Die Geschichtenwandler ? Steinerne Drachen (eBook)
384 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0446-2 (ISBN)
Kristen Perrin stammt ursprünglich aus Seattle, USA, wo sie viele Jahre als Kinderbuchhändlerin tätig war. Sie interessiert sich leidenschaftlich für Kinderliteratur und arbeitet gleichzeitig an Projekten für verschiedene Altersgruppen, von Bilderbüchern bis hin zu Jugendbüchern - alles, was lustig, magisch oder mysteriös zu sein könnte. Sie lebt mit ihrer Familie in Surrey im Süden Englands, wo sie gerne in Antiquariaten stöbert, mit ihren beiden Kindern im Schlamm herumstampft und zu viele Pflanzen sammelt.
Kristen Perrin stammt ursprünglich aus Seattle, USA, wo sie viele Jahre als Kinderbuchhändlerin tätig war. Sie interessiert sich leidenschaftlich für Kinderliteratur und arbeitet gleichzeitig an Projekten für verschiedene Altersgruppen, von Bilderbüchern bis hin zu Jugendbüchern – alles, was lustig, magisch oder mysteriös zu sein könnte. Sie lebt mit ihrer Familie in Surrey im Süden Englands, wo sie gerne in Antiquariaten stöbert, mit ihren beiden Kindern im Schlamm herumstampft und zu viele Pflanzen sammelt. Fabienne Pfeiffer, geboren 1990, studierte Anglistik, Amerikanistik und Germanistik mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur in Frankfurt am Main. Seit 2016 übersetzt sie alles vom Bilderbuch bis zum Jugendroman aus dem Englischen, darunter Werke von Chris Colfer (Land of Stories) und Kelly Oram (Cinder & Ella), Ben Brooks und Lynette Noni sowie Sach- und Mitmachbücher für junge Leser*innen. Helge Vogt wollte als Kind Paläontologe werden. Irgendwann wurde ihm aber klar, dass er die Dinosaurier und Monster lieber zeichnet, als sie auszugraben. Er arbeitet als Illustrator und Comiczeichner für zahlreiche Verlage, unter anderem Disney, Le Lombard und Fischer Sauerländer. Seine preisgekrönte Comic-Serie Alisik ist in zahlreichen Ländern erschienen.
KAPITEL 1
Dass London magisch ist, sagt jeder. Aber nur sehr wenige Menschen wissen, was das tatsächlich bedeutet. Für gewöhnlich meinen die Leute damit, Big Ben schaue so zeitlos und formvollendet aus, dass es schon unwirklich scheint, oder die in einem fort vorbeibrausenden Doppeldeckerbusse bescheren ihnen aus unerfindlichen Gründen gute Laune.
Besonders clevere Zeitgenossen führen die Magie Londons vielleicht auf den Nebel über der Themse an einem klirrend kalten Morgen zurück, der einem das Gefühl gibt, alles sei möglich. Würden aber diese cleveren Nasen einen Moment lang darüber nachsinnen, woher diese Empfindung kommt – würden sie diesem sonderbaren Mysterium mit einzigartigem London-Aroma, das alles überzieht, solange nur das Licht gerade richtig einfällt, eingehender nachspüren –, dann könnte es sein, dass sie auf mehr stoßen als bloß eine hübsche Postkartenansicht.
Die meisten tun es nicht. Ich jedoch hatte es getan.
Meinen Sommer hatte ich damit verbracht, einer Geheimgesellschaft hinterherzujagen, von der ich glaubte, sie verändere auf magische Weise die Geschichte, indem sie Bücher umschrieb. Dabei hatte ich nicht nur prickelnde Bekanntschaft mit einer mächtigen Magie gemacht, die – wie sich herausstellte – mein Erbe war (vielen Dank auch, Grams, dass du ganz vergessen hattest, deine Vergangenheit als unsterbliche Muse zu erwähnen), sondern auch herausgefunden, dass meine einzige Chance, London davor zu bewahren, gänzlich aus seinen magischen Fugen zu geraten, darin bestand, meine neu entdeckte Magie für immer aufzugeben. Ich schätze, das Ganze hätte keine derart große Überraschung für mich sein sollen. In meinen zwölf Jahren als Tochter einer Buchhändlerin habe ich genügend Geschichten gelesen, um zu begreifen, dass die Dinge viel häufiger so enden, als es uns lieb ist.
Doch bloß weil keine Magie mehr in grünen Wellen um mich herumwaberte, musste ich ja nicht zwingend durch mein ganzes restliches Leben spazieren, ohne mich je wieder in magische Geschehnisse zu verstricken.
