Skillstraining bei Dissoziativer Identitätsstörung und Trauma (eBook)

Wegweiser durch die Behandlung der DIS

Martina Rudolph (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
160 Seiten
Schattauer (Verlag)
978-3-608-12341-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Skillstraining bei Dissoziativer Identitätsstörung und Trauma -
Systemvoraussetzungen
44,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Spielerisch, fokussiert, unterstützend! Die Grundlagen: DIS und Trauma, Diagnostik, Modelle, Behandlungsansätze Der Rahmen: Gestaltung eines flexiblen und haltgebenden Settings, das Ampelmodell Das Training: Therapiemanual, Manual für Betroffene, Arbeitsblätter Patient:innen mit DIS haben häufig einen langen Weg hinter sich, bevor sie spezifische Versorgung erfahren. Ihre Therapeut:innen stehen in der Differenzialdiagnostik und in der Beziehungsgestaltung vor besonderen Herausforderungen und haben es manchmal aufgrund der Komplexität der Symptomatik schwer, den roten Faden zu halten. Das Buch gibt einen Überblick über die Hintergründe der Erkrankung und skizziert wichtige Rahmenbedingungen für die Behandlung. Das Manual stellt effiziente Unterstützung im Gruppensetting bereit, ist aber auch im Einzelsetting gut bedarfsangepasst anzuwenden. In 10 Modulen wird die Selbstverantwortung und -wirksamkeit der Patient:innen gefördert. Nach dem psychoedukativen Input üben sie z. B. den Umgang mit Triggern, die Verbesserung der inneren Sicherheit sowie der inneren Kommunikation. Die spielerische Komponente der Übungen erhöhen die Akzeptanz.

Martina Rudolph ist leitende Ärztin Klinik am Waldschlößchen; ausgebildet in Spezielle Traumatherapie (DeGPT), EMDR-Therapie (EMDRIA), Medizinische Sachverständige cpu (DIU); Zusatzbezeichung Sozialmedizin Medizinische Sachverständige (DIU), EMDR-Supervisorin (EMDRIA), Tätigkeit als Supervisorin an der AAP und DGVT, Tätigkeit als Supervisorin in der Psychosomatik am Weißen Hirsch, Dresden. Seit 2012 regelmässige Seminare in den Erfurter Psychotherapietagen. Dozentin an der AAP. Zahlreiche Vorträge, Workshops, Seminare mit dem Schwerpunkt Traumafolgestörungen.

Martina Rudolph ist leitende Ärztin Klinik am Waldschlößchen; ausgebildet in Spezielle Traumatherapie (DeGPT), EMDR-Therapie (EMDRIA), Medizinische Sachverständige cpu (DIU); Zusatzbezeichung Sozialmedizin Medizinische Sachverständige (DIU), EMDR-Supervisorin (EMDRIA), Tätigkeit als Supervisorin an der AAP und DGVT, Tätigkeit als Supervisorin in der Psychosomatik am Weißen Hirsch, Dresden. Seit 2012 regelmässige Seminare in den Erfurter Psychotherapietagen. Dozentin an der AAP. Zahlreiche Vorträge, Workshops, Seminare mit dem Schwerpunkt Traumafolgestörungen.

3 Spezifische Herausforderungen in der Arbeit mit Betroffenen von DIS und PTBS


3.1 Zur Vielzahl der Themen


Neben den beschriebenen psychosozialen Stressoren ergeben sich aus der schweren Symptomatik Betroffener zusätzlich zahlreiche Alltagsschwierigkeiten. Wie bei anderen Betroffenen von schwerem Kindesmissbrauch können bei ihnen Probleme in allen Lebensbereichen auftreten. Dazu gehören Probleme im Bereich von Sexualität, Intimität, Beziehungen insgesamt, Eheprobleme, familiäre Probleme, Probleme mit Schwangerschaft und Geburt, Probleme in Bezug auf Schlafen und Essen, schulische und berufliche Probleme sowie gesundheitliche Probleme (vgl. Zimmermann et al. 2010).

Der Komplexität dieser Alltagsprobleme entspricht außerdem eine komplexe innere Welt mit den traumatisierten Persönlichkeitsanteilen, die unter den Traumaerinnerungen leiden und Träger zahlreicher traumaassoziierter Symptome sind. Aus den für die DIS typischen Konflikten zwischen den Persönlichkeitszuständen beziehungsweise Persönlichkeitsanteilen ergeben sich massive Ambivalenzen und Spannungszustände, die die Betroffenen entsprechend ihrer defizitären Lernerfahrungen nur mit dysfunktionalen und selbstschädigenden Strategien bewältigen können. Dazu gehören auch wiederholte Suizidversuche und schwere Selbstverletzungen (vgl. Gast & Wirtz 2022). Zusätzlich bestehen teils schwerwiegende und komplexe Komorbiditäten, die ihrerseits vielfach zu akuten Dekompensationen führen. Bei den allermeisten Betroffenen von DIS und PTBS finden sich weitere psychische Störungen (siehe Kapitel 1.2.5, S. 17). Auch schwere somatoforme Begleitsymptome sind sehr häufig, teilweise gehen sie mit schweren funktionalen Störungen, teilweise mit schweren Schmerzsyndromen einher (vgl. ebd., S. 43).

