»Ja, es ist Weihnachten!« (eBook)

Meine schönsten Geschichten zum Fest aller Feste
eBook Download: EPUB
2024
240 Seiten
Kösel-Verlag
978-3-641-32193-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

»Ja, es ist Weihnachten!« - Rainer M. Schießler
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Weihnachten überraschend neu erleben
Für den bekanntesten Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler ist nicht nur Ostern das höchste Fest der Christenheit, sondern auch Weihnachten. Ohne Kind in der Krippe keine Auferstehung, ohne die Initialzündung der Liebe zu diesem winzigen Neugeborenen in der Krippe kein Christentum. Das müssen wir uns jedes Jahr vergegenwärtigen! Statt unserem weihnachtsmüden Shoppingtour-Frust freien Lauf zu lassen, sollten wir dieses Fest lieber mit positiven Gefühlen anreichern, uns bewusst machen, was hier eigentlich geschieht und warum uns das betrifft. Denn Weihnachten hält auch heute noch Wunder bereit.

Rainer Schießler jedenfalls ist absoluter Weihnachtsfan und teilt in diesem Buch seine persönlichsten und rührendsten Geschichten rund um den Advent, das Weihnachtsfest bis hin zum Dreikönigstag: Er erzählt vom Gefühlschaos, das er als Kind erlebte, wenn der Nikolaus sich ankündigte und von der tiefen Geborgenheit, wenn er am kleinen Küchenfenster kauernd, vom knisternden Ofen gewärmt, in den dunklen Advent hinausschaute. Er berichtet davon, dass es Plätzchen dieser Tage auch nicht leicht haben. Schießler weiß aber auch, was es bedeutet, wenn sich Weihnachtsfreuden in Tragödien wandeln, wenn er am 23.12. zu letzten Ölungen gerufen wird ...

Wer diese Geschichten liest, erlebt Weihnachten überraschend neu und lernt bekannte Figuren und Motive der Weihnachtszeit aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen. Kalendarisch aufgebaut eignet sich das Buch als »Adventskalender«, zum Verschenken und natürlich auch zum täglichen (Vor-)Lesen in der Advents- und Weihnachtszeit.

Rainer Maria Schießler, geboren 1960, ist katholischer Pfarrer. Schießler gilt durch unkonventionelle Seelsorge und teilweise medienwirksame Aktionen als einer der bekanntesten Kirchenmänner in Deutschland. Sein Anliegen: Mit zugespitzten Appellen aufrütteln und für eine lebhafte, engagierte Kirche eintreten. Seit 1993 ist er Pfarrer in St. Maximilian in München. Von 2006 bis 2017 arbeitete Schießler immer wieder im Schottenhamel-Zelt des Münchner Oktoberfestes als Bedienung, seit 2020 produziert das Münchner Kirchenradio mit ihm einen Podcast »Schießlers Woche - Hier spricht der Pfarrer«. Er ist Autor der Spiegel-Bestseller Himmel, Herrgott, Sakrament (Verfilmung durch Franz Xaver Bogner für den Bayerischen Rundfunk ist in Arbeit), Jessas, Maria und Josef und Die Schießler-Bibel.

1. Dezember
Der knisternde Küchenofen


Für die meisten Menschen sind Weihnachtserinnerungen in erster Linie Kindheitserinnerungen. All die Güte und Wärme, die Geborgenheit und das Vertrauen, die Herrlichkeit und das Liebevolle stecken in diesen Erinnerungen. Aber unser Weihnachtsgefühl bleibt nie stehen, es entwickelt sich immer weiter, wird erwachsener, durchaus auch ernster, streift vielleicht auch störend Kindliches darin ab, legt es aber niemals ganz zur Seite. Irgendwie greifen alle unsere Weihnachtserzählungen in unsere Kindheit hinein. Eigentlich kein Wunder, steht doch ein Kind – das Jesuskind – im Stall von Bethlehem im Mittelpunkt.

