Flowers & Bones, Band 1: Tag der Seelen (eBook)
448 Seiten
Ravensburger (Verlag)
978-3-473-51197-6 (ISBN)
Urban Romantasy vor der atmosphärischen Kulisse des Día de los Muertos! Episch. Traumhaft. Magisch!
Entdecke die fantastisch-romantischen Buchwelten von Sandra Grauer bei Ravensburger: Flowers & Bones
Band 1: Tag der Seelen
Band 2: Kuss der Catrina
Flame & Arrow
Band 1: Drachenprinz
Band 2: Elfenkriegerin
Clans of London
Band 1: Hexentochter
Band 2: Schicksalsmagie
Sandra Grauer wurde 1983 im Ruhrgebiet geboren. Schreiben, Lesen und in die Welt fremder Geschichten eintauchen war schon immer ihre Leidenschaft. In Heidelberg studierte sie Sprach- und Übersetzungswissenschaften, später absolvierte sie ein fachjournalistisches Fernstudium und ein Volontariat in einer PR-Agentur in Karlsruhe. Mit ihrer Familie lebt sie inzwischen wieder im Ruhrgebiet. Sie schreibt hauptsächlich Romane für Jugendliche und Frauen, aber auch Krimis.
Prolog
Valentina
Sechs Jahre zuvor
»Bist du bereit?«, fragte Mamá und hielt mir ihre Hand hin.
Heftig nickend griff ich danach und verschränkte auf der anderen Seite Oma Ximenas Finger mit meinen. Schon seit Wochen freute ich mich auf diesen Moment, dabei war es bei Weitem nicht mein erster Día de los Muertos. Als mexikanische Familie feierten wir den Tag der Toten natürlich jedes Jahr zusammen auf dem Friedhof. Es nicht zu tun wäre dasselbe, wie Weihnachten ausfallen zu lassen. Außerdem soll denen, die ihre Ahnen nicht gebührend gewürdigt haben, Schlimmes widerfahren sein.
Ich hatte diese Zeit des Jahres schon immer geliebt, den November sehnsüchtig herbeigewünscht, noch bevor ich überhaupt verstanden hatte, was wir eigentlich feierten. Bevor ich wusste, dass meine Familie eine besondere Rolle in diesem Fest einnahm. Doch heute war es anders als sonst. Heute wollten Mamá und Abuelita mir zeigen, was mich an meinem achtzehnten Geburtstag erwartete – denn in der Nacht von Halloween auf den ersten November würde ich zu Mamás Nachfolgerin werden. Dann könnte auch ich unsere Ahnen endlich sehen und mich mit ihnen unterhalten. Dann wäre es meine Aufgabe, geplagten Seelen, die zwischen den Welten gefangen waren, beim Übertritt in das Reich der Toten zu helfen.
Mamá lächelte mir zu, ihre schokoladenbraunen Augen strahlten vor Stolz. »Komm, mi chiquita«, sagte sie zu mir, bevor sie nach oben rief: »Diego? Wir machen uns jetzt auf den Weg. Hasta luego.«
»¡Espera! Warte!« Gleich darauf eilte mein Vater die Treppe herunter, einen Kaffeefleck auf dem hellblauen Hemd und die dunklen Haare ein wenig wirr, weil er schon wieder seit Stunden über seinen Büchern brütete. Er hielt einen Fotoapparat in den Händen, ließ ihn jedoch plötzlich sinken und blieb mitten auf der Stufe stehen. Seine Augen nahmen diesen liebevollen Ausdruck an, wie immer, wenn er Mamá ansah. »Pita, dein Kostüm ist umwerfend.«
Erneut nickte ich. Mamá war nicht nur die schönste Frau, die ich je gesehen hatte, sie war auch die allerschönste Catrina, und davon liefen am Tag der Toten in unserem kleinen Ort südlich von Mexiko-Stadt nicht wenige herum – auch wenn es nur eine echte gab.
