Woodwalkers (4). Fremde Wildnis (eBook)
296 Seiten
Arena Verlag
978-3-401-80757-7 (ISBN)
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
Meine Eltern hatten mich immer gewarnt, dass in der Wildnis nur der überlebt, der stark, schnell und wachsam ist. Aber damals war ich noch viel jünger als jetzt und oft genug nicht sehr vorsichtig. Als ich eine Maus durch den sonnigen Kiefernwald verfolgte, raste das Blut heiß durch meine Adern und ich sah nichts mehr außer diesem kleinen braunen Vieh, das direkt vor mir zwischen abgefallenen trockenen Ästen, Gras und Kiefernzapfen davonhuschte. Prankenschlag, Sprung, gleich hatte ich es, mein erstes selbst gefangenes Frühstück!
Carag, pass auf! Keine Bewegung!
Mein Vater brüllte es so laut in meinen Kopf, dass ich verdutzt stehen blieb.
Ich wollte mich umwenden, ihm einen fragenden Blick zuwerfen, aber zum Glück tat ich es nicht.
Es gab noch jemanden, der es auf die Maus abgesehen hatte. Jetzt erst, während mein Jagdfieber verebbte, bemerkte ich das Rasseln und sah den braun-gelblich gemusterten Körper der Klapperschlange keine Pfotenlänge von mir entfernt. Hätte Xamber mich nicht gewarnt, wäre ich voll in sie hineingelaufen.
Es war ein Männchen und es hielt den Kopf gereizt erhoben, während die Hornringe an seiner Schwanzspitze drohend vibrierten. Sein Reptiliengeruch stieg mir in die Nase, so nah war er, so furchtbar nah. Würde ich jetzt sterben? Würde das sehr wehtun?
Beweg dich nicht!, wiederholte mein Vater und ich konnte seine Angst um mich in seinen Gedanken spüren. Dann zieht sie vielleicht ab.
Doch die Klapperschlange hatte anderes im Sinn. Sie hatte anscheinend entschieden, dass ich ihr feindlich gesinnt war, obwohl ich in Wirklichkeit nur eins wollte – weg hier! Halb gelähmt vor Entsetzen sah ich, wie sich ihr muskulöser Körper zusammenzog, wie sie sich bereit machte, zuzustoßen.
Auch mein Vater hatte das wohl gesehen. Schnell, zurück!, schnauzte er mich an, und dann stieß er sich vom Boden ab. Eben noch war sein geschmeidiger zimtfarbener Körper ein ganzes Stück von mir entfernt gewesen, doch nun kam er neben mir auf und holte im gleichen Moment mit einer Vorderpranke aus. Während ich zurücksprang, schleuderte sein Schlag die Klapperschlange von mir fort. Wütend wand sie sich, während ihr langer Körper einen Bogen in der Luft beschrieb. Mit einem Knistern landete sie in einem Wacholdergebüsch und wir zogen uns vorsichtig zurück.
Danke, sagte ich zittrig zu meinem Vater und konnte kaum begreifen, dass wir beide noch lebten. Sie hat dich nicht gebissen, oder?
Nein, alles in Ordnung. Xamber beugte sich zu mir herunter, um mir über den Kopf zu schlecken, und einen Moment lang schmiegte ich mich an ihn und fühlte mich wunderbar geborgen bei ihm.
Du hast diese Schlange nicht bemerkt, weil du …, begann er streng. Ich ließ Ohren und Tasthaare hängen, weil jetzt bestimmt die Standpauke kam, die ich verdient hatte. Doch mein Vater sprach nicht weiter, stattdessen schrak er zusammen, wandte den Kopf und duckte sich. Na wunderbar. Diesmal haben wir beide nicht aufgepasst!
Erst begriff ich nicht, was er meinte, doch dann fingen meine Ohren ferne Hufschläge und den Klang von Stimmen auf. Ich spürte, wie mein Fell sich sträubte. Weil wir durch die Klapperschlange abgelenkt gewesen waren, hatten wir verpasst, dass Eindringlinge in der Nähe waren! Es gab einen Pfad, der durch unser Revier führte und auf dem hin und wieder Menschen auf Pferden vorbeikamen. Als ganz kleines Kätzchen hatte ich gedacht, jeder Reiter sei ein einziges Wesen, das eben vier Beine und zwei Arme hatte, wieso sollte es so etwas nicht geben? Aber so blöd war ich längst nicht mehr.
Ich glaube, es sind sechs oder sieben Leute – nichts wie weg!, flüsterte mein Vater mir zu und begann, sich geduckt und mit unendlicher Vorsicht durchs Unterholz vorzuarbeiten. Seine Pranken verursachten kein Geräusch auf dem trockenen, warmen Sandboden.
Ich wusste, dass es ihm zuwider war, wenn Menschen ihn bemerkten – noch nie war er in seiner Pumagestalt von ihnen gesehen worden. Ein paarmal hatte ich schon versucht, ihn darüber auszuhorchen, ob ihm das mal in seiner Menschengestalt passiert war. Doch darüber redete er ungefähr so gerne, wie er sich auf einem Stachelschwein wälzte.
Instinktiv änderten wir die Richtung, damit der Wind unsere Witterung von uns forttrug … nur leider waren wir damit arg spät dran. Die Pferde hatten uns bemerkt, ich hörte, wie mehrere von ihnen ängstlich schnaubten und scheuten. Hoffentlich gab das keinen Ärger! Ein kleiner aufgeregter Schauer durchrann mich. Nicht nur Schlangen, auch Menschen waren beängstigend, doch immerhin bissen sie nicht.
Neugierig reckte ich den Hals, um einen Blick auf die Leute und ihre Pferde zu erhaschen, und mein Vater warf mir einen missbilligenden Seitenblick zu.