Nicht anders ergeht es mir mit meinen Weihnachtserinnerungen und den Erzählungen darüber. Am Anfang war ein kleines Stück Himmelreich, das es in seiner ganzen Einfachheit vermochte, alle Gefühle und Sehnsüchte eines kleinen Kindes zu konzentrieren. Mein Elternhaus war eine für heutige Verhältnisse bescheidene, überschaubare Dreizimmerwohnung im Münchener Stadtteil Laim, im dritten Stockwerk eines Bauwerks einer Nachkriegssiedlung, in dem vor allem Angehörige der Deutschen Bundespost und deren Familien günstigen Wohnraum fanden. Die Stadt München entwickelte sich gerade zur Millionenstadt. 1957 war es dann auch so weit. Mein Bruder Wolfgang wäre es beinahe geworden – der millionste Münchner. Aber wie sagt man so schön: Knapp vorbei ist auch daneben. Überhaupt war damals schon das einzig Wichtige, was es auch heute noch sein soll: Hauptsache, das Kind ist gesund! Drei Jahre später durfte ich das Licht der Welt erblicken und wurde in eine einfache, aber durch und durch liebevolle und damit heile Welt hineingeboren. Man war nicht reich oder vermögend, aber es war alles da, was es zu einem zufriedenen und erfüllten Leben braucht. Als Postbeamter im höheren und später sogar gehobenen Dienst genügte ein Gehalt, um eine vierköpfige Familie zu ernähren, für die beste Ausbildung der Kinder zu sorgen und sich auch den bescheidenen Luxus eines eigenen Pkw und eines jährlichen, einwöchigen Familienurlaubs in Bayern oder im benachbarten Tirol zu leisten. Möglich machte das auch die Fähigkeit zur Sparsamkeit, mit der meine Eltern, die die ganze Not der Kriegsjahre, Verlust und Zerstörung, Armut und Hunger erleben mussten, unseren Alltag bewerkstelligten. Es war alles da, was die Familie brauchte, und nichts wurde angeschafft, was nicht unbedingt sein musste. Im Vordergrund standen dabei in erster Linie wir Kinder. Nach den Jahren der totalen Zerstörung, des Zusammenbruchs und der Vernichtung konnte es für meine Eltern nur eine Zukunft geben, nämlich die, die Kinder verkörperten. Es galt, ein Land wieder aus den Trümmern aufzubauen, mit einfachen Mitteln und vor allem mit viel Fleiß wieder ein ganz normales Leben herzustellen. Diese Zukunft aber ist nur möglich, wenn die Vergangenheit nicht geleugnet, sondern mitgenommen und verwandelt wird. Nie wieder darf das eintreten, was die Kriegsjahre diesen beiden Menschen genommen haben: Ein Zuhause, die Familie, Geborgenheit, Heimat und die Hoffnung auf dauernden Frieden.

Bescheiden und demütig haben sich meine Eltern so Tag für Tag bemüht, uns ein Heim zu schaffen, das mehr ist als ein Dach überm Kopf. Unser Zuhause in diesem Siedlungsgebäude war für uns wie eine Höhle, in der wir uns sicher und beschützt wissen durften. Man hat sich immer um uns und für uns gesorgt, ohne uns die Freiheit zu nehmen, uns selbst zu eigenständigen Menschen zu entwickeln. Wir wurden gefördert in allen schulischen Belangen, haben Musikinstrumente schon als Grundschüler gelernt, waren immer anständig bekleidet – die berufliche Profession meiner Mutter als gelernte Schneidermeisterin half auch hierbei, nicht allzu viel Geld dafür ausgeben zu müssen.

Der größte Reichtum bei uns zu Hause aber war, dass wir nie allein waren. Unsere Mutter hat diese Höhle unserer Kindertage immer bewahrt, sie ausgestattet zu den verschiedenen Jahreszeiten und sie so für uns zur scheinbar unvergänglichen Zukunftsstätte gemacht. Sie hat uns den ganzen Tag über begleitet, angefangen beim morgendlichen Aufstehen und In-den-Tag-starten, hat uns mit einem Kreuzzeichen auf der Stirn mit Weihwasser verabschiedet, wenn wir das Haus verließen, hat uns wieder empfangen, wenn wir mittags von der Schule nach Hause kamen, und immer war der Tisch mit einfachen, aber besten Speisen gedeckt. Manchmal frage ich mich, ob mir der Reichtum dieser Tage überhaupt so bewusst gewesen war.

Vor allem aber war es die religiöse Prägung, die wir in diesen Jahren so selbstverständlich und so liebevoll empfangen durften. Da war keine Spur von Fanatismus oder Bigotterie, es war ein ganz behutsames Hinführen zu all den Geheimnissen, die uns der christliche Glaube schenkt. Wir mussten nichts leisten, keine Gebete auswendig lernen, keine Gebote pauken oder Vorschriften auswendig lernen. Es war das Gebot der »freien Verbindlichkeit«, die unser Zusammenleben prägte, was bedeutet: Es gibt Regeln, die für uns alle gelten und die nicht dazu bestimmt sind, unsere Freiheit zu beschneiden, sondern frei machen wollen. Das galt auch für christliche Traditionen wie den Fleischverzicht am Freitag, der ja auch gesundheitlich nicht abzustreiten ist, oder aber das Erwarten-können, bis das Weihnachtsfest wirklich da ist. Wir durften das Leben und den Glauben feiern, den Jahresablauf und die christlichen Feste erleben, abends im Bett mit Vater oder Mutter beten, bei Tisch für das Geschenk der Speisen danken, Hausliturgie an Weihnachten und Ostern feiern, wir wurden mit all ihren Bräuchen in das Leben der Kirche eingeführt, indem man uns zu den Sakramenten führte und begleitete.

