Mein Freund Pax - Die Heimkehr (eBook)

Band 2
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2022 | 1. Auflage
272 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0492-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein Freund Pax - Die Heimkehr -  Sara Pennypacker
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Der Junge Peter und der Fuchs Pax: Sie waren einst unzertrennlich, heute leben sie weit voneinander entfernt. Doch die Erinnerung an den jeweils anderen lässt beide nicht los. Und so brechen sie auf: auf eine Reise durch die Wildnis, die ihre Wege abermals zueinander und näher zu sich selbst führt. Ein Roman über Freundschaft und Liebe und die unverzichtbare Fähigkeit, auch nach großer  Verletzung vergeben zu können. Mit schwarz-weiß Illustrationen von Jon Klassen Die Presse über die amerikanische Originalausgabe: »Dies ist ein geschickt nuancierter Blick auf die Zerbrechlichkeit und Stärke des menschlichen Herzens. Eine beeindruckende Fortsetzung.« Kirkus Reviews »(...) Eine würdige Fortsetzung und gleichzeitig eine herzzerreißende und wunderbar lebensbejahende Erkundung der Konzepte von Heimat, Familie und der Liebe, die alles lohnenswert macht.« Booklist Die Presse über »Mein Freund Pax«: »Ein großartiges Plädoyer für Menschlichkeit.« Süddeutsche Zeitung  »Eindrücklich und mit einem ungewöhnlichen Sog.« NZZ am Sonntag »Eine wundervoll poetische Geschichte.« Stuttgarter Zeitung »Der Roman berührt ebenso eindringlich wie unaufdringlich die großen Fragen, vor denen junge Leser [...] ein erstes Mal stehen könnten.« Frankfurter Allgemeine Zeitung »Ein sehr besonderes Buch, das nahe geht und lange nachwirkt.« Norddeutscher Rundfunk »Einfühlsam und anspruchsvoll erzählt, ohne kitschig zu sein, für Jungs und Mädchen gleichermaßen geeignet.« Buchmarkt Von Sara Pennypacker außerdem bei FISCHER Sauerländer erschienen: »Mein Freund Pax« »Hier im echten Leben«

Sara Pennypacker wurde 1951 in Massachusetts, USA, geboren, wo sie auch heute noch lebt. Sie gehört zu den bekanntesten Kinderbuchautorinnen Nordamerikas, und ihre Bücher wurden vielfach ausgezeichnet.

Sara Pennypacker wurde 1951 in Massachusetts, USA, geboren, wo sie auch heute noch lebt. Sie gehört zu den bekanntesten Kinderbuchautorinnen Nordamerikas, und ihre Bücher wurden vielfach ausgezeichnet. Jon Klassen, 1981 in Winnipeg, Kanada, geboren, arbeitet als Illustrator und Autor und wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 für »Wo ist mein Hut?« und 2020 für »Dreieck Quadrat Kreis«. Er lebt in Los Angeles, USA.

Peter hockte sich vor die störende Stelle im Dielenbrett und fuhr mit dem Finger über die leichte Erhebung, die sich bis ganz nach unten fortsetzte. Vola hatte gemeint, er könne mit dem Schleifen beginnen, die Dielen seien nun eben genug, aber Peter wollte, dass alles perfekt war, eben genug reichte ihm nicht.

Er drehte an der Einstellschraube des Hobels, bis die Klinge gerade so weit herausragte, dass nur hauchdünne Späne entfernt wurden. Natürlich könnte er auch mit einem einzigen Schnitt eine größere Menge wegnehmen, aber Schicht um Schicht würde es einfach besser werden.

Hobeln gefiel Peter – von all den Fähigkeiten, die er beim Bau seiner Hütte nach und nach erlernt hatte, mochte er diese vielleicht am liebsten. Der Hobel war ein richtiges Muskelwerkzeug, anders als zum Beispiel ein Schraubendreher. Beim Hobeln setzte man den ganzen Körper ein. Ein Werkzeug für einen Mann, nicht für einen Jungen.

Er setzte den Hobel am Dielenrand an, umschloss mit der rechten Hand den Knauf und verlagerte sein ganzes Gewicht darauf, bevor er das Werkzeug mit der linken Hand vorwärtsbewegte. Das hundert Jahre alte helle Kiefernholz, das sie aus der Scheune des Nachbarn gerettet hatten, löste sich in gleichmäßigen Löckchen, die wie frisch geschlagenes Holz rochen. Auch das mochte er an Holz: dass es immer wieder zu einem Neubeginn bereit war und –

Plötzlich hing der Hobel an einer Aststelle fest, Peters Hand rutschte vom Knauf, der Hobel kippte, und die Klinge ratschte ihm über den Ballen.

