Der Babel-Bibel-Streit und die Wissenschaft des Judentums

Vor 100 Jahren erschien „Die grosse Täuschung“ aus der Feder des Assyriologen Friedrich Delitzsch. Diese Publikation markiert den Endpunkt eines weit über die Grenzen der Wissenschaft hinausreichenden Konflikts zwischen der noch jungen Assyriologie und der Theologie. Die deutschen Orientalisten wollten sich nicht länger auf die Rolle der Vertreter einer alttestamentlichen Hilfswissenschaft reduziert sehen. Die philologische Erschließung der keilschriftlichen Überlieferung führte zu einer stetig wachsenden Kenntnis der Geschichte und der Kulturgeschichte des benachbarten Zweistromlands: Die Wissenschaft konnte nunmehr auf autochthone Zeugnisse zugreifen. Sie stellten das Paradigma der Einzigartigkeit der hebräischen Überlieferung in gewisser Weise in Frage. Es war nicht länger zu leugnen, dass vieles von dem, was wir in den hebräischen Texten lesen, schon Jahrhunderte zuvor im Zweistromland formuliert worden war. Öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr das Emanzipationsbemühen, das als „Babel-Bibel-Streit“ bekannt werden sollte, vor allem durch eine Reihe von öffentlichen Vorträgen, die Friedrich Delitzsch ab dem Jahr 1902 für die Deutsche Orient-Gesellschaft hielt. – Mit einer gewissen zeitlichen Distanz soll die Situation im frühen 20. Jahrhundert noch einmal betrachtet werden. Die versammelten Beiträge werden in vier Abschnitten präsentiert: Der erste, „Friedrich Delitzsch und der Babel-Bibel-Streit“, erhellt die Hintergründe und stellt die wissenschaftsgeschichtlichen Grundlagen der Auseinandersetzung vor. Im zweiten Abschnitt wird „Der politische und gesellschaftliche Rahmen“ der Kontroverse behandelt. Der dritte Abschnitt beleuchtet das schwierige Verhältnis von „Theologie und Wissenschaft des Judentums“. Der vierte Teil dokumentiert die Sonderausstellung „Der Babel-Bibel-Streit. Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900“ des Vorderasiatischen Museums Berlin. 100 years ago "Die grosse Täuschung" appeared from the pen of the Assyriologist Friedrich Delitzsch. This publication marks the end of a conflict between the still young Assyriology and the Theology that extends far beyond the boundaries of science. The German orientalists no longer wanted to see themselves reduced to the role of representatives of an Old Testament auxiliary science. The philological research of the cuneiform tradition led to a steadily growing knowledge of the history and the cultural history of the neighbouring Mesopotamia: Science was now able to access autochthonous evidence. These new sources questioned the paradigm of the uniqueness of the Hebrew tradition. It could no longer be denied that much of what we read in the Hebrew texts had been formulated in Mesopotamia centuries earlier. The attempt at emancipation, which was to become known as "Babel-Bible-Streit", attracted public attention, primarily through a series of public lectures that Friedrich Delitzsch held for the Deutsche Orient-Gesellschaft from 1902 onwards. – With a certain temporal distance, the situation in the early 20th century should be considered again. The collected contributions are presented in four sections: The first, “Friedrich Delitzsch und der Babel-Bibel-Streit”, sheds light on the background and presents the scientific-historical foundations of the dispute. The second section deals with “Der politische und gesellschaftliche Rahmen” of the controversy. The third section illuminates the difficult relationship between “Theologie und Wissenschaft des Judentums”. The fourth part documents the special exhibition “Der Babel-Bibel-Streit. Politik, Theologie und Wissenschaft um 1900” of the Vorderasiatisches Museum Berlin.