Der Held – Jeder ist dazu geboren
opus magnum (Verlag)
978-3-939322-64-1 (ISBN)
Die Wege dieser hervorragenden Menschen zeigen bei aller Einzigartigkeit doch auch überraschende Gemeinsamkeiten, aus denen sich Vorbildliches für unser alltägliches Leben und für unseren Prozess der Selbst-Verwirklichung lernen lässt.
Dieses Buch ermutigt, der positiven heroischen Energie in uns zu vertrauen und uns von ihr dorthin führen zu lassen, wo unsere tiefste Sehnsucht ihre Erfüllung findet.
Dr. Lutz Müller, Stuttgart, Psychotherapeut, Autor
Inhalt
Der Held: Faszination und Gefahr
Der Weg ist das Ziel: Universale Aspekte des Heldenweges
Das heroische Kind in uns
Die Waffen des Helden: Wissen, Wagen, Wollen, Schweigen
Das Wunder des Schwertes und die Kraft der Entscheidung
Die Kunst der Schildführung
Die Berufung – Der Ruf der Stimme des Selbst
Das Finden des Krafttieres: Der Körper als Freund
Der Held und sein machtvoller Schattenbruder
Der Drachenkampf: Ins Zentrum der Angst vorstoßen
Stirb und Werde – Die zweimal Geborenen
Die Befreiung der Gefangenen – Schöpferisches Leben in Freiheit und Liebe
Quintessenz – Leitlinien für ein heroisches Leben
Das Heros-Prinzip im Überblick
Anmerkungen
Literatur
Der Held: Faszination und Gefahr Ich bin in einer unbekannten gebirgigen Gegend. Ich stehe auf der obersten Stufe einer in unendliche Tiefe führenden Treppe. Ich trage ein weißes, weites Gewand. Vorher muss ich irgendwie gewaschen, gereinigt worden sein. Neben mir steht eine ebenfalls weiß gekleidete Frau, die mich nach unten begleiten wird. Ich soll hingerichtet werden. Ich bin erst wie erstarrt, weine einen Augenblick verzweifelt, fasse mich dann und frage mich hilflos, wie ich diesen Weg wohl gehen soll. Die Frau erzählt, dass ich geköpft und zerstückelt werde. Ich habe dabei das Bild vor Augen, wie diese zerstückelten Teile von mir auseinander und wieder zusammen streben, so als würden sie von einem zentralen Punkt aus angezogen. Dann gehe ich den Weg, von dem ich den Eindruck habe, dass ihn schon viele andere Menschen vor mir gegangen sind. Das ist der Traum einer dreißigjährigen Frau aus der Anfangsphase ihres Selbstfindungsprozesses. Der Weg, von dem sie im Traum den Eindruck hat, dass ihn schon viele vor ihr gegangen sind, ist jener uralte Weg, den die Menschen schon immer gehen mussten, wenn sie sich und ihre Welt verändern wollten. Es ist der Weg der Individuation und des schöpferischen Lebens, es ist der Weg der Wandlung, der durch den Tod zu neuem Leben führt, es ist der Weg des Helden und der Heldin. Das Drama des heroischen Menschen, der den Mut hat, allen Widerständen und Ängsten zum Trotz, Gefahren zu bewältigen, in bisher unbekannte Bereiche vorzudringen und neue Erkenntnisse zu gewinnen, hat die Menschen aller Kulturen und aller Zeiten fasziniert wie kaum ein zweites Thema. Ob in den alten Mythen, Sagen und Märchen, ob in der Literatur und den Filmen der Gegenwart, in der Religion, der bildenden Kunst, der Geschichte, der Politik, der Wissenschaft, der Wirtschaft, dem Sport: Immer steht der Mensch im Mittelpunkt, der „es wagt“, der das Neue, Außergewöhnliche tut und es dabei riskiert, bis an die äußersten Grenzen zu gehen und sie zu überschreiten. Offenbar bilden sich in ihm die großen Hoffnungen und tiefen Sehnsüchte der Menschheit ab. Das heroische Prinzip findet sich aber nicht nur im Menschen, sondern auch in der Tier- und Pflanzenwelt bis weit zurück in die frühesten Anfänge der Evolution. Friedrich Schiller fragt: „Suchst du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend – das ist’s!“1 Dieses Zitat von Friedrich Schiller drückt die Essenz des Heroischen auf einfachste Weise aus. Was jede Pflanze, jeder kleinste Grashalm tun, wenn sie sich mit großer Geduld und Hartnäckigkeit durch die Erde ans Licht brechen, wenn sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ihre individuelle Eigen- und Einzigartigkeit zum Ausdruck und zur Verwirklichung bringen, darum geht es hier. Das Heroische im besten Sinne ist die vorantreibende, schöpferische Lebensenergie in uns, die sich verwirklichen will, diejenige Kraft, die bereit ist, den „Kampf ums Dasein“ aufzunehmen. Diese Kraft finden wir überall – zumindestens symbolisch angedeutet –im Universum und in der Natur, schon im „Urknall“, der Explosion und Expansion des Universums, im Such- und Neugierverhalten, Rivalitäts-, Imponier- und Paarungsverhalten der Tiere und Menschen, in unserem Körper, der in einem dauernden Kampf mit Krankheitserregern und schädlichen Stoffen liegt und sein Lebendigsein bewahren möchte. Unsere erste heroische Tat, unser erster und größter und alles entscheidender „Heldenkampf“ ist unser Wettlauf gegen Millionen anderer Spermien gewesen. „Wir“ haben vor all diesen vielen anderen Spermien unser Ziel erreicht, wir wurden von der weiblichen Eizelle (die selbst eine von vielen „Auserwählten“ aus der ursprünglichen Vielzahl vieler konkurrierender Eizellen ist) „auserkoren“, wir konnten mit ihr das „Mysterium coniunctionis“, das Geheimnis der Vereinigung der Gegensätze feiern. Alle, die wir dies geschafft haben, sind in gewissem Sinne Helden und Heldinnen, wir haben „bewiesen“, dass wir uns gegen eine übermächtige Konkurrenz durchsetzen konnten. Wir alle sind „winner“. Auch die Geburt selbst ist eine geradezu klassische heroische Stirb-und-Werde-Situation, sowohl für die Mutter als auch für das Kind, ein Heldenkampf aus dem bergenden, umhüllenden Gefängnis in die Freiheit, durch die Dunkelheit zum Licht. Und dann geht es erst recht heroisch weiter: Wir sind von allem Anfang an Wesen, die sich selbst nicht kennen und in eine unbekannte Welt hineingeboren werden. In unseren Genen tragen wir zwar die Essenz des ganzen Universums und des ganzen evolutionären Prozess, aber wir wissen nichts von unserer kosmischen Herkunft und Vergangenheit. Wir sind fast wie „Aliens“, Fremde aus dem Universum, die irgendwie auf dieser Erde gestrandet sind, nicht wissend woher wir kommen und wohin wir gehen. Im Heranwachsen müssen wir unzählige weitere heroische Leistungen vollbringen, unzählige Drachenkämpfe durchstehen. Wir müssen uns orientieren, bewegen, stehen, laufen lernen, wollen, trotzen, rivalisieren, kämpfen, aggressiv sein, erforschen, erobern, begehren, lernen, leisten, Rückschläge und Niederlagen erleiden, Angst, Scham und Schmerz aushalten, Prüfungen bestehen, erfolgreich sein, uns selbst behaupten. Wir fühlen uns dabei oft einsam, unverstanden und fremden Mächten hilflos ausgeliefert. Überall müssen wir die Unsicherheit und das Risiko des Lebens letztlich alleine tragen und dabei haben wir immer unseren Tod vor Augen. Wie könnten wir das alles, wenn es nicht die Kraft des Helden und der Heldin in uns gäbe, die uns Hoffnung, Zuversicht und Trost vermitteln? So ist das ganze Leben im Grunde eine kontinuierliche Heldenreise. Der Weg des Helden und die mit ihm verbundenen Ereignisse und Symbole sind uns eben deshalb so vertraut, weil sie das instinktiv von uns gewusste oder erahnte Muster des „richtigen und guten“ Lebensweges darstellen. Wir spüren es sehr deutlich und empfinden es als unbefriedigend, wenn uns eine Erzählung oder ein Film wesentliche Elemente des Heldenweges vorenthält. Beispielsweise haben wir meist große Schwierigkeiten damit, wenn die Hauptperson eines Stückes ein „Looser“, ein Verlierer, ist, der seine Aufgabe nicht erfüllt und scheitert. Noch schlimmer wird es, wenn der Held nicht das Wahre, Gute und Schöne vertritt, die Freiheit und die Gerechtigkeit, sondern die Täuschung, das Böse und Hässliche, oder wenn er sich am Ende als ein Übeltäter entpuppt. Unzufrieden sind wir auch, wenn der Held am Ende nicht die Erfüllung seiner Aufgabe erlebt – und sei es wenigstens im Sterben –, wenn er nicht seine Heldin bekommt oder nicht zumindest eine gewisse Hoffnung bleibt, dass sie sich