Das Ausrufezeichen. Eine rebellische Geschichte (eBook)

Mit zahlreichen Abbildungen aus der Schrift- und Buchgeschichte | Für alle Leserinnen und Leser des SPIEGEL-Bestsellers »Papyrus« von Irene Vallejo

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
224 Seiten
HarperCollins eBook (Verlag)
978-3-7499-0651-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Ausrufezeichen. Eine rebellische Geschichte - Florence Hazrat
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Wie ein Satzzeichen die Welt bewegte ...

Kaum ein anderes Zeichen erregt unsere Gemüter wie das Ausrufezeichen. Ein Pathossymbol, das uns jubeln und wüten lässt, uns warnt und motiviert - und trotzdem wird es als »schreiendes« Symbol verkannt oder fällt populistischen Machtspielen zum Opfer.

Die Literaturwissenschaftlerin Florence Hazrat befreit das Ausrufezeichen aus den staubigen Schubladen der Grammatik und geht seiner Bedeutung als universelles, politisches und menschliches Phänomen auf den Grund. Wie konnte es sich seit seiner Erfindung vor 600 Jahren in Florenz über alle Kulturen hinweg durchsetzen? Wo hat es den Lauf unserer Geschichte entscheidend verändert, und wie prägt es unseren Alltag, unsere Kunst und Kultur bis heute? Und warum reiben sich bis heute ganze Generationen an ihm auf?

Hazrat erzählt von der Macht, Geschichte und Zukunft eines Zeichens, das es uns auf wundersame Weise ermöglicht, echte Gefühle und körperlichen Ausdruck in unsere Schriftsprache zu legen und nachzuempfinden - eine Eigenschaft, die in unseren postfaktischen Zeiten wichtiger ist denn je!


»Florence Hazrats flottes, vergnügliches und schelmisches Buch ist weniger ein Loblied als vielmehr eine Aufforderung, sich von den Vorschriften der Sprachpolizei zu verabschieden und den Sinn für das Wunderbare wiederzuerwecken.«

The Times


»Ein kurzes Buch mit einem großen Standpunkt«

Kirkus Reviews


»Dieses schmale Buch ist so satt an interessanten Fakten und Ideen, dass die meisten Leser am Ende einfach nur ?Wow!? sagen werden.«

Booklist


»Florence Hazrats scharfsinnige Analyse ist von einer überzeugenden Sprachphilosophie getragen.«

Publishers Weekly



FLORENCE HAZRAT, geboren in Berlin, ist eine der führenden Expertinnen auf dem Gebiet der Geschichte und Kultur der Zeichensetzung. Sie studierte Englische Renaissance Literatur in Cambridge und promovierte an der St Andrews-Universität. Danach forschte sie an den Universitäten in Genf und Sheffield. Zu ihrer Passion hat sie viele Interviews und Artikel veröffentlicht, u. a. im Guardian, in der History Today und der Washington Post. 2021 kürte sie die BBC zum »New Generation Thinker«.

EINLEITUNG

Die pikanten Freuden des !

Am 21. Januar 1788 hätte ein Trio !!! das Projekt der Vereinigten Staaten von Amerika fast zum Scheitern gebracht, noch bevor es richtig begonnen hatte. Die Boston Gazette hatte eine prägnante Schlagzeile in Großbuchstaben gedruckt und diese durch drei hysterische Ausrufezeichen verstärkt, sodass sie die Öffentlichkeit in größte Besorgnis über die Zukunft der jungen Nation stürzte. Von »BESTECHUNG UND KORRUPTION!!!« war die Rede. Weiter las man, dass »der teuflischste Plan ausgeheckt werde, um jene Mitglieder der Versammlung zu bestechen, die sich der Annahme der neuen Verfassung widersetzten«. Politikern in Massachusetts würden »große Summen« von einem »Nachbarstaat« geboten, damit sie ihre Bedenken gegen das wichtigste Dokument des neu formierten Staates, die Verfassung, aufgäben.

Die Verfassung der Vereinigten Staaten war in vier inspirierenden Monaten ausgearbeitet worden, musste allerdings noch in mindestens neun der dreizehn Gründerstaaten ratifiziert werden, ehe sie in Kraft treten konnte. Der Weg dorthin war beschwerlich. In den örtlichen Versammlungen kam es zu hitzigen Debatten über genau jene Fragen, derentwegen die Staaten sich von ihrem Mutterland losgesagt hatten: Besteuerung, Handelskontrollen, Gewaltenteilung, persönliche Freiheiten. Im Januar 1788 hatten die ersten fünf Staaten die Verfassung ratifiziert, doch in Massachusetts war der Prozess ins Stocken geraten. Zweifel fielen hier auf fruchtbaren Boden, und der Artikel in der Gazette schürte das Feuer der Unzufriedenheit und des Misstrauens. Die Macht dieser !!!, die öffentlichen Gefühle aufzuheizen, war so groß, dass George Washington eingreifen musste. Er teilte der Staatsversammlung mit, dass sie der Verfassung auf jeden Fall zustimmen müsse, dass es jedoch eine Reihe von Zusatzartikeln geben werde, die den Bedenken der Delegierten Rechnung tragen würden. Aus diesen Zusatzartikeln sollte schließlich die Bill of Rights hervorgehen, die die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Regierung ins Zentrum der politischen Identität Amerikas rückte.

Die Versammlung von Massachusetts nahm den Verfassungsentwurf daraufhin an, und die Vereinigten Staaten von Amerika waren geboren. Einer Reihe von Ausrufezeichen sei Dank!

– !!! –

Das ! lässt uns aufschreien – so sehr, dass man es als Schreihals, als Lärmstange, Macho und Brüller bezeichnet hat. Es ist aufbrausend und maßlos, ein emotionaler Verstärker, dessen extravaganter Gestus die Leser wissen lässt: Hier geht es um Gefühle! In dieser Rolle musste das ! übermäßig heftige Kritik einstecken. So veröffentlichte das britische Bildungsministerium 2016 eine neue Richtlinie für Grundschüler, die einen öffentlichen Aufschrei nach sich zog: Lehrer wurden dazu aufgefordert, Schüler, die eine als exzessiv empfundene Anzahl von Ausrufezeichen verwendeten, schlechter zu benoten. Ein ! sollte nur noch am Ende von Sätzen stehen, die mit »wie« oder »was« beginnen (wie in »Wie dumm!« und »Was für ein Unsinn!«). Die Öffentlichkeit und die Medien protestierten gegen diese als diktatorisch empfundene Sprachpolitik, obwohl die Regierung natürlich nichts anderes im Sinn hatte, als die jungen Bürger des Landes vor jener Krankheit zu schützen, die im Volksmund als »Bangorrhea« – auf Deutsch also etwa: »Knall-Durchfall« – bezeichnet wird.

Doch nicht nur konservative Regierungsbeamte nehmen Anstoß am Ausrufezeichen. Viele Autoren haben uns davor gewarnt, das Ausrufezeichen als eine billige Form des Nachdrucks zu verwenden. F. Scott Fitzgerald erklärte, ein Ausrufezeichen sei, als würde man über seine eigenen Witze lachen; Terry Pratchett erfand in seinen Scheibenwelt-Romanen eine Figur, die sagte, mehrere Ausrufezeichen seien ein »sicheres Zeichen für einen kranken Geist (und der Gebrauch von fünf davon »weist eindeutig auf jemanden hin, der seine Unterhose auf dem Kopf trägt«). Das Ausrufezeichen ist stets »zu«: zu laut, zu auffällig, zu mächtig, zu präsent. Der Journalist Philip Cowell verspottet das selbstbewusste, selbstbezügliche Dasein des ! und nennt es das »Selfie der Grammatik«. Und auf dem Blog Excessive Exclamation regen sich einige Streber über den inflationären Gebrauch von !, !!! oder gar !!!!!!!!!! im öffentlichen Raum auf und posten entsprechende Fotos.

Gibt es das Ausrufezeichen also nur für die Unvernünftigen, die Verwirrten und die nach Selbstrepräsentation süchtige Generation Z? Ist es die fettige und schwer verdauliche Beilage, die wir auf dem bereits reich gefüllten Bankett der Sprache nicht wirklich benötigen? Wenn dem so ist, überrascht es umso mehr, dass es vom Persischen bis zum Mandarin in fast jeder Sprache existiert. Erstaunlich ist auch, mit wie vielen wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen kulturellen Funktionen wir das Ausrufezeichen beauftragt haben. Seine präzise und ausdrucksstarke »Ta-da!«-Eigenschaft brachte Victor Hugos Verleger dazu, auf ein banges ?-Telegramm des Autors mit einem kurzen, triumphierenden »!« zu antworten. Die Verkaufszahlen seines gerade erschienenen Romans Les Misérables gingen durch die Decke. Und der Schriftsteller Christian Morgenstern verpasste dem Ausrufezeichen in seinem Humorgedicht »Im Reich der Interpunktionen«, das den Mord an den Semikolons beschreibt, die Rolle des empathischen Predigers bei dessen Beerdigung.

Ein gerader Abwärtsstrich über einem knackigen Punkt: Das Ausrufezeichen mit seiner einmalig selbstsicheren Form besitzt eine gehörige Schlagkraft. Im Jahr 2010 ließ die amerikanische Kinderfernsehsendung The Electric Company niemand Geringeren als die Hip-Hop-Legende LL Cool J verschiedene Regeln zur Zeichensetzung rappen, während überlebensgroße animierte Versionen jedes einzelnen Satzzeichens neben ihm aufpoppten. Das erste, das neben ihm auftauchte und sich zu doppelter Größe des Sängers aufschwang, war das Ausrufezeichen in seiner imposanten Form und mit der Ausstrahlung eines herrischen Vorgesetzten.

Das berühmte Ermittler-Trio Die drei ??? aus der gleichnamigen Jugendbuchreihe stellt Fragen über Fragen, bis sie selbst den tiefsten Geheimnissen auf die Spur kommen. Im Jahr 2006 führte der deutsche Kosmos-Verlag das längst überfällige weibliche Pendant des Trios mit dem Namen Die drei !!! ein und baute dabei geschickt auf den Wiedererkennungswert des Logos.

– !!! –

Wenn es ein Satzzeichen gibt, das potenziell einem Phallus ähnelt, dann das !. Der allseits beliebte französische Komiker Pierre Desproges mahnt uns im Scherz, ein derart oberflächliches Satzzeichen zu meiden, »dessen anmaßendes, nur einen Hoden zur Schau stellendes Design gegen jede Bescheidenheit verstößt«. Womöglich ist dies der Grund, warum Henry Miller, ein Wegbereiter sexuell expliziter Literatur, übereifrige erotische Schriftsteller warnte: »Zügelt eure Ausrufezeichen!« In der Geschichte selbst darf ruhig einiges passieren, doch sollte nicht das ! die Quelle der Erregung sein. Eine der größten Unterhaltungskünstlerinnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (und gleichzeitig eine der am besten bezahlten Frauen ihrer Zeit), die französische Kabarettistin Mistinguett, sagte, »ein Kuss kann ein Komma, ein Fragezeichen oder ein Ausrufezeichen sein«. Beim Kuss mit ! dachte sie bestimmt nicht an keusche Wangenküsschen.

Das Ausrufezeichen (samt seiner Form) besitzt auch eine gewisse Schockwirkung: Das ! bedeutet erhöhte Aufmerksamkeit und Protest. So erwies es sich als wirkungsvolles Instrument für die Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die bei einer Sitzung 2013 in Straßburg mit einem stummen Meer aus Ausrufezeichen ihren Unmut über die autoritären Änderungen der ungarischen Verfassung zum Ausdruck brachten.

Ungarns Angriff auf die Demokratie provoziert das Europäische Parlament.

Das Ausrufezeichen hält uns auf Trab, und wenn wir es sehen, wissen wir, dass gerade etwas Bemerkenswertes, möglicherweise etwas Gefährliches oder Provokatives passiert. In den Listen, die von professionellen Scrabble-Spielern verwendet werden, markiert ein Ausrufezeichen ein Wort, das zwar als beleidigend gilt, jedoch unter gewissen Umständen, wenn nicht gar unbedingt, dennoch gelegt werden sollte. Im Jahr 1978 veröffentlichte das Merriam-Webster-Wörterbuch die erste Scrabble-Liste, sah sich jedoch bald mit Kritik konfrontiert, weil sich unter die tendenziell unschuldigeren Schimpfwörter auch rassistische und sexistische Begriffe mischten. Unter dem Druck verschiedener Interessengruppen, von Menschenrechtsorganisationen bis hin zu Scrabble-Spielervereinigungen, begannen die Herausgeber des Wörterbuchs und die Spielzeugfirma Mattel daraufhin Listen zu veröffentlichen, die den soziolinguistischen Befindlichkeiten ihrer Zeit Rechnung tragen. Derzeit verboten sind Beleidigungen wie LEZ (abfällige Bezeichnung für Lesben), jedoch auch Wörter jenseits der Gebote der Höflichkeit wie FARTED, BOOBIE und PISSED (wenngleich FUCK bislang wohl verschont wurde). Mattels Ray Adler bemerkt, dass es »in Scrabble – wie im richtigen Leben – auf die Wortwahl« ankomme. Und Gleiches gilt für die Zeichensetzung.

Das Ausrufezeichen hat etwas, das uns in Bewegung versetzt. Mit drei einfachen schwarzen Strichen verwandelt der Motivationsautor James Victore eine Schmiererei aus schreiendem Orange in eine...

Erscheint lt. Verlag 23.1.2024
Übersetzer Stephan Pauli
Sprache deutsch
Original-Titel An Admirable Point
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Design / Innenarchitektur / Mode
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Technik
Schlagworte Adorno • Alte Drucke • Ausrufezeichen • Bibliophil • Bibliophile Bücher • Buchdruck • Bücher • Bücherfreunde • Bücherliebe • Büchersammler • Designer • Germanistik • Geschenk • Geschenkbuch • Geschichte des Buches • Inkunabeln • Kulturgeschichte • Literatur • Populärkultur • Renaissance • Satzzeichen • Schrift • Schriftgeschichte • Sprache • Sprachliebhaber • Typografie • Typografie Geschichte • Worte • Zukunft Emojis
ISBN-10 3-7499-0651-3 / 3749906513
ISBN-13 978-3-7499-0651-2 / 9783749906512
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