzschlag verlangsamt sich. Gerade als ich aufhöre zu zählen, rappelt der Türknauf. Ich erschrecke fast zu Tode. Ich hatte Cheyenne ganz vergessen. Schnell entriegle ich die schwere Tür, und sie zwängt sich in ihrem blauen Badeanzug zu mir in die Kabine. Ihr Gesicht glänzt, und mir steigt der Duft von Kokosöl in die Nase. Sie benutzt immer viel zu viel. Sogar in den Haaren. Heute trägt Cheyenne sie als Afro-Puff, mit einem elastischen roten Haarband.
Es ist komisch, sie ohne die flauschigen Fuchsohren zu sehen, die sie sonst immer auf dem Kopf trägt. Cheyenne fährt total auf Amaya ab – ihre absolute Lieblings-Animefigur – und verkleidet sich gern als sie. Ich bin daran gewöhnt, bekomme aber oft mit, wie andere Leute sie komisch ansehen. Nicht, dass es Cheyenne interessieren würde, was irgendwer über sie denkt. Manchmal glaube ich, dass sie gern auffällt, weil sie dadurch alle Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Fast so, als wollte sie die Leute herausfordern, etwas über ihren Modegeschmack zu sagen. Ich bleibe lieber unsichtbar.
Cheyenne hat das Turner-Syndrom und muss spezielle Hormone nehmen, damit sie noch wächst. Ihr Mundwerk ist aber auch so schon groß genug. Ich habe mal gesehen, wie sie eine Elftklässlerin mit nur einem Satz zum Schweigen gebracht hat. Die hatte allerdings über meine Haare gelästert, also hatte sie es irgendwie verdient.
»Okay, wo ist sie?« Cheyennes dunkle Augen suchen die Kabine nach der Badekappe ab. »Na, so kann das ja nichts werden«, sagt sie. »Sie liegt auf dem Boden, du Dussel.«
Cheyenne ist älter als ich, aber sie tut gern so, als wären es Jahre, nicht bloß einige Monate. Sie hebt die Badekappe auf, und ihre Augen weiten sich begreifend. »Uff, deine Mum will dich wohl auf den Arm nehmen, was?«
»Schön wär’s«, antworte ich. »Sie findet das Ding süß.« Ich ahme Mums starken nigerianischen Akzent nach. Cheyenne lächelt, und ihre Augen funkeln amüsiert.
Ich lächle nicht. Mein Blick ist starr auf die glänzende Badekappe gerichtet, die von Cheyennes Mittelfinger baumelt. Das leuchtend weiße Latex ist mit feuerwehrroten Punkten bedeckt.
Cheyennes Gesicht zuckt, als würde sie mit aller Macht darum kämpfen, ernst zu bleiben. »Du weißt schon, wie du aussiehst, wenn du deine Haare da reinquetschst, oder?«
»Halt die Klappe«, ächze ich. Natürlich weiß ich das. Ich konnte den ganzen Tag an nichts anderes denken. Ich werde aussehen wie Toad aus Super Mario.
Ihre Augen wandern zu den dichten Locken und Kringeln auf meinem Kopf, die immer aussehen, als würden sie dort oben einen Aufstand proben. Mum ist total überfordert damit, deswegen trage ich meine Haare selten offen. Sie haben schon mehr Kämme zerbrochen, mehr Föhne durchbrennen lassen und mehr Friseurinnen zum Weinen gebracht, als ich zählen kann … also hat sie vielleicht nicht ganz unrecht.
Glätten bringt nichts, Braids zu flechten auch nicht, und als es Mum mal gewagt hat, sie zu schneiden, sind sie danach nur noch dicker und üppiger nachgewachsen. Inzwischen hängen mir die Strähnen, die nicht stur hoch- oder abstehen, fast bis zum Po. Egal, welche Pflegeprodukte ich in ihnen verteile, sie fühlen sich immer trocken an, was die Situation auch nicht gerade besser macht. Aber die Farbe ist ziemlich cool. Sie sind tiefschwarz, und wenn das Licht genau im richtigen Winkel drauffällt, blitzen darin blaue Funken auf.
Cheyenne kann ihr Lachen nicht länger zurückhalten. »It’s a-me, Mario!«, gackert sie voller Schadenfreude.
