Systemische Therapie mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien (eBook)
428 Seiten
Carl-Auer Verlag
978-3-8497-8393-8 (ISBN)
Reinert B. Hanswille, Diplom-Pädagoge, ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Traumatherapeut, Paar- und Familientherapeut, Supervisor, Lehrtherapeut und Lehrsupervisor u. a. bei der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) und EMDR-Therapeut (EMDRIA). Er arbeitet in der Aus- und Weiterbildung von Familien- und Traumatherapeuten und leitete bis 2021 das Institut für Familientherapie, Systemische Supervision und Organisationsentwicklung (ifs) in Essen. Außerdem ist er Ausbildungsleiter der ersten staatlich anerkannten Ausbildungsstätte und des Ausbildungsgangs 'Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie im Vertiefungsgebiet Systemische Therapie'. Daneben ist er in eigener Praxis für Traumatherapie und Systemtherapie tätig. Berufspolitisch engagiert er sich in unterschiedlichen Verbänden und Gremien mit dem Ziel der sozialrechtlichen Anerkennung der systemischen Therapie. Zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen Systemische Traumatherapie, Familien- und Sexualtherapie.
Reinert B. Hanswille, Diplom-Pädagoge, ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Traumatherapeut, Paar- und Familientherapeut, Supervisor, Lehrtherapeut und Lehrsupervisor u. a. bei der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) und EMDR-Therapeut (EMDRIA). Er arbeitet in der Aus- und Weiterbildung von Familien- und Traumatherapeuten und leitete bis 2021 das Institut für Familientherapie, Systemische Supervision und Organisationsentwicklung (ifs) in Essen. Außerdem ist er Ausbildungsleiter der ersten staatlich anerkannten Ausbildungsstätte und des Ausbildungsgangs "Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie im Vertiefungsgebiet Systemische Therapie". Daneben ist er in eigener Praxis für Traumatherapie und Systemtherapie tätig. Berufspolitisch engagiert er sich in unterschiedlichen Verbänden und Gremien mit dem Ziel der sozialrechtlichen Anerkennung der systemischen Therapie. Zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen Systemische Traumatherapie, Familien- und Sexualtherapie.
Einführung
Eine der besten Möglichkeiten, Entwicklung und Wachstum zu ermöglichen, ist der Import guter Ideen von fremden Menschen und Völkern.
(Dieser Spruch wird Helmut Schmidt zugeschrieben. Er trifft aber auch die Lebenswirklichkeit von Therapeut:innen und Berater:innen.)
Interventionen zu beschreiben ist nicht einfach
Beim Verfassen von Büchern, die Techniken beschreiben, steht man immer vor der Herausforderung, das so zu tun, dass die Leser die Methoden nicht nur verstehen, sondern sie auch gut in der eigenen Praxis anwenden können. Wenn ich Bücher mit Techniken lese, geht es mir immer so, dass ich am ehesten diejenigen davon aufgreife, die mich spontan »anspringen«, die ins Auge fallen, deren Grundidee einleuchtet und die nicht zu kompliziert sind. Andere finde ich interessant oder anregend, und schnell entwickelt sich dann eine Idee, wie ich diese Technik kreativ verändern kann, damit sie für »meine« Klientensysteme passender ist. Wieder andere sprechen mich gar nicht an, weshalb ich sie nie in mein Handlungsspektrum integrieren werde.
In der Praxis zeigt sich, dass viele Therapeut:innen und Berater:innen über ein bestimmtes Spektrum an Lieblingsinterventionen verfügen, die sie immer wieder einsetzen – mal leicht verändert oder in ihrer Ursprungsstruktur (s. dazu Hanswille 2022a). Systemische Therapeut:innen nutzen z. B. das Genogramm, das Familienbrett, Skulpturen, Externalisierungen, Ausnahmefragen, hypothetische Fragen, zirkuläre Fragen, Hausaufgaben, die Zeitlinie oder Timeline, Metaphern, Reframing etc. Diese Techniken kommen dann in allen Prozessen vor, und es entsteht manchmal der Eindruck, als stände bereits fest, welche Technik wann genutzt wird: In der dritten Sitzung mache ich Genogrammarbeit, in der vierten eine Aufstellung etc. Fast wirkt es so, als würden die Kolleg:innen einem strikten Manual folgen, wobei die Entwicklung der therapeutischen Prozesse, die Passung zu den Klienten und die Anregung, die ich aus einer systemischen Hypothese ziehe, keine Rolle spielen.
Dadurch entfernt sich die Arbeit immer mehr von der systemischen Idee einer hypothesengestützten Prozessbildung, deren Grundlage die systemische Erkenntnistheorie ist. Es klingt paradox, aber wir wollen gerade mit unserem Buch im Sinne einer »Best Practice« diese Ideen unterstützen und anregen, damit die systemische Praxis nicht zu einer technokratischen Anwendung von Interventionen verkommt.
Wir, die Autor:innen der Interventionstechniken, hoffen, Sie entwickeln unsere Ideen weiter, machen sie passend für Ihre Klient:innen, fügen sie in Ihre Prozessgestaltung ein, bekommen neue Ideen für andere, neue Techniken und entwickeln so die systemische Praxis weiter.
Was will das Buch?
Das Buch soll ein Arbeitsbuch für den Beratungs- bzw. Therapiealltag sein. Das heißt, die Ideen sollten nach Möglichkeit schnell umsetzbar und realisierbar sein. Deshalb haben wir Techniken bevorzugt, die wenig Vorbereitung bedürfen und gleichzeitig auch Raum für eigene Entwicklungen und Veränderungen bieten.
Wenn hier ein Vergleich mit Kochrezepten erlaubt ist: Es gibt viele tolle, sehr schmackhafte Rezepte, die allerdings nur mit viel Aufwand zuzubereiten sind, weil z. B. erst viele ausgefallene Zutaten und Gewürze zu besorgen sind. Das hat die Konsequenz, dass diese Rezepte nur selten oder höchstens zu besonderen Anlässen nachgekocht werden. Aber sie sind nichts für die Alltagsküche – wenn es schnell, praktisch, gesund, abwechslungsreich und günstig sein soll.
Die Methoden in diesem Buch sind eher für die »Alltagsküche« gedacht – sie sollten mit wenig Vorbereitung direkt einsetzbar sein, sodass es reicht, sie erst kurz vor der Sitzung zu lesen.
Das Buch soll ein Arbeitsbuch für den Beratungs- bzw. Therapiealltag sein. Das heißt, die Ideen sollten nach Möglichkeit schnell umsetzbar und realisierbar sein und auf diese Weise etwas Entlastung bringen, damit Sie sich auf die wesentlichen Dinge im beraterischen und therapeutischen Prozess konzentrieren können und Augen und Herz offen halten für Empathie, Resonanz, Beziehung, Zuhören, Musterbeobachtung, Hypothesenentwicklung etc.
Leider lässt sich in den vergangenen Jahren eine Tendenz beobachten, dass man systemisches Arbeiten, Beraten, Therapieren als eine Ansammlung von Techniken beschreibt oder Interventionen und Konzepte fast mechanistisch oder technokratisch einübt – ohne die Rahmung, den Prozess, die Persönlichkeit der Therapeut:in und die Besonderheit des Klientensystems zu sehen.
»Wenn sich systemische Praxis darauf begrenzt, systemische Interventionstechniken anzuwenden, fehlt jedoch eine wichtige Reflexionsebene, auf der man sich bewusst wird, warum man so interveniert, wie man es tut« (von Schlippe u. Schweitzer 2019, S. 18).
Aus diesem Grund habe ich der Sammlung von Techniken ein Grundsatzkapitel vorangestellt, in dem es um die Rahmung und Einbindung der Interventionen geht. Nach mehr als 30 Jahren Erfahrung in der Aus- und Weiterbildung von systemischen Berater:innen und Therapeut:innen habe ich von den Teilnehmenden gelernt, wie bedeutsam es gerade in der Anfangsphase ihrer systemischen Praxis ist, dass sie Interventionen und Techniken kennen, um Prozesse begleiten zu können. Das systemische Denken, die Reflexion, die vertiefende Prozessgestaltung und die systemischen Haltungen werden begleitend dazu erlernt und bilden sich dann im Laufe der Vertiefung des systemischen Wissens in der Praxis zur Meisterschaft aus. So sind die ersten Berufsjahre als Berater:in oder Therapeut:in oft durch die Suche nach neuen Methoden gekennzeichnet, durch die man sich für kreative Ideen und andere Zugänge zur beraterischen Arbeit begeistern lässt, während in den späteren Berufsjahren eher eine technische Ausdünnung zu beobachten ist und die Prozesse eher hypothesengeleitet sind und in der Begegnung sowie im Beziehungsaufbau mit den Klient:innen ihren Mittelpunkt finden.
Im vorliegenden Buch gibt es zwei unterschiedliche Gruppen von Techniken:
- Interventionen, die im systemischen Feld bereits bekannt sind – wie die Wunderfrage, Aufstellungsarbeit etc. – und die wir hier mit kreativen Weiterentwicklungen, Fokussierungen etc. beschreiben
- kreative »Neuschöpfungen« sowie kreative Entwicklungen von Techniken und Interventionen, die vielleicht weit entfernt auf bereits bekannte Ideen zurückgreifen, diese aber strukturell verändert haben.
Bei einer Sammlung von Techniken und Interventionen kann es – trotz aller Sorgfalt – geschehen, dass Sie als Leserin und Leser denken: Das habe ich aber schon an anderer Stelle gelesen oder gehört, das ist nicht neu. Ich möchte dann um Entschuldigung bitten – aber wie bei vielen anderen Erfindungen in unserem Alltag werden Techniken nur ganz selten ausschließlich an einer Stelle auf der Welt gedacht und entwickelt, meist haben mehrere Menschen in einem bestimmten Zeitraum ähnliche Gedanken und Ideen. Letztlich stehen wir alle auf den Schultern anderer Frauen und Männer, die sich auch schon mit ähnlichen Fragen und Themen beschäftigt haben.
Was finden Sie in diesem Buch?
Die vorgestellten Techniken folgen alle einem bestimmten Raster – so lassen sie sich gut vergleichen. Das unterstützt Sie beim schnellen Überschlagen, ob Sie diese Übung jetzt einsetzen wollen. Deshalb sind die einzelnen Beschreibungen auch kurzgehalten. Die Autoren haben bewusst auf ausführliche Beschreibungen, didaktische Kommentare, Gedanken zur Rahmung etc. verzichtet. Wir gehen davon aus, dass Sie diese Techniken eingebettet in eine systemische Hypothese einsetzen, sie in den Beratungs- bzw. Therapieprozess integrieren und individuell anpassen.
Alle Techniken folgen diesem Raster mit 15 Aspekten (gibt es zu einem der 15 Punkte keine Ausführungen, folgt direkt der nächste Punkt):
- Ziel der Intervention: Welches Ziel lässt sich mit der Intervention erreichen?
- Dauer der Intervention: Wie lange dauert die Intervention (Angabe in Minuten, auch unter Berücksichtigung der Anzahl von Personen im Mehrpersonen-Setting)?
- Zielgruppe, Alter und Setting: Ab welchem Lebensalter und in welchem Setting ist sie durchführbar?
- Therapiephase: In welcher Phase der Therapie ist sie einsetzbar (Anfang, Beziehungsaufbau, Zielklärung, Vertiefung oder Abschluss)?
- Anlass, Themen und Symptome: Bei welchen Anlässen für die Therapie ist die Intervention besonders zu empfehlen?
- Benötigtes Material: Welches Material muss ich vorher bereitstellen? Welchen Aufwand muss ich betreiben?
- Spezifische Hinweise für Therapeut:innen: Welche Hinweise brauchen die Therapeut:innen für die Durchführung der Technik?
- Spezifische Instruktionen für Klient:innen: Gibt es besondere Hinweise an die Klient:innen, wie z. B. »Hören Sie bitte erst zu, und starten Sie danach mit …«?
- Arbeitspapiere für Klient:innen: Benötigen die Klient:innen ein Arbeitspapier?
- Was es sonst noch zu bedenken gibt: Gibt es noch andere Dinge...
Erscheint lt. Verlag | 22.10.2024 |
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Reihe/Serie | Kinder- und Jugendlichentherapie | Kinder- und Jugendlichentherapie |
Verlagsort | Heidelberg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Familien- / Systemische Therapie |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Einzelsetting • Interventionen • Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie • Kinder- und Jugendlichentherapie • Mehrpersonensetting • Prozessvertiefung • systemische Hypothesen • Systemische Therapie • Techniken • Zielklärung |
ISBN-10 | 3-8497-8393-6 / 3849783936 |
ISBN-13 | 978-3-8497-8393-8 / 9783849783938 |
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