Ottilie hat es geschafft: Sie ist die erste Monsterjägerin von Fort Fiory - und sie ist entschlossen, dass sie nicht die letzte sein wird. Denn die Festung ist in großer Gefahr: Schattenschlinger sind eingefallen, und niemand ist mehr sicher - vor allem nicht die Mädchen, die dort leben, aber nicht kämpfen dürfen. Ottilie möchte sie zu Kämpferinnen ausbilden, doch es regen sich Widerstände im Jagdorden. Bald kommt es zu weiteren, alarmierenden Vorkommnissen: Der Welkende Wald breitet sich immer weiter aus und außerhalb des Forts rotten sich die Kreaturen zusammen. Ottilie bleibt nicht viel Zeit, um sich auf den großen Angriff vorzubereiten!
Alle Bände der 'Wild Creatures'-Reihe:
Wild Creatures - Die Jagd von Narroway (Band 01)
Wild Creatures - Schatten über Ford Fiory (Band 02)
Wild Creatures - Die Hexe aus dem Brackermoor (Band 03)
Rhiannon Williams lebt und schreibt in Sydney, wo sie ihre Wohnung mit zwei Freunden teilt. Sie studierte Englisch und Geschichte an der Universität von Sidney und hat einen Bachelor in »Creative Arts«. Die Autorin hat bereits Erfahrungen am Theater gesammelt, ihre große Leidenschaft aber gilt dem Erfinden und Schreiben von Geschichten. »Wild Creatures. Die Jagd von Narroway« ist ihr fantastisches Debüt, das mit dem begehrten »Ampersand Prize« ausgezeichnet wurde.
2
Leos Medizin
Über ihnen ertönte ein Kreischen. Ottilie wurde nach hinten gerissen, prallte an Maestros Flanke und flog von seinem Rücken in den Matsch. Maestro wirbelte herum und fletschte seine riesigen Reißzähne. Sein Atem roch nach gepökeltem Aal. Ottilie zuckte zusammen und musste sich schwer beherrschen, um nicht seitlich wegzutauchen und sich zusammenzurollen, um ihren Bauch zu schützen. Wenn sie ihre Angst zeigte, reizte sie Maestro nur noch mehr.
»Alles klar da unten?«, rief Ned.
Ottilie rümpfte die Nase, als Ned sich über den Zaun beugte und sich das Lachen verkniff.
»Was war das?«, fragte Ottilie, rappelte sich auf und ließ den Blick über den Himmel schweifen.
»Nur eine Eule, glaube ich«, antwortete Ned.
Ottilies Wangen brannten. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie nach oben zur Grenzmauer und entdeckte schemenhaft einige Jäger am blassen Himmel. Selbstverständlich war es kein Schattenschlinger gewesen, sonst hätten die Jäger in Fiory Alarm ausgelöst oder ihn abgeschossen. Das war ihre Aufgabe. Fort Fiory war eine von drei Festungen in Narroway, dem Landstrich zwischen den Usklers im Osten und der Ödnis der Laklands im Westen. Die Jäger in den Stützpunkten Fiory, Arko und Richter hatten den Auftrag, die Schattenschlinger abzuwehren und die bedrohlichen Ungeheuer von den Usklers fernzuhalten.
Ottilie hätte es wissen sollen. Schattenschlinger konnte man eigentlich nicht mit anderen Tieren verwechseln. Obwohl die verschiedenen Schattenschlingerarten vage an vertraute Wesen erinnerten, verhöhnten sie die Gestaltgebung der Natur und lösten darüber hinaus einen Brechreiz aus, wenn man ihnen zu nahe kam. Die Jäger lernten in einem speziellen Abwehrtraining, wie man damit fertigwurde.
Ottilie wandte sich an Ned. »Was machst du überhaupt hier?«, fragte sie genervt, weil er ihr Missgeschick beobachtet hatte.
Ned grinste. »Ich bin auf der Suche nach Leo.«
Als sie den Namen ihres Mentors hörte, verzog Ottilie das Gesicht. Ihm hatte sie es zu verdanken, dass sie hier war. »Er ist nicht da«, fauchte sie.
Ned zog eine schwarze Augenbraue hoch.
»Leo ist mit meinen Leistungen nicht zufrieden«, zitierte sie ihn. »Deshalb hat er mir aufgetragen, allein mit Maestro zu üben.«
»Und warum stehst du dann faul mit ihm auf der Koppel?«, fragte Ned und lächelte sie verhalten an.
»Bist du hier, um mich zu überwachen?«
Er lachte schallend.