Fluchend ließ er sich auf die Fersen zurücksinken. Wann würde er das je lernen? So war das eben mit Aststellen: Hinterhältig versteckten sie sich unter der Oberfläche. Während das Blut hervorquoll und ihm langsam übers Handgelenk rann, kam ihm auf einmal von irgendwoher dieser Ausdruck in den Kopf: Blut und Schweiß. Schweiß hatte er bereits eimerweise über dieser Hütte vergossen, da wäre eine kleine Signatur mit Blut doch ganz passend. Also drückte er die Wunde fest auf die Diele und sah zu, wie das Blut herausschoss – wie eine auflodernde Flamme. Der Fleck, der sich dann im Holz ausbreitete, erinnerte ihn an einen Fuchsschwanz.

Peter riss die Hand zurück, erschrocken darüber, wie heftig die Erinnerung jedes Mal zuschlug: Im vergangenen Jahr, auf seiner Wanderung zurück an den Ort, an dem er Pax, seinen zahmen Fuchs, hatte verlassen müssen, hatte er sich in den Unterschenkel geschnitten, um mit seinem Blut die Umrisse eines Fuchsschwanzes auf sein Bein zu zeichnen. Ich komme zurück und hole dich, das hatte dieser Blutschwur bedeutet.

Jetzt presste er sich die Wunde mitten auf die Brust. Erinnerungen waren so heimtückisch. Ständig lauerten sie unter der Oberfläche, bereit, zuzustechen, mitten ins Herz, wenn man einmal nicht aufpasste.

Doch gegen diese spezielle Erinnerung kannte er ein Gegenmittel. Eine Art Buße, die er selbst entwickelt hatte. Wann immer er den Fehler beging und an Pax dachte, machte er diese Übung, immer dieselbe. Am besten, er zog sie sofort durch.

Peter schloss die Augen. Er rief sich den Nachmittag vor fünf Jahren ins Gedächtnis, an dem er eine überfahrene Füchsin am Straßenrand gefunden hatte. Jeden seiner Schritte ging er wieder in allen Einzelheiten durch – wie er den steifen, mit Schlamm bespritzten Körper aufgehoben und weggetragen hatte auf der Suche nach einem Ort, wo er ihn begraben könnte, wie er die sandige Stelle an einer Steinmauer entdeckt und mit seinem Stiefel ein flaches Grab ausgehoben hatte.

Obwohl er, wie stets an dieser Stelle, einen Schmerz in der Brust fühlte, rief er den Moment wieder auf, in dem er die Öffnung zum Fuchsbau entdeckt hatte. Das Atmen fiel ihm jetzt schwer, trotzdem holte er die Szene von damals wieder hervor: drei tote Jungtiere und ein überlebendes, zitterndes.

Er hatte in den Bau gegriffen und das lebende Tierchen hervorgeholt – es war ein Rüde. Er hatte es an seine Brust gedrückt, wo es eine Leere füllte, von der er bis dahin gar nicht gewusst hatte, dass sie da war. Aber jetzt, zum Zweck der Buße, fügte er eine andere Szene ein: eine, in der er tat, was er nach Ansicht seines Vaters hätte tun sollen.

»Er hätte mit der übrigen Familie sterben sollen. Du hättest nur für einen schmerzlosen Tod sorgen müssen.«

Peter, den Welpen im Arm, war empört gewesen. »Zu spät«, hatte er gebrüllt. »Jetzt behalte ich ihn.« Sein Vater war verärgert gewesen. Doch zugleich sah Peter im Blick des Vaters – womöglich zum ersten Mal – so etwas wie Respekt.

Inzwischen verstand er, dass sein Vater recht gehabt hatte. Er hätte den Welpen von seinem Leiden erlösen sollen. So hätte er auch den Schmerz vermieden, den er Pax und sich selbst Jahre später zufügte.

Er beendete seine Bußübung. In diesem Teil griff er nicht in den Bau. Stattdessen stellte er sich vor, wie er einen der schweren Schlusssteine von der Mauer gewuchtet und damit den Eingang zur Höhle verschlossen hätte. Wie er dann, ohne noch einmal zurückzuschauen, weggegangen wäre.

Mach’s einfach. Geh weg. Schau nicht zurück.

Wie viel Schmerz hätte er sich ersparen können.

Noch zweimal ging Peter dieselbe Abfolge von Bildern in Gedanken durch. Dreimal sei nötig, hatte er gelesen, um das Gehirn neu zu programmieren.

Die Bußübung zeigte Wirkung; er dachte immer weniger an Pax. Wenn er es schaffte, dem Waschbären aus dem Weg zu gehen, der zu Vola gehörte, dann dachte er manchmal tagelang nicht daran, dass er je ein Haustier gehabt hatte.

Peter stand auf und legte den Hobel beiseite. Die Wunde hatte aufgehört zu bluten, aber fürs Erste würde er das Werkzeug nicht wieder zur Hand nehmen. Man durfte den Erinnerungen nicht Tür und Tor öffnen.

In einer Ecke stand ein mit einem Tuch abgedeckter Steintrog, in dem er getrocknetes Moos, Asche vom Holzofen und Tonschlamm aufbewahrte. Er goss etwas Wasser hinein und rührte um, bis sich eine grobe Paste bildete. Einen Teil davon tat er in einen Eimer und fing an, die Zwischenräume zwischen den Balken an der Nordwand zuzuschmieren.

