Kritik des Neoliberalismus (eBook)

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2008 | 2. Aufl. 2008
IX, 291 Seiten
VS Verlag für Sozialwissenschaften
978-3-531-90932-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kritik des Neoliberalismus - Christoph Butterwegge, Bettina Lösch, Ralf Ptak
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Keine andere Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie beherrscht die Tagespolitik, aber auch die Medienöffentlichkeit und das Alltagsbewusstsein von Millionen Menschen fast auf der ganzen Welt so stark wie die neoliberale. Die Publikation versteht sich als kritische Einführung in den Neoliberalismus, skizziert seine ökonomischen Grundlagen und stellt verschiedene Denkschulen vor. Anschließend werden die Folgen neoliberaler Politik für Sozialstaat und Demokratie behandelt, etwa im Hinblick auf Maßnahmen zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen, staatlicher Aufgaben und persönlicher Lebensrisiken. Das Buch richtet sich an Leser/innen, die nach Informationen über den Neoliberalismus, guten Argumenten für die Debatte darüber und gesellschaftspolitischen Alternativen suchen.

Prof. Dr. Christoph Butterwegge, Dr. Bettina Lösch und Dr. Ralf Ptak sind als Sozial-, Politik- bzw. Wirtschaftswissenschaftler an der Universität zu Köln tätig.

Prof. Dr. Christoph Butterwegge, Dr. Bettina Lösch und Dr. Ralf Ptak sind als Sozial-, Politik- bzw. Wirtschaftswissenschaftler an der Universität zu Köln tätig.

Inhalt 5
Einleitung 11
Grundlagen des Neoliberalismus 13
1. Die Ursprünge des Neoliberalismus 15
1.1 Die Weltwirtschaftskrise 1929/32 als Geburtsstunde des Neoliberalismus 16
1.2 Erste Formierungen des Neoliberalismus 19
1.3 Das neoliberale Selbstverständnis 22
2. Markt, Staat und Wettbewerb in der neoliberalen Theorie 26
2.1 Klassischer Wirtschaftsliberalismus, Neoklassik und Neoliberalismus 27
2.2 Antrieb und Steuerung der Gesellschaft: Markt, Staat und Wettbewerb 32
3. Gesellschaft und Menschenbild im Neoliberalismus 50
3.1 Der Mensch als Objekt der Geschichte: Hayeks Theorie der kulturellen Evolution 53
3.2 Vom Niedergang liberaler Grundwerte: Individualismus und Freiheit 58
3.3 Das neoliberale Leitbild der Gesellschaft: Eindämmung des Interventionsstaates, Begrenzung der Demokratie und Diskreditierung der sozialen Gerechtigkeit 66
4. Der Neoliberalismus als Projekt der politischen Praxis 73
4.1 Strategie und Taktik zur Durchsetzung des neoliberalen Projekts 75
4.2 Entwicklungsphasen des Neoliberalismus 81
Privatisierung und Liberalisierung – Strategien zur Selbstentmachtung des öffentlichen Sektors 87
1. Ein Kernpunkt des neoliberalen Projekts: das Privateigentum als Basis menschlichen Daseins 88
1.1 Begriff und Bedeutung des Eigentums 88
1.2 Öffentliche, private, positionelle und Allmendegüter 93
2. Die neoliberale Kritik an öffentlichem Eigentum und staatlicher Wirtschaftstätigkeit 97
2.1 Erklärungsansätze für die Umgestaltung des Staates 97
2.2 Unzulänglichkeiten der herkömmlichen Effizienzargumentation 100
3. Politische Voraussetzungen, Strategien und Instrumente der Privatisierung 103
3.1 Der Rückzug des Staates und die Neuformulierung staatlicher Kernaufgaben 103
3.2 Verschiedene Grade der Privatisierung 105
3.3 Die Privatisierung öffentlicher Unternehmen – ahistorisch, kurzsichtig und eindimensional 107
3.4 Cross Border Leasing und Public Private Partnership 112
4. Wegbereiter der Privatisierung: EU-Richtlinien, GATS und TRIPS 116
4.1 Schaffung und Auswirkungen des EU-Binnenmarktes 117
4.2 Die Rechtsordnung der WTO als global wirkende Keimzelle von Privatisierungen 120
4.3 Eine konzertierte Aktion 124
5. Abkehr von einst ehernen demokratischen und sozialstaatlichen Prinzipien 124
5.1 Die Entstaatlichung der Daseinsvorsorge 125
5.2 Die Notwendigkeit staatlicher Regulierung 126
5.3 Die Unterminierung des verfassungsrechtlich verankerten Sozialstaatsgebotes 129
5.4 Die Übertragung der Gestaltungsmöglichkeiten vom öffentlichen in den privaten Raum 131
5.5 Versuche zur Popularisierung von Privatisierungen 132
Rechtfertigung, Maßnahmen und Folgen einer neoliberalen ( Sozial-) Politik 135
1. Sozialstaatskritik, Diskursstrategien und Legitimationstechniken des Neoliberalismus 136
1.1 Grundlinien neoliberaler Sozialstaatskritik 136
1.2 Die ideologische Legitimation der Transformation des Sozialstaates 143
1.3 Die Erosion des Gerechtigkeitsbegriffs 154
2. Institutionelle bzw. Strukturveränderungen: Wohlfahrtsstaat und Staatsordnung im Umbruch 171
2.1 Entstehungsgeschichte, politische Hintergründe und konzeptionelle Grundlagen der Sozialreformen 171
2.2 Strukturprinzipien und Funktionsmechanismen eines nach neoliberalen Grundsätzen „ reformierten“ Gemeinwesens 175
2.3 Wettbewerbsföderalismus und Föderalismusreform 202
3. Folgen des Wettbewerbswahns: Spaltung der Gesellschaft, soziale Exklusion und allgemeine Destabilisierung 209
3.1 Die soziale Polarisierung, Pauperisierung und Prekarisierung 209
3.2 Die sozialräumliche Segmentierung: Peripherisierung ländlicher Regionen, Zerfall der Städte und Marginalisierung bestimmter Quartiere 212
3.3 Entsolidarisierung, Ethnisierung und Entdemokratisierung 215
Die neoliberale Hegemonie als Gefahr für die Demokratie 221
1. Vom Elend der Politik im Neoliberalismus: Demokratie als Funktion der Ökonomie 222
1.1 Neoliberale Grundannahmen im Hinblick auf die Demokratie 222
1.2 Neoliberale Gegenmodelle: ein Rat der Weisen oder individualistische Tausch- und Vertragsverhältnisse 234
1.3 Weniger – statt: mehr – Demokratie als neoliberale Maxime 236
2. Die Demontage liberaler Demokratie im Zeichen der neoliberalen Hegemonie 240
2.1 Wechselbeziehungen zwischen Marktwirtschaft und Demokratie 240
2.2 Vom demokratisch „gezähmten“ zum entfesselten Kapitalismus 244
3. Neoliberale Globalisierung: neue politische Akteure und die Privatisierung von Politik 250
3.1 Die neoliberale Modernisierung als Motor der Entdemokratisierung 251
3.2 Global Governance als sozialdemokratisches Gegenprojekt zur neoliberalen Politik? 257
3.3 Demokratiedefizite internationaler Organisationen 262
3.4 Die Krise der liberalen Demokratie – eine postdemokratische Phase? 264
4. Die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung neoliberaler Politik 266
4.1 Der Mythos der zivilen Gesellschaft als herrschafts- und machtfreier Raum 267
4.2 Neoliberale Akteure der „zivilen“ Gesellschaft: „think tanks“, Reforminitiativen und Lobbyorganisationen 273
4.3 Politische Beratung ohne Öffentlichkeit: Privatisierung von Politik 279
Abkürzungsverzeichnis 285
Literaturauswahl 291

Grundlagen des Neoliberalismus (S. 13)

Ralf Ptak

Zweifellos ist „Neoliberalismus" einer der schillerndsten Begriffe unserer Zeit. In der internationalen Diskussion steht er für die Kritik und das Unbehagen gegenüber einer entwurzelten Ökonomie im globalen Maßstab. Diese negative Deutung ist noch ein relativ junges Phänomen, obwohl der Neoliberalismus auf eine 70-jährige Geschichte zurückblicken kann. Zwar diskutierte man schon in der „alten" Bundesrepublik während der 50erund 60er-Jahre über die marktoptimistischen Positionen der neoliberalen Stichwortgeber von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard.

Auch das neoliberale Wirtschaftsprogramm des chilenischen Diktators Augusto Pinochet fand zusammen mit seiner „Verfassung der Freiheit" um die Mitte der 1970er-Jahre internationale Beachtung. Formuliert hatten es die „Chicago- Boys", eine Gruppe radikaler neoliberaler Wirtschaftswissenschaftler um den Nobelpreisträger Milton Friedman an der Universität in Chicago, die das lateinamerikanische Land unter diktatorischen Bedingungen zum ersten realen Großversuch des Neoliberalismus werden ließen. Gleichwohl blieb der Neoliberalismus damals im Kern ein Spezialthema wenig einflussreicher akademischer Zirkel.

Das änderte sich in den 90er-Jahren, als die Folgen jenes internationalen Politikwechsels offen zutage traten, der zu Beginn der 70er-Jahre eingeleitet worden war. Die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Flexibilisierung der Wechselkurse der nationalen Währungen, die Intensivierung des Freihandels, der massive Rückbau der Sozialstaaten sowie eine Wirtschaftspolitik, die auf die einseitige Verbesserung der Angebotsbedingungen von Unternehmen zielt, hatten die Konturen einer neuen Wirtschafts- und Sozial( un)ordnung geformt und sichtbar werden lassen.

Überall auf der Welt waren und sind die Auswirkungen des neuen Paradigmas zu spüren – wenngleich in unterschiedlicher Qualität und Quantität. Mit der neoliberalen Globalisierung vollzog sich insofern nicht nur eine Verallgemeinerung der sozialen und ökonomischen Probleme, sondern auch eine Internationalisierung der Diskussionen über die Ursachen dieser Neuordnung der Welt. Am Ende des 20. Jahrhunderts avancierte der Neoliberalismus zur dominanten Ideologie des Kapitalismus, deren Leitsätze international den Referenzrahmen für die Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik vorgeben.

Dabei ist der Machtanspruch des Neoliberalismus total und universell – total im Sinne einer umfassenden Entpolitisierung des Gesellschaftlichen und universell im Hinblick auf seinen globalen Geltungsanspruch. Wider diese Totalität hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt eine breite internationale Bewegung gegen das Vordringen neoliberaler Politiken formiert – der Neoliberalismus wurde zum negativen Inbegriff des entfesselten, global agierenden Kapitalismus.

Für die Gegner der Kritiker, etwa den Leiter des Wirtschaftsressorts der Zeit, Uwe Jean Heuser, ist deshalb „der Begriff des Neoliberalen (...) hoffnungslos politisiert und seiner ursprünglichen Bedeutung entfremdet" worden.2 In seiner als „Einführung" ausgegebenen Verteidigung des Neoliberalismus spricht Gerhard Willke gar vom „Elend der Neoliberalismuskritik", um diese als völlig unangemessen erscheinen zu lassen.3 Tatsächlich hat die Popularisierung des Begriffs „Neoliberalismus" diesen zu einem politischen Schlagwort werden lassen, dem heute verschiedenste Bedeutungen zugewiesen werden.

Die einen sehen darin eine rein ideologische Bewegung, andere verstehen darunter ausschließlich die expansionistische Politik der US-amerikanischen Supermacht, und wieder andere erkennen im Neoliberalismus einen allgemeinen Trend zur Ökonomisierung der Gesellschaft. Diese Bedeutungsvielfalt ist allerdings charakteristisch für ein politisches Schlagwort und sagt zunächst nichts über die Qualität der Kritik am Neoliberalismus aus, wie dessen Verteidiger suggerieren wollen. Sie kennzeichnet auch andere Schlüsselbegriffe, z. B. die „Soziale Marktwirtschaft", welche ihrem theoretischen Ursprung nach ein Konzept des deutschen Neoliberalismus der 1940er-Jahre war und heute im Bewusstsein der Bevölkerung mit unterschiedlichsten wohlfahrtsstaatlichen Arrangements verbunden wird.

Erscheint lt. Verlag 10.5.2008
Co-Autor Tim Engartner
Zusatzinfo IX, 291 S.
Verlagsort Wiesbaden
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Arbeits- und Organisationspsychologie
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Demokratie • Deutschland • Gesellschaft • Globalisierung • Kapitalismus • Liberalismus • Media research • Medienöffentlichkeit • Neoliberalismus • Politik • Sozialstaat • Staat
ISBN-10 3-531-90932-0 / 3531909320
ISBN-13 978-3-531-90932-5 / 9783531909325
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