Harriet Tubman (eBook)

Fluchthelferin bei der Underground Railroad. Aus der Sklaverei in die Freiheit

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
176 Seiten
Nagel & Kimche (Verlag)
978-3-7556-0005-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Harriet Tubman - Ann Petry
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Harriet Tubman wurde in der Sklaverei geboren und träumte davon, frei zu sein. Sie war bereit, alles zu riskieren - auch ihr eigenes Leben -, um diesen Traum wahr werden zu lassen. Nach ihrer waghalsigen Flucht war sie Teil der geheimen Organisation »Underground Railroad« und half anderen auf dem gefährlichen Weg in die Freiheit. Die Organisation »Underground Railroad« war von von etwa 1849 bis zum Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs aktiv, sie half geflüchteten Sklaven, aus den Südstaaten in die Nordstaaten der USA oder nach Kanada zu gelangen. Harriet Tubman war die bekannteste afroamerikanische Fluchthelferin dieser Organisation. Nachdem sie selbst im Jahr 1849 erfolgreich der Sklaverei entflohen war, kehrte sie unter dem Codenamen Moses mehrfach in die Südstaaten zurück, um anderen Sklaven auf ihrer Flucht behilflich zu sein. Im Amerikanischen Bürgerkrieg arbeitete sie als Kundschafterin für die Nordstaaten. In ihren späteren Lebensjahren engagierte sie sich in der Frauenbewegung. Heute zählt Harriet Tubman in den USA zu den bekanntesten historischen Persönlichkeiten des Abolitionismus. Ann Petrys »Harriet Tubman« wurde vom New Yorker als »ein bewegendes Porträt« und von der Chicago Tribune als »großartig« gelobt. Es ist ein ergreifendes und zugängliches Porträt der heldenhaften Frau, die mehr als siebzig versklavte Menschen in die Freiheit führte.

Ann Petry (1908-1997) war Journalistin, Pharmazeutin, Lehrerin und Gemeindeaktivistin. Ihre drei Romane, zahlreichen Kurzgeschichten, journalistischen Texte und Kinderbücher beschäftigen sich mit der Frage, was es bedeutet, afroamerikanisch bzw. weiß zu sein, sowie mit Rassismus in all seinen Facetten. »The Street« war der erste Roman einer afroamerikanischen Frau, der sich über 1,5 Millionen Mal verkaufte. Bei Nagel & Kimche erschienen: »The Street« (2020), »Country Place« (2021), »The Narrows« (2022).

Das Viertel

Die Chesapeake Bay bildet die westliche Grenze des Teils von Maryland, der Tidewater Maryland oder auch Ostküste genannt wird. Dort gibt es so viele Buchten und Nebenarme, Flüsse und Bäche, dass das Land gerade einmal hier und da den Kopf aus dem Wasser zu heben scheint.

In diesen Wasserläufen ist die Tide, der Wechsel von Ebbe und Flut, noch kilometerweit landeinwärts zu sehen – daher auch der Name Tidewater Maryland.

Im Jahr 1820 waren weite Gebiete der Ostküste dicht bewaldet. Die Flüsse waren voll mit Fischen, und in den Buchten und Sümpfen wimmelte es nur so vor Federwild wie Enten und Schnepfen. Ungelogen: In dieser Gegend verfügte jede Plantage über »eine Austernbank, einen reichen Fischbestand und einen Ansitz für die Entenjagd direkt vor dem Gartentor«.

Wie so viele Plantagen in Dorchester County lag auch die von Edward Brodas1 an einem Fluss, dem Big Buckwater River. Es war ziemlich einsam dort. Bucktown, das nächstgelegene Dorf, war kaum mehr als ein Weiler: ein Postamt, eine Kirche, ein Laden an der Kreuzung und acht oder zehn Wohnhäuser.

Die Plantagenbesitzer lebten in den Tag hinein. Sie gingen auf die Jagd und fischten, nicht anders als früher die Native Americans2, die um 1750 von der Ostküste so gut wie verschwunden waren.

Das Haus, in dem Edward Brodas lebte, war sehr groß. Er brauchte Platz für seine Freunde, seine Verwandten und natürlich für seine Familie. Besucher kamen von weit her und blieben daher für gewöhnlich einen Monat oder auch zwei, bevor sie die Rückreise antraten. Außerdem gab es einige Zimmer für Reisende mit den passenden Empfehlungsschreiben. Man konnte nicht davon ausgehen, in einem Gasthof oder einer Schenke unterzukommen.

Für seine Sklaven war Edward Brodas »der Herr«. Sein Haus, von den Sklaven das Große Haus genannt, lag unweit einer Landstraße. Hinter dem Gebäude stand das sogenannte Kochhaus, das die Küche beherbergte. In nicht allzu großer Entfernung vom Großen Haus befanden sich die Stallungen, in denen die Reitpferde und die Kutschpferde untergebracht waren, gemeinsam mit den Stallknechten und den Pferdepflegern. Daran schlossen sich die Gärten für Gemüse, Kräuter und Blumen an, und gleich dahinter lagen der Obstgarten sowie die Ställe für die Arbeitspferde, die Rinder und die Maultiere.

Das Große Haus bildete gemeinsam mit dem Kochhaus und den Stallungen eine geschlossene Einheit. Dahinter erstreckten sich die Felder, das freie Ackerland war von Wald umgeben.

Das Viertel, in dem die Sklaven lebten, war vom Großen Haus aus zwar nicht zu sehen, aber noch in Hörweite. Dort standen etliche einfache Blockhütten ohne Fenster. Das Holz dafür war im nahe gelegenen Wald geschlagen worden, die Fugen hatte man mit Lehm abgedichtet. Die grob behauenen Stämme waren noch voller Saft, und während sie allmählich trockneten, zog sich das Holz bei Temperaturschwankungen zusammen oder dehnte sich aus, die Dächer sackten durch, die Wände bogen sich. Wie unter dem Einfluss einer unsichtbaren Kraft neigten sich die schmalen, lehmverschmierten Schornsteine. Aus der Ferne wirkte es, als würden sich diese schiefen Hütten schutzsuchend aneinanderdrängen. Diese optische Täuschung wurde noch dadurch verstärkt, dass eine Hütte aussah wie die andere und sie alle auf derselben ausgedörrten, festgetretenen Erde standen.

Auch innen waren die Hütten alle gleich. Vor einer schlichten, ebenerdigen Feuerstelle standen auf dem Boden aus festgestampftem Lehm ein oder zwei schwarze Eisentöpfe. Bei starkem Wind wurde der Rauch stoßweise durch den Schornstein hinunter ins Innere gedrückt, so dass die Wände rußgeschwärzt waren. Selbst im Sommer roch es in den Hütten nach Rauch. Die Feuerstelle sorgte nicht nur für Wärme im Winter, sie war zudem die einzige Lichtquelle, und gekocht wurde auch dort. Haufen aus verschlissenen alten Decken dienten als Betten. Stühle gab es nicht, also hockten sich die Hüttenbewohner entweder vor das Feuer oder setzten sich auf den blanken Boden. In der Mitte der Hütte befand sich ein großes und ziemlich tiefes Loch, das mit losen Brettern abgedeckt war: Das war das Kartoffelloch. Darin wurden im Winter die Süßkartoffeln aufbewahrt, um sie vor der Kälte zu schützen.

In einer dieser fensterlosen Hütten im Viertel auf der Brodas-Plantage lebten Harriet Greene, die meistens Old Rit genannt wurde, und ihr Ehemann Benjamin Ross. Beide waren Sklaven. Sie hatten mehrere Kinder, von denen einige noch bei ihnen wohnten. Die älteren Kinder wurden von Edward Brodas an andere Farmer »vermietet«, wenn diese Bedarf an Sklavenarbeit hatten, sich aber keine eigenen Sklaven leisten konnten.

1820 bekam Old Rit noch ein Baby. Das Geburtsdatum dieses Kindes wurde nirgends vermerkt, weil weder Old Rit noch ihr Ehemann Ben lesen oder schreiben konnte.

Wie die meisten Menschen, die auf dem Land lebten und keine Uhr und keinen Kalender besaßen, bestimmten sie die Zeit mithilfe der Sonne und unterteilten den Tag grob in Sonnenaufgang, Mittag, Sonnenuntergang. Das Jahr wurde nicht in Monate gegliedert, sondern in Zeiträume: Saatzeit, Zeit der Baumwollblüte, Ernte und Weihnachten. Ein Jahr unterschied sich von den anderen durch besondere Ereignisse, wichtige und denkwürdige Vorkommnisse, wie das Jahr des großen Sturms, das Jahr des frühen Frosts oder der langen Dürre, das Jahr, in dem der alte Herr starb, das Jahr, in dem der junge Herr geboren worden war.

Old Rit und Ben beschlossen, das neue Baby Araminta zu nennen. Dieser Name wurde schließlich zu Minta oder Minty verkürzt. Das war ihr sogenannter Korbname oder Kosename, den man verwendete, bis das Mädchen älter wurde und man sie Harriet nannte. Wenn künftig im Gespräch dieses Jahr erwähnt wurde, so bezeichnete man es als »das Jahr, in dem Minty auf die Welt kam«.