Aus dem Augenwinkel sah Ottilie Ranger Kinney, den kahl werdenden Hüter der Wingerslinks, der ganz offensichtlich in der Hoffnung zugesehen hatte, sich erneut über sie lustig machen zu können. Ottilie neigte zu der Einschätzung, dass er nur so verbittert war, weil die Wingerslinks ihn alle nicht leiden konnten. Sogar Maestro hatte ihn einmal in ihrer Gegenwart mit dem Schwanz zum Stolpern gebracht, als Kinney vorbeigekommen war. Der Griesgram mit den Goldzähnen hatte stets eine Peitsche dabei, sonst hätten die Tiere ihm niemals gehorcht. Sie hatte noch nie erlebt, dass er davon Gebrauch gemacht hätte, doch die Wingerslinks wussten offenbar sehr genau, wozu sie diente.
Doch es ging um mehr. Die rein männlich bestimmte Jagd von Narroway hatte ihren Bruder Gully geholt, nicht sie. Obwohl sie die langen Haare abgeschnitten und sich als seinen älteren Bruder aus den Sumpfgrotten ausgegeben hatte, war die List schon vor Ablauf des ersten Jahres aufgeflogen. Nachdem man sie erwischt hatte, hatte Ottilie befürchtet, nun von Gully getrennt zu werden. Doch man hatte sie den Schauflern zugeteilt, der Truppe entehrter ehemaliger Jäger. Sie waren dazu verdammt, Schattenschlinger-Knochen zu vergraben. Dann hatte sie aber Leo vor dem grässlichen Kappabak gerettet und war schließlich als erstes weibliches Mitglied in die Jagd von Narroway aufgenommen worden. Die Angst, von ihrem Bruder getrennt zu werden, war jedoch nach allem, was geschehen war, ihr ständiger Begleiter geblieben.
Die Jagd hatte sie nach ihrer Rückkehr nicht gerade mit offenen Armen empfangen, und man hatte ihr unmissverständlich klargemacht, dass viele in Fiory Vorbehalte gegen ihre neue Stellung hatten. Zu ihnen gehörte Kinney, dem es großen Spaß bereitete, wenn Ottilie etwas falsch machte. Er gab auch gerne seinen Senf dazu, doch an diesem Morgen verkniff er sich wahrscheinlich seine Kommentare, weil Ned da war.
»Ich wollte ihm den Sattel auflegen, aber er hat ihn immer wieder abgeworfen«, sagte sie mit einem bösen Blick zu dem großen silberfarbenen Wingerslink. »Und dann hat er mich gebissen.«
Ned runzelte die Stirn. »Er hat dich richtig gebissen?«
»Ja. Na ja, nein. Er hat meinen Arm ins Maul genommen und wieder losgelassen, aber ich hab es kapiert.«
Ned musste erneut lachen.
»Leo wusste genau, dass es so laufen würde!«, rief Ottilie und versetzte Maestro einen Stoß mit der Schulter. »Und dass Maestro mich ohne ihn nicht ranlassen würde!«
»Kann gut sein.«
Als Ottilie ein grollendes Geräusch von sich gab, stimmte Maestro ein. Doch als sie den Ellbogen in sein Hinterteil stieß, fletschte er die Zähne. Während sie ihn mit Blicken zu beherrschen versuchte, verlor sie sich beinahe in seinen großen feurigen Augen.
»Weißt du, wo er ist?«, fragte Ned.
Sie blinzelte. »Wer? Leo? Nein. Was willst du denn von ihm?«
»Ranger Voilies sucht ihn, und ich dachte, du wüsstest es sicher am ehesten.«
»Wenn es nach mir ginge, wäre es nicht so«, brummte Ottilie.
Ned lächelte. »Nur noch zwei Jahreszeiten, dann bist du den auch los.« Er wies mit dem Kopf auf Maestro.
Obwohl sie gerade erst wieder zur Jagd zugelassen worden war, hatte Ottilie bereits die Hälfte ihres Grünschnabeljahrs überstanden. Wenn der Winter vorbei war, würden sie und ihre Freunde die Prüfungen für die jeweiligen Orden machen. Danach wäre Leo nicht mehr ihr Mentor, und Ottilie, wenn sie denn zur Fliegerin ernannt würde, bekäme einen eigenen Wingerslink.
»Ich kann es kaum erwarten.« Dann warf sie einen Blick auf Maestro und bekam ein schlechtes Gewissen. »Und was will Ranger Voilies von ihm? Es wird doch gerade erst hell.« Sie gestikulierte zu dem rosigen Dunst am Morgenhimmel.
»Er hat sich heute früh nicht zum Appell gemeldet«, antwortete Ned mit sorgenvoller Stimme.
