Woodwalkers (3). Hollys Geheimnis (eBook)
288 Seiten
Arena Verlag
978-3-401-80630-3 (ISBN)
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
Heiße Fontänen
Es war Frühling und langsam schmolz der Schnee in unserem Revier. Auf den weiten Ebenen spross hellgrünes, saftiges Gras, mit Tupfern von gelben, roten und violetten Blumen. Hoch über ihnen, im Kieferndickicht eines Hügels, neckte meine Schwester Mia einen großen schwarzen Käfer, den sie immer wieder belauerte und ansprang. Spielen wir ’ne Runde Käferschubsen?, rief sie mir lautlos zu, von Kopf zu Kopf. Oder wie wär’s mit einem Wettspringen?
Mein Vater erhob sich, streckte seinen langen zimtfarbenen Körper und gähnte, sodass man seine Fangzähne sah. Geh lieber mit mir Wapitis jagen, Carag, du musst endlich lernen, wie man Großwild reißt.
Äh, was? Ich hatte nur die Hälfte mitbekommen, weil ich gerade an der Felskante lag und zwischen den Kiefernästen hindurch ins Tal spähte. Es lebten nur wenige Menschen in unserem Revier, das sie Yellowstone nannten, aber hier in der Nähe hatten sie einen kleinen Stützpunkt. Ich sah die graubraunen Dächer einzelner Häuser und auf einer Straße fuhren Autos darauf zu und davon weg.
Menschen waren geheimnisvoll und mächtig. Manchmal stanken sie auch oder benahmen sich wie Kaninchen, denen der Kopf fehlte. Zum Beispiel kapierte ich beim besten Willen nicht, warum sie es so toll fanden, wenn irgendwo heißes Wasser aus der Erde schoss. Gerade sammelten sich dort beim Stützpunkt im Tal – bei einem dieser heißen Orte – wieder mehr Leute, als ich zählen konnte, setzten sich auf längliche Holzstücke und warteten geduldig auf das Ereignis. Garantiert hatten sie auch wieder diese flachen, handtellergroßen polierten Steine dabei, aus denen ich nicht schlau wurde. Die Leute streichelten die Dinger oder unterhielten sich mit ihnen; manchmal deuteten sie damit auch auf irgendwas oder auf sich selbst …
He, Carag, du bist gerade dermaßen langweilig. Enttäuscht verpasste mir Mia einen Hieb mit eingezogenen Krallen. Blitzschnell schlug ich zurück und zeigte ihr die Zähne. Und du bist kindisch. Käferschubsen? Das habe ich mit fünf gespielt!
Meine Mutter schob sich zwischen uns. Schluss damit, wir gehen jagen. Los jetzt!
Ich komme ein anderes Mal mit, mir tut die Pfote weh, schwindelte ich, schleckte mir die Vorderpranke und hoffte, dass meine Eltern nicht merkten, wie schnell mein Herz klopfte. Wenn alles klappte, würde ich sehr bald dort unten dabei sein und niemand durfte merken, wer und was ich war. Sonst würden die Menschen versuchen, mich zu töten.
Mit einem seltsamen Blick sah mein Vater mich an. Ich erschrak. Ahnte er was? Vielleicht … Er war oft niedergeschlagen oder gereizt in letzter Zeit. Früher hatte er manchmal übermütig mit uns Wettspringen oder Raufen gespielt, wann hatte er eigentlich damit aufgehört?
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich weg, um zu gehen. Mia rief mir ein Bis nachher, fang dir keine Flöhe ein zu, für das ich ihr ein Schnurren hinterherschickte, dann verschwand sie lautlos zwischen den Bäumen.
Kurz darauf machte auch ich mich auf den Weg, als Puma schlich ich zu unserem nächstgelegenen Versteck mit Menschensachen. Dort verwandelte ich mich und holte mir Klamotten aus dem Versteck – es waren leider keine besonders guten Sachen, das Hemd hatte ein Loch und die Schuhe waren mir zu groß. Ich nahm die Schuhe erst mal in die Hand und machte mich auf bloßen Füßen auf den Weg ins Tal. Ein paar Ameisen krabbelten über meine Zehen, eine davon biss mich. Pech für sie, dass ich jetzt wieder meine praktischen Menschenhände hatte. Ich schnippte die Ameise im hohen Bogen von meinem Fuß herunter ins Gebüsch.
Das graue Zeug, aus dem Menschen ihre Straßen bauten, fühlte sich warm an unter meinen bloßen Füßen, als ich vorsichtig zu einem der größten Häuser ging. Aus braun gefleckten Steinen gemauert, mit großen Glasfenstern, ragte es vor mir auf und ständig gingen Leute hinein und hinaus. Zum Glück achtete kaum jemand auf mich – nur ein Kind, das halb so groß war wie ich, starrte mich misstrauisch an. Spürte es irgendwie, dass ich anders war, dass ich kein Mensch war? Mist, ich hatte vergessen, die Schuhe anzuziehen! Und meine Füße sahen gerade verdächtig pelzig aus, auch das noch!
Das Mädchen zupfte seine Mutter am Ärmel, versuchte, sie auf mich aufmerksam zu machen. Doch zum Glück unterhielt sich die Mutter gerade mit einer anderen Frau. Rasch hockte ich mich hin und machte mich daran, meine Füße in die Lederhüllen zu zwängen. Wenn ich schnell war, schaffte ich es noch, bevor …
»Mama! Mama, schau mal, der Junge da …«
Geschmeidig kam ich auf die Füße, genau in dem Moment, als die Frau »Was ist denn, Lydia?« fragte und das Mädchen auf mich deutete. Aber jetzt war ich nicht mehr barfuß und der Blick der Frau glitt über mich hinweg. Uff.