Neuigkeiten, gute wie schlechte, verbreiteten sich in Windeseile im gesamten Viertel. Bald wusste jeder Sklave, dass Old Rit wieder ein Baby bekommen hatte. In jener Nacht verließen sie ihre Hütten lautlos wie Schatten und hielten immer wieder inne, um zu lauschen, weil sie ständig darauf gefasst waren, plötzlich von der Straße her lauten und ungestümen Hufschlag zu hören. Dieses Geräusch hätte bedeutet, dass die Mitglieder der Sklavenpatrouille, die sogenannten Patroller, wieder einmal einen entlaufenen Sklaven jagten – die Sklaven fügten dem Wort allerdings noch eine Silbe hinzu und machten »patteroller« daraus. Schließlich schlüpften sie leise und flink in Bens Hütte, um das neue Baby zu betrachten.

Sie kamen in kleinen Gruppen, zwei oder drei auf einmal, und sahen auf den Säugling hinunter. Dass es ein Mädchen war, wussten sie schon, aber aus Höflichkeit fragten sie trotzdem, ob es ein Mädchen oder ein Junge sei, und sie erkundigten sich nach dem Namen, obwohl sie auch den schon kannten.

Mädchen waren nicht viel wert und Old Rit hatte bereits eine große Kinderschar, aber das wurde mit keinem Wort erwähnt. Taktvoll regten sie an, Old Rit solle sich darum bemühen, dass dieses neugeborene kleine Mädchen zur Köchin ausgebildet würde oder lernte, wie man webt oder schneidert. Vielleicht könnte sie auch Kinder betreuen und ein Kindermädchen werden. Dann würde sie nicht auf dem Feld arbeiten müssen.

Sie bewunderten das Baby, aber nicht lange, und erkundigten sich nach dem Befinden der Mutter. Danach blieben sie noch, hockten sich vor das offene Feuer und unterhielten sich. Das Gespräch am Feuer drehte sich um den neuen Aufseher, die Maisernte, das Wetter, aber es endete mit demselben Thema wie immer: der Freiheit.

Die Kühnen unter ihnen, die Jungen, Starken, behaupteten, dass die Freiheit im Norden zu finden sei und dass man frei sein könne, wenn man nur dorthin gelange. Schweigen senkte sich über die Hütte, Unbehagen drang in den Raum. Es schien selbst die schlafenden Kinder zu erfassen, die eng aneinandergeschmiegt auf den alten Decken in der Ecke lagen, denn sie regten sich im Schlaf.

Einen Augenblick lang waren alle still. Den Anblick der zerlumpten, halb verhungerten Entlaufenen, die in Ketten zurückgebracht worden waren, hatten sie nicht vergessen. Man hatte sie gebrandmarkt, um sie als Entlaufene kenntlich zu machen, oder ihnen die Ohren abgeschnitten. Ihnen war noch gut in Erinnerung, wie sie ausgepeitscht und in Ketten gelegt mit der Chain Gang in den Süden geschickt worden waren.

Dann durchbrach einer der Sklaven, die am Feuer hockten, das Schweigen. Er benutzte ein langes Wort: Freilassung. Dieses Wort hatte der Herr in den Mund genommen, es war ein Versprechen, das ihnen allen gemacht worden war. Wenn sie zuverlässig und fleißig seien, würde der Herr sie nach seinem Tod freilassen, sie aus der Sklaverei entlassen.

Einer wies darauf hin, dass so etwas schon vorgekommen sei, es könne sich also wiederholen. Am Waldrand, nicht weit von der Plantage, lebten freie Schwarze3 in ihren eigenen Hütten. Weil diese Menschen frei waren, wurden auch ihre Kinder als freie Menschen geboren. Dabei warfen sie verstohlene Blicke zu Minta oder Minty hinüber, dem winzigen Neugeborenen, das in einer Ecke der Hütte ganz nah bei Old Rit lag.

Einer der traurigen, mutlosen Sklaven sagte, dass die Freiheit nur im Tod zu finden sei.

Die Kühnen widersprachen: Das sei nicht richtig. Man könne fortlaufen, und wenn man es in den Norden schaffe, sei man frei. Andauernd verschwänden Sklaven von den Farmen und Plantagen in der Umgebung. Natürlich würden einige von ihnen gefasst, zurückgebracht und in den Süden verkauft, aber viele eben auch nicht....

Erscheint lt. Verlag 14.2.2022
Übersetzer Hella Reese
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Abolitionismus • Amerikanischer Bürgerkrieg • Anti-Sklaverei-Bewegung • Black History Month • Frauenrechte • Frauenrechtsbewegung • Freiheit • Heldin • Sklaverei • Starke Frau • Südstaaten • Underground Railroad
ISBN-10 3-7556-0005-6 / 3755600056
ISBN-13 978-3-7556-0005-3 / 9783755600053
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