finden werden. Das Ziel der Heldenreise ist immer auch die Erweiterung der Persönlichkeit, die Vereinigung mit dem anderen Geschlecht und das hoffnungsvolle Weiterleben des „Wahren, Guten und Schönen“, oft symbolisiert in dem aus der Vereinigung entstehenden Kind oder dem hinterlassenen schöpferischen Werk. Der positive Held fasziniert uns also so sehr, weil er die Wunsch- und Idealgestalt des guten, erfolgreichen Menschen schlechthin verkörpert. Er vertritt unsere ureigenste Sache, und deshalb identifizieren wir uns oft gern und leidenschaftlich mit ihm. In seinen Ängsten, Krisen und Gefahren, seinen Kämpfen, Siegen und Niederlagen, in seinem Ringen ums Überleben finden wir uns wieder. Er ist uns Trost in schweren Zeiten und macht uns Hoffnung, dass wir es dennoch schaffen können, dass wir nicht einem blinden Schicksal ausgeliefert sind, auch wenn alles noch so aussichtslos erscheint. Auch dient er uns als Vorbild. Meist lebt er uns reifere menschliche Werte und Tugenden vor, wie zum Beispiel Zivilcourage, Toleranz, Gerechtigkeit und uneigennütziges gesellschaftliches Engagement und erfüllt auf diese Weise eine sehr wichtige soziale Aufgabe. Unsere Identifizierung mit ihm ermutigt uns, diese Werte auch dann aufrecht zu erhalten, wenn wir keine Hoffnung mehr sehen und am liebsten resignieren möchten. Vor einiger Zeit sah ich einen jungen Helden auf der Straße „vorüberreiten“. Ein etwa zehnjähriger Junge jagte freihändig auf seinem Fahrrad den Bürgersteig entlang und machte reitende Bewegungen auf seinem Sattel. In der linken Hand hielt er einen imaginären Schild und mit der rechten schlug er mit einem imaginären Schwert – vermutlich hat es sich dabei um eines jener wunderbaren Zauberschwerter gehandelt, die unbesiegbar machen – erbittert auf einen ebenso imaginären Gegner ein. Dazu machte er entsprechende Kampfgeräusche, die das Klirren der Schwerter, das Kraftgestöhne und die Schmerzenslaute nachahmten. Er war so sehr in seinen heroischen Kampf verstrickt, dass er die anderen Menschen um sich herum nicht wahrnahm. Als ich ihn so sah, musste ich lachen. Er erinnerte mich an meine unzähligen gespielten und fantasierten Heldenschlachten, die ich in meiner Kindheit und Jugend und auch heute noch, wenn auch in sublimierter Form, durchfochten hatte: Wie ich jeweils in letzter Minute, von Fanfarenklängen und blendendem Licht umgeben, auf dem Kampfplatz erschienen war, dank meiner alles überragenden Fähigkeiten und Kräfte das Blatt noch zum Guten gewendet hatte und der Jubel der Menschen keine Grenzen kannte. Ich weiß auch, wie sehr ich diese Heldenkämpfe nötig hatte, wie sehr ich sie brauchte, um meine Unsicherheiten und Ängste zu überwinden, meine Kränkungen und Demütigungen auszuhalten und meine Wut abzureagieren. Hätte es das Bild des heroischen Siegers nicht schon gegeben, ich hätte es erfinden müssen. Der Held im besten Sinne repräsentiert den vorbildlichen schöpferischen Menschen, der den Mut hat, sich selbst, seinen Wünschen, Fantasien und eigenen Wertvorstellungen treu zu sein. Er wagt es, das Leben zu leben, anstatt vor ihm zu fliehen. Er überwindet die tiefsitzende Angst vor dem Fremden, Unbekannten und Neuen. Er schlägt Wege ein, die wir einerseits fürchten, andererseits insgeheim aber auch gerne gehen würden: Wege in verborgene, verbotene, schwer zugängliche Seinsbereiche, handele es sich dabei um fremde Länder oder ferne Galaxien, um unverstandene Naturvorgänge oder um die Dunkelheit unserer Seele. Indem er sich weder von den Warnungen der anderen Menschen, noch von seinen eigenen Ängsten und Schuldgefühlen von seinem Vorhaben abbringen lässt, offen und lernbereit ist, Konflikte, Frustrationen, Einsamkeit und Ablehnung auszuhalten vermag, gewinnt er neue Einsichten und vollzieht Handlungen, die nicht nur für ihn, sondern auch für die Gesellschaft von verändernder Kraft sind. Er stellt grundlegende Eigenschaften dar, die wir zur Lebensbewältigung und der schöpferischen Auseinandersetzung mit unserem Dasein benötigen. Sein Weg ist der Weg der Selbstverwirklichung. Warum aber erscheinen uns der Held und das Heldenhafte andererseits auch sehr suspekt? Bertolt Brecht lässt seinen Galileo Galilei auf den verzweifelten Ausruf seines Schülers Andrea: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat!“ skeptisch antworten: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“ Wie berechtigt dieser Skeptizismus Brechts ist, haben wir in der Menschheitsgeschichte oft genug erfahren, nämlich immer dann, wenn sich der Schatten des Heroisch-Übermenschlichen als blinder Größenwahn und missionarischer Eifer, als Unterdrückungs- und Machtgier, als Massenwahn und als Intoleranz, Grausamkeit und Gewalttätigkeit über Völker, Kulturen und die Erde legt und legte. Viele sogenannte „Helden“ vergangener Jahrhunderte und der Gegenwart sind wirklich nicht sehr überzeugend. Was sind das für Helden, die begeistert und freiwillig an den Massakern der vielen Kriege teilnahmen und immer noch teilnehmen; was sind das für Helden, die sich für religiöse Hass- und Wahnvorstellungen selbst und andere in die Luft sprengen; was sind das für sportliche Heroen, die für bessere Leistungen, die sich nur noch in Sekundenbruchteilen und Zentimetern messen lassen, bereit sind, sich und ihren Körper zu ruinieren; was sind das für Pioniere, die in Meere und Urwälder vordringen, um die Erde auszubeuten und die Umwelt rücksichtslos zerstören? Auch wenn es selbst in diesen Fällen einige durchaus edle und positive heroische Züge geben mag: solchen „Helden“ fehlt oft eine entscheidende Fähigkeit, die den positiven Helden auszeichnet: eine über das kollektive Denken hinausgehende Freiheit und Autonomie des Denkens und Handelns zum Wohle des Ganzen. Ob wir ohne das Vorbild des positiven heroischen Menschen auskommen können? Wo tragende, konstruktive Leitbilder abhanden kommen, machen sich oft Resignation, Sinnlosigkeit und Anarchismus breit. Politiker und Kirchenleute betonen zwar immer die Notwendigkeit neuer Lebenswerte, sind aber selbst kaum in der Lage, sie überzeugend zu formulieren, geschweige denn, sie vorzuleben. Meist verweisen sie lediglich auf Schlagworte wie Leistung und Erfolg, Fortschritt und Wachstum, Toleranz, Friede und Gerechtigkeit, die aber fragwürdig erscheinen, wenn wir uns vor Augen halten, auf welch widersinnige Weise sie realisiert werden und wie wenig sie sich selber daran halten. Wenn wir nun nicht länger auf den neuen Helden warten wollen, der uns die Rettung für unsere individuellen und kollektiven Probleme bringt, dann können wir versuchen, uns unserem eigenen inneren Helden zuzuwenden und ihm unsere Lebensorientierung anzuvertrauen. Die alten und neuen großen Erzählungen der Menschheit können dabei als erste Orientierung dienen, den Helden, zu dem wir geboren sind, zu entdecken und zu verwirklichen. Aber auch unsere Träume, Fantasien und Sehnsüchte führen uns zu ihm. In ihnen erleben wir die gleichen Heldenbilder und -symbole, die auch schon die Menschen frühester Zeiten erfahren und gestaltet haben. Die Bild- und Symbolsprache ist offenbar eine zeitlose Ur- und Universalsprache der Menschheit. Der Abstieg in die dunkle Tiefe zum Beispiel, um den es im anfangs wiedergegebenen Traum geht, ist eines der ältesten Helden- und Wandlungsmotive. In unzähligen Mythen und Märchen muss der Held oder die Heldin die Unterwelt oder das Reich der Toten aufsuchen, um eine wichtige Aufgabe zu lösen und einen neuen Lebenswert zu gewinnen. So wird schon vor mehr als viertausend Jahren von der babylonischen Göttin Ischtar berichtet, wie sie in die Hölle hinabsteigt, um ihren Sohn und Geliebten Tammuz zu finden, wie sie dort unten selbst den Tod erleidet, nach drei Tagen neu belebt wird und dann wieder zur Oberwelt aufsteigt. Sicherlich bedeutete dieses Mythologem dem damaligen Menschen etwas anderes