Die Chance ist da (eBook)
324 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-9605-2 (ISBN)
Wie kommen wir da raus?
Es geht um den Menschen.
Wer ist das?
Da gibt es einen Planeten mit einer vorzüglichen Biosphäre. Was es mit diesem Himmelskörper auf sich hat, ist unstrittig, wenngleich die eine oder andere seiner Eigenschaften noch nicht restlos aufgeklärt ist. Was dagegen seine Bewohner betrifft, jene, die vermeinen, dass er ihnen gehöre, ist fragwürdig, was diese im Schild führen.
Die Rede ist vom Homo sapiens sapiens. Das ist eine Gattung, deren Angehörige zwar ein großes Gehirn spazieren führen, dieses auch sein Wesen treiben lassen, es aber nicht dahin bringen, ihr Dasein zu entwirren.
„Erkenne dich selbst!“24, das ist jenes Erfordernis, das zu bewältigen dem Menschen über Jahrtausende hinweg nicht gelungen ist.
Denn sich vom Menschen ein Bild zu machen, ist vielleicht nicht ganz so vermessen und anstößig, wie von Gott ein Abbild zu formen. Dennoch gibt es gute Gründe, davon die Finger zu lassen. Wer dieser Weitsicht folgt, darf die Weisheit einiger der größten Geister seiner Spezies für sich in Anspruch nehmen.
In der Tat ist wenig verheißungsvoll, das, was seit Jahrtausenden nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte, nunmehr von einem Tag auf den anderen aufhellen zu wollen.
Nötig freilich an dieser Stelle ist nicht die Enthüllung der ganzen Vielschichtigkeit des menschlichen Wesens. Aufzudecken ist lediglich, welche Bedürfnisse und Verhaltensmerkmale die überwiegende Mehrheit der Menschen leiten. Und wie diese beschaffen sind, dafür gibt es durchaus offen liegende Anhaltspunkte.
Der demokratisch-soziale Rechtsstaat, nach vorherrschender Denkart die höchste Entwicklungsstufe aller möglichen Ordnungsmuster für den entwickelten Menschen, versteht sich nicht nur als Regler, sondern darüber hinaus als Glücks- und Heilsbringer. Entsprechend nimmt er sich seiner Angehörigen allumfassend, tugendreich und treu sorgend an.
Wäre hier höchste Einsicht zur Geltung gelangt, wäre der Mensch als ein Geschöpf zu betrachten, das dieser durchgreifenden Wahrnehmung bedarf – und sie auch verlangt.
Wenn sich das so verhielte, wären Behütung und Betreuung als von der Mehrheit der Menschen begehrte Bedürfnisse anzusehen. Es hieße, dem Menschen ginge es wesentlich darum, von hoher Hand umhegt und umsorgt zu sein.
Herrschaft, die unumschränkte, hat sich der Untertan verbeten. Dafür sind jetzt Bevormundung und Betreuung am Zug. Die Wohltäter haben das Sagen. Und es gibt kaum eine politische Bewegung, die etwas anderes im Sinn hätte als die Hege und Pflege des Ach-so-dessen-Bedürftigen.
Das verführt zu dem Schluss: Behütung und Betreuung seien die vom Menschen vorrangig begehrten Qualitäten.
Doch träfe das zu, müsste, wo jene Vorzüge dem Menschen zuteilwerden, Zufriedenheit herrschen und Friede. Dann wäre unvorstellbar, der solcherart nach Bedarf Bedachte könnte ihm, dem Väterlichsten aller Regime, die Redlichkeit und Fürsorge nicht danken.
Noch nie gleichwohl waren die Bürger unzufriedener als dort, wo der bestwollende Behüter ins Werk gesetzt ist. Selbst nach Jahrzehnten der Sozialstaatlichkeit bleibt aus, was der Mensch gebührlich verlangt und braucht.
Die Gunst des Gefüges kommt offensichtlich bei denen, denen sie vorrangig zugedacht ist, nicht an. Das System macht die falschen Bürger glücklich.
Das höchstentwickelte aller Staatswesen wird unverkennbar seinem Anspruch nicht gerecht. Das hat möglicherweise im System liegende Gründe. Doch könnte zu dem Versagen vielleicht auch beitragen, dass der Grundgedanke verfehlt ist?
Unerbittlich steht die Frage im Raum: Ist das, was die soziale Gegenwart zur Geltung bringt, dem Menschen gemäß? Liegt ihm wirklich daran, behütet und betreut zu sein?
Ist der Mensch wahrlich zu bequem, zu sehr auf Risikofreiheit bedacht, um sich selbst zu seinem persönlichen Glück zu verhelfen? Verlangt er wahrhaftig, dass eine hingebungsvolle Obrigkeit ihm die Mühe um sein Wohlergehen so gut wie vollständig abnimmt? Ist das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) fürwahr der Inbegriff dessen, was er ersehnt?
Lässt die Totalumsorgung seine Selbstachtung ungetrübt? Der Souverän der Demokratie, gibt er nur vor, ein selbstbewusstes Individuum zu sein – und ist in Wahrheit ein Wicht?
Gleicht der Mensch dem Hund, der seinen Napf täglich gefüllt vorfinden will, und sich dafür schwanzwedelnd an die Leine legen lässt? Oder steckt vielleicht doch noch etwas vom Wolf in ihm? Nimmt er möglicherweise in Kauf, dass ihm nicht durchgehend sein täglich Zicklein zuteilwird, ihm dafür aber kein Herrchen ein Halsband anlegt?