Durch diese Vielzahl von Problemen kann es für Behandelnde schwierig sein, mit den Betroffenen konsequent an Themen zu arbeiten. Stattdessen kann die Therapie einem »Feuerlöschen« von immer neu auftretenden Brandherden ähneln. Für eine gelingende Behandlung sollte der rote Faden, das zentrale Thema der Sicherheit, konsequent verfolgt werden, was sowohl die äußere Lebenssituation als auch die innere Lebenswelt der Betroffenen umfasst (siehe Kapitel 5.1.2, S. 41). Dabei geht es um den Aufbau von mehr Autonomie und Selbststeuerung in Beziehungen und hinsichtlich der eigenen Lebenssituation, aber auch um den Aufbau von funktionalen Selbstregulationsfähigkeiten und Symptommanagementkompetenzen.

3.2 Zur Diskontinuität des Bindungsverhaltens Betroffener – Umgang mit Wechseln in andere Persönlichkeitszustände


Im Rahmen der vielen Bindungstraumatisierungen, die Betroffene in ihren gefährlichen und unvorhersehbaren Lebenskontexten erfahren mussten, haben sich je nach Persönlichkeitsanteil unterschiedliche Bindungsstile getrennt voneinander entwickelt (siehe Kapitel 1.4.3, S. 22–23). Die DIS kann auch als Ausdruck eines fragmentierten Bindungssystems angesehen werden. Jeder Anteil weist ein eigenes Bindungsverhalten und ein eigenes Bindungsmuster auf. Je ausgeprägter und dysfunktionaler und je stärker diskrepant diese Bindungsmuster sind, desto größer ist die therapeutische Herausforderung in der Arbeit mit den Betroffenen (vgl. Gysi 2021, S. 175).

Typischerweise berichten Betroffene von extrem widersprüchlichen Erfahrungen mit ihren Bindungspersonen. Beispielsweise beschreiben sie zwei Gesichter ihrer Herkunftsfamilie: Nach außen wird eine funktionierende und angepasste Fassade präsentiert, innen herrscht ein despotischer Stil mit Unterdrückung, Einschüchterung und Gewalt (vgl. Kluft 1984). Solchermaßen getrennte Wirklichkeiten können traumatisch bedingte Spaltungsprozesse noch verstärken. Sehr eindrucksvoll beschrieben ist dies in Marilyn Van Derburs Buch Tagkind – Nachtkind (2019). Die ehemalige amerikanische Schönheitskönigin wurde jahrelang von ihrem Vater schwer missbraucht, während sie nach außen die Rolle der Vorzeigetochter aus einer perfekten Familie spielte. Im Spannungsfeld dieser vollkommen widersprüchlichen Lebenswelten entwickelte sie zwei Persönlichkeitsanteile, die dissoziativ voneinander getrennt waren.

Viele Betroffene berichten auch von Manipulationen im Zusammenhang mit Gewalt durch Bindungspersonen. So geben sie an, dass die Täterpersonen, die sie eben noch mit teils schwerer Gewalt zu sexuellen Handlungen gezwungen hatten, kurz danach voller Zuwendung und Lob waren, den Betroffenen Geschenke oder Belohnungen gaben und über diese Strategie mehr Abhängigkeit erzeugten (vgl. Zimmermann et al. 2010). Aufgrund der konträren Botschaften, die durch die Betroffenen internalisiert werden, können solche Wechsel zwischen Bedrohung, Gewalt und Aufwertung Spaltungsprozesse noch verstärken.

Entsprechend der Spaltung auf Bindungsebene bei Betroffenen von DIS und Trauma ist die therapeutische Beziehung ebenfalls verschiedensten Bindungserwartungen ausgesetzt. Schon in der ersten therapeutischen Interaktion werden häufig starke und auch widersprüchliche Übertragungsreaktionen wie Idealisierung, Abwertung und Ängste bei Betroffenen aktiviert (vgl. Chu 2008). Mit vielen DIS-Betroffenen ist dennoch zunächst ein sehr gutes therapeutisches Bündnis herstellbar, in welchem ein stringentes, konstruktives Arbeiten möglich ist. Dieses funktionale therapeutische Verhältnis erfährt einen abrupten Abbruch, wenn es zu Switchen in fragile oder kontrollierende Persönlichkeitszustände kommt. In diesen Zuständen können die Betroffenen manipulativ, grenzüberschreitend, klammernd, feindselig, unterwürfig agieren.

FALLBEISPIEL

Die 33-jährige Patientin war schon mehrfach in stationärer Behandlung und dort in verschiedene Konflikte verstrickt. Diese betrafen sowohl Mitpatientinnen als auch das therapeutische Team. In unterschiedlichen Ich-Zuständen verhielt sich die Patientin zu den Konflikten unterschiedlich. Ein Beschützeranteil kritisierte sehr scharf und vorwurfsvoll, welche Fehler die Konfliktpersonen gemacht hätten. Ein erwachsener Alltagsanteil zeigte sich hilflos und verzweifelt. Ein kindlicher Alltagsanteil lenkte ein und validierte die Perspektive der anderen. Ein weiterer erwachsener Anteil reagierte wütend auf Klärungsangebote, weil er das Gefühl hatte, sich unterwerfen zu müssen.

Behandlerpersonen sind dann herausgefordert, empathisch auf diese veränderten Bindungsangebote einzugehen und ihre Körperhaltung, ihre Sprache und ihre Aufmerksamkeit entsprechend anzupassen (siehe Kapitel 5.1.3, S. 41–43). Gleichzeitig müssen sie in Kontakt bleiben mit dem funktionalen Modus, aus dem heraus der Gesprächsfaden unterbrochen wurde. In der Interaktion mit dem augenblicklich aktivierten Persönlichkeitsanteil müssen sie weiterhin das zuvor besprochene Thema im Blick behalten. Jeder Switch sollte möglichst hinsichtlich der Inhalte, die zuvor besprochen wurden, verstanden und eingeordnet werden; ebenso die Beziehungsbotschaften in den veränderten Persönlichkeitszuständen. Diese multifokale Aufmerksamkeit – für den aktuell aktivierten Persönlichkeitsanteil und sein Erleben, für den Auslöser des Switches, für das zuvor verfolgte Thema und die innere Ambivalenz zwischen den beiden Persönlichkeitsanteilen – zu erbringen, verlangt therapeutischerseits eine hohe Wachheit und Involviertheit (siehe Kapitel 5.1.1, S. 39–41).

Es gibt DIS-Betroffene, die auch in Alltagszuständen ein problematisches Bindungsverhalten zeigen. In diesem Fall kann zusätzlich eine Persönlichkeitsstörung als Komorbidität vorliegen. Es kann sich aber auch um ein Verhalten eines Persönlichkeitsanteils handeln, das sich als Überlebensstrategie im Erwachsenenalter entwickelt hat. Manche Betroffene sind beispielsweise im Alltagszustand misstrauisch, zurückhaltend und kontrollierend im Kontakt, da sie viele negative therapeutische Erfahrungen gemacht haben. Andere sind übermäßig zugewandt, betonen die Wichtigkeit der Behandlerperson, machen Geschenke oder andere Sympathiebekundungen, um die Bindung zu erhalten. Wieder andere verhalten sich fordernd und vorwurfsvoll, da sie glauben, dass ihnen sonst keine Aufmerksamkeit geschenkt werde.

Behandlerpersonen sind in jedem Fall herausgefordert, ein stabiles und authentisches Gegenüber für alle Bindungsangebote und -erwartungen zu sein (siehe Kapitel 5.1.1) und Betroffene darin zu unterstützen, diese immer mehr zu integrieren. Dazu bedarf es eines geeigneten therapeutischen Rahmens, der destruktives Verhalten konsequent begrenzt und konstruktives Verhalten konsequent fördert (siehe Kapitel 8, S. 71–82).

3.3 Zur Widersprüchlichkeit im Verhalten Betroffener


Je nach vorherrschendem Persönlichkeitszustand beziehungsweise -anteil bringen Betroffene häufig höchst widersprüchliche Vorstellungen, Erwartungen und Absichten mit in die Behandlung. Dabei können sie anfangs diese Widersprüchlichkeiten in der Regel aufgrund der dissoziativen Barrieren zwischen den Persönlichkeitsanteilen nicht explizieren. Stattdessen werden diese im Außen inszeniert, indem beispielsweise unterschiedliche Anteile unterschiedliche Absichten äußern.

FALLBEISPIEL

Die 23-jährige Patientin wollte zwei Tage nach der Aufnahme in die Klinik wieder abreisen. Als Begründung gab die Patientin an, »hier falsch« zu sein, sie brauche keine Therapie und wollte jetzt zu ihren Eltern. Die Dienstärztin wurde informiert.

Aus der Aktenlage ging hervor, dass sie unter schweren...

Erscheint lt. Verlag 16.11.2024
Co-Autor Mirjam Urban, Linda Koos
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Traumatherapie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte DIS • Dissoziative Identitätsstörung • dissoziative Patienten • Fertigkeitentraining • Fertigkeitentraining DIS • Skillstraining • Skillstraining DIS • Systemische Therapie • traumabedingte dissoziation • Traumatherapie • Verhaltenstherapie
ISBN-10 3-608-12341-5 / 3608123415
ISBN-13 978-3-608-12341-8 / 9783608123418
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,0 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Juristische Grundlagen für Psychotherapeuten - psychotherapeutische …

von Kirsten Böök; Ulrich Sachsse

eBook Download (2024)
Schattauer (Verlag)
57,99
Juristische Grundlagen für Psychotherapeuten - psychotherapeutische …

von Kirsten Böök; Ulrich Sachsse

eBook Download (2024)
Schattauer (Verlag)
57,99