Sprachphilosophie (eBook)

Eine Einführung
eBook Download: PDF | EPUB
2014 | 1. Auflage
127 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-66979-8 (ISBN)
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Nur als sprachfähige Wesen sind wir personale Subjekte. Diese Einführung rückt die Sprachphilosophie daher ins Zentrum einer aufgeklärten Philosophie des Geistes, und zwar als sinnkritisches Selbstbewusstsein von Wissen und Wissenschaft. Sie erläutert die wichtigsten Beiträge aus der Geschichte dieser philosophischen Disziplin und macht den Leser mit den Themen und Techniken heutiger Sprachphilosophie bekannt, von der Frage nach der Rolle der formalen Logik über das Verhältnis von Sprache und Handlung bis hin zur modernen Grammatiktheorie.

Pirmin Stekeler-Weithofer ist Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Leipzig.

Pirmin Stekeler-Weithofer ist Professor für Theoretische Philosophie an der Universität Leipzig.

Cover 1
Titel 3
Impressum 4
Inhalt 5
Einleitung 7
I. Sprache und Bewusstsein 15
1. Das Innere der Seele 15
2. Sprache als Thema einer philosophischen Anthropologie 18
3. Was ist eine wahre Sprache? 22
4. Denken, Vorstellen und Sprechen 28
5. Wahrnehmung und Urteile 31
II. Die sprachlogische Wende in Freges Philosophie der Mathematik 34
1. Das Synthetische und Apriorische mathematischer Sätze 34
2. Mystifizierung und Entmythisierung mathematischen Denkens 37
3. Wahrheitswertlogische Definitionslehre für sortale Bereiche 38
4. Die Konstitution der Kleinkinderzahlen 41
5. Axiome als Rechenregeln und tiefenstrukturelle logische Formen 43
6. Illokutionärer Modus und Sprechhandlung 46
III. Wahrheit, empirische Möglichkeit und Notwendigkeit 52
1. Performator, Satzoperator und Prädikat 52
2. Modalitäten 54
3. Historische Aussagen 58
4. Situationsabhängige Notwendigkeit und Sätze als Situationsprädikate 62
5. Generische Sätze als materialbegriffliche Schlussregeln 64
6. Normen, Sätze, Regeln 68
IV. Bedingungen der Möglichkeit gehaltvoller empirischer Aussagen 69
1. Markierungen der Situationsabhängigkeit 69
2. Logik der Verben 72
3. Demonstrative Benennungen 74
4. Eigennamen und Kennzeichnungen 78
5. Präsuppositionen 80
6. Sachverhalte, Tatsachen und ihr Ausdruck im Satz 85
7. Titelwörter als Nennungen und Scheinnamen 87
V. Generische Inhalte 90
1. Kanonisierte Normalfallerwartungen 90
2. Fallible Allgemeinheit und gewissenhafte Kontrolle 95
3. Theorien und Sätze als differentiell bedingte Inferenzregeln 98
4. Kanonisierungen materialbegrifflicher Inferenzen 100
VI. Sprachliche Kommunikation und Kooperation 103
1. Formal- und Normalsprachenansatz 103
2. Die Plastizität der allgemeinen Ausdrucksbedeutung 107
3. Eigene und fremde Beurteilungen von Normerfüllungen 109
4. Sprache und Weltbild 110
VII. Grammatiktheorie 112
1. Syntaktische Formkompetenz 112
2. Erklärungen der Sprachkompetenz 114
3. Phänomenologie und theoretische Konstruktionen 117
4. Die Endlichkeit der unendlichen Formen 120
Literatur 123
1. Einführungen 123
2. Beiträge 123

