Das Geheimnis hinter den Geschichten (eBook)

20 Porträts beliebter Kinderbuchautorinnen und -autoren

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
144 Seiten
Woow Books (Verlag)
978-3-96177-575-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Geheimnis hinter den Geschichten -  Ebi Naumann
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Jeder kennt Momo, den Räuber Hotzenplotz, die Mumins und Pippi Langstrumpf. Aber wer hat die beliebten Kinderbuchfiguren eigentlich erfunden? Und verraten die Abenteuer der Figuren vielleicht auch etwas über das Leben ihrer Erfinder*innen? Dieses besondere Sachbuch versammelt zwanzig Autor*innen klassischer Kinderliteratur und erzählt, wie sie auf ihre Buchideen gekommen sind. Oft begann alles, als die Autor*innen noch klein waren und das Lesen, Schreiben oder Malen für sich entdeckten. Darum lüften vor allem die Kindheitserinnerungen der Autor*innen das Geheimnis hinter den Geschichten. Mit Erich Kästner, Astrid Lindgren, A.A. Milne, Maurice Sendak, Tove Jansson, Antoine de Saint-Exupéry, Judith Kerr, Mark Twain, Christine Nöstlinger, James Krüss, Roald Dahl, Paul Maar, Andreas Steinhöfel, Michael Ende, Otfried Preußler, Kirsten Boie, J.R.R. Tolkien, Frida Nilsson, Finn-Ole Heinrich und Eric Carle

Ebi Naumann, 1949 in Kiel geboren und studierter Jurist, lernte Französisch bei dem Pantomimen Marcel Marceau in Paris, machte Straßentheater in Berlin und arbeitete als Lektor und Herausgeber in verschiedenen Verlagen, bevor er sich als Produzent im TV-Geschäft einen Namen machte.Nun ist er schon seit mehr als 15 Jahren als Übersetzer und Autor tätig, vornehmlich als »Spezialist für die kurze Form«.Das gilt für Bilderbücher (gereimt und ungereimt) ebenso wie für Graphic Novels, deren Sprechblasen eine ganz spezielle Herausforderung darstellen, sich kurzzufassen.

Ebi Naumann, 1949 in Kiel geboren und studierter Jurist, lernte Französisch bei dem Pantomimen Marcel Marceau in Paris, machte Straßentheater in Berlin und arbeitete als Lektor und Herausgeber in verschiedenen Verlagen, bevor er sich als Produzent im TV-Geschäft einen Namen machte.Nun ist er schon seit mehr als 15 Jahren als Übersetzer und Autor tätig, vornehmlich als »Spezialist für die kurze Form«.Das gilt für Bilderbücher (gereimt und ungereimt) ebenso wie für Graphic Novels, deren Sprechblasen eine ganz spezielle Herausforderung darstellen, sich kurzzufassen.

»Am liebsten wäre ich ein kleines, einsames Tier im Wald.«


ASTRID LINDGREN


Am Anfang ihrer Karriere hat Astrid Lindgren einmal gesagt: »Ich bin ein ganz, ganz klein wenig ziemlich ›berühmt‹. Aber darüber mag ich nicht schreiben.« Umso mehr haben das später andere für sie übernommen. Über Astrid Lindgren und ihr Leben wurden mehr Bücher veröffentlicht als über fast alle anderen Autoren und Autorinnen, von denen ich euch hier erzähle.

Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie nicht bloß Pippi Langstrumpf geschrieben hat, einen der berühmtesten Kinderromane aller Zeiten, sondern auch noch über hundert weitere Geschichten. Und dass diese Geschichten von unendlich vielen Kindern auf der ganzen Welt verschlungen werden. Außerdem hat Astrid Lindgren fast alle Preise gewonnen, die man mit Kinderbüchern überhaupt gewinnen kann. Einer der wichtigsten ist nach ihrem Tod im Jahr 2002 sogar nach ihr benannt worden – der Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis.

Geboren wurde Astrid fünfundneunzig Jahre zuvor, am 14. November 1907. Aber nicht in Bullerbü, wie manche von euch vielleicht glauben, sondern auf Näs, einem Hof nicht weit entfernt von der schwedischen Kleinstadt Vimmerby. Dort hat sie ihre Kindheit verbracht, im Kreis ihrer großen Familie. Zusammen mit den Mägden und Knechten, die auf dem Hof arbeiteten, und deren Kindern.

