Kalle Blomquist 2. Kalle Blomquist lebt gefährlich (eBook)

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2019 | 1. Auflage
192 Seiten
Verlag Friedrich Oetinger
978-3-86274-464-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kalle Blomquist 2. Kalle Blomquist lebt gefährlich -  Astrid Lindgren
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Wenn die Polizei im Dunkeln tappt, dann kann nur einer helfen: Kalle Blomquist, der Meisterdetektiv. Gerade noch haben er und Eva-Lotta mit dem alten Gren gesprochen - und nun liegt er tot beim Herrenhof. Welches Geheimnis verbarg der Alte? Und wer ist der Mann in der grünen Hose, den Eva-Lotta am Tatort gesehen hat? Von Kalle Blomquist gibt es noch mehr spannende Fälle: 'Kalle Blomquist, der Meisterdetektiv' und 'Kalle Blomquist, Eva-Lotta und Rasmus'.

Astrid Lindgren (1907?-?2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die 'wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten' (DIE ZEIT) wurde u.?a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

Astrid Lindgren (1907 – 2002), in Südschweden geboren und aufgewachsen, hat so unvergessliche Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, Ronja Räubertochter und viele andere mehr geschaffen. Die "wunderbarste Kinderbuchautorin aller Zeiten" (DIE ZEIT) wurde u. a. mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

2. Kapitel


In dieser Stadt gibt es nur eine Straße und eine Querstraße«, pflegte Bäckermeister Lisander den Leuten zu erzählen, die aus einer anderen Gegend zu Besuch hierherkamen. Und der Bäckermeister hatte recht. Hauptstraße und Kleine Straße, das war alles, was es gab – und den Großen Markt natürlich. Der Rest waren winzige kopfsteingepflasterte, bucklige Gassen und Straßenstummel, die zum Fluss hinunterführten oder auch ganz plötzlich aufhörten vor einem baufälligen alten Haus, das mit dem Recht des Alters dort stand und den Weg versperrte und sich eigensinnig jeder modernen Stadtplanung widersetzte. Gewiss fand sich am Stadtrand die eine oder andere moderne Villa in einem schön gepflegten Garten; aber das waren Ausnahmen. Die meisten Gärten waren wie der des Bäckermeisters: wild gewachsen mit alten knorrigen Apfel- und Birnbäumen und verwilderten Grasflächen, die nie gemäht wurden. Auch die Häuser ähnelten meist dem des Bäckermeisters: große Holzkästen, die ein Baumeister längst vergangener Zeit in wildem Schönheitsrausch mit ganz unerwarteten Vorsprüngen, Türmchen und Zinnen geschmückt hatte.

Eine schöne Stadt war es also, streng genommen, nicht, aber sie war von altmodischer, gemütlicher Ruhe. Und eigentlich war sie von einer gewissen Schönheit, jedenfalls an einem warmen Julitag wie diesem, wenn in allen Gärten die Rosen, Levkojen und Pfingstrosen blühten und wenn die Linden in der Kleinen Straße ihre Wipfel im Flüsschen spiegelten, das so nachdenklich in seinem Bett dahinfloss.

Kalle und Anders und Eva-Lotta, die gerade am Ufer des Flusses entlang dem Hauptquartier der Roten Rose entgegentrabten, fragten auch nicht viel danach, ob ihre Stadt schön war oder nicht. Sie wussten nur, dass sie einen ausgezeichneten Kriegsschauplatz im Krieg der Rosen abgab. Da konnte man in schmalen, winkligen Gassen die Verfolger abschütteln, Zäune gab es zum Überspringen und Dächer, auf die man klettern, Holzschuppen, in denen man sich verbarrikadieren konnte, und außerdem noch tausendundeine Gelegenheit, sich zu verstecken. Solange eine Stadt diese außerordentlichen Vorzüge besaß, brauchte sie nicht schön zu sein. Es war vollauf genug, dass die Sonne schien und die Pflastersteine sich unter den nackten Füßen so warm und behaglich anfühlten. Das war wie Sommer im ganzen Körper. Der leicht modrige Geruch vom Fluss, der sich ab und zu mit verirrtem Rosenduft aus irgendeinem Garten mischte, war auch angenehm und sommerlich. Und die Eisbude hinten an der Straßenecke verschönerte das Stadtbild gerade genug, fanden Kalle und Anders und Eva-Lotta. Mehr Schönheit war hier gar nicht nötig.

Sie kauften sich jeder ein Eis und liefen weiter die Straße entlang.

