Zwänge verstehen und überwinden (eBook)

Einblick in ein Leben mit einer Zwangserkrankung
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
248 Seiten
Trias (Verlag)
978-3-432-11396-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwänge verstehen und überwinden -  Lisa Rhomberg
Systemvoraussetzungen
20,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
<p><strong>Einsicht - ist ein erster Schritt</strong><br />Ist die Tür abgeschlossen? Sind die Hände wirklich sauber? Viele von uns kennen den Drang, die verriegelte Tür nachzuprüfen, die Hände wiederholt zu waschen. Aber was ist normal, und wann ist ein Drang ein Symptom der Zwangserkrankung? Die Grenze ist schmal, der Übergang von gesund zu zwanghaft verläuft schleichend. Genauso schleichend breitet sich die Erkrankung aus, bis man feststellt: Ich bin gefangen im Zwang.</p> <p><br />Lisa Rhomberg gibt authentisch Einblick in ihre Gefühlswelt und zeigt, wie Zwänge erlebt werden. Gleichzeitig vermittelt sie fachliches Wissen rund um die Zwangserkrankung, klärt über die Tücken der Krankheit auf und stellt wirksame Behandlungsmöglichkeiten vor. Werden Zwangserkrankungen frühzeitiger erkannt, eingesehen und behandelt, können lange Leidenswege und soziale Spannungen abgefangen werden.</p> <p> </p>

Lisa Rhomberg, geb. 1988, lebt in Österreich. Sie ist Absolventin des Masterstudiengangs International Marketing & Sales. Um ihr Studium abzuschließen und nebenbei ihre Sozialkontakte zu pflegen hat sie einiges in Kauf genommen: Lisa ist seit ihrer Kindheit mit Kopfschmerzen und Zwängen konfrontiert. Erkannt wird die Zwangserkrankung erst Jahre später, da der Leidensdruck bereits enorm ist. Seither nimmt sie Hilfe dankend an und arbeitet in kognitiv verhaltenstherapeutischer und psychiatrischer Begleitung am schrittweisen Abbau der Zwänge. Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse hält sie fest: Vielleicht kann ich aus dem Unschönen auch etwas Schönes machen, vielleicht kann ich dem ein oder anderen einen langen Leidensweg ersparen.

Lisa Rhomberg, geb. 1988, lebt in Österreich. Sie ist Absolventin des Masterstudiengangs International Marketing & Sales. Um ihr Studium abzuschließen und nebenbei ihre Sozialkontakte zu pflegen hat sie einiges in Kauf genommen: Lisa ist seit ihrer Kindheit mit Kopfschmerzen und Zwängen konfrontiert. Erkannt wird die Zwangserkrankung erst Jahre später, da der Leidensdruck bereits enorm ist. Seither nimmt sie Hilfe dankend an und arbeitet in kognitiv verhaltenstherapeutischer und psychiatrischer Begleitung am schrittweisen Abbau der Zwänge. Ihre Erfahrungen und Erkenntnisse hält sie fest: Vielleicht kann ich aus dem Unschönen auch etwas Schönes machen, vielleicht kann ich dem ein oder anderen einen langen Leidensweg ersparen.

Erkenntnisse und Verständnis der Zwangserkrankung


Heute weiß ich: Ich bin krank. Und ich weiß auch: Der Zwang verspricht, was er nicht halten kann. Er ist kein Freund, sondern ein Feind, stachelt beständig neue Ängste an, nährt sich selbst. Die Zwangserkrankung baut eine hohe Eigendynamik auf. Treibt ihr Unwesen, so lange, bis die Krankheit als solche erkannt wird, bis Betroffene die richtige Behandlung erhalten.

Ich hatte mich bereits vor Jahren den unterschiedlichsten Behandlungen unterzogen, vor allem mit schmerz- und psychotherapeutischem Charakter. Doch auch in der Psychotherapie lag der Fokus lange fast ausschließlich auf meiner Kopfschmerzsymptomatik. Dieser Fokus war sicherlich nicht falsch, denn der Kopfschmerz war ursächlich und ist noch heute der wesentliche Trigger für die in mir liegende Anspannung, für meine mittlerweile generalisierte Angst und damit für die Zwangserkrankung. Doch dieser Fokus allein half mir nicht.

Lange Zeit wusste ich gar nicht, dass ich – neben den chronischen Kopfschmerzen – an einer Zwangsstörung erkrankt war. Obwohl ich, und meine Eltern mit mir, viele Ärzte konsultierte, wurde mein vollumfängliches Krankheitsbild schlichtweg zu lange nicht festgestellt. Irgendwann fiel das Wort Zwangserkrankung im Zusammenhang mit meinem Unwohlbefinden dann doch. Endlich wurde diese Diagnose gestellt. Endlich, nach ungefähr 15 Jahren. Jahre über Jahre hatten die Zwänge Zeit gehabt, sich behutsam einzuschleichen, sich auszubreiten, bis sie mich beinahe erdrückten, nahezu erstickten. Es liegt mir fern, hier Schuldzuschreibungen vorzunehmen. Ganz im Gegenteil, stets war, noch heute bin ich zutiefst davon überzeugt, dass jeder Arzt, jeder Therapeut mich nach bestem Wissen und Gewissen behandelte. Und trotzdem, trotz der seit Kindheit bestehenden Kopfschmerzen, der ausgeprägten Sensibilität, der früh aufgetretenen Schlafstörungen, des Leistungsdrangs, Perfektionsstrebens und eines überaus ausgeprägten Ehrgeizes, wurden mir so lange nicht die richtigen Fragen gestellt. Die Fragen, anhand deren Beantwortung die Zwangserkrankung wohl weit früher festzustellen gewesen wäre.

