Die deutsche Ostmark (eBook)
134 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-9206-8 (ISBN)
Die Natur und Siedlungen der Ostmark
Von Fritz Braun
1. Die Oberflächengestaltung und das Klima.
Wer auf einer Landkarte die Grenzen der „Ostmark“ einzeichnen wollte, der käme in arge Verlegenheit. Auch würde es uns schwer fallen, eine kurze, knappe Erklärung dafür zu liefern, was wir unter der Ostmark zu verstehen haben. Die Antwort, es handele sich bei diesem Begriff um das Kolonialland im Osten des altgermanischen Siedlungsgebietes, das von unseren Ahnen in jahrhundertelangem, zähem Vordringen, den Slawen entrissen worden ist, müßten wir ablehnen, denn zu diesem Raum gehört auch noch mancher Gau westlich der Elbe, dem alle jene Eigenschaften fehlen, die wir für rechte Kennzeichen der Ostmark zu halten pflegen.
Einzelne Züge des Landschaftsbildes namhaft zu machen, die wir für echt ostmärkisch halten, dürfte uns nicht schwer fallen. Wo uns noch heute auf Schritt und Tritt die Spuren völkischer Grenzkämpfe begegnen, wo wir im Weichbilde hoher protestantischer Dome, aus den Tagen der Hansa, am Kreuzwege zu dem katholischen Heiligenbilde aufblicken, wo die Gegend uns in Berg und Tal die Eigentümlichkeiten der Moränenlandschaft zeigt, mit blauen Seen und breiten Urstromtälern, und womöglich von dem nächsten Bühel eine trotzige Komturei der Ordensritter zu uns herniederschaut, dort atmen wir die Luft der Ostmark. Andererseits treffen wir in der Ostmark auch wieder Gegenden, die sich in ihre Umgebung verirrt zu haben scheinen und so deutlich das Gepräge weit entlegener Landschaften zeigen, daß wir dem Weggenossen recht geben müssen, der sich hier in das waldgrüne Thüringen, dort wieder in die Lüneburger Heide, oder in die holländischen Marschen versetzt glaubt. Und auch der Kampf zwischen den Deutschen und Slawen hat sich in sehr vielen Gauen schon längst zugunsten unserer Volksgenossen entschieden. Wo fänden wir auf altdeutscher Erde Gebiete, die uns deutscher anmuteten, als die fruchtbaren Niederungen im Weichsel-Nogatdelta, daß von mitteldeutschen Einwanderern besiedelte Ermland und die fruchtbaren Kornfluren, die vom unteren Pregel, ganz allmählich nach Süden zu, emporschwellen? -
In West- und Mitteldeutschland herrschen über die Ostmark vielfach noch recht unklare Vorstellungen. Hier und da begegnen wir wohl einem Beamten, der als junger Anfänger in den Osten ging, um schneller zu Brot und Herd zu kommen, und der nachher in dem verräucherten Fabrikrevier des Westens den Amtsgenossen von jenen ostmärkischen Frühlingstagen schwärmt, da sich der blaue Himmel in den weiten Landseen spiegelt, die lichtlaubige Birken und dunkle Föhren so anmutig umrahmen. Dann horchen die Nachbarn am Stammtisch wohl verwundert auf, aber die Kunde ist gar zu seltsam, um ererbte Vorstellungen endgültig auszurotten.
Auch bezüglich der Ostmark machen wir oft genug die Erfahrung, daß Halbkenntnis noch viel gefährlicher wirkt, als Unkenntnis. Wer ein paar Jahre zwischen Oder und Pregel lebte, in Danzig und Königsberg und vielleicht noch in ein paar modischen Badeorten halbwegs heimisch wurde, schreibt wohl gar lange Abhandlungen über die Ostmark, die von den Landsleuten im Reich für tiefe Weisheit und klare Wissensquellen gehalten werden, obgleich der Verfasser niemals im kassubischen Dorfe rastete, niemals seinen Wanderstab durch die Heidewälder an der Brahe und dem Schwarzwasser trug, oder die entlegenen Küstenstriche Hinterpommerns kennen lernte, in denen Hans Hoffmanns humorvolle Erzählungen spielen. Der Landeingesessene weiß oft nicht, ob er lachen, oder weinen soll, wenn solche gelehrte Herren die Ostmark als eintönige Wüstenei bezeichnen, obgleich gerade in ihr, stellenweise die eigenartigen, nur sich selbst gleichen Landschaften, so dicht gesät sind, wie nur irgendwo auf der Welt.
Gerade wegen des Umstandes, daß die Ostmark an verschiedenartigen Landschaften überreich ist, müssen wir uns auch hüten, in jedem geborenen Ostmärker von vornherein einen genauen Kenner dieses Landes zu vermuten. Dazu haben wir nun um so weniger ein Recht, als gerade die Ostmärker aus naheliegenden Gründen ihre freie Zeit lieber in den alten Kulturlandschaften Mittel- und Westdeutschlands, als in abseits gelegenen Gebieten ihrer Heimat zubringen.