Hinten von der Flussbrücke her kam ihnen Wachtmeister Björk langsam patrouillierend entgegen. Seine Uniformknöpfe blitzten im Sonnenschein.

»Hallo, Onkel Björk«, rief Eva-Lotta.

»Hallo«, erwiderte der Wachtmeister. »Hallo, Meisterdetektiv«, setzte er noch hinzu und legte Kalle freundlich den Arm um den Nacken. »Heute keine neuen Fälle?«

Kalle sah ärgerlich aus. Onkel Björk war doch wohl damals dabei gewesen und hatte die Früchte von Kalles Verbrecherjagd im vorigen Sommer geerntet. Er brauchte nun wirklich keine faulen Witze zu machen.

»Nein, heute keine neuen Fälle«, antwortete Anders für Kalle. »Alle Diebe und Mörder haben den Befehl bekommen, ihre Arbeit bis morgen aufzuschieben. Kalle hat nämlich heute keine Zeit für sie.«

»Nein, heute wollen wir den Roten Rosen die Ohren abschneiden«, sagte Eva-Lotta und lächelte Wachtmeister Björk freundlich an. Sie konnte ihn gut leiden.

»Eva-Lotta, manchmal hab ich so das Gefühl, als müsstest du etwas mädchenhafter sein«, sagte Wachtmeister Björk und sah bekümmert auf die schlanke, sonnenverbrannte Amazone, die da an der Bordsteinkante stand und versuchte, mit dem gekrümmten großen Zeh eine Zigarettenkippe aufzuheben. Es glückte, und mit kräftigem Schwung schleuderte sie die Kippe in den Fluss.

»Mädchenhafter? Ja, montags«, versicherte Eva-Lotta, und ein helles, strahlendes Lachen lag auf ihrem Gesicht. »Hej, Onkel Björk, nun müssen wir aber flitzen!«

Wachtmeister Björk schüttelte den Kopf und wanderte weiter.

Wenn man über die Brücke ging, wurde man einer schweren Versuchung ausgesetzt. Natürlich konnte man auf die allgemein übliche Weise hinübergehen. Aber da gab es Geländer, recht schmale Geländer. Und wenn man über die Brücke ging, indem man über diese Geländer balancierte, hatte man ein Weilchen einen angenehmen Kitzel in der Magengrube. Es konnte ja passieren, dass man runterfiel. Gewiss, es war trotz ausführlicher Versuche noch nie geschehen, aber ganz sicher war man ja nicht. Und wenn auch das Ohrenabschneiden der Roten Rosen eine recht dringende Angelegenheit war, fanden sowohl Kalle als auch Anders und Eva-Lotta doch, dass immer noch etwas Zeit für einen kleinen Balanceakt übrig sein musste. Es war natürlich verboten; aber Wachtmeister Björk war schon verschwunden, und auch sonst war kein Mensch zu sehen.

Doch, einer war zu sehen. Gerade als sie zielstrebig auf die Geländer geklettert waren und das angenehm kitzelnde Gefühl im Magen sich wieder einzustellen begann, kam auf der anderen Seite der Brücke der alte Gren angetrottet. Aber um ihn kümmerte man sich nicht. Der alte Gren blieb vor den Kindern stehen, seufzte wie gewöhnlich und sagte in seiner üblichen abwesenden Art: »Ja, ja, die glücklichen Spiele der Kindheit. Die glücklichen, unschuldigen Spiele der Kinder. Ja, ja!«

Das sagte der alte Gren immer. Die Kinder ahmten ihn manchmal nach. Selbstverständlich nie so, dass er es hören konnte. Aber wenn Kalle aus Versehen den Fußball genau in Vater Blomquists Schaufensterscheibe schoss oder Anders vom Fahrrad fiel und dabei mit dem Gesicht mitten in einem Brennnesselgestrüpp landete, konnte es sein, dass Eva-Lotta seufzte und sagte: »Ja, ja, die glücklichen Spiele der Kindheit. Ja, ja.«

Sie erreichten glatt das andere Ende der Brücke. Auch diesmal wieder war keiner ins Wasser gefallen. Anders sah sich um, ob sie jemand beobachtet hatte. Die Kleine Straße aber war nach wie vor leer. Nur der alte Gren ging dort ganz hinten. Seinen trottenden Gang konnte man nicht verwechseln.

»Ich kenn niemand, der so komisch geht wie Gren«, sagte Anders.