Old-Faithful-Besucherzentrum, las ich auf einem großen Holzschild und schrak zusammen, als an einer Metallstange über mir etwas flatterte, ein großes rot-weiß gestreiftes Stück Stoff mit weißen Sternchen auf einem blauen Feld.
Benimm dich nicht wie ein nervöses Streifenhörnchen!, ermahnte ich mich lautlos. Das Stück Stoff war eindeutig nicht gefährlich, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wozu es gut sein sollte.
Eine Weile beobachtete ich Leute, die in das große Haus gingen, dann versuchte ich selbst hineinzukommen. Zitternd vor Aufregung zerrte ich an der Tür und es funktionierte, schon war ich drin! Staunend schaute ich mich um und sog die Luft ein, die fremdartig und künstlich roch. Vorsichtig ging ich quer durch den Raum und legte die Hand auf die riesigen Fensterscheiben, die so klar wie Quellwasser waren und doch fest wie Stein. Überall schlenderten Leute herum – und sie alle musterten ein Schild, auf dem ich entzifferte: Vorhergesagter nächster Ausbruch des Geysirs: 5:10, dann gingen sie wieder nach draußen, setzten sich und ließen die Stelle, an der das heiße Wasser erscheinen sollte, nicht mehr aus den Augen.
Stumm setzte ich mich dazu und lauschte fasziniert auf das, worüber die Leute redeten. Was in aller Welt waren Ferien, Aktien, Terroristen?
Als die baumhohe weiße Fontäne schließlich zischend aus der Erde emporschoss, glotzten alle sie an und gaben »Ohs« und »Ahs« und »Boah, ist das geil« von sich. Fast alle. Ich selbst hielt den Mund … und beobachtete die Menschen. Geysire hatte ich schon öfter gesehen als Fischadler, und das wollte was heißen, denn von denen gab es hier eine Menge.
Die meisten Leute hielten ihre flachen, polierten Dinger hoch und richteten sie auf den Geysir. Neugierig reckte ich den Hals. Doch obwohl ich sie jetzt aus der Nähe sah, wurde ich nicht schlauer daraus. Offensichtlich waren sie keine Waffen, wie ich damals im Supermarkt gedacht hatte. Vielleicht versuchten die Menschen, damit böse Geister abzuwehren? Meine Mutter glaubte an so was …
»Hey, was hast du für ein Problem?«, fragte das Mädchen, das neben mir saß; es hatte gelbliche Haare, die irgendwie unecht aussahen, und eine unangenehm schrille Stimme. Es knuffte seinen Begleiter. »Du, Mark, der Typ da glotzt mich schon die ganze Zeit an …«
Es dauerte einen Moment, bevor ich kapierte, dass sie mich meinte. »Ich, äh …«, stammelte ich und wusste dann nicht mehr, was ich sagen sollte.
Der junge Mann neben ihr sah aus, als würden seine Muskeln gleich sein T-Shirt sprengen. Er hatte nur Augen für den Old Faithful. »Ist das krass, schau doch mal, Victoria! Wow.«
Sie rückte ein Stück von mir weg und flüsterte ihrem Freund ins Ohr: »Mark, hörst du mir jetzt verdammt noch mal zu oder nicht?!«
»Was?« Jetzt wandte sich der Kerl mit den Muskeln doch um und nahm mich ins Visier. »Wer starrt dich an, der da?«
»Ja, genau, der.«
Schnell wandte ich mich ab und mein Menschengesicht fühlte sich seltsam heiß an. Vorsichtig befühlte ich meine Wangen. Wurde ich gerade krank oder so was?
»Also, Kleiner, was willst du?«, knurrte der Mann, warf mir einen drohenden Blick zu und schielte zwischendurch zum Old Faithful rüber, der wieder und wieder sein kochend heißes Wasser in den Himmel schleuderte. »Lass mein Mädchen in Ruhe, klar? Du bist doch eh noch zu jung für ’ne Freundin.«
Ich raffte meinen ganzen Mut zusammen und sagte: »Entschuldigung. Ich wollte nur mal dieses Ding anschauen … das da.« Zögernd streckte ich die Hand aus und berührte das flache, eckige Teil in der Hand des Mädchens.
Großer Fehler! Sie riss es von mir weg und ihr Gesicht verzerrte sich. »Mark! Der will mein Smartphone klauen!«
»Ach du große Scheiße. Jetzt reicht’s wirklich.« Der Mann schob seine Freundin zur Seite, dann schoss seine Hand vor, um mich zu packen.
Zum Glück war er ziemlich langsam. Als seine Hand ankam, war ich schon längst woanders. Bloß weg hier – ich hatte es verkatzt, das ließ sich jetzt nicht mehr ändern!
Blindlings lief ich los...
Erscheint lt. Verlag | 6.6.2017 |
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Reihe/Serie | Woodwalkers |
Illustrationen | Claudia Carls |
Verlagsort | Würzburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur |
Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre | |
Schlagworte | Abenteuer • Bestseller-Autorin • Bison • Carag • Fantasy • Freundschaft • Gestaltwandler • Holly • https://c.wgr.de/f/shopbilder/1600/978-3-401-80630-3.jpg • Internat • Jungen • Katja Brandis • Khyona • Lesefutter • Mädchen • Puma • Tiere und Natur • Tierfantasy • Wildnis • witzig • Wolf |
ISBN-10 | 3-401-80630-0 / 3401806300 |
ISBN-13 | 978-3-401-80630-3 / 9783401806303 |
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