Neben all diesen – man möchte sagen – selbstverständlichen Riten und Gebräuchen in einer christlichen Familie, für die ich so unendlich dankbar bin, gibt es da aber eben noch die eher verborgenen, eher im Hintergrund, oder besser gesagt, nur im Herzen eines kleinen Buben zu findenden Gefühle, Erfahrungen und Wahrnehmungen, die sich in dieser Höhle der Liebe und Wärme für immer in mir eingebrannt haben. Dass das Kirchenjahr mit dem ersten Advent beginnt, musste bei uns zu Hause nicht extra groß erklärt oder thematisiert werden. Unser Zuhause bot uns einen Religionsunterricht der ganz besonderen Art. Es war die perfekte Einübung, ganz einfach durch ein gemeinsames Miteinander. Wir spürten es von ganz alleine, dass jetzt mit dem Advent und beginnend mit dem 1. Dezember eine neue, ganz wichtige Zeit beginnt. Die Welt draußen hat sich verändert, die langen Nächte und die Dunkelheit waren bestimmend geworden. Umso gemütlicher wurde es im Inneren unserer Höhle. Die Accessoires einer liebevollen Adventszeit nahmen ihre Plätze ein: der selbstgebundene Adventskranz mit seinen roten Kerzen, der an vier roten Bändern an einem hölzernen Ständer hing; der Adventskalender – selbstverständlich noch ohne Schokolade drin – am Küchenschrank angebracht; der adventliche Schmuck in der Wohnung mit Tannengrün, roten Schleifen und Kerzen im Wohnzimmer und überhaupt roch es nur in dieser Zeit so intensiv nach Gebäck und milden Gewürzen in der Wohnung. Plätzchen wurden damals wirklich nur gebacken, damit man sie an Weihnachten auf einem wunderschönen Porzellanteller anbieten konnte. Das war alles ganz biblisch gemacht, auch wenn es niemand vorher theologisch dahingehend untersucht hätte: Wenn der Messias kommt, werden die Flüsse Milch und Honig führen und es wird ein Festmahl stattfinden, so drückt es schon der alttestamentliche Prophet Jesaja aus. Auf dieses Festmahl mit den besten Plätzchen der ganzen Welt hat man sich bei uns zu Hause so auch den ganzen Advent vorbereiten können.

Und dann war da noch so ein Detail. Meine Eltern selbst würden nicht darauf kommen, könnte ich sie noch fragen. Aber es ist ein Detail, das mich den Zauber dieser Tage – den ich nur in unserer Höhle daheim und seither nie mehr wieder irgendwo anders gefunden habe – so unvergesslich hat spüren lassen: Es war dieses kleine rechteckige Fenster in unserer Küche. Wie alle Fenster und die Balkontüren unserer Wohnung wurden sie mit einer schaumstoffgefüllten Stoffwurst, die unsere Mutter selbst nähte und am unteren Rand ablegte, abgefüttert gegen Zugluft und Kälte im Winter. Wärmedämmung und Energiesparmethoden wurden natürlich noch nicht derart beachtet wie heute, aber man behalf sich mit solchen praktischen Methoden, um Heizung und Strom zu sparen. Dabei war das Küchenfenster das kleinste von allen Fenstern in unserer Wohnung. Früher hat man ganz anders gebaut. Ein Küchenfenster war nicht zum Hinausschauen und Beobachten der Außenwelt gedacht. Ein kurzes Lüften, weil darin gekocht wurde, dafür musste eine Fensteröffnung zur Verfügung stehen und dafür musste diese auch nicht sehr groß sein. Aber sie war groß genug für einen kleinen Buben, um sich an diesen ganz besonderen Wintertagen in der Zeit vor Weihnachten mit angezogenen Knien auf das innen liegende Fensterbrett regelrecht hineinzusetzen. Mein ganzer kleiner Körper füllte so den halben Fensterbereich aus und wie durch ein Bullauge eines mächtigen Schiffes konnte ich in das Dunkel des anbrechenden Morgens hinausschauen. Es war das wichtigste Ritual in diesen Tagen des Advents, sofort nach dem Aufstehen, noch im Schlafanzug: in die Küche laufen, mich in das Küchenfenster wie in eine zweite Höhle in der großen Höhlenwohnung hineinzusetzen und die Welt da draußen zu betrachten.

Perfektioniert wurde dieses morgendliche Aufstehen im Advent mit einem weiteren Merkmal unserer Wohnung: dem Holzküchenofen. Wir hatten in den 1960-er Jahren wirklich noch einen Holzofen in der Küche und meine Mutter war eine Meisterin darin, mit diesem für uns heute wohl umständlichen...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2024
Zusatzinfo Durchgehend zweifarbig
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte 2024 • Advent • Adventgeschichten • Adventskalender • Advents-und Weihnachtszeit • All I Want for Christmas • Besinnliches Weihnachten • Bibelgeschichten • Bibel katholisch • buch weihnachten • Christkind • Christkindlmarkt • Dreikönigstag • eBooks • Gott • Himmel Herrgott Sakrament • Jessas, Maria und Josef • Jesus • Krampus • Lukasevangelium • München • Neuerscheinung • Nikolaus • Pfarrer Schießler • pfarrgemeinde st. maximilian • St. Maximilian • Warten aufs Christkind • Warten auf Weihnachten • Weihnachten mal anders • Weihnachtsgeschichten • Weihnachtsgeschichten für Erwachsene
ISBN-10 3-641-32193-X / 364132193X
ISBN-13 978-3-641-32193-2 / 9783641321932
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