AD(H)S - Hilfe zur Selbsthilfe (eBook)
210 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044146-0 (ISBN)
Dr. med. Helga Simchen ist Kinderärztin, Neuropädiaterin, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Psychotherapeutin sowie Verhaltens- und Familientherapeutin. Nach stationärer Tätigkeit als Oberärztin an einer Universitätsklinik war sie seit 1995 in eigener Praxis tätig.
Dr. med. Helga Simchen ist Kinderärztin, Neuropädiaterin, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Psychotherapeutin sowie Verhaltens- und Familientherapeutin. Nach stationärer Tätigkeit als Oberärztin an einer Universitätsklinik war sie seit 1995 in eigener Praxis tätig.
1 Anders sein und viele Fähigkeiten haben – das ist AD(H)S
Menschen mit AD(H)S gleichen Edelsteinen, die wie Diamanten strahlen können, wenn sie rechtzeitig einen Schliff und eine passende Fassung bekommen. Sie müssen lernen, ständig an ihrer Ausstrahlung zu arbeiten, um nicht zu verblassen.
1.1 Menschen mit AD(H)S haben besondere Fähigkeiten, über die sie meist nicht jederzeit verfügen können
Menschen mit AD(H)S faszinieren durch die Vielfalt ihrer Symptomatik, von der sie selbst auch profitieren können, wenn sie frühzeitig lernen, richtig damit umgehen. Sie können aber auch stark unter dieser Symptomatik leiden, wenn sie sich ihr hilflos ausliefern. Das Krankheitsbild AD(H)S erfordert einen hohen Anspruch an Diagnostik und Therapie. Seine neurobiologischen Ursachen und die Zusammenhänge von AD(H)S bedingten Funktionsstörungen und deren Symptomatik kennen, sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung. Ohne Mitarbeit der Betroffenen gelingt eine AD(H)S-Therapie auf Dauer nicht. Das erfordert die Kenntnis ihrer Besonderheiten, denn die Betroffenen sind sehr feinfühlig, sehr kritisch, sie hinterfragen alles und erwarten eine gründliche und verständliche Information, um zu verstehen, warum gerade sie diese Probleme haben und was sie dagegen tun können. Sie spüren ganz genau, ob sie verstanden und ihre Beschwerden ernst genommen werden. Sie erwarten Hilfsangebote, die sie verstehen und somit auch akzeptieren können.
Deshalb empfiehlt es sich, die Betroffenen beim ärztlichen oder psychologischen Erstkontakt nicht nur über ihre Problematik zu befragen, sondern auch ihre positiven Eigenschaften und ihre besonderen Fähigkeiten zu erkunden, um diese als Ressourcen für die angestrebte Therapie einzusetzen. Über viele positive Fähigkeiten verfügen alle AD(H)S-Betroffenen, die als »strategische Stützpfeiler« therapeutisch zu benutzen sind. Deshalb immer nach diesen sehr wertvollen Fähigkeiten suchen und Beispiele für deren praktische Anwendung gemeinsam erarbeiten und notieren.
Menschen mit AD(H)S besitzen viele positive Fähigkeiten, die sie sich möglichst erhalten sollten:
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Kreativ sein, alles hinterfragen und »mehrdimensionales« Denken
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Sehr interessiert an allem Neuen und wissbegierig sein
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Über eine ausgeprägte Phantasie mit viel Kreativität zu verfügen
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Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und dulden keine Ungerechtigkeit
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Ihre Fähigkeit, Situationen und Menschen schnell zu durchschauen
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Von einer Sache fasziniert, können sie konzentriert, ausdauernd und »bärenstark« arbeiten, sie »hyperfokussieren«, dann sind sie vorübergehend konzentrierter als andere, aber eben nur vorübergehend, solange die Sache für sie neu und interessant ist
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Sie haben ein gutes visuelles Gedächtnis mit einem außergewöhnlichen bildhaften Vorstellungsvermögen
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Bei motivierter Tätigkeit profitieren sie von ihrem flexiblen Verstand und können viele neue Ideen entwickeln, auf die andere nicht so schnell kommen
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Sie sind sehr sozial, sofort hilfsbereit und spüren, wenn jemand in Not ist
Diese positiven Fähigkeiten sollten Ärzte bzw. Psychologen zeitig erkennen und fördern, damit sie erhalten bleiben und als Grundlage für die aufzubauende therapeutische Beziehung dienen. Im weiteren Verlauf der Anamneseerhebung sollten folgende Fragen gestellt werden, deren inhaltliche Beantwortung wichtig für Planung und Verlauf einer späteren Therapie sind.