Das Leben auf Näs verlief fast so wie das Leben in Bullerbü. Für alle, die die Bullerbü-Bücher gelesen haben, ist es deshalb sicher keine Überraschung, dass die kleine Astrid schon ganz früh gelernt hat, auf Bäume zu klettern. Am liebsten auf den Eulenbaum von Näs. Der wurde so genannt, weil sich in seiner Krone tatsächlich ein Eulenpaar sein Nest gebaut hatte. Falls Astrid dort oben wirklich einmal ein Hühnerei gefunden haben sollte, so wie die Kinder aus Bullerbü, dann nur, weil Astrids Bruder es gegen eins der Euleneier ausgetauscht hatte. Astrid ist noch bis ins hohe Alter auf Bäume geklettert. Und wenn sich jemand daran störte, meinte sie: »Es steht nicht in Moses’ Gesetzen, dass alte Frauen nicht auf Bäume klettern dürfen.«

Aber das Leben auf Näs, all das, was die Kinder dort erlebten, findet sich nicht bloß in den Bullerbü-Büchern wieder. Auch Pippi Langstrumpfs Spiel Nicht den Fußboden berühren hat seinen Ursprung auf diesem Hof. Denn wenn Astrid und ihre Geschwister nicht draußen spielen konnten, tobten sie ganz genau so über die Möbel des großen Schlafzimmers wie Pippi in dem ihr gewidmeten Buch. Im Wohnzimmer war das Spielen nämlich verboten, nur im Schlafzimmer störte es die Eltern nicht.

Überhaupt ließen die Eltern Astrid und ihren Geschwistern Gunnar, Stina und Ingegeerd sehr viel Raum. Und doch – immer dann, wenn die Kinder sie brauchten, waren die Eltern für sie da. Diese Freiheit und die große Liebe der Eltern – sowohl gegenüber den Kindern als auch zueinander – findet sich nicht nur in Astrid Lindgrens Büchern wieder. Sie prägte ihr gesamtes Leben.

Ebenso wie Edit, die Tochter eines Kuhknechts, der auf Näs arbeitete. Denn in der kleinen Küche ihrer Eltern las Edith der etwas jüngeren Astrid die ersten Märchen vor. Das versetzte Astrids Seele »in Schwingungen«. Und die haben sicher mit dazu beigetragen, dass sie später neben ihren zum Teil märchenhaften Geschichten sogar ein paar richtige Märchen geschrieben hat.

Dazu kam, dass in Näs fast jeden Tag Landstreicher anklopften, die kein eigenes Zuhause hatten. Sie durften im Stall übernachten und erzählten den Kindern vor dem Einschlafen spannende Geschichten. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass es der erwachsenen Astrid nicht schwergefallen ist, später Bücher wie Rasmus und der Landstreicher zu schreiben. Sogar in Pippi Langstrumpf tauchen schon zwei Landstreicher auf. Die beiden haben es auf Pippis Goldkoffer abgesehen, aber das Mädchen bringt es fertig, dass der eine von ihnen stattdessen auf dem Kamm bläst und der andere so lange mit ihr tanzt, bis ihm die Beine wehtun.

Astrid Lindgren war als Kind ähnlich quirlig wie ihre Pippi Langstrumpf. Und als sie in die Schule kam, erregte sie die Bewunderung ihrer Mitschülerinnen weniger durch ihre guten Aufsätze, für die sie immer die besten Noten bekam. Stattdessen beeindruckte sie diese vor allem durch die Waghalsigkeit, mit der sie an den Heizungs- und Wasserrohren der Turnhalle hinaufkletterte. Das lange Stillsitzen auf der Schulbank dagegen bereitete ihr ziemliche Schwierigkeiten. Das änderte sich erst, als plötzlich das Lesen zu ihrer Lieblingsbeschäftigung wurde. Später erzählte Astrid Lindgren: »Das grenzenloseste aller Abenteuer der Kindheit, das war das Leseabenteuer. Für mich begann es, als ich zum ersten Mal ein eigenes Buch bekam und mich da hineinschnupperte. (…) Ein besseres Geschenk hat das Leben mir nicht beschert.«

So brav, wie die kleine Astrid auf diesem Bild aussieht, war sie in Wirklichkeit nur sehr selten.

Auch Trost hat Astrid Lindgren in Büchern immer gesucht und gefunden. Vor allem, als ihre Kindheit sich langsam verabschiedete und den ersten Problemen und Kümmernissen des Erwachsenwerdens Platz machte. So war sie zum Beispiel eine Zeit lang fest davon überzeugt, sie sei dermaßen hässlich, dass niemand sich jemals in sie verlieben könnte. Da las sie alles, was sie in die Finger bekam, um ihren Kummer zu vergessen. Und das hat sie in ihrem ganzen Leben beibehalten.

Unabhängigkeit und Freiheit waren Astrid Lindgren ebenfalls ihr Leben lang wichtig. Damit verband sie, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen. Dementsprechend hielt sie sich bei der Auswahl ihrer Bücher schon in den ersten Schuljahren nicht an die damals üblichen Empfehlungen für junge Mädchen. Stattdessen las sie sich quer durch die gesamte Bibliothek. Von Tom Sawyer und Huckleberry Finn über Die Schatzinsel, Das Dschungelbuch und die klassischen Sagen bis zu den Abenteuerbüchern von Jules Verne.

Astrid liebte als Kind Abenteuer – nicht nur in Büchern, sondern überhaupt. Sie war ein lebensfrohes junges Mädchen und blieb, auch als sie älter wurde, immer ein bisschen wild und mutig. Zum Beispiel war sie das erste Mädchen in Vimmerby, das sich die Haare kurz schneiden ließ. Darum ist es auch kein Wunder, dass es in ihrem ersten und bekanntesten Buch um genau so ein mutiges und wildes Mädchen geht wie Pippi.

Übrigens 1: Den Namen Pippi Langstrumpf kennt seit Generationen so gut wie jedes Kind auf der Welt. Dabei haben wir ihn gar nicht Astrid Lindgren zu verdanken, sondern ihrer Tochter Karin. Als diese nämlich einmal krank im Bett lag, bat sie ihre Mutter, ihr eine Geschichte zu erzählen. Und auf Astrids Frage, wer in dieser Geschichte vorkommen sollte, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen: »Pippi Langstrumpf.«

Übrigens 2: Astrid Lindgrens Kinderbuchfigur Michel aus Lönneberga ist erst fünfunddreißig Jahre später auf der Bildfläche erschienen als Erich Kästners Emil und seine Detektive. Trotzdem haben es die beiden miteinander zu tun gekriegt. Woran das liegt? Vor allem daran, dass Kinderbücher zwar älter werden können (das älteste in meinem Bücherschrank hat schon fast dreihundertfünfzig Jahre auf dem leicht zerfledderten Buckel), die darin vorkommenden Figuren jedoch nicht. Die bleiben immer so alt, wie die Autoren und Autorinnen sie in ihre Geschichten geschrieben haben.

Astrid Lindgren hatte ihren Michel aus Lönneberga ursprünglich auch Emil genannt. Doch als der 1964 von Schweden nach Deutschland kam, musste er feststellen, dass es hier bereits seit Langem einen sehr bekannten Emil gab. Wenn man in einer Buchhandlung sagte: »Ich hätte gern das Buch von Emil«, wurde einem deshalb sofort Erich Kästners Detektivroman in die Hand gedrückt. Damit das nicht passierte, haben der Übersetzer von Astrid Lindgrens Buch und der deutsche Verleger sich damals zusammengesetzt, ihre Köpfe rauchen lassen und beschlossen, den schwedischen Emil hier bei uns Michel zu nennen. Und weil der dann fast genauso berühmt geworden ist wie der Emil aus Neustadt, könnt ihr jetzt auch kein Buch mehr über einen Michel schreiben, sondern müsst euch einen anderen Namen ausdenken.

Übrigens 3: In den Büchern von Astrid Lindgren kommen unendlich viele Figuren vor: Kinder, Erwachsene und Tiere. Und trotzdem, wenn Astrid Lindgren nach ihren Kindheitserinnerungen befragt wurde, galt ihr erster Gedanke nicht den Menschen, sondern der Natur. In einem Interview hat sie sogar einmal gesagt: »Am liebsten wäre ich ein kleines, einsames Tier im Wald.«

Dabei kümmerte sich Astrid Lindgren, je älter sie wurde, immer mehr um die Menschen. Ganz besonders die Kinder lagen ihr am Herzen. »Ich will für einen Kreis schreiben, der Wunder bewirken kann. Nur Kinder können beim Lesen Wunder bewirken.« Diese Wahrheit ist sicher eins der größten Geheimnisse, die hinter fast jeder ihrer Geschichten steht. Und damit euch die Fantasie, Kraft und Lust nicht verloren geht, die man braucht, um Wunder wahr werden zu lassen, war es Astrid Lindgren ganz besonders wichtig, dass Kindern keine Gewalt mehr angetan werden darf. Dafür hat sie sich so sehr eingesetzt, dass in ihrem Heimatland Schweden 1979 sogar ein Gesetz erlassen wurde, das Gewalt gegen Kinder endgültig verbietet und unter Strafe stellt. Wie wichtig das ist, werden wir später noch sehen, denn auch einige der hier vertretenen Autoren haben unter der Gewalt ihrer Väter...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2022
Illustrationen Katrin Engelking
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Biographien
Schlagworte Astrid Lindgren • Geschenkbuch • James Krüss • Kinderbuchklassiker • Kinderliteratur • Kindheitserinnerungen • Mumins • Otfried Preußler • Pippi Langstrumpf • Räuber Hotzenplotz
ISBN-10 3-96177-575-3 / 3961775753
ISBN-13 978-3-96177-575-0 / 9783961775750
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