I. Sprache und Bewusstsein


1. Das Innere der Seele


Dass es unser Verstand, unsere Vernunft, unser Denken oder unser Bewusstsein sei, das uns Menschen vom Tier unterscheidet, ist eine uralte Lehre. Aber wovon sprechen wir, wenn wir von der menschlichen Seele, dem atman des Menschen oder dem Ich sprechen? Was meinen wir, wenn wir von unserem Verstand, unserer Vernunft, unseren rationalen Fähigkeiten reden? Die Frage nach diesen Begriffen führt jeden, der nachdenkt, fast unmittelbar zu einem der wichtigsten Sonderthemen der Sprachphilosophie. Denn die logische Klärung dieser Begrifflichkeiten ist zentral für eine wirklich wissenschaftliche, und das heißt, sich ihrer Methoden der Darstellung von Wissen bewusste Anthropologie, Psychologie und Kognitionsforschung. Nur in einer begrifflich aufgeklärten Philosophie des Geistes kann aus bloßen Sammlungen empirischer Einzelkenntnisse über ‹intelligentes› Verhalten ein Wissen über unsere geistigen Fähigkeiten werden. Schon weil empirische Sachverhalte und sogar statistische Häufigkeiten sich rein zufällig ergeben können und daher jeder Einzelbericht über Historisches bloß erst als Anekdote zu werten ist, ist es eine irreführende Ausdrucksweise, wenn man sagt, die Sätze der Naturwissenschaft seien empirisch. Empirisch im engeren Sinn sind bloße Erzählungen a posteriori oder Aufzählungen von Daten. Empirisch sind auch einzelne Erwartungen, wie gut sie auch immer begründet sind. In der Wissenschaft formulieren wir aber allgemeine Aussagen, keine Berichte darüber, was einzelne Wissenschaftler empirisch wahrgenommen haben, und keine Prognosen, was bloß im Einzelfall geschehen wird. Die Theoreme sind als Ausdrücke für allgemeine Normalfallschlüsse unter entsprechenden Bedingungen zu lesen. Das heißt, wissenschaftliche Sätze artikulieren allgemein im Urteilen verwendbare Schlussformen. Theorien sind satzartige Beschreibungen von Modellen und anderen allgemeinen Orientierungshilfen. Sie sind nie rein schematisch zu gebrauchen, so wenig wie irgendeine Landkarte.

Eine zentrale Frage sprachphilosophischer Sinnanalyse, die in gewissem Sinn mit einer Logik im allgemeinsten Sinn des Wortes zusammenfällt, ist daher: Wie gelangen wir auf vernünftige Weise zu allgemeinen Wahrheiten? Die Frage ist wichtig, da diese Wahrheiten materialbegriffliche Voraussetzungen sinnvoller empirischer Aussagen sind. Sie leiten unser Schließen und Rechnen mit Möglichkeiten, auch in prognostischen Erwartungen. Denn wir verstehen empirische Aussagen nur, wenn wir schon wissen, wovon die Rede ist und was aus dem Gesagten normalerweise materialbegrifflich folgt. Sprachphilosophie wird hier zur Methode der sinnkritischen Analyse wissensbezogener Redeformen. Eine solche ist besonders wichtig für eine Aufhebung traditioneller Mystifizierungen unserer Rede über geistige Fähigkeiten, über geistige Inhalte und damit über uns selbst. Sie ermöglicht eine Kritik an der Überschätzung rein behavioraler, auch rein statistischer, erst recht bloß physiologischer Betrachtungsweisen von uns selbst. Die bloße Reaktion auf Wahrgenommenes ohne Urteil ist noch kein Wissen, keine Erkenntnis. Daraus ergibt sich eine Kritik an der naiven Unterstellung eines unmittelbaren Zugangs zur Welt. Dabei ist allgemeines Wissen von der Frage zu unterscheiden, was ein Einzelner über die Welt, dann aber auch über seine und unsere mentalen und schließlich unsere geistigen Eigenschaften, Fähigkeiten und Zustände weiß. Ein Einzelner kann nur wissen, was man wissen kann: Die Wahrheit seines Wissensanspruchs liegt nicht in seiner Macht, noch nicht einmal dessen allgemeine Anerkennbarkeit.

Mit der Frage nach der Wahrheit eng verbunden ist die ontologische Frage, was Natur, Welt und Wirklichkeit sind, also was wir mit diesen Titelwörtern begrifflich überschreiben. Wenn wir zum Wissen, Denken und Bewusstsein übergehen, fallen wir leicht auf die Metapher von einem Inneren herein, wie sie in unseren reflexionslogischen Reden praktisch überall auftritt. Indem man sie wörtlich nimmt, sucht man den Geist oder das Erkennen im Inneren des Leibes, heute vorzugsweise im Kopf, und identifiziert ihn sogar mit den Gehirnprozessen. Dabei lautet die wohl richtigere Antwort schon bei Heraklit, dass der Geist sich nicht in uns, sondern zwischen uns befindet – und dass das Besondere am menschlichen Bewusstsein und an seinen geistigen Fähigkeiten ganz eng mit der Sprachkompetenz zusammenhängt. Was dem Menschen als Geist oder daimōn erscheint, ist sein ēthos, sein charakteristisches soziales Benehmen und, beim Einzelnen, sein besonderer sozialpsychologischer Charakter, vermittelt durch Gewohnheiten. Wesentliches Moment des höheren Geistes, des Verstandes und der Vernunft, ist der logos, die Kompetenz des Erwerbs und der Beherrschung von Sprache.