»La Catrina steht symbolisch für den Diá de los Muertos«, hatte Abuelita mir an Halloween vor meinem fünften Geburtstag erklärt, als sie mich im Stil der Skelettdame geschminkt hatte. »Sie verkörpert den Tod, der uns eines Tages alle ereilt, egal, welcher Schicht wir angehören.«
Ihre dunklen Haare hatte Mamá wie jedes Jahr am Ansatz in einzelne Strähnen unterteilt, die offen über ihre Schultern fielen. Auf ihrem Kopf prangte ein Kranz aus orangefarbenen Studentenblumen, die am Día de los Muertos auf sämtlichen Friedhöfen und Altären in Mexiko zu finden waren. Dazu trug sie ein weißes Kleid mit einem Rock aus mehreren Lagen, die rot umsäumt und mit großen bunten Blumen bedruckt waren. Doch das Highlight war wie immer Mamás Gesicht. Es war komplett weiß geschminkt und darüber farbenfroh bemalt. Die mit blauem Lidschatten hervorgehobenen Augen waren von großen gelben Kreisen umgeben, die mit bunten Halbkreisen verziert waren. Auf Stirn und Kinn prangte je eine pinke Blume, Nase und Mund waren ebenfalls pink, wobei der Mund wie bei jedem Catrina-Make-up zusätzlich mit einer Naht versehen war.
»Nicht wahr?«, stimmte Abuelita zu. »Pita sieht zauberhaft aus. Und was sagst du zu Valentina?«
Schüchtern richtete ich den Blick auf Papá, der lächelte, als wäre er der stolzeste Vater der Welt. Dabei konnten er und mein Bruder Emiliano dem Tag der Toten lange nicht so viel abgewinnen wie die Frauen unserer Familie – was unter Umständen damit zusammenhing, dass die beiden keine Ahnung hatten, welche Rolle die weiblichen Mitglieder mit ihrem achtzehnten Geburtstag einnahmen.
Seit ich denken konnte, wurde auch ich zum Tag der Toten als Catrina verkleidet, doch heute fühlte es sich irgendwie besonders an. Das rosafarbene Rüschenkleid mit der weißen Spitze trug ich zum allerersten Mal. Dazu hatte Abuelita mir einen bunten Fächer überreicht, der schon ihr als Kind gehört hatte. Meine Haare waren zu zwei festen Zöpfen geflochten, und wie Mamá trug auch ich Blumenschmuck auf dem Kopf. Mein Catrina-Make-up war etwas weniger aufwendig und nicht ganz so farbenfroh wie ihres, und trotzdem liebte ich es. Meine Augen waren mit schwarzen Kreisen umrandet und mit hellblauen, rosafarbenen und durchsichtigen Strasssteinen verziert. Meine Nase war ebenfalls schwarz, und auf meiner Stirn prangte ein Herz. Nur mein Mund war wie Mamás pink geschminkt und mit der obligatorischen Naht versehen.
»Maravillosa«, sagte Papá. »Wunderschön. Stellt euch doch mal vor die Ofrenda, damit ich ein Foto von euch machen kann.«
Wie gewünscht, gingen wir ins Wohnzimmer zum Altar, auf dem Bilder meiner verstorbenen Urgroßeltern, meines Opas Héctor und meiner Tante Juanita standen. Dekoriert war der Altar mit unzähligen Studentenblumen und Kerzen, Räucherstäbchen, Girlanden und Heiligenbildern. Natürlich durfte auch das Pan de muerte nicht fehlen. Das süße Brot, das es nur zu dieser Jahreszeit gab, gehörte zum Tag der Toten wie der Tannenbaum zu Weihnachten.
»Und jetzt sagt mal alle Whisky.«
Papá drückte auf den Auslöser, als ihm das Wort entgegenschallte. Er machte noch jeweils ein Foto von mir und Mamá allein, von mir mit Abuelita sowie von Mamá mit Abuelita. Zum Abschluss musste Abuelita ein Familienbild schießen, nachdem auch Emiliano nach unten gekommen war.
»Vale, jetzt müssen wir aber wirklich los«, sagte Mamá lachend. »Wir sehen uns nachher auf dem Friedhof.« Sie wollte Papá einen Kuss auf die Wange geben, doch er drehte den Kopf, sodass sie stattdessen seinen Mund traf.
Fünf Minuten später waren wir auf dem Weg Richtung Stadtzentrum. Die Sonne war inzwischen untergegangen, und auf den Straßen tobte das Leben. Überall waren Menschen unterwegs, lachten und sangen zusammen. Bunte Girlanden waren zwischen den Häusern gespannt, hier und da auch Lichterketten. Unsere Nachbarn verteilten Pan de muerte, und durch die offenen Haustüren konnte ich mehr als einmal die wunderschön dekorierten Ofrendas sehen.
