Der Sommer, in dem die Zeit stehenblieb (eBook)

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2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0738-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Sommer, in dem die Zeit stehenblieb -  Tanya Stewner
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Mitten ins Herz Wenn Juli nachdenken will, zieht sie sich auf ihre Lichtung zurück. Doch eines Tages ist sie nicht alleine dort. Ein Junge steht vor ihr, plötzlich und unerwartet. Ein Junge wie von einem anderen Stern, so schön und so geheimnisvoll ist er. Ihrer beider Liebe könnte die Welt verändern. Doch darf diese Liebe überhaupt sein? Nach ?Das Lied der Träumerin? der neue wunderbare Roman von Bestsellerautorin Tanya Stewner: humorvoll, romantisch, dramatisch, bezaubernd leicht und voller Hoffnung. Achtung, er könnte auch dich verändern!

Tanya Stewner wurde 1974 im Bergischen Land geboren und begann bereits mit zehn Jahren, Geschichten zu schreiben. Sie studierte Literaturübersetzen, Englisch und Literaturwissenschaften in Düsseldorf, Wuppertal und London und widmet sich inzwischen ganz der Schriftstellerei. Ihre Trilogie über die Elfe »Hummelbi« hat unzählige Fans, und ihre Kinderbuchserie »Liliane Susewind« ist ein Welterfolg, der fürs Kino verfilmt wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie am Rhein.

Tanya Stewner wurde 1974 im Bergischen Land geboren und begann bereits mit zehn Jahren, Geschichten zu schreiben. Sie studierte Literaturübersetzen, Englisch und Literaturwissenschaften in Düsseldorf, Wuppertal und London und widmet sich inzwischen ganz der Schriftstellerei. Ihre Trilogie über die Elfe »Hummelbi« hat unzählige Fans, und ihre Kinderbuchserie »Liliane Susewind« ist ein Welterfolg, der fürs Kino verfilmt wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie am Rhein.

1.


»Ich finde mich ja manchmal selbst ein bisschen seltsam«, sagte ich seufzend.

»Na, das ist doch ein Anfang«, erwiderte Whoopi.

»Viel zu kopflastig. Viel zu analytisch«, fügte ich grübelnd hinzu.

»Sag nicht so was …«

»Ich zerdenke ja praktisch alles!«

»Wenn du deine überschlauen Monologe im Unterricht meinst, dann hast du recht«, sagte Whoopi. »Die sind tendenziell unsexy.«

Da hatten wir den Salat. Ich war unsexy. Überschlau. Aber was sollte ich denn machen? Ich hatte einen IQ von einhundertvierzig. Mein Hirn lief ständig auf Hochtouren und ließ mich Dinge sagen, die völlig gedankenverschwurbelt waren und die außer mir niemand verstand, nicht einmal Whoopi. Und Whoopi gab sich redlich Mühe, mir von A nach B zu C zu folgen, aber falls ich dann unvermittelt zu F sprang, winkte sie meist ab und erfand einen neuen Spitznamen für mich. Zum Beispiel Hypothesenhirni oder so etwas. Aber das war okay. Ich wusste ja, dass ich manchmal ein bisschen seltsam war. Unsexy war allerdings niemand gern.

»Ist doch egal«, sagte Whoopi und wischte sich eine Schweißperle von der Stirn. Es war ein stickig heißer Tag im Juli, und wir schlurften im Schneckentempo von der Schule zur Bushaltestelle. »Wir gehören halt nicht zu denen, die zu den hippen Partys eingeladen werden. Na und? Antonia und ihre Schätzchen sollen ruhig ohne uns feiern. Die haben ja keine Ahnung, was ihnen entgeht!«

Ich lachte. Wenn die richtige Musik lief, war Whoopi auf der Tanzfläche der absolute Knaller. Zumindest auf dem Teppich in ihrem Zimmer, denn auf eine richtige Tanzfläche hatten wir es bisher noch nicht geschafft.

»Ich glaube, Antonia hat keine Ahnung, wer ich bin, obwohl ich in Physik neben ihr sitze«, sagte ich. »Sie kennt bestimmt noch nicht mal meinen Namen.«

Whoopi zuckte die Achseln. »Du kannst deinen Namen doch sowieso nicht leiden.«

Das stimmte. Mein Name war niedlich. Ich nicht.

Whoopi mochte ihren Namen allerdings auch herzlich wenig. Ihre Mutter hatte sie nach einer Neunziger-Schauspielerin benannt, die weder schön noch besonders aufregend war, und das nahm Whoopi ihr übel. Das und … nun ja, Whoopi. Ein Name, so sexy wie ein Purzelbaum (Zitat Whoopi).

