Zuhause im eigenen Körper -  Sabine Ecker

Zuhause im eigenen Körper (eBook)

Strategien für eine lebendige Körperwahrnehmung. Mit Online-Material

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 2. Auflage
227 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-621-29025-8 (ISBN)
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Den eigenen Körper kennen- und schätzen lernen - Körperwahrnehmung: wofür wir sie brauchen, und wie man sie verbessern kann - Körper und Gefühle: Anregungen für einen wertschätzenden, achtsamen Umgang mit sich selbst Ein guter Kontakt zum eigenen Körper ist grundlegend für die körperliche und psychische Gesundheit und Lebensqualität. Sabine Ecker beschreibt ressourcenorientiert und therapeutisch fundiert, wie man sich in seinem Körper wohler und »zu Hause« fühlen kann. Themen sind dabei auch chronischer Schmerz, Sexualität und Traumata, wo ein körperorientierter Zugang oft besonders hilfreich ist und neue Lösungsmöglichkeiten eröffnet. - 38 Übungen: leicht durchzuführen und im Alltag umsetzbar - Online-Material: alle Übungen zum Ausdrucken Aus dem Inhalt Körperwahrnehmung schulen • Gewahrsein im Alltag • Atmung • Wohlgefühl: Anspannung und Entspannung • Körperhaltung • Liebevolle Zuwendung zum Körper • Sexualität • Traumata

Sabine Ecker, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis in Umkirch (Breisgau). Ausgebildet in Verhaltenstherapie, Hypnotherapie/Klinischer Hypnose, Systemischer Paartherapie und EMDR. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf den Zusammenhängen zwischen psychischen und körperlichen Phänomenen.

1 »Wahrnehmung« – was ist das überhaupt?


Wenn Sie verstehen möchten, wie Ihre Körperwahrnehmung funktioniert, ist es sinnvoll, sich erst einmal ein paar ganz allgemeine Gedanken über die grundlegenden Prinzipien der menschlichen Wahrnehmung zu machen.

Als »Wahrnehmung« wird es bezeichnet, wenn äußere oder innere Reize von unserem Nervensystem verarbeitet werden.

Hören, Sehen und so weiter: die Außenwahrnehmung

Reize außerhalb von uns können wir sehen (mit den Augen) oder hören (mit den Ohren), das sind die sogenannten »Fernsinne«. Wir haben außerdem »Nahsinne«, nämlich das Riechen (mit der Nase), das Schmecken (mit der Zunge) und den Tastsinn (mit der Haut). Stellen Sie sich vor, einer dieser Sinne würde bei Ihnen nicht funktionieren: Das würde sofort zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Alltag führen.

Wenn ein Mensch z. B. nicht sehen oder nicht hören kann, fehlen ihm wichtige Informationen über seine Umwelt. Aber auch bei einer Beeinträchtigung der Nahsinne kann die Lebensqualität deutlich vermindert sein, z. B. wenn nach einer Infektionserkrankung der Geruchssinn nicht mehr funktioniert und das Essen deshalb keinen Spaß mehr macht. Dass wir etwas nicht wahrnehmen können mit unseren Außensinnen, heißt noch lange nicht, dass es nicht da ist. So hat der Mensch z. B. im Gegensatz zu einigen Tierarten kein Sinnesorgan für die Wahrnehmung von Radioaktivität oder Magnetfeldern. Auch Töne, die viele Tiere noch wahrnehmen können (z. B. Hunde), sind für unsere Ohren zu tief (Infraschall) oder zu hoch (Ultraschall), sodass wir sie nicht hören können.

Wahrnehmung ist immer eine Konstruktionsleistung unseres Gehirns

Um ein Verständnis dafür zu bekommen, was bei der Wahrnehmung geschieht, ist es wichtig, sich Folgendes klarzumachen: Unsere Sinnesorgane (Augen, Ohren usw.) nehmen einen Reiz auf, der in vielen Fällen auch objektiv messbar ist, z. B. können Lichtreize oder Schallwellen von technischen Geräten aufgezeichnet und gemessen werden.

Die Wahrnehmung, die in unser Bewusstsein gelangt, ist jedoch immer eine Konstruktion bzw. Interpretation dieser Reize durch unser Gehirn.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Sketch »Der menschliche Körper« (oder: »Wunder des Ärgerns«) des Entertainers Otto Waalkes, in dem er die Kommunikation der Organe untereinander parodierte. Falls nicht, können Sie ihn auf YouTube ansehen. Wir befinden uns im Körper von Herrn Soost, der in einer Kneipe seinen Feierabend genießt. Auf einmal wird das Ohr aktiv: »Ohr an Großhirn, Ohr an Großhirn – habe soeben das Wort ›Saufkopp‹ entgegennehmen müssen.« Ein akustischer Reiz (also Schallwellen einer bestimmten Frequenz) trifft auf das Ohr und wird dort (vereinfacht gesagt) von den Nervenzellen im Innenohr in elektrische Impulse umgewandelt. Diese werden nun über Nervenleitbahnen ans Gehirn weitergeleitet. Dort wird dieser »Input« mit den Vorerfahrungen und Kenntnissen verglichen, die schon in der Erinnerung gespeichert sind. Herr Soost hat in seinem Gehirn entsprechende Informationen parat, er kann also das Wort »Saufkopp« in deutscher Sprache erkennen und weiß, was es bedeutet. Im Sketch fragt das Gehirn nun beim Auge nach: »Was ist denn da eigentlich los, wer hat das gesagt?« Das Auge nimmt optische Reize (also Lichtreize) auf und meldet die erhaltene Information ebenfalls auf elektrischem Weg (bzw. mithilfe von körpereigenen Botenstoffen, die »Neurotransmitter« genannt werden) über die Nervenbahnen ans Gehirn weiter. Dort werden diese ganzen Seheindrücke (Linien, Farben, Größe und Form von Objekten) zusammengesetzt, Muster werden erkannt. Herr Soost kommt aufgrund seines Wissens über die Welt, mit dem er seine Wahrnehmungen vergleichen kann, zu dem Ergebnis: Da steht ein Mann vor mir, und zwar ein sehr großer und sehr kräftiger (»1,95 m groß mit Schlägervisage«), da bleibe ich doch lieber freundlich und spendiere ihm ein Bier.

Wichtig

Wichtig

Wahrnehmung ist immer bereits eine Konstruktionsleistung unseres Nervensystems bzw. Gehirns und keine »objektive« Abbildung der Wirklichkeit.

Dass unser Gehirn sich dabei manchmal auch täuschen lässt, kann man durch sogenannte »optische Täuschungen« zeigen. Sind z. B. die Linien in Abbildung 1 gerade oder gebogen? Sie können das gerne einmal mithilfe eines Lineals überprüfen.

Abbildung 1Beispiel für eine optische Täuschung

Selektive Wahrnehmung. Davon, dass die menschliche Wahrnehmung unvollständig und manchmal auch im Vergleich mit den objektiven Tatsachen fehlerhaft ist, kann jede Polizeibeamtin ein Lied singen, die verschiedene Zeugenaussagen über denselben Autounfall vergleicht: Die erste Zeugin hat einen von links heranrasenden schwarzen Golf mit aggressivem Fahrstil gesehen (»Ich dachte noch: Spinnt der, oder was?«), der zweite Zeuge sah nur ganz flüchtig ein dunkles Auto (»Ich glaube dunkelblau. Wo das herkam, weiß ich auch nicht, auf einmal war es da und dann war es auch schon wieder weg. Das ging alles so schnell!«) und der dritte hat zwar das Quietschen der Bremsen gehört, aber nicht hingeschaut, weil er gerade mit Telefonieren beschäftigt war. Was wir wahrnehmen und was nicht, hängt sehr stark davon ab, welchen Reizen wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden (ob z. B. das Telefongespräch interessant genug ist, um alle anderen Eindrücke solange auszublenden) und worauf wir achten.

Der unsichtbare Gorilla. In der Psychologie gibt es ein interessantes Experiment, das der amerikanische Psychologieprofessor Dan Simons und seine Forschungsgruppe an der Universität Illinois entwickelt haben. Ich selbst habe im Studium auch einmal daran teilgenommen, daher möchte ich erzählen, wie ich es damals erlebte: Uns wurde ein kurzer Film gezeigt, in dem zwei kleine Mannschaften in einer Halle Basketball spielen. Vorher bekamen wir die Anweisung, zu zählen, wie oft die Mannschaft mit den weißen Trikots den Ball hat. Nachdem das Ergebnis dieser Aufgabe besprochen worden war (alle hatten richtig gezählt), wurden wir gefragt: »Ist euch sonst noch irgendetwas aufgefallen?« Mir war nichts aufgefallen. Über die Frage »Wer von euch hat den Gorilla gesehen?« war ich sehr verwundert. Was sollte das, was für ein Gorilla? Beim zweiten Anschauen des Films konnte ich es kaum fassen: Da lief doch tatsächlich gut sichtbar ein als Gorilla verkleideter Mann groß und breit mitten durchs Bild. Nur eine einzige Person in unserer Gruppe hatte ihn beim ersten Ansehen des Films bemerkt, alle anderen waren viel zu konzentriert mit dem Zählen der Ballkontakte beschäftigt gewesen. Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich nicht selbst dabei gewesen wäre. Wenn Sie es nicht glauben: Sie können diesen Film und einige Erläuterungen dazu von Professor Simons auf YouTube ansehen. In diesem übrigens preisgekrönten Video erklärt er auch, dass bei einer weiteren Studie »eye tracking« eingesetzt wurde, d. h., während des Experiments wurde mithilfe einer technischen Vorrichtung aufgezeichnet, wohin die Versuchspersonen ihren Blick richteten. Sie stellten fest, dass auch die Personen, die den Gorilla nicht bemerkten, ihn tatsächlich eine ganze Sekunde lang direkt angeschaut hatten. Ihr Auge hatte ihn also erfasst, die Information gelangte jedoch nicht ins Bewusstsein, weil sie vom Gehirn als unwichtig aussortiert wurde.

Interessanterweise stellte ich fest, als ich bei der Vorbereitung dieses Kapitels den Film noch einmal ansah, dass ich dann, wenn ich mich wirklich fest auf die weiße Mannschaft und die Anzahl der Ballwechsel konzentriere und entschlossen bin, mich davon nicht ablenken zu lassen, den Gorilla immer noch nicht sehe, obwohl ich inzwischen weiß, dass er da ist. Ist das nicht faszinierend und zugleich ein wenig erschreckend?

Die Rolle von Gedanken und Vorerfahrung. Damit wir einen von unseren Sinnesorganen wahrgenommenen Reiz im Gehirn einem Muster, das wir erkennen, zuordnen können, brauchen wir unsere Vorerfahrung. Unser Wissen über die Welt, aber auch unsere Einstellungen und Meinungen, fließen dabei mit ein.

Wenn z. B. ein Zeuge des oben genannten Unfalls der festen Überzeugung...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-621-29025-7 / 3621290257
ISBN-13 978-3-621-29025-8 / 9783621290258
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