»Ganz ruhig, Shanti«, hörte ich einen der Menschen sagen, eine junge Frau. Sie saß sehr aufrecht im Sattel und hielt die Lederdinger, die zum Maul ihres Pferdes führten, stramm. Wahrscheinlich, um ihre tänzelnde, nervös mit den Augen rollende braune Stute unter Kontrolle zu halten.
»Ben, was ist los? Sind hier Wölfe in der Nähe?«, rief ein anderer aus der Gruppe. Das Fell seines Pferdes hatte die Farbe fünf Tage alten Schnees.
»Kann sein – oder ein Berglöwe, vielleicht auch ein Grizzly.« Ein bärtiger Mann auf einem dunkelbraunen Pferd hielt Ausschau, aber ich war sicher, dass er uns nicht entdecken würde. Und das war auch gut so, er trug nämlich eine gebogene Holzstange – einen Bogen, wie mir mein Vater mal erklärt hatte – und einen Behälter mit Pfeilen auf dem Rücken. Brauchte er die für die Jagd? Das verstand ich, denn mit diesen lächerlich kleinen Menschenzähnen konnte man keine Beute reißen.
Komm schon – du benimmst dich, als wären deine Pfoten am Boden festgefroren!, beschwerte sich mein Vater.
Ja, gut, gab ich gehorsam zurück und wandte mich um. Immerhin hatte er mir vorhin das Leben gerettet, da konnte ich kaum protestieren, wenn er mich herumkommandierte.
Doch ein schrilles Wiehern und ein Schrei ließen mich zögern – die Stute der jungen Frau hatte sich aufgebäumt, nun preschte sie los! Ziellos, in Panik, galoppierte sie einen sehr schmalen Trampelpfad entlang, den normalerweise Wapitis benutzten und der voller Wurzeln war. Eulendreck, das sah gefährlich aus! Als die Stute über eine dieser Wurzeln stolperte, konnte die Reiterin sich nicht mehr festhalten, sie stürzte aus dem Sattel und blieb stöhnend auf dem Boden liegen.
O nein, das ist unsere Schuld! In meinem Magen wühlte ein dumpfes, dunkles Gefühl. Wir müssen den Leuten helfen!
Guter Witz, wie sollen wir das denn anstellen?, fragte mein Vater, er klang beunruhigt. Ich spürte, dass auch er nicht gewollt hatte, dass so etwas geschah. Wenn wir uns nähern, drehen auch die anderen Pferde durch.
Doch ich hatte schon eine Idee. Der jungen Frau konnte ich nicht helfen, da hatte mein Vater recht, aber wenn ich schnell war, konnte ich vielleicht wenigstens verhindern, dass sich die Stute auf diesem Pfad ein Bein brach.
Ohne Zögern jagte ich los, in langen, weiten Sprüngen. Ich wusste, dass der Waldpfad einen Bogen beschrieb, und wollte versuchen, die Stute abzufangen und zu den Leuten zurückzutreiben. Wenn sie mich bemerkte, würde sie sicher umkehren. Oder war ihr alles egal vor lauter Angst?
Mir wurde mulmig zumute, als ich merkte, dass jemand mich gesehen hatte, und zwar ausgerechnet der Mann mit dem Schießwerkzeug. Er rief etwas und ließ sein Pferd angaloppieren – dachte er etwa, ich wollte diesen ängstlichen Vierbeiner fressen? Aber ich doch nicht, ich wusste nicht mal, wie Pferd schmeckte!
Noch während des Reitens spannte der Kerl seinen Bogen, ein Sonnenstrahl glänzte auf der metallenen Spitze des Pfeils. Bei diesem Anblick war mir einen Moment lang nach Umkehren zumute, aber nur kurz. Ich musste in Ordnung bringen, was wir angerichtet hatten! Und wenn ich weiter Tempo machte, konnte ich es schaffen, der braunen Stute den Weg abzuschneiden. Zum Glück sah ich den bewaffneten Reiter bald nicht mehr.
Pferde sind scheußlich schnell und ich war außer Atem, als ich endlich die richtige Stelle erreicht hatte. Als die Stute mich als große Raubkatze auf dem Pfad kauern sah, blieb sie zitternd stehen, alle vier Hufe gegen den Boden gestemmt. Dann rannte sie mit fliegender Mähne zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war. Dort können ihre Leute sie einfangen, dachte ich zufrieden.
Bevor ich ins Unterholz davongleiten konnte, sah ich mich dem bewaffneten Reiter gegenüber. Wo war der plötzlich hergekommen? Beim großen Gewitter, der kannte die Gegend auch und hatte den gleichen Weg genommen wie ich, um die Stute abzufangen!
Einen endlosen Moment lang blickten wir uns in die Augen, während die Pfeilspitze auf mein Herz zielte. Ich bewegte keinen Muskel und hörte mein noch unverletztes Herz klopfen. Würde der bärtige Mann mich erschießen? Würde er so wie die Klapperschlange denken, dass ich ihn angreifen wollte? Hoffentlich versuchte mein Vater jetzt nicht, mich zu verteidigen, er durfte diesen Menschen nicht...
Erscheint lt. Verlag | 15.1.2018 |
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Reihe/Serie | Woodwalkers |
Illustrationen | Claudia Carls |
Verlagsort | Würzburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • Bestseller-Autorin • Bison • Carag • Fantasy • Freundschaft • Gestaltwandler • https://c.wgr.de/f/shopbilder/1600/978-3-401-80757-7.jpg • Internat • Jungen • Katja Brandis • Khyona • Lesefutter • Mädchen • Puma • Tierfantasy • Wildnis • witzig |
ISBN-10 | 3-401-80757-9 / 3401807579 |
ISBN-13 | 978-3-401-80757-7 / 9783401807577 |
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