Das es sich in der Ostmark nicht um ein besonders eintöniges Land handeln kann, wie manche Landsleute im Reiche wähnen, wird schon durch die Oberflächengestalt dieses Gebietes bedingt. Wir befinden uns hier in dem Teile unseres Vaterlandes, den zur Eiszeit ungeheure Gletschermassen bedeckten, die mächtige Grund- und Erdmoränen ablagerten. Namentlich die Endmoränengebiete machen zum großen Teil einen durchaus gebirgsmäßigen Eindruck. Das diese Dinge den West- und Mitteldeutschen so wenig bekannt sind, muß wohl in erster Linie darauf zurückgeführt werden, daß gerade die höchsten Gebiete der Ostmark abseits der wichtigsten Eisenbahnstrecken liegen, so daß sie nur der zu sehen bekommt, welcher sich die Erforschung des Landes zum Ziel gesetzt hat.
Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß Höhen von 310 m, oder 330 m im baltischen Küstenlande in landschaftlicher Hinsicht weit mehr bedeuten, als etwa in dem Vorlande der Sudeten, weil der Unterschied zwischen absoluter und relativer Höhe in der Ostmark sehr viel geringer ist. Die ansehnlichsten Höhenunterschiede finden wir hier an den Ufern der großen Urstromtäler und in den kleinen Gebirgsländern der Endmoränenzüge, und zwar haben wir dort mit relativen Höhenwerten von 80 m bis 100 m, hier sogar mit solchen von 160 m bis 180 m zu rechnen.
Ganz entgegen der Ansicht vieler Volksgenossen, die sich unseren Nordosten als eintönige, formlose Fläche vorstellen, sind große Ebenen dort recht selten und niemals so ausgedehnt, daß wir, wie wohl in Südrußland, Ungarn, oder den Niederlanden, am Horizont vergeblich nach Hügeln und Bergen suchen.
Wer allerdings von unserer Heimat nur die Landschaften kennt, welche die Bahnlinie Schneidemühl-Konitz-Dirschau durchzieht, mag leicht dem Irrtum verfallen, wir fänden im ganzen Nordosten jenen leicht welligen Boden, der längs der genannten Bahnstrecken die Regel bildet.
Ebenso reizlos wie diese ganz leicht gewellten Landstriche, südlich der kassubischen Hügel, sind wohl nur noch manche Gebiete der Provinz Posen, die mit ihnen auch das gemeinsam haben, daß von Seiten der Bewohner, so gut wie nichts geschah, die Landschaft durch ihre Kulturarbeit zu beleben und freundlicher zu gestalten. Welche Erfolge ein solches Bestreben zu erzielen vermag, sehen wir dagegen in vielen Teilen des Elbinger Oberlandes und der Gegend am mittleren Pregel, wo Gebiete von ganz ähnlicher Bodenform die Wegemühen des Wanderers reichlich belohnen, weil stattliche Gutshöfe, friedliche Dörfer und schattige Baumgänge der ganzen Gegend lichte Wärme und trauliches Behagen verleihen.
In welchen Teilen der Ostmark wir die anmutigsten Hügellandschaften zu suchen haben, vermag auch ein geschultes Auge von kleineren Landkarten kaum abzulesen, denn die Höhenlage allein ist dafür durchaus nicht entscheidend. In manchen Hochländern, die wie die Kernsdorfer Höhen zu beträchtlicher Meereshöhe emporschwellen, suchen wir vergeblich nach begrünten Berglehnen und tiefen Tälern, da das Gelände nur ganz allmählich und schier unmerklich ansteigt, während wir andererseits in manchem Gau, der auf der Landkarte noch das gleichmäßig grüne Kolorit der Ebene trägt, weil er überall unter der 100 m-Linie bleibt, von den schön geschwungenen Linien stattlicher Hügel umgeben sind. Haben wir doch beispielsweise an der ganzen Nordküste des Samlandes, deren prächtige Schluchten weithin bekannt sind und auch ein verwöhntes Auge befriedigen können, nur Höhen von 60 – 80 m, über die ein Sohn der Mittelgebirge solange, bis er sie selbst schaute, verächtlich die Nase rümpfen möchte. Ähnliches gilt von der Uferlandschaft der großen Ströme. Welche Fülle von anmutig geschweiften Berglinien bekommen wir nicht beispielsweise zu sehen, wenn wir einen Rundgang um den Graudenzer Schloßberg machen! Hier streben steile Kaps in das breite Weichseltal vor. Dort kleidet sich der Höhenrand in die gelben und fahlgrauen Farbtöne sandiger Halden und weiter nordwärts fügen sich waldige Hügel zu freundlichen Berglehnen. Und doch suchen wir auch hier vergebens nach Erhebungen, welche die 100 m-Linie wesentlich überschreiten.
Und oft genug fühlen wir uns nach dem unmittelbaren Eindruck, den die Landschaft auf unsere Sinne macht, wohl berechtigt, den ostmärkischen Hügeln den stolzeren Namen der Berge zu verleihen. Das erscheint uns durchaus nicht als Übertreibung, wenn wir von dem Dörfchen Ostritz zu der blauschwarzen Kuppe des Turmberges emporblicken, oder bei der pommerellischen Ortschaft Sagorsch aus dem Wiesengrunde des Schmelztals zu den Waldbergen aufschauen, die sich an seinem Nordhang in mehreren Stockwerken übereinander auftürmen. Ähnlich geht es dem Wanderer, wenn ihm die Goldaper Höhe eine weite Aussicht...
Erscheint lt. Verlag | 11.8.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► 1918 bis 1945 |
ISBN-10 | 3-7568-9206-9 / 3756892069 |
ISBN-13 | 978-3-7568-9206-8 / 9783756892068 |
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