Irgendwann fing ich an, in Gesprächen mit Experten über meine seltsamen Ängste zu sprechen. Vorsichtig, zögerlich artikulierte ich die in angstbesetzten Situationen auftretenden Gedanken, die ich mit Beispielen ausführte, um sie meinem Gegenüber begreiflich zu machen. Ich erklärte, was mein Kopf sich zusammenreimte, wie er geistreich für so viele Handgriffe Anweisungen gab, deren Einhaltung oder Nichteinhaltung eine wünschenswerte oder eben verabscheute Konsequenz nach sich zog. Erwähnte auch, betonte wiederholt, ich wäre mir bewusst, wie unrealistisch, gar befremdlich solche Bedingungsgedanken waren, und wie ich dennoch stets gezwungen war, eine jede Bedingung zu erfüllen.

Mich zu offenbaren war mir peinlich, ich schämte mich stark. Indes, ich hatte keine Wahl, ich musste beginnen zu sprechen, musste mein Leid, meine Gedankenwelt wenigstens auszugsweise jemandem anvertrauen. Ich spürte wohl deutlich, dass etwas nicht stimmte, und war dennoch nicht fähig, mich mit meiner Ratio in Eigenregie diesen komischen Anforderungen zu widersetzen.

Da tauchte er auf, der Begriff des Zwangs, doch selbst dann erhielt ich aus heutiger Sicht noch immer nicht die auf die Zwangserkrankung ausgerichtete, wirksame, für mich hilfreiche Behandlung.

Heute sind mir die tragenden Säulen in der Behandlung der Zwangserkrankung bekannt. Die Behandlung, die ich seit einigen Monaten bekomme, ist die angemessene, die einzig wirksame. Seither habe ich tatsächlich das Gefühl, mir wird geholfen, mein Zwangssystem zu verlassen. Schritt für Schritt bewege ich mich aus meinem inneren Käfig heraus. In intensiver Begleitung, psychotherapeutisch und psychiatrisch-medikamentös unterstützt, ganz langsam, und mit Rückschritten, die es wohl immer gibt, kann ich endlich etwas bewegen. Ich bin unsagbar dankbar für diese intensive Begleitung, die ich durch meine Therapeutin für Kognitive Verhaltenstherapie und den Facharzt für Psychiatrie erfahren darf. Komplettiert wird dieses Behandlungspaket durch eine Schmerztherapie bei einem Kopfschmerzspezialisten aus dem Fachgebiet der Neurologie.

Wäre er verkürzbar gewesen, dieser überaus lange, so zehrende Leidensweg? Sind sie tatsächlich nötig, diese Momente der Krankheitseskalation, fürchterlich und zugleich doch irgendwie wertvoll hinsichtlich der Diagnosestellung?

Mittlerweile sind Zwangserkrankungen gut bekannt. Trotz der Erkenntnisse werden sie jedoch nach wie vor häufig jahrelang nicht erkannt bzw. richtig behandelt. Es wird von einem durchschnittlichen Zeitraum von sieben bis zehn Jahren ausgegangen, ehe eine Zwangserkrankung als solche diagnostiziert wird, ehe entsprechende Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden.(1) Dementsprechend hoch ist der Leidensdruck der Betroffenen. Die Diagnose erschwerende Aspekte sind der charakteristische Krankheitsverlauf, der eine ansteigende, wellenartige Kurve zeichnet, die das sich insgesamt verschärfende Leid mit kurzweiligen Unterbrechungen beschreibt. Auch ist es typisch, dass Betroffene die Symptome der Krankheit, das zwanghafte Wahrnehmen, Denken, Verhalten verstecken, gekonnt verstecken, sie mitunter gar verleugnen. Vor anderen, vor sich selbst. Gerade weil sie die Absurdität ihres zwanghaften Denkens und Tuns selbst deutlich erkennen. Und sich dafür schämen.

In den letzten Jahren ist bereits einiges im Sinne der Aufklärung über die Zwangserkrankung geschehen. Und trotzdem bin ich überzeugt, sie bedarf weiterer, weitreichenderer, umfassenderer Thematisierung. Nur so können eine frühzeitige(re) Diagnose, Akzeptanz und zügig eingeleitete wirksamkeitserprobte Behandlungsmaßnahmen einen langen Leidensweg abkürzen. Weitere Thematisierung, weitere Aufklärung, mehr Verständnis und Akzeptanz der Zwangserkrankung können abwertende Haltungen gegenüber Erkrankten verringern und so deren Schuld- und Schamgefühle genauso wie krankheitsbedingte soziale Spannungen abfedern.