Während der Arbeit hatte er Zeit, sein Werk zu bewundern. Im September hatte er sich zu dem Bau entschlossen, gleich am ersten Schultag, als er nach Hause gekommen war und seine Bücher auf Volas Küchentisch ausgebreitet hatte. Sofort hatte er begriffen, dass das nicht auf Dauer funktionieren würde. Die Hütte war perfekt für Vola allein, aber zu klein für zwei. Vola war wie er der Meinung gewesen, dass er mehr Platz brauchte, einen Ort ganz für sich, und so hatte sie ihm geholfen, eine Hütte zum Schlafen und zum Lernen zu entwerfen. Knapp drei mal vier Meter, mehr brauchte er nicht, das reichte für ein Bett und eine Kommode, einen Schreibtisch und einen Stuhl. Der schlichte Entwurf gefiel ihm.

Jeden einzelnen Baum hatte er selbst gefällt, die Stämme auf die richtige Länge zurechtgesägt und eingekerbt. Alle Dachsparren und Balken hatte er selbst zugeschnitten, er hatte Schindeln auf dem Dach angebracht und mit Teer beschichtet. Erst letzte Woche hatte er auf einem Schuttabladeplatz drei Fenster und eine Tür gefunden und mit dem Geld gekauft, das sein Großvater ihm jeden Monat schickte. Morgen nach der Schule würde er damit anfangen, sie einzusetzen.

Nachbarn hatten dabei geholfen, die Stämme übereinanderzuschichten, doch sonst hatte er alles ganz alleine gemacht. Vola hatte ihn angeleitet, selbst aber kaum einmal mit angefasst. So hatten sie das besprochen – er wollte etwas ganz allein bauen, und sie hatte das respektiert. Das gefiel ihm an ihr.

Als hätte er sie gerufen, sah er Vola in diesem Moment auf dem Weg näher kommen. So wie sie an ihrem Rock zupfte, hatte sie sich anscheinend noch immer nicht an die Art Kleidung gewöhnt, die sie an ihren Bibliothekstagen trug.

Sie trat auf den Mauerstein, den er am Eingang für sie aufgestellt hatte. Meistens kam sie mit ihrer Beinprothese ganz gut zurecht, doch hohe Stufen waren ein Problem. Jetzt klopfte sie an einen Holzstamm. Auch das war etwas, was Peter an ihr schätzte: dass sie seine Privatsphäre achtete.

Er breitete eine Plane über den noch unfertigen Boden, dann winkte er Vola herein. »Und, wie lief es heute?«

Vola lächelte. »Die kleine Williams treibt mich noch zum Wahnsinn. Aber sie hat ein Händchen für die Marionetten. Bea lässt dich grüßen; sie hat dieses neue Buch über Bäume bestellt, das du haben wolltest. Ich hätte ja nicht gedacht, dass es noch irgendein Buch über Bäume gibt, das du nicht gelesen hast. Oh, und fast hätte ich’s vergessen: Jemand hat einen Aushang ans Schwarze Brett gepinnt. Welpen. Eine Labrador-Spanielmischung. Ich hab gedacht …«

Peter atmete flacher und wandte sich ab. »Nein.« Prompt hatte er wieder Pax im Kopf. Er griff nach dem Spachtel. »Ich muss mal weitermachen.«

»Ich hab nur gedacht, wenn du bald mehr Zeit hier verbringst, könnte ein bisschen Gesellschaft …«

»Nein!« Die Schärfe seines Tons überraschte ihn.

Vola wich einen Schritt zurück. »Schon gut, schon gut, es ist noch zu früh. Verstehe.«

Peter bezweifelte, dass sie ihn verstand. Er verstand sich ja selbst nicht. Das Einzige, was er wusste, war, dass er beim Gedanken an ein neues Haustier Atemnot bekam.

Vola lächelte ihn versöhnlich an.

Peter nickte und klatschte eine Ladung Lehm an die Wand. Er wünschte, Vola würde gehen. Er musste die Bußübung wiederholen, jetzt sofort, sonst würde die Erinnerung in ihm Wurzeln schlagen. Er verstrich den Lehm zwischen zwei Stämmen.

Volas Lächeln schwand. »Ich hab dir erst gestern gesagt, du sollst...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2022
Reihe/Serie Mein Freund Pax
Mein Freund Pax
Illustrationen Jonathan Klassen
Übersetzer Birgitt Kollmann
Zusatzinfo 19 s/w Abbildungen
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Abschied • Familie • Freundschaft • Frieden • Füchse • Jon Klassen • Kinderbuchklassiker • Krieg • Liebe • Naturabenteuer • Naturschutz • Tiere • Wildnis • Wo ist mein Hut
ISBN-10 3-7336-0492-X / 373360492X
ISBN-13 978-3-7336-0492-9 / 9783733604929
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