Genau genommen dauerte es gar nicht lange, bis ich Hals über Kopf in mein nächstes magisches Tohuwabohu strauchelte.
Der Oktober hatte ordentlich Fahrt aufgenommen, als Grams und ich zum Borough Market aufbrachen mit der Mission, Vorräte zu besorgen. Vorräte konnte in Grams’ Fall alles bedeuten, und ganz ehrlich: Ich schloss mich ihr einfach deshalb an, weil ich Lust darauf hatte, insgeheim ein kleines Spiel zu spielen und zu erraten, womit sie sich wohl bevorraten wollte. Die übliche und somit wahrscheinlichste Antwort lautete: Bücher. Allerdings wagte ich nicht, Fasane, Stinkekäse, Apfelwein, Honigwaben oder irgendwelche anderen Kuriositäten, die man hier und da auf Londons größtem Lebensmittelmarkt unter freiem Himmel findet, vorschnell auszuschließen.
Im überdachten Teil des Markts drängten sich an diesem Tag die Menschen, da auf die gepflasterten Straßen ringsum der Regen in Strömen niederging. Er trommelte auf das trübe schräge Glasdach hoch über den Verkaufsständen, das uns alle trocken hielt, so heftig, dass die Regentropfen eher wie Murmeln klangen. Alle paar Minuten rumpelte eine Bahn über den Markt Richtung Haltestelle an der London Bridge, und die weit über unseren Köpfen verlaufenen Schienen erinnerten mich an eine Achterbahn im Freizeitpark. Alles roch nach Apfelkompott und nassen Regenmänteln, und ausnahmsweise einmal kam ich mir nicht fehl am Platz vor in meinen zu großen Gummistiefeln aus dem Secondhandladen und einem von Mums alten Pullis. Der Borough Market fühlt sich stets ein wenig schrullig und klamm an, und am herrlichsten ist es dort im Herbst, wenn Menschentrauben um alte Fässer stehen und Kaffee trinken, die Tragetaschen vollgestopft mit frischem Gemüse und Bienenwachskerzen.
Grams drückte einen Finger in einen großen, miefigen Laib Blauschimmelkäse, als der Verkäufer gerade nicht hinsah, und ich lachte schnaubend auf. »Kannst du mir wenigstens verraten, nach welcher Art von Vorräten« – ich setzte mit den Fingern Anführungszeichen um das Wort in die Luft – »wir suchen?« Erwartungsvoll hielt ich die Luft an, doch als sie keine Antwort gab, platzte ich damit heraus: »Nach magischen vielleicht?«
Nun war es an Grams, zu schnauben, allerdings wirkte sie dabei nicht belustigt. Eher war es ein Mach-dir-keine-zu-großen-Hoffnungen-Schnauben. »Ich brauche Zutaten für einen Salat«, sagte sie.
»Ach Grams, nicht ernsthaft, oder?!« Ich mühte mich, die quengelige Note aus meinem Tonfall zu verbannen, und senkte ein wenig die Stimme, während wir uns durch eine Horde von Touristen kämpften, die an einem geführten Stadtrundgang zu berühmten Filmdrehorten in London teilnahmen.
»Auch Tomaten können magisch sein«, gab sie zurück.
»Sekunde – gibt es irgendeine Art von Pflanzenmagie, die ich noch nicht kenne?«, fragte ich hoffnungsvoll. »Was genau ist magisch an Tomaten?«
»Ihr bezaubernder Geschmack«, antwortete sie.
»Aber du hasst Tomaten«, entgegnete ich und musterte sie aus zusammengekniffenen Augen.
»Exakt. Stell dir nur vor, wie besonders da eine Tomate sein müsste, damit sie mir schmeckt! Das käme wahrlich einem Wunder gleich!«
Meine Schultern sackten nach unten. »Grams, so habe ich das nicht gemeint.«
»Du würdest dich lieber von einer anderen Gemüsesorte inspirieren lassen? Gurken sind auch ganz in Ordnung, schätze ich …«
»Es geht um die verlorene Musenmagie, Grams – ich wünschte, du würdest dich endlich zu ihr bekennen!«, stieß ich schließlich aus. »Mittlerweile ist es schon Wochen her, dass ich den letzten grünen Funken Musenmagie gesehen habe. Und seither: nichts! Du musst doch noch irgendein Ass im Ärmel haben, oder? Etwas, das wir ausprobieren können, um die Magie wieder auf uns aufmerksam zu machen?« Ich kratzte gedankenverloren über die Stelle auf meinem Handrücken, wo ich ein winziges Aufflackern des leuchtenden Tintenfässchens erhascht hatte, das Symbol der Emerald Ink Society – oder kurz Ink – war. Nur dieses eine Mal war es aufgetaucht, unmittelbar nachdem ich die Magie zerstört hatte, die die Ink im Kern zusammenhielt und zugleich London auseinanderriss.