Ich wünschte, ich könnte mitlachen, aber ich bin zu gestresst. Es war schwierig genug, Mum zu überreden, dass ich schwimmen gehen darf. Nun, da Ferien sind, bin ich tagsüber entweder bei Cheyenne zu Hause oder muss bei Mum im Salon bleiben, damit sie mich im Augen behalten kann. Ich hatte es bis zum letzten Moment aufgeschoben und gewartet, bis sie mit einer ihrer Kundinnen beschäftigt war, bevor ich den Versuch wagte.
»Mum, kann ich heute bitte schon früher gehen?«, fragte ich.
Ihre Hände erstarrten mitten in der Bewegung, und im Salon kehrte Stille ein. Ringsum verstummten sämtliche Gespräche, während alle angestrengt lauschten, wie Mum reagieren würde.
»Warum?«, entgegnete sie schließlich.
»Chey veranstaltet eine Poolparty zu ihrem Geburtstag«, antwortete ich. Wobei ich mir nicht die Mühe machte, zu erwähnen, dass es eine Party für zwei war. Als Cheyennes Name fiel, lächelte Mum, und in mir erwachte eine leise Hoffnung, auch wenn ich versuchte, mich nicht zu früh zu freuen. »Bitte, Mum«, bettelte ich laut. »Du lässt mich nie irgendwo hingehen.«
»Immer diese Übertreibungen«, erwiderte sie. »Gehst du etwa nicht zur Schule? Bilde ich mir nur ein, dass du sonntags in der Kirche neben mir sitzt?«
Ich habe gelernt, auf solche Fragen nicht zu antworten. Es gibt darauf keine richtige Antwort, daher schwieg ich.
»Wieso wollt ihr überhaupt ins Schwimmbad?«, fuhr sie fort. »Cheyenne kriegt ständig Ohrenentzündungen, und du kannst nicht mal richtig schwimmen.«
Den letzten Punkt ignorierte ich, denn sie hatte natürlich recht, und das hatte ich Cheyenne auch schon gesagt. Und das mit den Ohrenentzündungen stimmte eh. Durch das Turner-Syndrom ist Cheyenne ziemlich anfällig dafür.
»Chey hatte schon ewig keine mehr«, wandte ich ein. »Und ihre Mum hat nichts dagegen.«
Mum kräuselte die Lippen und ließ ein abfälliges Tsk hören. »Ich möchte nicht, dass du dich dort draußen rumtreibst. Mir sind da zu viele Fremde. Und du bist nicht wie die anderen.«
Nicht das schon wieder!
»Komisch, wenn ich hier im Salon bin, scheint dich das nicht zu stören«, murmelte ich vor mich hin. »Hier sind ständig fremde Leute!«
»Wie...
Erscheint lt. Verlag | 28.2.2024 |
---|---|
Reihe/Serie | Academy of the sun |
Academy of the Sun | Die Academy-of-the-Sun-Reihe |
Illustrationen | Eva Schöffmann-Davidov |
Mitarbeit |
Cover Design: Simona Ceccarelli |
Übersetzer | Ulrike Köbele |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • Abenteuergeschichten • action • Afrofantasy • Afro Haare Buch • Akademie • Akademie der magischen Wesen • Akademie für Superkräfte • black culture • black icons • Bücher ab 10 • Bücher für Junge • Bücher für Mädchen ab 10 • Buch für Zehnjährige • Fanatsyreihe Fantasyserie Fantasybücher ab 10 • Fantasybücher ab 10 • Fantasy Mädchen • für tochter • für Tochter Enkelin Mädchen • Haare • Heldinnen Buch • Kinderbuch für 10jährige • London • mädchen geschenk 10 jahre • Marvel Avengers • Marvel Kinderbuch • Nigeria • people of colour • poc • Schwarze Heldin • Science Fiction Kinder • Science Fiction Sci Fi Buch • Spannung • Starke Mädchen • Superhelden • Superhelden Geschichte • Superheldin Mädchen • Superkräfte • Zauberakademie • Zauberer • Zauberkräfte • Zauberkräfte zaubern Zauber Zauberer |
ISBN-10 | 3-7336-0571-3 / 3733605713 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0571-1 / 9783733605711 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 5,2 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich