Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen -  Olaolu Fajembola,  Tebogo Nimindé-Dundadengar

Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen (eBook)

Mit Kindern über Diskriminierungen sprechen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
284 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-86794-0 (ISBN)
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Es gibt viele Wege, Kinder zu diskriminieren - und jeder einzelne verletzt, untergräbt ihr Selbstwertgefühl und verhindert, dass sie ihr Potenzial ausschöpfen können. Ob Diskriminierung von mehrgewichtigen, queeren, behinderten, armen Menschen oder Rassismus gegen asiatische, jüdische, muslimische, Schwarze Menschen sowie Romnja und Sintizze: In diesem Buch verraten die Autorinnen - zusammen mit den Expert:innen Raúl Krauthausen, Melodie Michelberger und vielen anderen - Eltern, wie sie Kinder und Jugendliche für Vorurteile, Abwertung und Ausgrenzung sensibilisieren und sie davor schützen können. Mit zahlreichen Tipps zu hilfreichen Büchern, Medien und Spielen sowie Hinweisen, die Eltern und andere Erwachsene unterstützen, schwierige Gespräche zu führen und auch in belastenden Situationen angemessen zu reagieren. »Wir hoffen, dass dieses Buch dir dabei helfen wird, junge Menschen dazu zu ermutigen, aktiv an einer gerechteren und inklusiveren Welt mitzuwirken. Lasst uns gemeinsam die nächste Generation empowern!« Olaolu Fajembola und Tebogo Nimindé-Dundadengar Unter Mitwirkung von Ozan Zakariya Keskink?l?ç, Toan Quoc Nguyen, Tayo Awosusi-Onutor, Tanya Raab, Max Appenroth, Melodie Michelberger, Raúl Krauthausen, Tanja Abou.

Olaolu Fajembola wurde 1980 in Süddeutschland geboren. Sie ist Kulturwissenschaftlerin, arbeitete bei der Berlinale und gründete zusammen mit Tebogo Nimindé-Dundadengar den erfolgreichen Onlineshop Tebalou, der Spielwaren für Kinder in einer diversen Gesellschaft anbietet. 2019 wurde die beiden mit dem Kreativpiloten-Preis der Bundesregerung ausgezeichnet. Außerdem sind sie wichtige Stimmen in der diversitätssensiblen und rassismuskritischen frühkindlichen Bildung; ihre Anti-Rassismus-Trainings für Kinder und Erwachsene erfahren besonders in Kitas starke Nachfrage. 2016 erschien Olaolu Fajembolas erstes Buch »Afro Kids«. 2021 wurde sie im FOCUS als eine der 100 Frauen des Jahres 2021 gekürt. Mit ihrer Familie lebt Olaolu Fajembola in Berlin.

Diskriminierung hat viele Gesichter


Bevor wir zu den einzelnen Ausprägungen von Diskriminierung kommen, denen unsere Kinder in ihrem täglichen Leben begegnen, ein paar grundsätzliche Gedanken und Begrifflichkeiten vorab. Was genau ist Diskriminierung? Was bewirkt sie? Und: Welche Rollen können wir Erwachsenen einnehmen, um unsere Kinder bestmöglich vor Diskriminierung zu schützen?

Diskriminierungen sind Verhaltensweisen, durch die andere Menschen ganz konkret in ihren Grundrechten, in ihrem Recht auf Chancengleichheit, Gleichbehandlung und Unversehrtheit verletzt werden. Sie untergraben die Gleichberechtigung und schaden Menschen seelisch, mental oder geistig und körperlich.

Zusätzlich zu den in unserem Buch behandelten Diskriminierungsformen gibt es noch weitere, unter anderem machtstrukturelle Diskriminierungen. Diese sind vielfältig und vielschichtig. Sie treten meist nicht einzeln auf, sondern wirken intersektional miteinander. Weil wir uns in unserem Buch konzentrieren wollten, entschieden wir uns letztlich für die Diskriminierungsformen, um die sich die meisten Rückmeldungen und Rückfragen drehen, wenn wir uns in Workshops, bei Vorträgen oder auch im privaten Bereich mit dem Thema beschäftigen. Wir entschieden uns zur Auseinandersetzung mit folgenden Diskriminierungsformen: Rassismus (in verschiedenen Ausprägungen und Varianten), Körperbeschämung, Klassismus, Ableismus und Diskriminierung im Hinblick auf geschlechtliche Vielfalt.

Gerade mit dem Fokus auf Kinder zeigte sich häufig die Wirkungsmächtigkeit dieser Diskriminierungsformen. Sie untergraben ihr Selbstwertgefühl und ihre Selbstwirksamkeit und verhindern, dass sie ihr Potenzial ausschöpfen können – was fatale Konsequenzen für ihr ganzes Leben haben kann.

Hier können erwachsene Begleitpersonen, die sich mit diesen Dimensionen beschäftigen, wirkungsvoll eingreifen und schützend entgegenwirken. Dies kann einerseits dazu führen, dass Kinder sich der diskriminierenden Struktur bewusst werden und verstehen, dass diese nur das Ziel hat, sie zu verunsichern, ihnen Lügen ins Ohr zu flüstern und sie zu verletzen (und natürlich auch ganz konkret Chancen zu rauben, Türen zu verschließen und ihnen viel mehr Kraft abzuverlangen als anderen). Es soll ihnen aber auch erklären, warum sie immer wieder auf bestimmte Fragen, Blicke und Projektionen stoßen. Und vor allem geht es darum, Kindern den Blick auf sich selbst zu ermöglichen. Dieser Prozess des Empowerments zielt insbesondere darauf ab, die Selbstwirksamkeit der Kinder zu erhöhen und sie zum Zentrum ihrer eigenen Bewertung zu machen. Denn alle Kinder sollen erfahren, dass sie, so wie sie sind, ganz wunderbar sind.

Feine Unterschiede: Verletzung vs. Diskriminierung


In Gesprächen über diskriminierende oder andere abwertende Erfahrungen erlebten wir immer wieder, dass es zu einer Vermischung kam bzw. die Abgrenzung beider durchaus unschönen Erfahrungen unklar war. »Ich wurde früher auch immer wieder wegen meiner Brille gehänselt.« Einige Menschen bewerten ihre persönlichen Verletzungen, etwa durch Hänseleien ob ihrer roten Haare, als Diskriminierung und betonen, dadurch traumatisiert worden zu sein. Wir möchten hier keineswegs die Erfahrung dieser Verletzungen abwerten oder den dabei erlittenen Schmerz kleinreden. Trotzdem möchten wir die Gelegenheit nutzen, die strukturelle und inhaltliche Differenz zwischen den beiden Begriffen herauszuarbeiten.

Eine Verletzung findet durch auf individueller Ebene stattfindende Äußerungen oder Handlungen statt, die die Rechte und die Würde eines Menschen herabsetzen. Diese Verletzung kann selbstverständlich Auswirkungen auf das emotionale, psychische oder körperliche Wohlbefinden des Einzelnen haben. Kontinuierliche Herabwürdigungen können dazu führen, dass die Person in ihrem Selbstwert verletzt wird. Und es ist schrecklich, wenn das passiert. Doch dabei handelt es sich nicht um eine Diskriminierung. Sich dies klarzumachen, ist wichtig.

Bei einer Diskriminierung werden Menschen auf der Basis bestimmter Merkmale wie Hautfarbe, Geschlecht, Gewicht, Religion, Herkunft etc. bei gleichen Bedingungen schlechter behandelt. Das kann bedeuten, dass Menschen aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft auf dem Wohnungsmarkt oder dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden. Andere Personen oder Gruppen sehen sich beispielsweise mit unverhältnismäßig hohen Hürden in ihrer Bildungsbiographie konfrontiert. Es gibt auch immer wieder Berichte von Männern of Color, denen wegen ihres Aussehens der Zugang in Clubs verweigert wird. Diese (rassistische) Verletzung verläuft auf einer strukturellen, systemischen Ebene. Eine Diskriminierungserfahrung raubt den Beteiligten die Möglichkeit, gleichberechtigt ihre Rechte auszuüben. Dies verstößt gegen Artikel 1 der Erklärung der Menschenrechte: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.«1

Verletzungen und Diskriminierungen mögen auf der individuellen Ebene ähnliche Dimensionen der Verletzungen haben. Da aber Diskriminierungen eine strukturelle, systemische und vor allem historische Dimension haben, kann sich die dadurch benachteiligte Person dieser Erfahrung nicht entziehen. Darin zeigt sich die Wirkmacht von Diskriminierung und wie wichtig es ist, gegenwärtige Verstrickungen zu verstehen.

Mag ich wegen meiner Brille oder meiner Haare kontinuierlich verletzt worden sein, so erfahre ich keine strukturelle Benachteiligung aufgrund dessen. Weder werde ich deswegen schlechter bezahlt, noch wird mir darum eine Wohnung verwehrt. Diskriminierungen hingegen wirken sich systemisch und strukturell auf das Leben der betroffenen Menschen aus.

Wie Kinder Diskriminierung erlernen


In unserem ersten Buch Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen haben wir beschrieben, wie früh Kinder Differenzen, Stereotypen und Vorurteile in Bezug auf Rassismus erlernen. Bereits im Alter von drei bis sechs Monaten erkennen sie phänotypische Unterschiede zwischen Menschen.2 Im Alter von drei bis fünf Jahren haben Kinder alle gesellschaftlich vorherrschenden Vorurteile erlernt. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der Doll-Test3 des Psychologenpaars Mamie und Kenneth Clark aus den 1940er-Jahren, den wir später im Buch noch erläutern. Dass Kinder rassistisches Verhalten ausschließlich von ihren Eltern übernehmen, widerlegt Linda Christensen in ihrem Beitrag Unlearning the Myths that Bind Us.4 Darin beschreibt sie, wie unter anderem durch Serien und Bücher Dominanz, Vorurteile und Diskriminierung gelehrt werden.

Das frühe Wahrnehmen von Differenzen ist zunächst unproblematisch und ist ein wichtiger Entwicklungsschritt. Problematisch ist erst die negative Bewertung dieser Differenzen, die in Stereotypen und Vorurteilen gipfelt. Diese Art des Erlernens problematischer Beurteilungsschemata bezieht sich jedoch nicht nur auf Rassismus. Auch bei anderen Diskriminierungsformen lernen Kinder früh und schnell, was als gesellschaftskonform gilt: Wer wird in unserer Gesellschaft als schön, kompetent und wertvoll angesehen und wer eben nicht?

Wie solche Ideen schon früh in die Vorstellungen von Kindern gelangen, wollen wir anhand von vier kurzen Beispielen vor Augen führen.

Mädchen, Junge, Menschenskind


Kaufen wir ein Geschenk für ein Kind, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dessen Geschlecht die Wahl des Spielzeugs mitbeeinflusst. Immerhin wird uns die Aufteilung in Spielzeug für Jungs einerseits und Mädchen andererseits in den meisten Kaufhäusern bereits vorgegeben. Ohne böse Absicht senden wir damit Botschaften an das zu beschenkende Kind und alle Beobachter*innen: Mädchen und Jungen interessieren sich angeblich jeweils nur für spezifische Themen, die Präferenz für bestimmte Farben sei je nach Geschlecht unterschiedlich. Dieses eine Spielzeug wird ein Kind nicht in dem freien Ausdruck seiner Individualität einschränken. Diese und ähnliche Botschaften prasseln...

Erscheint lt. Verlag 6.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
ISBN-10 3-407-86794-8 / 3407867948
ISBN-13 978-3-407-86794-0 / 9783407867940
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