»Trotzdem würde ich gern mal zu einer dieser Partys gehen«, gestand ich. Immerhin kamen zweiundachtzig Prozent der Jugendlichen zwischen vierzehn und siebzehn Jahren auf einer Party mit ihrer ersten Liebe zusammen. Aber das war bei mir sowieso eher unwahrscheinlich. Es war noch nie jemand in mich verliebt gewesen, zumindest nicht seit der Grundschule. (Und dass Leon Kortekamp damals neben mir sitzen wollte, zählte eigentlich auch nicht richtig.) »Ich will nur mal gucken, was die da so machen.«

»Bestimmt was echt Sensationelles«, antwortete Whoopi ironisch. »Also sowieso nicht ganz unser Metier.«

»Was ist denn unser Metier?«, hakte ich sofort nach.

»Klassisches Nerdtum, meine Liebe.«

Ich seufzte wieder.

»Wir sind so nerdy, wie man nur sein kann!« Whoopi grinste und präsentierte dabei ihre übergroße Zahnlücke. »Hast du mal in einen Spiegel geguckt, wenn wir zusammen den Flur langzockeln?«

Ich lachte. Whoopi war dreißig Zentimeter kleiner als ich, gerade mal eins fünfzig, und im Doppelpack sahen wir vermutlich tatsächlich aus wie eine Parodie auf den herkömmlichen Nerd: Die eine war klein, moppelig, mit riesiger Brille, langem Zopf und grellbunten Klamotten. Die andere war viel zu groß, dünn auf die kurvenlose Art, chronisch untrendy gekleidet, mit viel zu wilden Augenbrauen, hängenden Schultern und einem Gesicht wie aus Tausendundein Mensch am Bahnsteig. Wir waren ein unspektakulär schräges Gespann. Trotzdem mochte ich uns. In Gegenwart von Whoopi mochte ich mich selbst sogar lieber als allein, was vor allem daran lag, dass sie das Beste in mir zum Vorschein brachte. Und das war nicht die Streberin, die sich in Büchern verkroch und makellose Zeugnisse sammelte, sondern jemand, der manchmal einigermaßen originelle Ideen hatte und hin und wieder sogar ganz witzig sein konnte. Sagte zumindest Whoopi.

»Man muss nur mit Leib und Seele das sein, was man ist«, erklärte Whoopi weise, während wir in den Bus einstiegen und uns wie immer nach ganz hinten setzten. »Dann arrangiert man sich mit der Schublade, in die man gesteckt wird, und findet das Ganze eher lustig.«

»Ja, bei uns in der Nerd-Schublade ist es echt zum Totlachen …«

Whoopi verpasste mir einen Klaps auf den Oberarm. »Unsere Schublade ist die beste von allen! Weil es unsere ist! Und wir sind etwas Besonderes.«

Ich lächelte ergeben. »Du bist wirklich herzerfrischend, Whoopilein.«

Ihr rundes Gesicht strahlte. Dann fragte sie: »Sag mal, warum machst du dir eigentlich einen Kopf darum, was jemand wie Antonia von dir denkt? Das ist dir doch sonst auch egal.«

»Ach, nur so …«

Whoopi blickte mich durchdringend an, dann schnalzte sie mit der Zunge. »Ah! Du denkst, auf einer Party sind die Chancen größer, jemanden zu treffen.«

»Mmpf«, nuschelte ich und verschränkte die Arme. Whoopi war leider eine Meisterin im Kombinieren.

Sie schenkte mir ein ironiefreies Lächeln. »Mach dir keine Sorgen. Er ist irgendwo da draußen. Wenn es Schicksal ist, dass ihr zusammentrefft, dann sorgt das Schicksal auch dafür, dass ihr euch ohne Party über den Weg lauft.«

Ich grinste schief und hoffte, dass sie (wie meistens) recht hatte.

Zwanzig Minuten später schleppten wir uns schnaufend die Treppen in Whoopis Wohnhaus hinauf. Whoopi und ihre Mutter lebten auf der fünften Etage eines extrem hässlichen Hochhauses, in dem ständig der Fahrstuhl kaputt war. Sie hatten eine Fünfzig-Quadratmeter-Wohnung, vollgestopft mit alten Ikea-Möbeln, die so überladen und spillerig waren, dass man jedes Mal, wenn man einen Schrank öffnete, dachte, die gesamte Einrichtung käme aus dem Gleichgewicht und würde dominomäßig umkippen. Trotzdem fühlte ich mich hier zu Hause. In Whoopis Wohnung war irgendwie alles gut. Hier konnte man sich einfach auf Whoopis Bett werfen und sich wohl fühlen … und sich wünschen, dass man nie mehr in sein richtiges Zuhause zurückkehren müsste.