Die politische Diskussion ist angefüllt mit immer wieder neuen Ideen für eine Gestaltung, die endlich zustande brächte, was dem Gewollten und Versprochenen Genüge leistet.
Das Sozialstaatsystem ruht auf zwei Säulen, der Zuwendung und dem Gehorsam. Der Bürger wird vom hohen Rat umhegt und anhaltend versorgt. Dafür hat er den Anordnungen der Behörden Folge zu leisten. Und, weil er diejenigen, die für ihn die Beschlüsse fassen, wählen darf, soll er jubeln, dass er frei sei.
Obhut ist, wie sich von selbst versteht, ohne Folgsamkeit nicht zu haben. Vieles daher macht die bedachtsame Einrichtung ihrem Umsorgten schlicht zur Pflicht. Sie unterwirft ihn der Steuer-, Schul-, Wehr-, Dienst-, Melde-, Ausweis-, Schaufel-, Versicherungs-, Impf-, Auskunfts- und Bestattungspflicht – und natürlich allgemein der Schuldigkeit, die Gesetze zu beachten.
Überdies braucht, wer hegen soll, die Kenntnis dessen, was im Argen liegt. Das erzwingt, vom Bürger zu verlangen, seine persönlichen Verhältnisse und Bestrebungen zu offenbaren. Vater Staat kann naturgemäß nur zufriedenstellend coachen, wenn er um das Verlangen und die Nöte seiner Zöglinge weiß. Er kann ihnen am Ende nicht erlauben, vor ihm Geheimnisse zu haben. Und er muss auch kontrollieren dürfen, ob er ehrliche Auskunft erhält und ob ihm niemand übel mitspielt.
Die Entmündigung und Entwürdigung, die hier zum Ausdruck kommt, ist sie tatsächlich dem Menschen gemäß? Entspricht sie seiner Neigung, lässt seine Nachsicht sie zu?
Kant hatte seinerzeit ermittelt: „Der Souverän will das Volk nach seinen Begriffen glücklich machen, und wird Despot. Das Volk will sich den allgemeinen Anspruch auf eigene Glückseligkeit nicht nehmen lassen, und wird Rebell.“25
Ein weiterer Mann vom Fach, der argwöhnte, dass an der vorherrschenden Denkart etwas faul sein könnte, war Helmut Schelsky. Er warf die Frage auf: „Was muss als wichtiger angesehen werden, die Betreuung oder die Selbstständigkeit des Menschen?“26
Die Antwort, die er fand, widersprach erwartungsgemäß dem Zeitgeist, weswegen er sie sehr vorsichtig formulierte. Seine Erkenntnis blieb und bleibt dennoch bei seinen Berufskollegen so gut wie unbeachtet, was viel über deren Wissenschaft, aber wenig über die Bedeutung dieses Werkes aussagt.
Selbstständigkeit jedoch, etwa voll und ganz? „Wen kümmert es da, wenn dann nach Lust und Laune vergewaltigt, zerstört, geraubt und getötet wird?“, lässt sich ein Diskutant in dem Internetforum „freiwilligfrei“ vernehmen.
Was der Besorgte da zum Ausdruck bringt, ist in der Tat der Generaleinwand gegen jede Vorstellung, den Menschen aus der Obhut des Staates zu entlassen. Ob man mit Leuten auf der Straße spricht oder mit Inhabern des Wissens, sie eint ein Menschenbild, das desolater kaum sein kann.
Der Wahnwitz, der sich zurzeit auf der Erde abspielt, wird dem Menschen angelastet. So, als äußere sich hier dessen Wunsch, dessen Wollen, dessen Wesen.
Erneut erhebt sich die Frage, mit welcher Art von Geschöpf wir es zu tun haben. Gibt das, was der Staatsbürger heute vorführt, vorderhand Kaltschnäuzigkeit und Gier, des Menschen wahres Naturell wider?
Seit Platon geht die Wissenschaft davon aus, dass der Mensch, freigestellt, zu vernünftigem und verträglichem Verhalten nicht fähig sei. Die vorsorglich strenge Einbindung des Missratenen sei daher unerlässlich.
Aus der Einschätzung des Griechen bezieht Staat seine Daseinsberechtigung. Des Menschen Hilf- und Haltlosigkeit verlange die Obsorge durch eine hingebungsvolle, zugleich strenge Obrigkeit. Die abfällige Anschauung hat für den Staaatsverfechter nichts mit Menschenverachtung zu tun. Vermeintlich beugt er sich purem Realismus. Seine Sicht bezeuge den nüchternen, praktischen Sinn aller, die es gut mit ihren Artgenossen meinen. Wer vom Mitgefühl mit seinem Mitmenschen überwältigt ist, muss ihn in Obhut nehmen.
Dem gegenüber zeigt sich der Mitmensch als Nachbar – selbst in der etatistischen Realität – gewöhnlich überwiegend verträglich und gefällig. Überdies ist eine Mehrheit von ihnen nicht nur bereit, für sich selbst zu sorgen, sie tut dies auch. Viele darüber hinaus kümmern sich um weniger begünstigte Mitbürger.
Die vorherrschende Denkart setzt dagegen, der Staatsbürger verhalte sich nur deshalb, wie hier beobachtet, weil...
Erscheint lt. Verlag | 12.1.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
ISBN-10 | 3-7583-9605-0 / 3758396050 |
ISBN-13 | 978-3-7583-9605-2 / 9783758396052 |
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