Paradoxien in der Reform der Schule (eBook)

Ergebnisse qualitativer Sozialforschung
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2008 | 2008
VII, 343 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-91053-6 (ISBN)

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Paradoxien in der Reform der Schule -
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Welches Potenzial kann aus den Schulreformprozessen der letzten 35 Jahre gewonnen werden? Unter dieser Fragestellung entwickeln die AutorInnen des Bandes neue Bausteine zu einer Theorie der Schule, zu Formen des Lernens, zu einer professionellen Arbeit der Lehrer, der biographischen Identitätsentwicklung von Schülern und Lehrern und zu den Paradoxien reformpädagogischer Praxis.




Dr. Georg Breidenstein ist Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Dr. Fritz Schütze ist Professor am Institut für Soziologie der Universität Magdeburg.

Dr. Georg Breidenstein ist Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dr. Fritz Schütze ist Professor am Institut für Soziologie der Universität Magdeburg.

Inhaltsverzeichnis 6
Überlegungen zum paradoxen Charakter von Schulreformprozessen – eine Einleitung 9
1. Grundlagen 24
Reformpädagogik und qualitative Schulforschung: Anwendungsgebiete, Risiken und Nebenwirkungen 25
Arbeitsbündnis, Schulkultur und Milieu – Reflexionen zu Grundlagen schulischer Bildungsprozesse 41
Zur Aktualität der klassischen Reformpädagogik 71
Auf dem Weg zum Mainstream? Integrative Schulen in Nordirland am Scheideweg. 93
2. Lernprozesse und neue Schulkultur 109
Ein befremdender Blick auf die Wochenplanarbeit – Lernprozesse im Anfangsunterricht aus der Perspektive von Schulanfängerinnen1 110
Der Klassenrat im Spannungsfeld von schulischer Autorität und Handlungsautonomie 123
Freiarbeit und Regelschule – ein Antagonismus? 137
Was ist schulisches Lernen? 157
3. Lehrerarbeit 173
Die Betreuung selbstständigen Lernens – vom Umgang mit Antinomien und Dilemmata 174
Das Wissen der Kinder über die Schule und ihr Lernen einbeziehen – Neuere Forschungen zur Leistungsbeurteilung 195
Probleme der Klassenlehrerarbeit in der Waldorfschule 210
‚Pflichtprojekte’ – Projektunterricht im Spannungsverhältnis zur Institution Schule 223
Lehrende in Schulreformprozessen. Eine Deutungsmusteranalyse. 238
Professionalitätsgestaltungen von Lehrerinnen und Lehrern und ihre Schulentwicklungskompetenz1 252
4. Schulbezogene biographische Prozesse 264
Das „schulbiographische Passungsverhältnis“ und seine Konsequenzen für Reformprozesse in der Schule 265
Die Öffnung der Schule als soziale Schließung – zum Zusammenhang von generationaler Ordnung und Lernen 287
Biographische Erfahrungen reformschulischer Entgrenzung – am Beispiel der Waldorfschule 302
Schulentwicklung im Transformationsprozess – Zum Verhältnis von Biographie und schulischen Reformprozessen 316
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 335

4. Schulbezogene biographische Prozesse (S. 275-276)

Rolf-Torsten Kramer

Das „schulbiographische Passungsverhältnis" und seine Konsequenzen für Reformprozesse in der Schule Der folgende Beitrag1 fragt nach der möglichen Bedeutung von Reformschulen und Schulreformen für die Schülerbiographie und umgekehrt nach dem Stellenwert der Schülerbiographie für Reformschulen und Schulreformen2. Eingebettet sind diese Fragen in allgemeine Überlegungen zum Wechselverhältnis zwischen Schule und Schülerbiographie, die ich auf der Grundlage von (Schüler-)Biographieanalysen und ihrer Vermittlung zu einer qualitativ-rekonstruktiv erschlossenen Schulkultur vorgelegt habe (Kramer 2002).