Grams hielt inne und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Enna, du musst dich einfach auf Quillon Fables Weisung verlassen. Er ist derjenige, der die Ink lenkt und leitet, und ich bin mir sicher, er tut das nach bestem Wissen und Gewissen. Ich habe dir alles erzählt, was ich weiß – das hier ist auch für mich jetzt Neuland.« Sie wirkte etwas betrübt, und mein Herz zog sich ein wenig zusammen bei dem Gedanken daran, dass das, was ich getan hatte, zwar ihre Rettung gewesen war, jedoch der Welt auch etwas Wunderbares und Magisches für immer geraubt hatte. Eine Magie, die Grams jahrhundertelang gekannt und genutzt hatte. Und die nun einfach fort war.
Ich blickte auf meine Zehen hinunter und schrappte mit einem Gummistiefel über das nasse Pflaster. »Fable ist in Ordnung, nehme ich an … er gibt sich Mühe.«
»Wie meinst du das?«, fragte Grams geistesabwesend. Wir waren weitergeschlendert zu einem Stand mit Obst und Gemüse, und sie war ganz darauf konzentriert, die Tomaten zu kneifen wie Babybäckchen. »Du hast gesagt, er habe die komplette Emerald Ink Society auf das Problem angesetzt und bilde dazu noch sämtliche neuen Rekruten aus. Was erwartest du denn noch von ihm?«
Ich seufzte, suchte nach den richtigen Worten. Den ganzen Sommer hatte ich mit allen Mitteln versucht, in die Emerald Ink Society aufgenommen zu werden, und nun, da ich Teil dieses faszinierenden Geheimbunds war, fühlte es sich irgendwie nur … bedeutungslos an. Einst war die Ink gegründet worden, um Grams in ihrer Rolle als Muse der Geschichtsschreibung zu unterstützen, und sie hatte den Mitgliedern ein wenig ihrer Musenmagie zuteilwerden lassen. Mit ihren magischen Füllern waren die Angehörigen der Gesellschaft in der Lage gewesen, Bücher wiederherzustellen, mit denen übernatürliches Schindluder getrieben worden war, oder sogar glühende Kraftfelder zu erzeugen, um einander vor Gefahren zu schützen. Jetzt allerdings, da es keine Magie mehr gab, war es, als wäre der Ink das Herz herausgerissen worden.
»Die gesamte Gesellschaft macht inzwischen eigentlich nichts anderes mehr als recherchieren und trainieren«, sagte ich. »Fable und die übrigen Mitglieder eiern bloß herum, stellen Regeln auf und schauen Bücher durch und …« Ich stampfte in eine Pfütze, um meinem Frust ein bisschen Luft zu machen, und Wasser spritzte auf. Abgesehen davon, dass anschließend mein Hosenbein durchnässt war, bewirkte es jedoch wenig. »Er geht die ganze Sache überhaupt nicht kreativ an. Weißt du, was ich meine? Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sich diese Magie nicht zurückholen lässt, indem wir einfach das richtige Buch aufschlagen oder Fechten üben.«
»Ihr lernt Schwertfechten?« Ruckartig schenkte Grams mir wieder ihre geballte Aufmerksamkeit, und ein vertrautes Funkeln trat in ihre Augen.
»Na ja, die Schwerter sind total alt und klobig, es ist also nicht so, als ob …«
»Du darfst mit uralten Schwertern kämpfen und langweilst dich dabei?« Grams’ rechter Mundwinkel krümmte sich in die Höhe. Ich knirschte mit den Zähnen, denn genauso erging es mir, wenn ich mit Fable redete. Ich hatte versucht, ihm ebenfalls meine Sicht auf die Dinge zu erklären, doch er hörte nicht zu. Er dachte sich...
Erscheint lt. Verlag | 27.9.2023 |
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Reihe/Serie | Die Geschichtenwandler | Die Geschichtenwandler |
Illustrationen | Helge Vogt |
Übersetzer | Fabienne Pfeiffer |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuergeschichten • British Museum • Drachen • Fantasy Reihe für Jungen und Mädchen • Freundschaft • Geheimbund • griechische Mythologie • Grüne Magie • Kinderbuch Drachen • Legenden • Muse der Geschichte • Spannende Bücher für Kinder ab 11 Jahren • Zauberbuch |
ISBN-10 | 3-7336-0446-6 / 3733604466 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0446-2 / 9783733604462 |
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