»Gren ist durch und durch komisch«, meinte Kalle. »Aber vielleicht wird man komisch, wenn man so allein ist.«

»Der Ärmste«, sagte Eva-Lotta. »Stellt euch vor, in solch einer alten Bruchbude wohnen zu müssen und keinen Menschen zu haben, der für einen aufräumt oder mal Essen kocht und so.«

»Tja, Aufräumen ist ja nicht unbedingt wichtig«, fand Anders nach kurzem Überlegen. »Ich hätte nichts dagegen, wenn ich ein Weilchen allein wäre. Dann würde wenigstens niemand meine Modellbauflugzeuge anrühren.«

Für einen, der wie Anders mit vielen kleinen Geschwistern auf engstem Wohnraum zusammenleben musste, war es kein übler Gedanke, ein ganzes Haus für sich zu haben.

»Ach, du würdest in einer Woche wunderlich werden«, sagte Kalle, »noch wunderlicher, als du jetzt schon bist, meine ich. Genauso wunderlich wie Gren.«

»Papa kann diesen Gren nicht leiden«, rief Eva-Lotta. »Er sagt, Gren ist ein Wucherer!«

Weder Anders noch Kalle wussten, was ein Wucherer ist, aber Eva-Lotta erklärte es schon:

»Papa sagt, ein Wucherer ist so einer, der Geld ausleiht – an Leute, die es nötig haben.«

»Ja, aber das ist doch nett von ihm«, sagte Anders.

»Nein, das ist es nicht«, sagte Eva-Lotta. »Das ist so – verstehst du … Nimm doch mal an, du musst dir fünfundzwanzig Öre leihen, du brauchst die fünfundzwanzig Öre unbedingt für irgendetwas.«

»Für ein Eis«, schlug Kalle vor.

»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund. Ich fühl direkt, wie ich es unbedingt brauche!«, bestätigte Anders.

»Na ja, dann gehst du eben zu Gren«, sagte Eva-Lotta, »oder zu irgendeinem anderen Wucherer. Und der gibt dir dann die fünfundzwanzig Öre …«

»Tut er das wirklich?«, fragte Anders, völlig überwältigt von dieser Möglichkeit.

»Klar. Aber du musst dich verpflichten, sie in einem Monat zurückzuzahlen«, sagte Eva-Lotta. »Und es reicht nicht, wenn du ihm fünfundzwanzig Öre zurückgibst. Du musst ihm fünfzig Öre geben.«

»Auf keinen Fall!«, empörte sich Anders. »Warum muss ich das?«

»Kindchen«, sagte Eva-Lotta, »hast du denn in der Schule noch nie Prozentrechnen gehabt? Gren will Prozente für sein Geld haben. Kapier das doch endlich!«

»Aber er kann sich doch wohl etwas mäßigen«, meinte Kalle.

»Das tun die Wucherer aber nun mal nicht«, sagte Eva-Lotta. »Die mäßigen sich nicht. Die nehmen immer zu viele Prozente. Und im Gesetzbuch steht, dass man das nicht darf. Ja, und deshalb kann Papa den Gren nicht leiden.«

»Aber warum sind die Leute denn so vernagelt, dass sie Geld von Wucherern leihen?«, fragte Kalle verwundert. »Können die sich das Geld für ihr Eis nicht woanders borgen?«

»Dummchen«, sagte Eva-Lotta. »Vielleicht geht es nicht nur um fünfundzwanzig Öre für ein Eis, sondern um Tausende von Kronen. Da gibt es vielleicht Menschen, die müssen durchaus fünftausend Kronen haben und gerade jetzt in dieser Sekunde, und kein Mensch ist da, der sie ihnen borgen will. Keiner, nur so ein Wucherer wie Gren.«

»Jetzt pfeifen wir auf Gren«, sagte Anders, der Chef der Weißen Rose. »Vorwärts zu Kampf und Sieg!«

 

Da lag das Haus des Postdirektors und im Garten dahinter ein Schuppen, der als Garage diente. Als Garage und als...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2019
Reihe/Serie Kalle Blomquist
Illustrationen Jutta Bauer
Mitarbeit Cover Design: Karl Kurt Peters
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Arsen • Astrid Lindgren • Detektiv • Großmummrich • Kalle Blomquist • Kinderliteratur • Klassiker • Kleinköping • Krieg der Rose • Krimi • Mord • Mörder • Räubersprache • Weiße Rose
ISBN-10 3-86274-464-7 / 3862744647
ISBN-13 978-3-86274-464-0 / 9783862744640
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