Es ist selbstverständlich, dass das Gehirn gesund, also normal funktionsfähig sein muss, damit man geistige Fähigkeiten erwerben und erhalten kann. Doch die Untersuchungen der Normalfunktionen des neurophysiologischen Apparats liefern nur notwendige, noch keine hinreichenden Bedingungen des Denkvermögens und höheren Bewusstseins. Nur wenn wir mental und psychisch gesund sind, sind wir geistig gesund. Aber man kann auch ohne jeden neurophysiologischen oder mentalen Defekt geistig ‹verrückt› sein. Leibliche und psychologische Normalitäten sind keine hinreichenden Bedingungen für geistige Kompetenz – was man schon an Kaspar-Hauser-Fällen sehen kann. Kaspar Hauser konnte nicht sprechen und ebendeswegen vieles nicht verstehen. Es gibt vielerlei Arten kultureller, bildungsbezogener und ethischer Defekte, sogar im Kollektiv.

Zudem begann Platons Sokrates, die Schwierigkeiten unserer sprachlichen Artikulation geistiger Kompetenz zu erkennen. Er nennt dabei die Logik eines vernünftigen Dialogs «dialektikē technē». In dieser dialogischen Kunst entwickelt er unsere Fähigkeit, auf inhaltsrelevante Formen des richtigen Redens und Argumentierens zu achten. Dabei geraten immer mehr die Formen der Sprache in den Blick, wie sie auch schon der Herakliteer Kratylos thematisierte, wenn auch noch recht unvollkommen. Platon erkennt gegen die Rhetorik so genannter Sophisten, dass eingeschliffene Schemata des Urteilens und Folgerns in die Irre führen oder missbraucht werden können, wobei z.B. schon Parmenides auf das Prekäre der schematischen Unterstellung hingewiesen hatte, jeder Satz sei wahr oder falsch, ein Drittes gebe es nicht (‹tertium non datur›). Ein schönes Beispiel liefert die folgende Frage eines sophistischen Anwalts: «Hast du aufgehört, deine Frau zu schlagen, ja oder nein?» Solche «paradox» genannten Fälle gehen vorbei (para) an der normalen Meinung (doxa), man könne stets mit «ja» oder «nein» antworten. Der Befragte muss daher die Frage und damit das ‹Prinzip› des Neuen Testaments ‹Eure Rede sei Ja, Ja oder Nein, Nein› zurückweisen.

Viele rein syntaktisch wohlgebildeten Sätze erfüllen das Prinzip Tertium non datur nicht. Das heißt, es ist nicht so, dass sie oder ihre Verneinung (in jeder oder der relevanten Äußerungssituation) als wahr gelten können. Daher ist unbedingt zwischen einem bloß syntaktisch wohldefinierten Satz und einer semantisch wohldefinierten Aussage zu unterscheiden. Für Aussagen oder Propositionen muss also gelten, dass entweder sie selbst oder die negierte Aussage wahr ist. Ist das nicht der Fall, liegt ein Kategorienfehler vor. Solche Falschheiten nannte man früher unendlich falsch – Platon zeigt in seinem dem Parmenides gewidmeten Dialog viele Beispiele dafür. Es ist daher auch zu unterscheiden zwischen einem bloß phatischen Akt des reinen Sagens und einem schon rhetischen Akt des sinnvollen, gegebenenfalls behauptenden Aussagens, wie viel später John Longshaw Austin es nennen sollte. Aber schon Platons Dialektik erweist sich vor diesem Hintergrund als sinnkritische Reflexion auf Argumentationsschemata besonders des ‹indirekten Schließens›, also der ‹Begründung› einer Aussage durch Widerlegung des verneinten Satzes. So kann man z.B. aus der Falschheit des Satzes «Pegasus ist flügellos» nicht schließen, dass Pegasus Flügel hat und obendrein noch existiert.

2. Sprache als Thema einer philosophischen
Anthropologie


Die Sprache als Thema einer philosophischen Anthropologie tritt bei Aristoteles in besonders prägnanter Form auf. Der Mensch ist, wie Aristoteles einen Gedanken Heraklits in einer Art gnomischem Orakel oder philosophischem Merksatz zusammenfasst, dasjenige animalische Wesen, das Sprache besitzt. Das Wort «Tier» wäre hier irreführend, da es als Übersetzung des Wortes «bestia» in klarem Kontrast steht zum Begriff des Menschen. In der lateinischen Formel des «animal rationale» als Übersetzung von «zōon logon echōn» ist außerdem der explizite Bezug auf die Sprache verloren gegangen. Denn das Wort...

Erscheint lt. Verlag 29.10.2014
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Sprachphilosophie
Schlagworte Bewusstsein • Denken • Linguistik • Philosophie • Philosophiegeschichte • Semiotik • Sprache • Sprachkritik • Sprachphilosophie • Sprachwissenschaft
ISBN-10 3-406-66979-4 / 3406669794
ISBN-13 978-3-406-66979-8 / 9783406669798
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