Vega – Der Wind in meinen Händen (eBook)

Band 1 der neuen Klima-Saga | Folge Vega ins Auge des Sturms

*****

(Autor)

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2022 | 1., Originalausgabe
384 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77503-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vega – Der Wind in meinen Händen - Marion Perko
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Deutschland 2052: Die Menschen leiden unter heißen, trockenen Sommern. Um die Wasserknappheit zu lindern, arbeitet Vega als Wettermacherin - sie beeinflusst die Wolken und lässt es regnen. Doch sie hütet ein Geheimnis: Anders als ihre Kollegen benutzt sie dazu keine Chemikalien und Drohnen. Denn Vega kann mit der Kraft ihrer Gedanken Wind und Regen rufen.

Als bei einem rätselhaften Wetterunfall Kinder verletzt werden, wird Vega zur Zielscheibe. Wie soll sie ihre Unschuld beweisen, wenn niemand von ihrer Gabe erfahren darf? Hilfe erhält sie unerwartet von Leo, einem jungen Wissenschaftler, der das Wesen von Stürmen erforscht. Auf ihrer Suche nach der Wahrheit gerät Vega immer tiefer in ein Netz aus einflussreichen Umweltbehörden, Aktivisten und Konzernen ... Wem kann sie noch vertrauen? Und wie die Menschen schützen, die sie liebt?




Marion Perko macht gern dort Urlaub, wo das Wetter rau ist und der Wind stürmisch. Wenn die Wolken über den Himmel jagen und immer neue Bilder aus Licht und Schatten auf die Landschaft malen, ist sie am liebsten draußen und lässt sich zu neuen Geschichten inspirieren. Marion Perko ist Autorin, Lektorin und Schreibcoach.

1


Mir rinnt eine Schweißperle über die Schläfe und ich wische sie am kurzen Ärmel meiner Bluse ab. Nicht einmal die Klimaanlage des Busses richtet etwas gegen die brütende Hitze aus, die draußen herrscht. Ich fächle mir Luft zu und Esper lächelt mich flüchtig an. Wir sind gleich da, soll das heißen, gleich kommen wir hier raus. Er streckt die Hand aus und schiebt mir eine Strähne hinters Ohr. Ich kann seinen Blick, diese Sorge darin, gerade nicht gebrauchen, also blicke ich an ihm vorbei zum Fenster und lasse die Wohnblocks und verdorrten Rasenflächen an mir vorüberziehen, ohne viel davon wahrzunehmen.

Fast unmerklich wird es grüner. Hohe Bäume mit ausladenden Kronen werfen Schatten, hier und da wachsen ein paar Lavendelsträucher und spärliche Oleanderbüsche. Hecken ziehen sich an der Straße entlang und durch die Lüftung des Busses weht ein Hauch von Rosmarin herein. Diesmal ist Espers Lächeln amüsiert, als ich mich aufrechter hinsetze, aber ich gehe nicht darauf ein. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, das Grün in den Gärten aufzusaugen und für die Tage zu verwahren, an denen uns kein Auftrag aus der Stadt hinausführt. Pflanzen wachsen schlecht in der Stadt. Menschen auch.

Zehn Minuten später sind wir die letzten Passagiere. Der Bus spuckt uns an der Endstation aus – weiter hinaus aufs Land fährt er nicht. Wohin auch? Es gibt jenseits der Stadt nichts mehr, keine Siedlungen, keine Menschen. Wer zur Wartung der riesigen Landmaschinen auf die Äcker muss, hat sein eigenes EUV.

Esper wirft einen Blick in die Navi-App auf seinem Unice.

»Da lang«, sagt er, schultert den Koffer mit den beiden Drohnen und stapft los.

Ich rücke meine Brille zurecht, wechsle die Tasche mit dem Ordner voller Blankopapier, dem Tablet, der Thermoskanne und der Schokolade auf die andere Schulter und folge ihm. Ordner mit Papier, echt. Als würde heute noch irgendwer mit Papier arbeiten. Doch Esper besteht darauf, er meint, es vervollständigt meine Verkleidung. Und es würde die Leute, die vor der Krise geboren wurden, von unserer Seriosität überzeugen.

Seriös, das ist das Stichwort. Deswegen schleiche ich hier auch mit dieser spießigen Bluse und einer Brille mit Fensterglas herum. Deswegen halte ich mich immer im Hintergrund und versuche, so überzeugend wie möglich Espers Assistentin zu spielen. Ha.

Aber eine Assistentin darf jung sein. Eine Operative nicht.

Auf der Suche nach dem Eingang der Kleingartensiedlung, für die wir heute gebucht sind, laufen wir an einer Baumschule vorbei. In Reih und Glied ragen Ginkgos und Silberlinden in den blauen Himmel. Dass es so was noch gibt! Aber klar, die Stadtverwaltung startet jedes Jahr wieder einen Versuch, die Plätze im Zentrum zu begrünen. Irgendwo müssen die jungen Bäume ja wachsen.

»Wie geht's dir?«, fragt Esper und betrachtet mich forschend. Eine blonde Strähne fällt ihm in die Stirn und lässt ihn jünger wirken. Ich sage nichts dazu, denn ich mag diese weiche Seite an ihm, doch heute Abend muss ich ihm bestimmt die Haare schneiden. Unsere Kunden sollen gar nicht erst auf die Idee kommen zu fragen, ob er schon volljährig ist.

Ich zucke mit den Schultern. »Alles gut. Die Luft fühlt sich feuchter an.«

Das war nicht, was er gefragt hat, doch es entscheidet darüber, wie ich den Tag überstehe. Wir mussten den Termin heute um vierundzwanzig Stunden verschieben, weil ich mich vorgestern zu sehr verausgabt habe. Esper sagt immer, ich muss lernen, mit meiner Energie zu haushalten, aber er hat ja auch keine Ahnung, wie es ist, wenn du genau fühlst, dass das Wasser antwortet. Dass es sich sammelt und formt und aufsteigt und tut, was du von ihm willst. Da kannst du zwischendrin nicht einfach aufhören. Und am Ende ist mir ja auch nichts passiert.

Mein Blick fällt auf einen Transporter, der am Straßenrand parkt, direkt vor dem Eingang zur Baumschule und gleich neben dem Tor der Gartenanlage. Stöhnend bleibe ich stehen.

Esper dreht sich zu mir um und runzelt die Stirn. »Alles in Ordnung?«

Ich schüttle den Kopf und deute auf den Transporter. »Willem.«

Er grinst. »Super, da kann ich ihm ja endlich mal Hallo sagen.«

Ich remple ihn an. Das ist überhaupt nicht komisch. Ich hatte erst letzte Woche einen Zusammenstoß mit Willem, auf eine Wiederholung bin ich wirklich nicht scharf. Irgendwie schafft Esper es, dem Typ aus dem Weg zu gehen, aber auf mich hat er es aus unerklärlichen Gründen abgesehen.

Doch wir können es uns nicht leisten, den Auftrag sausen zu lassen. Und abgesehen davon ist Willem garantiert der Letzte, vor dem ich wegrenne.

Esper legt den Arm um meine Schultern und drückt mir einen Kuss auf die Schläfe. »Dann lass uns loslegen. Vielleicht merkt er gar nicht, dass wir hier sind. Und wenn doch, kann ich dich heute ja beschützen.« Er zwinkert mir zu.

Ich schnaube, aber bevor ich antworten kann, öffnet sich knarrend das Tor, das zur Gartenanlage führt. Wir bringen etwas Abstand zwischen uns. Eine Frau und zwei Männer treten auf die Straße.

»Esper Lund?«, fragt die Frau. Sie ist vielleicht fünfzig, ein gutes Stück kleiner als ich und ziemlich füllig, doch das Auffälligste an ihr sind die rabenschwarzen, glänzenden Haare, die sie zu einem Zopf geflochten hat.

Esper setzt sein bestes Kundenlächeln auf. Mit ausgestreckter Hand geht er auf die Frau zu. »Genau der. Freut mich sehr, Sie kennenzulernen. Frau Wintorf, nehme ich an?«

Die Frau nickt. »Alma.« Sie schüttelt Espers Hand, dann deutet sie auf die beiden Männer, der eine etwa in ihrem Alter, der andere sicher zwanzig Jahre älter. »Das sind Yegor und Albert.«

Esper winkt mich an seine Seite. »Meine Assistentin Vega.«

Wir nicken und lächeln uns freundlich zu, dann bittet uns Alma in die Anlage. Sie erzählt Esper alles Mögliche zur Geschichte der Gärten, zu Größe und Anzahl der Parzellen und anderes unnützes Zeug, aber damit muss er sich jetzt rumschlagen. Ich falle ein Stück zurück und fühle. Es ist ein glücklicher Ort, dafür braucht es keine Hellseherei, da reicht es, einzuatmen und hinzuhören. Ein paar Gärten weiter spielen Kinder, fröhliches Kreischen und Lachen unterbricht immer wieder die Stille, die über der Anlage liegt. Ein zarter Duft erfüllt die Luft, süß und gleichzeitig ein wenig zitronig, und erst kann ich ihn nicht zuordnen, aber dann begreife ich, dass er von einer Kletterrose stammt, die an der Wand eines blau gestrichenen Gartenhäuschens hinaufrankt und Dutzende strahlend gelber Blüten trägt. Ein ganzer Bienenschwarm summt um sie herum.

Rosen. Es muss sechs Jahre her sein, dass ich zuletzt welche gesehen habe, vielleicht sieben. Rosen kann man nicht essen und sie spenden keinen Schatten, deswegen gibt es sie in der Stadt nicht mehr. Doch jetzt, wo ich mich dabei ertappe, dass ich stehen geblieben bin und tief einatme, so als könnte ich den Duft in mir festhalten, ihn speichern wie Wärme in einer Mauer, frage ich mich, ob Überleben genug ist. Ob wir dem Leben überhaupt noch Raum lassen.

Neben dem blauen Häuschen kniet eine Frau an einem Gemüsebeet. Sie ist auf mich aufmerksam geworden. Mit einer Hand beschattet sie die Augen gegen die grelle Sonne, dann hellt sich ihr Gesicht auf und sie winkt mir zu. Von ihren Handschuhen bröckelt Erde.

Ich lächle. Normalerweise würde ich weitergehen, aber irgendetwas bringt mich dazu, auf die Ranken um die weißen Fensterrahmen zu deuten. »Die Rosen sind wunderschön.«

Verlegen wende ich mich ab, doch da ist sie schon aufgestanden und klopft sich Staub von den Knien.

»Warte«, sagt sie mit einer Stimme, der man anhört, dass sie gern lacht, und mir geht auf, dass sie jünger ist, als ich dachte. Sie zieht eine kleine Schere aus einem Holster an ihrem Gürtel, tritt unter den Rosenbusch, wählt eine Blüte aus und schneidet sie ab. Sie lächelt, als sie auf mich zukommt und mir die Rose über den Zaun entgegenhält. Die Fältchen um ihre Augen haben nichts mit den Furchen zu tun, die sich in die Gesichter der Stadtleute graben. Ich frage mich, wie es ist, hier draußen zu wohnen. Die Gartenanlagen, in denen Esper und ich bisher zu tun hatten, waren kleine Äcker, da gab es keine spielenden Kinder, keine Liegestühle unter knorrigen Obstbäumen wie neben dem blauen Häuschen und ganz ...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2022
Reihe/Serie Vega
Vega
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte All Age • Booktok • climate fantasy • climate fiction • Dark Sigils • Dreiecksbeziehung • Dystopie • eco fiction • Extinction Rebellion • FFF • First Love • Fridays For Future • geoengeneering • Geschenk für Mädchen • good vs evil • Gut gegen Böse • Klima • Klimawandel • Konzerne • letzte Generation • Love Triangle • Meteorologie • Near future • neues Buch • New Adult • Silberidiod • Sturm • vortex • weibliche Heldin • Wetterfühligkeit • Wettermanipulation • Wettermodifikation • Young Adult • Zukunft
ISBN-10 3-458-77503-X / 345877503X
ISBN-13 978-3-458-77503-4 / 9783458775034
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