Funkensturm -  Rosaria Munda

Funkensturm (eBook)

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2022 | 1. Auflage
576 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-125-2 (ISBN)
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Teil 3 der epischen Fantasy-Drachen-Trilogie, die mit ?Feuererwachen? ihren Auftakt nahm und mit ?Flammenfall ihre Fortsetzung fand: Annie und Lee kämpfen um ihr Leben, während das Drachenfeuer der Invasoren ihre Heimat dem Erdboden gleichzumachen droht. Eine neue Revolution kündigt sich an, und niemand wird unversehrt daraus hervorgehen. Indem das Schicksal von Callipolis sich verdunkelt, müssen Annie und Lee bereit sein, Opfer zu bringen, um einander zu retten, ihre Feinde zu besiegen und ihre Heimat zurückzuerobern.

Rosaria Munda wuchs im ländlichen North Carolina auf, wo sie auf Bäume kletterte, ?Harry-Potter?-Fanfiction las und sich selbst Latein beibrachte.Sie studierte Politische Theorie in Princeton und lebt heute mit ihrer Familie in Chicago.?Funkensturm? ist der dritte Band ihrer Fantasy-Serie für Jugendliche, für die die Autorin in ihrer Heimat viele positive Kritiken und Auszeichnungen erhielt.

Rosaria Munda wuchs im ländlichen North Carolina auf, wo sie auf Bäume kletterte, ›Harry-Potter‹-Fanfiction las und sich selbst Latein beibrachte.Sie studierte Politische Theorie in Princeton und lebt heute mit ihrer Familie in Chicago.›Funkensturm‹ ist der dritte Band ihrer Fantasy-Serie für Jugendliche, für die die Autorin in ihrer Heimat viele positive Kritiken und Auszeichnungen erhielt.

Prolog


Das Mädchen sah dem Vater beim Graben zu. Auf den Feldern ringsum war es still; Hettie und Lila waren mit den Frauen aus dem Dorf im Haus, um den Leichnam vorzubereiten; Garet streunte seit dem Morgen auf dem Berghang herum; Rory schaufelte am anderen Ende, um das Loch zu verbreitern, während ihr Vater in die Tiefe grub. Die langen Winter im Fernen Hochland waren kalt und windig und feucht.

»Kommt Mama da rein?«, fragte das Mädchen.

Ihr Vater hielt inne und wischte sich den Schweiß vom Nacken. »Aye.«

»Und das Baby auch, falls es stirbt?«

Diesmal hielt er länger inne. »Aye.«

»Geh ins Haus, Annie«, sagte ihr Bruder Rory heiser. »Geh zu den Frauen.«

»Hat das Baby Mama umgebracht?«

»Pa! Schick sie ins Haus!«

»Rory, mach eine Pause.«

Rory schmiss seine Schaufel weg und stapfte über das Feld davon. Das Mädchen beäugte die Schaufel. »Ich kann auch graben«, sagte sie.

Das Loch war bereits tief genug, um sie völlig zu verschlucken, aber sie fürchtete sich nicht. Ihr Vater, der immer merkte, wenn sie etwas zu begreifen versuchte, stemmte sich aus dem halb fertigen Grab und setzte sich neben sie auf die Kante. Er roch nach Erde und Schweiß; sein Bart kitzelte sie an der Wange, als er sie in die Arme zog. Die beiden Spaten lehnten an seinen Knien.

»Das Baby hat deine Mutter nicht umgebracht«, sagte er. »Der Hunger hat sie umgebracht. Die Herren haben deine Mutter umgebracht, weil sie uns das Essen weggenommen haben.«

Trotzdem könnte das Baby schuld sein, dachte das Mädchen. Die Schmerzen, das Blut, das war von dem Baby gekommen. Nicht von den Herren. Aber das wollte Pa bestimmt nicht hören.

»Bist du sehr traurig, Pa?«

Rory hätte ihr gesagt, sie solle aufhören zu fragen. Aber Rory stand am anderen Ende der Lichtung und starrte missmutig ins Tal hinunter. Und Pa antwortete immer auf ihre Fragen, selbst auf die, bei denen er zunächst lange schwieg und die Augen zumachte.

»Traurig«, sagte er schließlich. »Und wütend.«

»Und du behältst es für dich?«

»Ich behalte es für mich.«

So hatten sie es eingeübt, vor den Eintreibungen. Wenn unser Herr kommt, dann behältst du deine Gefühle für dich. Du behältst sie für dich, weil sie in dir drin am sichersten sind.

Ihr Vater nahm ihre Hand in seine und zeigte mit ihrem Finger nach unten auf die unberührte Erde. »Neben diesem Grab ist noch Platz. Für mich. Und daneben für deine Brüder und Schwestern.«

Sie weinte nicht. Sie behielt es für sich. »Nein«, sagte sie. »Noch nicht.«

»Noch nicht«, stimmte er zu.

Sie hörte, wie er es sagte, und besann sich. »Nie«, sagte sie.

Seine Überraschung kam tief aus dem Bauch heraus. »Meine kleine Himmelslerche, meine Hehre Königin des Himmels«, sagte er. »Du bist ganz schön jung, um Befehle zu erteilen.«

Das war dumm, weil sie keine Königin war und keine Befehle erteilen konnte, aber sie schmiegte sich an ihn und lachte nicht. Als er ihr übers Haar strich, bedeckte sein Handteller ihren ganzen Kopf.

»Hat deine Mutter dir je erzählt, dass du ihre Haare hast?«

Sie berührte ihre Stirnfransen. »Ich habe meine Haare«, sagte sie.

Ein Lächeln legte sein Gesicht in Falten und kräuselte seinen Bart. Sie hatte ihn seit Tagen nicht mehr lächeln sehen. »Du hast deine Haare, aber sie kamen von ihr«, sagte er. »Braun wie die Erde, rot wie Feuer. Du trägst deine Mutter immer bei dir.«

Sie zwirbelte eine Haarsträhne um ihren Finger und dachte: Ich habe einen Teil meiner Mutter bei mir. Einen geheimen Teil. Als er sie auf die Füße stellte und sagte, sie solle ins Haus gehen und helfen, den Leichnam herzurichten, ging sie.

Ihr Vater schaufelte das Grab allein zu Ende. Das Baby, das kurz darauf starb, wurde ebenfalls darin bestattet, neben seiner Mutter.

Der Frühling kam, und dann der Sommer, und ihre Schwester Lila übernahm die Aufgaben ihrer Mutter, während sie und ihre Schwester Hettie Lilas Aufgaben übernahmen. Lila flocht ihr Haar genau so, wie ihre Mutter es immer getan hatte. Heimlich, außer Hörweite von Rory und Lila und Pa, spielten sie und Hettie manchmal Mutter und Kind, wie früher, wenn auch mit einer Spur Verzweiflung dabei. Als könnte das Rollenspiel sie irgendwie zurückbringen.

»Nein, du musst es sagen, wie Mama es gesagt hat«, verlangte Hettie.

Aber es fiel ihr immer schwerer, sich zu erinnern, wie Mama es gesagt hatte.

»Ich habe Mamas Haare«, erzählte sie Hettie, die sie nicht hatte.

Hettie brach in Tränen aus. Sie sah ihr beim Weinen zu und behielt ihre Gefühle für sich, innen drin, wo sie am sichersten waren. Sie fragte Hettie, ob sie etwas anderes spielen wollte, und Hettie schniefte und wischte sich über die Augen und nickte. Also spielten sie Dörfer niederbrennen und sie ließ Hettie der Drachenherr sein.

Über die warmen Monate hatten sie genug zu essen – aber nicht genug für die Abgaben und den bevorstehenden Winter. Auch in diesem Jahr befiel Mehltau das Getreide. Im Spätsommer, als sich das Haar, das sie von ihrer Mutter bekommen hatte, in der Sonne golden färbte, tauchten wieder Sturmpfeil-Drachen am Himmel auf. Die Drachenherren kehrten zur Erntezeit auf ihre Landsitze zurück und würden bald mit den Eintreibungen beginnen.

Im Haus Don Mackys, eines der Dorfältesten, warfen die Männer von Holbin das neueste vom Ausrufer verlesene Dekret zu den anderen Erlassen Leon Sturmpfeils, des Drakarchen des Fernen Hochlands. Das Mädchen, das unbemerkt mit in die Stube geschlüpft war, kniete auf der Bank der Mackys zwischen ihrem Vater und Rory und studierte das Schreiben, wie sie alle bisherigen studiert hatte. Die Männer redeten von Kellern und Verstecken und Geheimvorräten und wie viel man höchstens beiseiteschaffen sollte, doch sie hörte nicht zu.

»Zu riskant«, sagte Don Macky.

»Das ist der Winter nach dieser mageren Ernte auch«, sagte ihr Vater.