Whoopi schloss die Wohnungstür auf und pfefferte ihre Schultasche auf die Kommode, die gleich hinter der Tür stand und verhinderte, dass man diese komplett öffnen konnte.

»Hallo, Mama!«, donnerte Whoopi, obwohl ihre Mutter den ganzen Tag arbeitete und nie vor acht oder neun Uhr abends nach Hause kam. Whoopi grüßte sie trotzdem jedes Mal, wenn sie heimkam, und nannte das Die stumme Anklage des allein gelassenen Teenagers. Ich hatte Whoopi zwar schon zigmal erklärt, dass es keine stumme Anklage war, wenn sie Hallo, Mama! brüllte, aber Whoopi sagte, es wäre ja dadurch, dass ihre Mutter sie nicht hörte, ein stummer Protest. Das ist natürlich Quatsch, weil es bei dem Wort stumm nicht darum geht, dass jemand dich nicht hört, sondern darum, dass du nichts sagst, aber ich will nicht immer auf allem herumreiten.

»Hallo, Frau Kalouny!«, schrie ich nun, wie immer, wenn ich die Wohnung betrat, und schmiss meine Tasche ebenfalls auf die Kommode hinter der Tür.

Whoopi marschierte zielstrebig in ihr winziges Zimmer, und ich folgte ihr. Ich liebte Whoopis Zimmer. Hier war alles eng, knallbunt und fröhlich.

Wir warfen uns aufs Bett, und Whoopi stellte den Fernseher an. Sie war ein bekennender TV-Junkie und schaute täglich mehrere Stunden lang fern, vorzugsweise alte Science-Fiction-Serien wie Star Trek, Stargate und Star Wars (oder war Star Wars das, von dem es nur Filme und keine Serie gab?). Leidenschaftlich gern guckte sie aber auch das Nachmittagsprogramm der Privatsender, also den richtig üblen Mist. Whoopi war der einzige Mensch, den ich kannte, der nicht zufällig in irgendeinen schaurigen Scripted-Reality-Schrott hineinzappte und dann entsetzt wegschaltete, sondern tatsächlich gezielt nach dem Schrott suchte und sogar im Kopf hatte, wann welcher Schrott anfing. Was das anging, hatte meine beste Freundin einen ausgesprochen schlechten Geschmack, und auf den war sie sehr stolz! Oft trug sie selbst gedruckte, farbenfrohe Shirts mit irgendwelchen Z-Promis darauf, deren Namen kein Mensch kannte. Whoopi konnte einem jedoch sagen, in welcher Staffel welcher Show das Shirt-Gesicht mitgemacht hatte, was es für ein perfektes Dinner kochen würde und wie schnell es shoppen konnte. Dabei strahlten Whoopis Augen, und ihre Stimme kiekste ein bisschen vor Glück. Ja, Glück! Fernsehen machte sie glücklich. Und wenn man davon ausging, dass Glück etwas war, nach dem alle Menschen strebten, konnte man nur daraus schließen, dass es eigentlich egal war, wofür man sich begeisterte, Hauptsache, es packte einen so sehr wie der TV-Müll Whoopi.

Star Trek fand ich übrigens selbst ganz okay, aber allem anderen, was Whoopi sich ansah, konnte ich leider überhaupt nichts abgewinnen. Deswegen las ich, machte Hausaufgaben oder grübelte vor mich hin, während Whoopi wie hypnotisiert zum Bildschirm starrte – oder ich aalte mich einfach in Whoopis Glücksblase, die sich auch jetzt um sie herum auf dem Bett ausbreitete und mich zum Durchschnaufen brachte. Hier, auf Whoopis Bett, in Whoopis Welt, konnte ich endlich mal den ganzen Mist vergessen, der sich ständig von hinten in meine Gedanken stahl und sich wie ein fieser kleiner Splitter zwischen den Hirnhälften festsetzte.

»Drama, Baby!«, kommentierte Whoopi mit amerikanischem Akzent und sah mich forschend an. »Warum stöhnst du so?«

»Ich bin entspannt«, antwortete ich und schnaufte gleich noch einmal tief durch. »Kann ja mal...

Erscheint lt. Verlag 2.6.2024
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Albert Einstein • Atemnot • Einstein • Einzelkind • Fantasy • Freundschaft • Freundschaft und Liebe • Jugendbücher ab 12 • Kinderbuch • Liebe • Marie Curie • Nobelpreis • Phantasie • Phantasie und Fantasy • Physik • Romeo und Julia • Vergangenheit • Wald • Whoopi • Zeitachse • Zeitachsen • Zeitreise • Zeitschleife • Zukunft
ISBN-10 3-7336-0738-4 / 3733607384
ISBN-13 978-3-7336-0738-8 / 9783733607388
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