Schon bald erreichten wir den eigens zu diesem Anlass aufgebauten Markt und schlenderten an den Spielbuden und Ständen vorbei, an denen man Getränke und Essen kaufen konnte, aber auch Taschen, Kleidung oder Tonwaren. Natürlich gab es auch Blumen, vor allem orangefarbene Studentenblumen oder purpurroten Hahnenkamm aus Oaxaca, und Totenköpfe in den verschiedensten Farben und Varianten, sogar als Süßigkeit. Die Luft war erfüllt von Mariachi-Musik – wie Cielito Lindo, der inoffiziellen Hymne Mexikos – und von Zuckerwatte, im wahrsten Sinne des Wortes. Kleine Wattestückchen schwebten umher, wurden eingefangen und verspeist. Mamá fing auch für mich ein Stück, dann kaufte sie mir eine Atole, ein Heißgetränk aus Mais, das wir immer zum Tag der Toten tranken und das es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gab. Ich mochte am liebsten Guave.
Nachdem auch Mamá und Abuelita etwas zu trinken hatten, gingen wir hinüber zur Bühne, wo den ganzen Abend Live-Musik gespielt wurde. Ich saß auf Mamás Schoß, und wir schunkelten zu den Klängen mit. Als plötzlich Papá und Emiliano auftauchten, war die Überraschung groß. Die beiden kamen für gewöhnlich erst später dazu, wenn wir auf den Friedhof gingen. Mamá und Papá tanzten, Abuelita klatschte im Takt mit, und Emiliano und ich bekamen ein paar Pesos, damit wir uns etwas zum Naschen kaufen konnten. Am Ende bekamen wir unsere Zucker-Totenköpfe sogar geschenkt, denn heute war nicht nur der Start des Día de los Muertos, sondern auch Halloween. Deshalb hatten viele verkleidete Kinder Laternen bei sich, in denen sie Süßigkeiten sammelten.
Schließlich gingen wir auf den Friedhof, den Cementerio de San Andrés Mixquic, wo es übervoll, laut und bunt war. Hier duftete es nach süßen Blumen und Copal, einer Art Weihrauch, und überall brannten Kerzen. Die Kirchenglocken läuteten, fröhliche Musik war zu hören.
Zusammen mit Abuelita hatte ich bereits heute Mittag das Grab unserer Vorfahren geputzt und geschmückt. Nun versammelten wir uns auf den Klappstühlen, die dort bereitstanden, und machten uns über die Leckereien her, die Papá im Picknickkorb mitgebracht hatte. Es gab Opa Héctors Lieblingsessen, Hühnchen mit Reis und Mole Poblano, Schokoladen-Chili-Soße. Während wir aßen, erzählten die Erwachsenen Geschichten von früher. Von Mamás Schwester Juanita, die viel zu früh gestorben war und die ich daher nie kennengelernt hatte; von meinen Urgroßeltern, an die ich mich kaum noch erinnern konnte, und von Abuelitas Mann Héctor, der Mariachi-Musik geliebt hatte. Als Papá schließlich seine Gitarre hervorholte und zu spielen begann, sangen wir alle lauthals mit.
Die Zeit verging wie im Flug. Gegen Mitternacht wurde es ruhiger, denn die Ankunft der Angelitos, der Seelen verstorbener Kinder, stand kurz bevor. Sie kehrten in der Nacht von Halloween auf den ersten November für vierundzwanzig Stunden in unsere Welt zurück, um in der darauffolgenden Nacht Platz für die Seelen verstorbener Erwachsener zu machen.
Die Kirchturmuhr schlug zwölf Mal, und als der letzte Schlag verklungen war, schlich sich ein seliges Lächeln auf Mamás und Abuelitas Lippen. Da wusste ich, dass Tante Juanita ins Diesseits zurückgekehrt war. Auch ich musste lächeln, obwohl ich meine Tía nicht sehen konnte, doch ich glaubte ihre Anwesenheit zu spüren.
Mamá stand auf...
Erscheint lt. Verlag | 27.9.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | Flowers & Bones |
Mitarbeit |
Cover Design: Zero Werbeagentur GmbH |
Verlagsort | Ravensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Buch • Bücher • Clans of London • Crossover • Dia de los Muertos • Dia de Muertos • Flame & Arrow • für Mädchen ab 14 • Geschenk • Geschenkidee • Jugendbuch • Lesen • Liebe • Literatur • Magie • Roman für Mädchen • Romantasy • Romantic Fantasy • Urban Romantasy • YA • Young Adult |
ISBN-10 | 3-473-51197-8 / 3473511978 |
ISBN-13 | 978-3-473-51197-6 / 9783473511976 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 2,1 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich