Der unbekannte Messias (eBook)
176 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-32208-3 (ISBN)
Wenn wir uns den historischen Jesus - zum Beispiel im Film - vorstellen, dann gerne als milden, freundlichen Heiland, mit langem Haar und ansprechendem Äußeren.
Wie überraschend anders die Menschen am Beginn des Christentums den Mann aus Nazareth deuteten, machen Simone und Claudia Paganini auf freche und unterhaltsam Weise wieder sichtbar. In den ersten Jahrhunderten nach Jesu Tod sah man im Messias alles andere als einen feinen und frommen Kerl. Der Botschafter des Reiches Gottes wurde als launisch, rechthaberisch und laut, dann wieder als verzagt, ein bisschen jammerlappig und leicht verpeilt beschrieben. Ein ungezogenes Kind und halbstarker Jugendlicher war er ohnehin.
Dieses Buch zeigt den himmlischen Erlöser als den, der die Menschen zu seiner Zeit begeisterte: Zu einem irdischen Menschen mit sehr besonderen Ecken und Kanten.
- Jesus, der Auserwählte, ein Mensch unter Menschen
- Eine überraschend andere Sicht auf den Erlöser der Welt
- Kundig, scharf und unterhaltsam erzählt
Dr. Simone Paganini, geb. 1972 , studierte katholische Theologie in Florenz, Rom und Innsbruck. Nach Stationen in Wien und München, ist er seit 2013 Professor für Biblische Theologie an der RWTH Aachen. Er hat auf Science Slams schon ein großes Publikum begeistert und erfolgreiche Sachbücher veröffentlicht.
»… von nun an werden mich glückselig preisen alle Generationen!« (Lk 1,48)
Sohn einer nicht gerade bescheidenen Mutter
Maria, die Mutter Jesu, ist eine zentrale Gestalt des Christentums. Sie hat von der christlichen Ikonographie der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung bis hin zur modernen feministischen Theologie unzählige Menschen inspiriert. Doch wer war diese Frau eigentlich?
Historische Daten sind nur sehr spärlich vorhanden. Außerhalb der christlichen Schriften erwähnt kein einziger früher Text Maria. Schlimmer noch, sogar die ältesten Schriften des Neuen Testaments, jene authentischen sieben Briefe, die dem Apostel Paulus zugeschrieben werden, kennen nicht einmal den Namen der Mutter Jesu. Paulus stellt lediglich fest, dass Jesus geboren wurde, und zwar von einer Frau (Gal 4,4). Mehr scheint er nicht zu wissen bzw. dürfte für ihn nicht relevant gewesen sein. Die wissenschaftlich rekonstruierte »Logienquelle Q« – eine Sammlung vor allem von Aussprüchen Jesu –, die als Vorlage für das Matthäus- und das Lukasevangelium gedient haben dürfte, erwähnt nicht einmal die Existenz dieser Frau.
Einige alte Texte, welche die Tradition des Christentums auf Maria beziehen und die das Bild, das Christen von der Mutter Jesu haben, sehr stark beeinflussten, hatten ursprünglich nichts mit Maria zu tun. So erzählt das zwölfte Kapitel der Apokalypse von einer schwangeren, mit der Sonne bekleideten Frau, die eine Krone mit zwölf Sternen trägt und unter deren Füßen der Mond ruht. Diese Darstellung wurde im Zusammenhang mit der Legendenbildung der ersten christlichen Jahrhunderte auf Maria bezogen. Lediglich auf dem Konzil von Ephesus 431 wurde Maria dann offiziell als Gottesgebärerin anerkannt. Deutlich später bescheinigte ihr Pius IX. dann eine »unbefleckte Empfängnis« (1854) und noch einmal später bestätigte Pius XII. die »leibliche Aufnahme Marias in den Himmel« (1950). Aber all diese dogmatischen Entscheidungen des kirchlichen Lehramts geben uns natürlich keinerlei Auskunft über die konkrete historische Persönlichkeit dieser Frau.
Zum Glück gibt es aber das apokryphe Protoevangelium des Jakobus, ein Werk, das einem älteren Bruder Jesu zugeschrieben wird, jenem Jakobus nämlich, der später die erste Gemeinde in Jerusalem leitet (Gal 2,9). Es stammt jedoch vermutlich aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts und kann daher natürlich nicht von Jakobus persönlich verfasst worden sein, sondern bestenfalls auf eine mit ihm zusammenhängende mündliche Überlieferung zurückgehen. Aber der Text ist sehr alt und daher auch relevant. Im Protoevangelium wird erzählt, dass Maria das einzige Kind von Joachim und Anna war und aus einer sehr reichen und frommen Familie der Jerusalemer Aristokratie stammte. Das Ehepaar sei lange kinderlos geblieben und darum dem Spott von anderen mit Kindern reich gesegneten Juden ausgesetzt gewesen, ja, wegen seiner Kinderlosigkeit habe Joachim sogar der Ausschluss aus der Gemeinde ged roht. Umso mehr wird das späte Kind für das alte Ehepaar ein Glücksfall. Dem Protoevangelium des Jakobus zufolge dürfte die kleine Maria ein umhegtes Wunschkind gewesen sein. Noch als kleines Mädchen sei sie den Priestern übergeben worden und am Tempel in Jerusalem aufgewachsen.
Viele
Informationen über
Maria stammen aus
dem Protoevangelium
des Jakobus.
Leider ist diese schöne Geschichte über die Kindheit Mariens aber nicht besonders glaubwürdig. Im Judentum ist weder eine Strafe für kinderlose Väter vorgesehen, noch gibt es Belege dafür, dass Mädchen im Tempel heranwachsen und erzogen werden konnten. Da ein Autor jüdischer Herkunft wohl eher keine so groben Fehler gemacht hätte, ist davon auszugehen, dass der Verfasser des Protoevangeliums eher griechisch-hellenistischer und nicht jüdischer Herkunft war. Dafür spricht auch, dass er keine große Kenntnis der Geographie Judäas und Galiläas erkennen lässt. Josef trifft zum Beispiel relativ schnell im Jerusalemer Tempel ein, obwohl er im etwa 150 km entlegenen Nazareth wohnt. Die Geschichte ist also fiktiv und sehr wahrscheinlich hatte der Verfasser des Protoevangeliums keine Ahnung von der Herkunft und Kindheit der Maria. Er bezieht vielmehr eine Kindheit, wie sie in der römisch-hellenistischen Welt unter Umständen möglich gewesen wäre, auf die Frau, die später die Mutter Jesu werden sollte. Insgesamt ist seine Schilderung darum auch hoch symb olisch. So wird das Besondere der kleinen Maria erzählerisch unter anderem dadurch unterstrichen, dass sie als »Frühchen« zur Welt kommt. Gemeint ist damit aber nicht, dass Maria eine Frühgeburt gewesen sei, die der besonderen Fürsorge bedurfte, sondern das genaue Gegenteil: Sie war früher »fertig« als andere Kinder. Entsprechend konnte sie, dem Protoevangelium des Jakobus zufolge, auch schon mit sechs Monaten laufen.
Es wird jedenfalls gesagt, dass Maria in Jerusalem aufgewachsen und als junges (zwölfjähriges) Mädchen – nach der Verlobung mit Josef – in Galiläa zu Hause war, in dem kleinen und weitgehend unbedeutenden Dorf Nazareth. Das legt zumindest das Lukasevangelium nahe, das die Verkündigung der Geburt Jesu dorthin verortet (Lk 1,26). Tatsächlich haben auch Erzählungen in den kanonischen Evangelien nicht das größte Interesse, historische Tatsachen weiterzugeben, aber die Dinge können sich durchaus so zugetragen haben. Viele Adelsfamilien in der Zeit um Jesu Geburt gaben den ursprünglichen Familiensitz in Jerusalem auf und übersiedelten in das nördlich gelegene Galiläa. Grund dafür waren die Repressalien der römischen Besatzung: Die Steuerlast drückte die Familien, gleichzeitig enteigneten die Römer immer wieder adligen Landbesitz. Beides schmälerte die Einkünfte von Teilen des Jerusalemer Adels und verschlechterte ihren sozialen Status.
Die
»Heilige Familie«
war nicht arm,
sondern besaß
Grund.
Darauf, dass Maria eine Immobilie in Judäa besaß, deutet die Weihnachtsgeschichte hin. Wenn sie sich gemeinsam mit Josef für die Volkszählung nach Bethlehem begeben musste, dann deshalb, weil sie selbst und nicht Josef noch ein Stück Land oder ein Haus in der Gegend um Jerusalem hatte. Darum war sie steuerpflichtig und wurde, weil eine allein reisende Frau damals undenkbar war, von ihrem Gatten nach Bethlehem begleitet. Wäre Josef der steuerpflichtige Eigentümer gewesen, hätte keine Notwendigkeit bestanden, warum die hochschwangere Maria ihren Mann hätte begleiten und unterstützen sollen.
Wie genau es mit Marias Familie weiterging, lässt sich natürlich nicht mehr sagen. Aber von dem Lebensgefühl, das vom sozialen Abstieg bedrohte jüdische Familienclans in jener Zeit hatten, gibt es in den antiken Quellen zahlreiche Spuren.
Um die Zeitenwende gab es im Judentum eine massiv endzeitliche Stimmung, die vor allem in den ärmeren bzw. verarmten Schichten der jüdischen Gesellschaft verbreitet war. Die Welt, so wie sie war und erlebt wurde, musste und würde vergehen, ein Messias würde für eine neue, gerechte Gesellschaftsordnung sorgen. Sowohl die Schriftrollen vom Toten Meer als auch die Evangelien bezeugen eindrucksvoll diese sehnsüchtige Erwartung. Die Handschriften von Qumran setzen die Hoffnung sogar auf eine ganze Reihe von Messiassen: ein politischer Messias, ein priesterlicher Messias und ein prophetischer Messias, werden die Welt retten und eine völlig neue Gesellschaft begründen.
Das Lukasevangelium spiegelt diese eschatologische Stimmung wider, wenn es im Zusammenhang mit der Umkehrpredigt von Johannes dem Täufer, dem Sohn der Elisabeth und Neffen von Maria, festhält, dass das ganze Volk auf (einen) Christus wartete (Lk 3,15).
Für uns heute ist dieses Lebensgefühl nur schwer nachzuvollziehen und wir neigen dazu, es in seinem Ernst und seiner Bedeutung zu unterschätzen, es vielleicht für das Ergebnis einer überkandidelten religiösen Spinnerei zu halten. Die Erwartung des Messias war damals aber nicht nur sehr weit verbreitet, sondern extrem real und konkret. Für viele verarmte und unterdrückte Menschen war der Messias die einzige Hoffnung, die sie noch hatten! Man erwartete eine, eher aber mehrere reale Personen, die diese Rolle ausfüllen würden. Natürlich ging man davon aus, dass diese Gestalten ganz natürlich geboren und eine leibliche Mutter sowie einen leiblichen Vater haben würden. In der Vorstellung des damaligen Judentums war der Messias nämlich weder ein Gott noch der Sohn Gottes oder ein sonst wie überirdisches Wesen, sondern ein von Gott berufener und entsandter Mensch. Und weil zu einem Menschen immer auch eine Geburt gehört und nur eine Frau gebären kann – wie ja auch der Apostel Paulus zugesteht –, ist es durchaus wahrscheinlich, dass viele junge fromme Frauen davon träumten, die Mutter von einem Messias des Volkes Israel zu werden. Ja, möglicherweise gaben sich tiefgläubige Eltern jüdischer Mädchen sogar besondere Mühe, dass diese rein und tugendhaft blieben, um keinesfalls eine mögliche Messias-Schwangerschaft zu gefährden.
War das auch bei Maria der Fall? Hatte sie, wie andere auch, mit der Umsiedlung aus dem stark religiös geprägten Jerusalem in das eher heidnisch geprägte Ga liläa Zuflucht bei religiös fundamentalistisch geprägten Gruppierungen gesucht? Dies könnte im Hintergrund der engen Beziehung stehen, die Maria offenbar zu ihrer Cousine Elisabeth pflegte. Diese war sogar mit einem Priester, Zacharias, verheiratet und wurde der Tradition zufolge die Mutter Johannes des Täufers, den viele zunächst für den...
Erscheint lt. Verlag | 25.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Christentum |
Schlagworte | 2024 • Auferstanden • Auferstehung • Begegnung mit Jesus • Bibel • Bibel verstehen • biester der bibel • Der Auserwählte • Der Messias • die 100 wichtigsten worte jesu • Die Bibel • eBooks • evangelien verstehen • Franz Alt • Geheime Evangelien • Geheimnisse der Bibel • Gotteserfahrung • Heiland • jesus verstehen • Jesus von Nazareth • Neuerscheinung • The Chosen • Von wegen Heilige Nacht • Was Jesus wirklich gesagt hat • wie war jesus |
ISBN-10 | 3-641-32208-1 / 3641322081 |
ISBN-13 | 978-3-641-32208-3 / 9783641322083 |
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