THE SEASON - VICTOR FABULAM NARRAT (eBook)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99152-206-5 (ISBN)
Anna Marie Hornstein besucht in Wien eine AHS. Sie hat schon immer Geschichten für ihre Familie erfunden und nun ihren Traum, ein Buch zu veröffentlichen, umgesetzt.
Kapitel 1
„Luna Sailun, bitte im Sekretariat melden! Ich wiederhole, Luna Sailun soll sich bitte im Sekretariat melden.“ Zu sagen, ich wäre überrascht, dass die steinalte, verrostete Schulsprechanlage noch übertragungsfähig war – wenn auch recht kläglich –, würde es wohl ziemlich gut treffen.
Zu sagen, ich wäre überrascht über eben diese steinalte, verrostete Sprechanlage ins Sekretariat zitiert worden zu sein, wäre eine maßlose Untertreibung.
Verwirrt runzelte ich die Stirn. Warum sollte man im Sekretariat nach meiner Anwesenheit verlangen? Ich hatte an keinem landesweiten Wettbewerb teilgenommen – und selbst dafür gab es normalerweise nur eine kleine Randnotiz vom Klassenvorstand. Da ich weder Auto noch Führerschein besaß, hatte ich ziemlich sicher nicht die Auffahrt zugeparkt – wenn dem so wäre, hätte ich es nicht einmal bis in die Aula geschafft. Also was hatte ich getan, um mir ein Rendezvous mit der Sekretärin zu verdienen?
„Luna“, Professor Linder nickte mir bedeutsam zu. Der Versuch, ihre Verwirrung zu maskieren, war in etwa so erfolgreich wie ihr Versuch, binomische Formeln interessant an die Klasse zu bringen. Mir der stierenden Blicke meiner Klassenkameraden sehr bewusst, stand ich von meinem Platz auf und bewegte mich möglichst leise in Richtung Tür.
Im Türrahmen drehte ich mich noch einmal zu Frau Linder um. „Professor.“ Ich sah von Frau Linder zur Tafel und wieder zurück; vielleicht wartete ich darauf, dass sie mich fragte, was ich tue, mich aufforderte wieder hineinzukommen und mir einen Vortrag über unerlaubtes Verlassen des Unterrichts hielt. Bevor die Stille peinlich werden konnte, nickte sie mir erneut zu. Ich ließ meinen Blick über die neugierigen Gesichter zu Anni und Kylie schweifen, die einzigen beiden, die mich nicht anstarrten. Erstere, weil sie zu fest entschlossen war, Kylies Hand noch mehr zu verunstalten als die Abschlussklässler letztes Jahr die Toiletten im dritten Stock, und letztere, weil sie sich zweifellos bewusst war, wie ungünstig die Situation für mich war.
Was, hätte ich sie nicht gekannt, die Sache nur noch schlimmer gemacht hätte. Kylie machte es wie ich: Kopf einziehen und hoffen, unter den Radaren von tragbaren und anderen Sippen des Labyrinths, das man umgänglich weiterführende Schule nannte, durchzutauchen.
Eigentlich gab es dafür drei einfach Regeln: Erstens, keine Fotos – vor allen Dingen Selfies – in irgendeine Gruppe schicken, wenn man sie nicht in der kommenden Woche bearbeitet auf seinem Spind wiederfinden wollte.
Zweitens, sollte jemand den Drang verspüren, sich aufzuführen, als hätte man ihn der ersten Stelle seines Alters beraubt, und dahingehend eine Menge fragwürdiger Substanzen konsumiert: Lass ihn!
Und drittens: Mach niemandem Ärger, der mehr zu sagen hat als du.
Im Moment war ich nicht auf dem besten Weg.
Wortlos schloss ich die Tür und begab mich zum Sekretariat. Meine persönlichen Erfahrungen mit Sekretärin Schiller – die ihrem Namensvetter in punkto komplizierten Satzbaues in nichts nachstand – waren glücklicherweise begrenzt, trotzdem war ich nicht erpicht auf ein weiteres Treffen.
Ich war niemand, der Problemen aus dem Weg ging, aber man musste sich ja nicht mit Anlauf ins Verderben stürzen. Ich entschied, dass für mein Handy einen kurzen Stop bei meinem Spind einzulegen, nicht schaden würde. Leute neigten dazu sich bei Gelegenheit ein schlecht verstautes Handy auszuborgen. Vielleicht brauchte ich es…
Was, oder besser gesagt wer mich im Sekretariat erwartete, war jedoch keineswegs dessen Beauftragte, sondern Direktor Kresser. Er stand vor dem Rezeptionstresen und seine Augenbrauen zuckten sichtlich ungehalten über mein spätes Erscheinen. Dennoch schien er nicht wütend oder resigniert bei meinem Anblick. Tatsächlich war das genaue Gegenteil der Fall, er strahlte wie ein Dompteur im Zoo, dessen beste Attraktion soeben aufgekreuzt war, um die Show zu retten. Ich musterte ihn einen Moment, nicht sicher, ob ich erleichtert oder beunruhigt sein sollte. Schiller mochte einem das Gefühl geben man säße vor dem Totengericht des Osiris, aber Kresser war immer noch der Direktor. Vor der ganzen Schule zum Boss zitiert werden? Das konnte einfach kein gutes Zeichen sein.
„Ms. Sailun!“, eröffnete er lautstark. Diese Begrüßung war schlichtweg seltsam. Wir wurden nie per Nachnamen angesprochen, aber was mich noch mehr verwirrte, war das Ms. Das hier war Österreich, wenn schon, dann sagte man Frau oder Fräulein – nicht Ms. Und selbst das, würde ich als Alarmsignal einstufen. Langsam, aber sicher wurde ich das Gefühl nicht los, dass hier etwas Größeres vor sich ging.
Direktor Kresser führte mich an der Rezeption vorbei in einen Raum – vermutlich sein Büro – in dem ich in all meinen sechs Jahren an dieser Schule noch nie gewesen war, wobei er immer wieder einen kritischen Blick über die Schulter warf. Ich war mir nicht sicher, worauf er abzielte; meinen vollgekritzelten Arm oder die türkisenen Strähnchen in meinen Haaren.
Mein Instinkt hatte mich nicht getäuscht, beide Male nicht. Der Raum hinter der Rezeption war in der Tat ein Büro, ein schickes noch dazu – verhältnismäßig sauberer Parkettboden und ein dunkelgrüner Vorhang, kombiniert mit einer Kommode und einem hölzernen Schreibtisch.
Doch nichts in dem Raum konnte in Sachen schick annähernd mit der Frau mithalten, die sich in dem Moment als wir eintraten, anmutig von ihrem Platz am Schreibtisch erhob und mich kühl musterte. Sie trug ihren nachtblauen Anzug wie eine zweite Haut, was sie mir sofort suspekt machte.
Als eine generelle Grundregel nahmen sich anzugtragende Leute entweder viel zu wichtig, oder sie waren verdammt wichtig. Und ich war nicht scharf darauf, es mir mit dieser Lady zu verscherzen.
Hinter mir räusperte sich Direktor Kresser. „Miss Vermina, dies ist Luna Sailun.“ Er sprach meinen Namen, als hätten sie mich vor meiner Ankunft schon diskutiert, und ich wäre lediglich ein Vorzeigeobjekt, als wäre mein Verständnis für die Lage nebensächlich. Bevor Direktor Kresser dem noch etwas hinzufügen konnte, ergriff die ominöse Lady im Anzug bereits das Wort. Ein wenig zu seiner Enttäuschung, ignorierte sie den Direktor dabei gekonnt und wandte sich mir zu, jedoch nicht ohne die Lippen unmerklich zu verziehen: „Nun, zuallererst hoffe ich, Ihren Unterricht nicht zu stören.“
Sie sah nicht aus wie jemand, der sonderlich viel auf meine Proletenausbildung gab. „Ich bin Svetlana Vermina, unterwegs im Auftrag der Lupineo Akademie. Ist Ihnen das ein Begriff?“ Ich schüttelte den Kopf, doch sie beachtete mich nicht weiter. „Nun, lassen Sie uns nicht bei Höflichkeiten verweilen, es gibt eine Angelegenheit, die Ihre Aufmerksamkeit erfordert. Lassen Sie uns beiden die Unannehmlichkeiten ersparen. Meine Zeit ist knapp bemessen.“ Haben Sie tatsächlich etwas vor, oder liegt es am Büro? Ich schluckte die Frage nur mühsam hinunter. Direktor Kresser würde es nicht sehr schätzen, wenn ich die Schule vor Lady Lupineo bloßstellte. Ein herabwürdigender Blick bohrte sich in meine Stirn und ich schrumpfte kaum merklich zusammen. Diese Frau sah aus, als wäre sie deutlich höhere Standards gewohnt – und deutlich bessere Pokerfaces.
„Nun, wie bereits erwähnt, ich bin hier im Auftrag der Lupineo Academy, einem der erfolgreichsten, global vernetzten Internate für höhere Bildung“, setzte Miss Vermina ihren Monolog fort, ihre schwarzen Augen ruhten aufmerksam auf meinen, als würde sie überprüfen, ob ich ihr folgen konnte. Ich konnte. „Wieso erzählen Sie mir das alles?“ Die Frage war dämlich, aber die einzige Alternative wäre gewesen: Was geht mich das an? In Anbetracht dessen, dass Direktor Kresser mich für diesen Kommentar bei lebendigem Leibe gehäutet hätte, zog ich es vor begriffsstutzig zu klingen.
Miss Vermina beäugte mich, als hätte mein letzter Satz sie dazu bewegt, eben das noch einmal zu überdenken. Vielleicht wäre unhöflich doch die bessere Option gewesen. Schließlich zog sie mit ihren eleganten, dunklen Fingern einen Umschlag aus einer ebenso eleganten, dunklen Handtasche: „Wir möchten Sie an unsere Institution einladen. Seien Sie sich versichert, Schüler wie Sie gibt es zu Hauf und nicht wenige von ihnen würden viel für eine derartige Einladung aufgeben. Doch unsere Ethik verlangt es, einigen Ausgewählten die Möglichkeit auf Größe zu bieten, und wir kamen zu der Einigung, Sie könnten Potential entfalten. Sie erwiesen sich als äußerst herausfordernd aufzuspüren, Miss Sailun, also mussten wir uns mit einem groben Einschnitt ein Bild verschaffen. Betrachten Sie das als…“, sie legte eine bedächtige Pause ein, „Chance.“ Die Art wie sie...
Erscheint lt. Verlag | 3.5.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
ISBN-10 | 3-99152-206-3 / 3991522063 |
ISBN-13 | 978-3-99152-206-5 / 9783991522065 |
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