Vor einem knappen Monat hatte ein Kappabak Leo in die Enge getrieben. Ottilie hatte ihn gerade noch rechtzeitig gefunden, bevor es noch schlimmer gekommen war und nicht nur sein Bein zerschmettert gewesen wäre. Die Patchies überwachten mit Argusaugen seine Genesung, während Maestro sich deutlich schneller erholt hatte. Wingerslinks hatten ein erstaunliches Heilfleisch und über die gezackte Narbe an seiner Flanke war bereits Fell gewachsen.
»Ranger Voilies braucht ein Hobby. Er ist so besessen von Leo, da wird mir schlecht«, sagte Ottilie schroffer, als sie eigentlich wollte.
Ned runzelte die Stirn. »Alles okay mit dir? Das klingt so gar nicht nach dir.«
»Mich hat gerade ein Wingerslink gebissen«, antwortete sie und mied seinen Blick. Sie hatte keine Lust, über ihre schlechte Laune oder die Gründe dafür zu reden.
»Das ist alles?«, drängte Ned weiter.
Es war keineswegs alles. Beim Frühstück war Igor Thrike dicht an ihr vorbeigegangen und hatte ihr gemeine Dinge ins Ohr geflüstert, und das nicht zum ersten Mal.
»Es ist früh und Maestro hat mich gebissen. Das war’s.« Sie zwang sich, Ned anzusehen, denn sie hatte nicht vor, ihm die Wahrheit zu sagen. Er sollte nicht denken, sie würde allein nicht klarkommen und bräuchte seinen Schutz.
Da Ottilies Laune sich bis zum Mittag nicht gebessert hatte, fand sie die Vorstellung, im Speisesaal zu sitzen, unerträglich. Igor Thrike und Ranger Kinney hatten es nicht als Einzige auf sie abgesehen, denn Maeve Moth und Gracie Moravec nutzten ebenfalls jede Gelegenheit, ihr alle möglichen Gemeinheiten ins Gesicht zu fauchen. Aus diesen Gründen schlief Ottilie schlecht, und ihr war häufiger zum Heulen zumute, als ihr lieb war.
Entschlossen, sich den Tag nicht verderben zu lassen, entschied sie sich, noch ein wenig zu schlafen und einen neuen Anlauf zu nehmen. Doch als sie ihre Zimmertür öffnete, wurde ihr sofort bewusst, dass daraus nichts werden würde – Leo lehnte an ihrem Fenster.
Ottilie sah ihn wütend an.
»Hey, ich wünsche dir auch einen schönen guten Tag«, sagte Leo.
»Was willst du?«, fauchte sie in Erinnerung daran, wie Maestro ihren Arm zwischen seine mächtigen Kiefer genommen hatte.
Leo zog die Augenbrauen hoch. »Du bist aber schlecht gelaunt.«
»Was hat Ned dir erzählt?«
»Nichts.« Leo winkte ab. »Nur, dass du einen miesen Tag erwischt hast.«
»Und du glaubst, es wird dadurch besser, dass du bei mir einbrichst?« Ottilie stapfte ins Zimmer und ließ sich auf ihr Bett sacken.
»Ja. Zieh dich an und komm mit«, antwortete Leo und ging zur Tür. Obwohl er nicht mehr an Krücken gehen wollte, schonte er weiter sein rechtes Bein.
»Ich bin angezogen.«
Leo reagierte mit einem ungeduldigen Schnauben, das sie an einen jaulenden Hund erinnerte. »Zieh deine Jagdkluft an, wir gehen raus.«
»Wieso?«
»Weil du auf dem sechsundsiebzigsten Platz stehst und ich weiß, wo wir ein Rudel Knopos finden.«
Das interessierte Ottilie jetzt doch. Knopos zählten zu den scheuen Schattenschlingern, für die man viele Punkte bekam. Bisher war sie nur einem einzelnen Exemplar begegnet, keinem Rudel. Das Angebot...
Erscheint lt. Verlag | 25.5.2020 |
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Reihe/Serie | Die Wild Creatures-Reihe | Die Wild Creatures-Reihe |
Übersetzer | Anne Brauner |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Ottilie Colter and the Master of Monsters |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | ab 12 • Ampersand Prize • Animox • eBooks • Freundschaft • Jugendbuch • Jugendbücher • Jungen • Kinderkrimi • Mädchen • Magic Guardians • magische Tiere • Monster • Mut • Phantastische Tierwesen • Selbstwert • starke Heldin • Tierfantasy • tribute von panem • Woodwalkers • Young Adult |
ISBN-10 | 3-641-24225-8 / 3641242258 |
ISBN-13 | 978-3-641-24225-1 / 9783641242251 |
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