Das dabei entwickelte Modell der „schulbiographischen Passung" bildet den Bezugspunkt der weiteren Ausführungen. Dabei vertrete ich die These, dass gerade für Reformschulen und Schulreformen eine gesteigerte Relevanz der „schulbiographischen Passung" anzunehmen ist. Zu Beginn werde ich knapp verdeutlichen, warum der Blick auf die Biographie von Schülern für schulische Fragen sinnvoll ist. Im nächsten Schritt werden an einem Fallbeispiel Bezüge des Modells der „schulbiographischen Passung" illustriert und dieses Modell anschließend herausgearbeitet. Das Fallbeispiel und das darüber eingeführte Modell sind dabei noch nicht auf den Themenbereich der Reformschulen oder der Schulreform bezogen. Erst zum Abschluss meines Beitrages antworte ich auf die Frage, warum gerade für Reformschulen und Schulreformen die Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Schülerbiographie und Schule relevant wird.

1. Warum die Perspektive auf die Schülerbiographie?

Es mag zunächst irritieren, wenn man in Bezug auf Reformschulen und Schulreformen nach den Schülerbiographien fragt. Tatsächlich spielen Schülerbiographien in beiden zugehörigen Forschungsfeldern allenfalls eine marginale Rolle (vgl. Idel/Ullrich 2004, Wenzel 2004).4 Wenn schon Biographien relevant sein sollen und auch empirisch Beachtung finden, dann sind es die Biographien der Lehrer und der Schulleiter, die aufgrund ihrer biographischen Hintergründe eine je spezifische Spielart pädagogischer Professionalität ausbilden und darüber der Reformschule oder der Schulreform ihren je spezifischen Ausdruck verleihen (vgl. z. B. Fabel 2004, Kunze/Stelmaszyk 2004, Meister 2005, vgl. auch die Beiträge von Bennewitz und Wiezorek/Fabel-Lamla in diesem Band).

Nun könnte es gerade an dieser scheinbar fehlenden Relevanz der Schülerbiographie für die schulische Organisation und ihre Veränderung liegen, dass tatsächlich die Expansion biographieanalytischer Studien am Schüler vorbei zu gehen scheint (vgl. zum Stand der Schülerbiographieforschung Helsper/Stelmaszyk 1999, Helsper/Bertram 1999, Kramer 2002 und Helsper 2004). In der Perspektive der Schul- und Organisationstheorien scheint ja der Einfluss der Schüler auf ihre Schule und gar deren Entwicklung eher nebensächlich und damit zu vernachlässigen zu sein. Dass diese Einflüsse der Schülerbiographien auf Schule gegenüber denen der Lehrer, der Schulleiter oder der Schuladministration ungleich geringer sind, soll hier auch nicht bestritten werden.5 Dennoch lassen sich einige Studien aufzeigen, die auf wechselseitige Einflüsse von Schule und Schülerbiographie hinweisen. Erste Ansätze einer biographisch orientierten Schülerforschung liegen für Westdeutschland erst seit den 80er Jahren vor.

Herausgegriffen seien hier auf der einen Seite der qualitative Längsschnitt der „Arbeitsgruppe Schulforschung" zur biographischen Verarbeitung von Schulerfolg und Schulversagen und auf der anderen Seite das Essener Jugendforschungsprojekt zum Zusammenhang von Selbstkrise und Schule. Die „Arbeitsgruppe Schulforschung" (1980) um Hurrelmann u.a. fragte erstmals mit einem offenen qualitativen Forschungsdesign nach den Realitätsinterpretationen, Situationsdeutungen und Wissenselementen, die Schüler in latente Abstimmungsprozesse mit der Schule einbringen und darin entwickeln. Neu und bedeutsam war an dieser Studie, dass man Schule als in Aushandlungsprozessen konstituiert und veränderbar auffasste und damit biographische Kontexte an Gewicht für die Analyse schulischer Bildungsverläufe gewannen.

Erscheint lt. Verlag 8.9.2008
Reihe/Serie Studien zur Schul- und Bildungsforschung
Studien zur Schul- und Bildungsforschung
Zusatzinfo VII, 343 S.
Verlagsort Wiesbaden
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Sozialwissenschaften Pädagogik Bildungstheorie
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Erziehung • Erziehungswissenschaft • Lehrerarbeit • Lernen • Reformpädagogik • Reformschule • Reformschulen • Schule • Schulentwicklung • Schulforschung • Schulkultur • Schulreform • Waldorfschule
ISBN-10 3-531-91053-1 / 3531910531
ISBN-13 978-3-531-91053-6 / 9783531910536
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