»Was bedeutet ›unbortmäßig‹?«, fragte das Mädchen.

»Unbotmäßig«, verbesserte ihr Vater. »Das ist, wenn man seinem Herrn den Gehorsam verweigert.«

»Silas«, sagte Don Macky und nickte in ihre Richtung. »Schau dir deine Tochter an.«

Die Unterhaltung verstummte, während alle zu dem Mädchen sahen. Sie fuhr mit dem Finger über die Zeilen und ihre Lippen sprachen die Wörter, die sie sich vom Ausrufer gemerkt hatte, lautlos mit. Seit Monaten machte sie das so: Sie stahl sich hinter ihrem Vater zu den Versammlungen der Männer und versuchte die Dekrete zu entziffern. Mittlerweile verstand sie genug, um die Zeichen auf dem Blatt voneinander zu unterscheiden und sie in Laute zurückzuverwandeln.

»Sie wird doch nicht etwa …«

»Ich glaube schon.«

Pa tippte oben auf das Blatt. »Was steht da, Antigone?«

Das Mädchen bewegte ihren Finger von der rechten Seite des Pergaments zur linken. »Hier fängt es an«, sagte sie.

Danach nahm ihr Vater sie von sich aus zu den Treffen mit. Die Männer von Holbin begrüßten sie freudig. Nicht um ihr neue Lektüre vorzusetzen, sondern weil sie in gewisser Hinsicht ihr Talisman geworden war. Dieses kleine Mädchen mit dem großen Namen, das so klug mit Buchstaben umgehen konnte wie ein Drachenherr. Manchmal ließen sie sie zur Begeisterung der versammelten Runde alte Dekrete vorlesen. Manchmal hob ihr Vater sie auf seine Schultern, um sie nach Hause zu tragen; dann fühlte sie sich hoch genug, nach den Sternen des Sommers zu greifen, und spielte, dass sie über das Dorf segelte wie die Drachen am Himmel.

»Du tust bloß so«, sagte Rory. »Pa glaubt nur, dass du lesen kannst, weil du sein Liebling bist.«

Die erste Behauptung kränkte sie am meisten, weil sie nicht stimmte, aber sie wusste, dass die zweite Behauptung vor allem Rory kränkte. »Bin ich nicht«, sagte sie.

Als sie Lila davon erzählte, meinte ihre Schwester, sie solle Rory einfach nicht beachten. Er sei verbittert, weil er Mamas Liebling gewesen war, und die war jetzt tot.

Etwas an Lilas Ton ließ sie aufmerken. »Wessen Liebling bist du?«, fragte sie Lila, die ihr gerade das Haar zu Zöpfen flocht.

»Ich bin niemandes Liebling«, sagte Lila nach kurzem Nachdenken.

»Dann bist du meiner. Und Hettie kann dein Liebling sein, und Garet Hetties, dann ist es gerecht.«

Sie freute sich, diese Lösung gefunden zu haben. Das war wie mit der Waage, die der Schatzmeister des Drachenherrn am Tag der Eintreibungen benutzte, nur dass sie sich nicht zwei Schalen vorstellte, sondern fünf. Lila, Rory, Hettie, Garet und sie. Und alle waren jemandes Liebling – schön ausgeglichen.

»Du Dummerchen«, sagte Lila mit einem Lächeln in der Stimme und band den Zopf am unteren Ende zu. »Du kannst nicht alles gerecht machen.«

Der Tag der Eintreibungen rückte näher. Keller wurden ausgehoben, mit Vorräten gefüllt und zugedeckt. Die Männer stritten weiter darum, wie viel man gefahrlos beiseiteschaffen konnte. Pa grub den größten Keller von allen und schwor beim Grab seiner Frau, dass in diesem Winter keins seiner Kinder noch einmal Hunger leiden würde. Die Jungen übten Verbeugungen, die Mädchen Knickse und Pa fragte sie die Fürbitten ab, für alle Fälle. Früher hatte...

Erscheint lt. Verlag 5.12.2022
Reihe/Serie Der Aurelianische Zyklus
Der Aurelianische Zyklus
Übersetzer Nadine Püschel
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte action • Drachen • Fantasy • Game of Thrones • Gerechtigkeit • Kämpfe • Liebesgeschichte • Politik • Vergil • worldbuilding
ISBN-10 3-03880-125-9 / 3038801259
ISBN-13 978-3-03880-125-2 / 9783038801252
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