Denn folgende persönliche Gegebenheiten beeinflussen den Behandlungserfolg wesentlich, wenn die Betroffenen z. B.:
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Ihre AD(H)S-bedingten Besonderheiten kennen, sowohl positive als auch negative
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Ein mögliches Schulversagen vermeiden und dabei ihr Selbstvertrauen einigermaßen erhalten konnten
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Rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wurden
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Einen kompetenten Therapeuten fanden, der ihnen zeigte, wie sie ihre Probleme lösen konnten, der sie zur Mitarbeit anleitete und dazu motivierte. Denn ohne eigene Mitarbeit ist kein dauerhafter Erfolg möglich
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Eltern oder Partner haben, die über Geduld, Verständnis, ausreichend Kraft und Toleranz verfügen
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Einen guten Coach haben, der ihnen bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben hilft und ihnen Anleitung zur Einhaltung von Struktur, Regeln und Ritualen im Tagesablauf gibt
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Über ein Selbstwertgefühl und eine soziale Kompetenz verfügen, die noch nicht so stark gelitten haben oder besser, noch altersentsprechend vorhanden sind
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Bisher noch keine Therapieabbrüche hatten
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Einen Beruf oder eine Beschäftigung haben, die abwechslungsreich ist, fasziniert und Erfolge ermöglicht
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Besondere Lernmethoden für sich entwickelten und erfolgreich praktizieren
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Ihre Lern- und Arbeitsbedingungen akzeptieren und sie eine berufliche Perspektive haben
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Möglichst nicht ständig einer zu starken Reizüberflutung ausgesetzt sind
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Sich bemühen, erst zu überlegen, bevor sie etwas sagen und sehr kritisch gegenüber Menschen sind, die sich ihnen als Freunde anbieten
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Sich nicht ausnutzen lassen, »nein« sagen und sich abgrenzen können
Bei der Diagnosestellung gilt es die Schwere des Betroffenseins zu erfassen, denn sie bestimmt Art und Dauer der Therapie. In der Praxis kann das AD(H)S mit keinem einzelnen Test oder einzig und allein mit Hilfe einer Punkteskala diagnostiziert werden. Die wichtigsten Kriterien müssen immer erfüllt sein, die zur Standardisierung der Diagnostik konkret in den wissenschaftlichen Leitlinien benannt sind und dort auch immer wieder aktualisiert werden. So hat das 2013 erschienene Diagnostische und Statistische Manual der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (DSM V) das Alter, vor dem die ersten AD(H)S-Symptome vorhanden sein müssen, um ein AD(H)S bestimmen zu können, vom 7. auf das 12. Lebensjahr verlegt. Für die AD(H)S-Diagnose bei Erwachsenen müssen ab dem 17. Lebensjahr nur noch 5 statt 6 von 9 Kriterien, sowohl für den Unaufmerksamkeits-Subtyp als auch für den Subtyp mit Hyperaktivität/Impulsivität, vorhanden sein.
Wichtige Bestandteile der AD(H)S-Diagnostik sind:
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die aktuelle Problematik, die Stärke der Beeinträchtigung und den Leidensdruck erfassen
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die Lebensgeschichte der Betroffenen und ihrer Familie in Bezug auf AD(H)S erfragen
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die vom Therapeuten selbst gemachte aktuelle Beobachtung des Verhaltens und der Leistungsfähigkeit notieren
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den Verlauf von Kindheit und Schulzeit erfragen
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die Auswertung der Schulzeugnisse
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die neurologische Untersuchung
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die psychometrische Testung, einschließlich der intellektuellen Ausstattung
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das Vorhandensein von reaktiven Fehlentwicklungen, Wahrnehmungs- und Teilleistungsstörungen, sowie weitere Begleit- und Folgeerkrankungen nicht übersehen
1.2 Gut informiert sein über AD(H)S hilft, therapeutischen Strategien zu verstehen und eigene für sich zu entwickeln
Die zehn wichtigsten Symptome – ein Kind mit ausgeprägter AD(H)S-Symptomatik:
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ist unaufmerksam und leicht ablenkbar
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ist hyperaktiv und in der Reaktion zu schnell oder verträumt und zu langsam
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ist impulsiv, handelt, ohne nachzudenken
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ist vergesslich mit schlechtem Kurzzeitgedächtnis
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wirkt zerstreut, hat eine geringe Eigenorganisation
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kann Regeln nur schwer einhalten und lernt nicht aus Fehlern
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hat eine schlechte Arbeitsorganisation
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ist stimmungslabil, zeigt eine »Achterbahn« seiner Gefühle
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leidet unter seinem Selbstwertgefühl, traut sich wenig zu
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ist in seinem Sozialverhalten nicht altersgerecht entwickelt
Das Erscheinungsbild des AD(H)S kann sehr unterschiedlich sein und trotz seiner vielen positiven Seiten können die negativen Symptome überwiegen. Diese verursachen einen Leidensdruck und beeinträchtigen die altersgerechte Entwicklung von Selbstwertgefühl und Sozialverhalten auf Dauer. Die Kernsymptome, wie auffällige innere oder äußere Unruhe, beeinträchtigte Konzentration und Daueraufmerksamkeit, schlechte Merkfähigkeit, hohe Ablenkbarkeit verbunden mit unüberlegtem Handeln, sollten...
Erscheint lt. Verlag | 14.8.2024 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | ADHS • Aufmerksamkeitsstörung • Selbsthilfe • Selbstmanagement • Verhaltensstrategien |
ISBN-10 | 3-17-044146-9 / 3170441469 |
ISBN-13 | 978-3-17-044146-0 / 9783170441460 |
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