als das obige Traumbild einer modernen Frau, aber hinter der äußeren kultur- und sozialgeschichtlichen Verschiedenartigkeit ist doch die einheitliche menschliche Grunderfahrung wahrzunehmen, nach der Reifungs- und Veränderungsvorgänge mit dem Erleben von Sterben und Tod verbunden sind. Dieses „Stirb und Werde“ scheint für all die verschiedenen Ebenen der menschlichen Existenz und Welterfahrung gültig zu sein. Für uns moderne Menschen bedeutet es häufig den Prozess der Individuation, bei dem wir uns auf unsere eigenen unbekannten seelischen Tiefen einlassen, auf das, was wir im Innersten wirklich fühlen, denken und wollen, auf unsere innere Wahrheit und Wirklichkeit. Wenn wir das leidenschaftlich und engagiert tun, dann werden wir den „Tod“ alter, unfruchtbarer Einstellungen, Werte, Anpassungshaltungen erfahren und nach einem Neuordnungsprozess mit einer gesünderen Haltung uns selbst und dem Leben gegenüber wieder zurückkehren. In dem eingangs geschilderten Traum wird die Auflösung einiger nicht mehr tragfähiger Persönlichkeitsstrukturen durch das uns sehr grausam erscheinende Motiv der Köpfung und Zerstückelung dargestellt. Dieses Motiv, das in anderen Zusammenhängen auf einen bedrohlichen Identitätsverlust hinweisen könnte, ist hier doch auch sehr ermutigend, weil es in einem rituellen Vollzug wie eine Initiation erscheint. Die Träumerin ist geschützt durch das Ritual die Waschung und Reinigung, durch die Begleitung der weißen Frau und durch den Hinweis, dass diesen Weg schon viele Menschen gehen mussten. Das alles weist darauf hin, dass es sich hierbei für die Träumerin weniger um einen krankhaften Vorgang als vielmehr um einen sehr notwendigen Wandlungsprozess handelt. Sehr bedeutsam ist auch, dass die Auflösung und Wiederzusammenfügung ihrer Persönlichkeit von einem anordnenden inneren Zentrum aus gesteuert wird. Es handelt sich dabei vermutlich um jenen regulierenden, schöpferischen Faktor unseres Organismus, den C. G. Jung das Selbst genannt hat. Damit deutet sich an, dass unser individuell begangener Heldenweg nicht nur zur Erfahrung unseres „wahren“ Selbst als unserer Wesensmitte führt, sondern zugleich auch vom Selbst gefordert und gelenkt wird. Aus diesem und vielen anderen Träumen wird auch deutlich, dass der Heldenweg nicht etwas typisch Männliches ist oder den Männern vorbehalten bliebe. Zwar sind vieler unserer typischen klassischen Heldengestalten männlichen Geschlechts, was auch – aber sicher nicht nur – mit der Einseitigkeit unserer patriarchalen Kultur zusammenhängt, aber die mit der Selbstfindung und dem schöpferischen Leben verbundenen Aufgaben und Probleme sind in gleicher oder zumindest ähnlicher Weise für den Mann wie für die Frau gültig. In dem Maße, in dem Mann und Frau über ihre biologischen Funktionen und Aufgaben hinauswachsen, verwischen sich die Unterschiede, und die Gemeinsamkeiten treten deutlicher zu Tage. Dies gilt ganz besonders für den kulturell-geistigen Bereich und den Individuationsweg. Um das zu zeigen, wird in den folgenden Kapiteln versucht, das Übergewicht des Männlichen in den klassischen Heldenmythen durch eine Mehrzahl von Frauenbildern und -träumen auszugleichen, die deutlich machen, dass nicht nur jeder Mann, sondern auch jede Frau für den Heldenweg geboren ist und zwar jeder und jede auf und seine und ihre individuelle einzigartige Art und Weise.
Erscheint lt. Verlag | 15.3.2013 |
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Zusatzinfo | 23 schw.-w. Abb. |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Maße | 155 x 220 mm |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Psychoanalyse / Tiefenpsychologie |
Schlagworte | Held • Heros • Individuation • Sehnsucht • Selbst-Findung • Selbst-Verwirklichung • Wünsche |
ISBN-10 | 3-939322-64-4 / 3939322644 |
ISBN-13 | 978-3-939322-64-1 / 9783939322641 |
Zustand | Neuware |
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