Vor diesem Hintergrund habe ich beschlossen, meine eigenen Erfahrungen mit der Zwangserkrankung zu teilen. Als Betroffene möchte ich die weitere Enttabuisierung psychischer Erkrankungen unterstützen. Ich hoffe, mit meinen teils sehr intimen Schilderungen einen wertvollen Beitrag zu leisten: Das Erleben von Zwängen soll nachvollziehbar(er) werden, die Tücken der Krankheit begreiflich(er), und wirksame Behandlungsmaßnahmen bekannt(er) und verständlich(er). Dabei nehme ich nicht für mich in Anspruch, allgemein Expertin zu sein – das sind andere, speziell ausgebildete Menschen. Ich kann und will nur schildern, was ich lernen durfte, um mit den unschönen Erfahrungen umzugehen und mich schrittweise aus den Fängen des Zwangs zu befreien.

Zwang – was ist das?


Einen Zwang empfinde ich als starken Drang, als einen Impuls beziehungsweise inneren Druck. Dann bin ich angehalten, etwas Bestimmtes zu denken oder zu tun, mich auf bestimmte Weise zu verhalten. Ausgelöst wird ein solcher Drang durch verschiedenste Unsicherheiten. Er taucht auf in den unterschiedlichsten Situationen. Es sind zumeist banale Situationen, Alltagssituationen, denn mittlerweile wittere ich überall und jederzeit Gefahren.

Ich glaube, wir alle kennen derartige Empfindungen. Zum Beispiel, wenn wir uns unsicher sind, ob wir die Haus- oder Wohnungstür in der Eile tatsächlich abgeschlossen haben. Wir spüren den Drang zurückzugehen, um nachzusehen. Oder wir befürchten, wir haben vergessen, den Backofen, die Herdplatte auszuschalten, haben uns die Hände oder Kleidung beim Arzt- oder Apothekenbesuch mit Bakterien, Viren beschmutzt. Wir verspüren den Drang, die Hände oder Kleidung schnellstmöglich zu reinigen. Derartige Befürchtungen, derartige Verhaltensweisen sind nicht in jedem Fall krankheitswertig. Vielmehr handelt es sich bei derlei Empfindungen und Tun gewissermaßen um gewöhnliche Kontrollhandlungen.

Nun stellt sich die Frage nach der Differenzierbarkeit. Welche Art von Gedanken und Handlungen dürfen wir als »gewöhnlich« stehen lassen? Und wie erkennen wir die Grenze zwischen üblichen Kontrollen und Zwängen?

Der Grat zwischen gewöhnlichen Kontrollhandlungen und Zwängen ist schmal. Lässt sich eine Befürchtung, eine gewisse Angst durch eine einmalige Absicherungshandlung besänftigen, dürfen wir gemäß meiner Erfahrung davon ausgehen, dass es sich dabei um »normale« Unsicherheiten und deren Absicherung handelt. Einmal zurückzugehen, um die Tür bzw. Herdplatte zu überprüfen, ist ebenso wenig außergewöhnlich, wie einmal sorgfältig die Hände zu waschen. Bedeutend ist, dass die Angst sowie die damit einhergehende Kontroll- bzw. Absicherungshandlung keinen einschränkenden, die Lebensführung des Betroffenen wesentlich beeinträchtigenden Charakter aufweisen.

Bei einer alltäglichen Kontrollhandlung ist es uns also möglich, uns angesichts einer eventuellen Gefahr relativ rasch selbst zu beruhigen. Die ausgeführte Handlung zur eigenen Beruhigung bedarf keines großen Aufwandes. Sie wird vielmehr ziemlich beiläufig ausgeführt. Sie schränkt uns nicht wirklich ein, beeinträchtigt uns nicht wesentlich. Die Unsicherheit, die Angst lassen relativ rasch nach, sind weder überaus zehrend noch halten sie uns besonders lange von unserem Tagesgeschäft ab.

Anders sieht es aus, wenn Unsicherheiten, Ängste und damit verbundene Zwangshandlungen derart präsent sind, dass sie stark einschränkenden, die Lebensqualität stark beeinträchtigenden Charakter haben. Wir Zwangserkrankte wittern beinahe überall Gefahren (Anm.:...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2021
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Krankheiten / Heilverfahren
Schlagworte Angst • Ängste • Angstintensität • grübelzwang • Kognitive Verhaltenstherapie • Kontrollzwang • Panik • Panikattacke • Psyche • verhaltenstherapeutisch • Waschzwang • Zählzwang • Zwang • Zwangserkrankung • Zwangsgedanke • Zwangshandlung • Zwangsimpuls • Zwangsstörung
ISBN-10 3-432-11396-X / 343211396X
ISBN-13 978-3-432-11396-8 / 9783432113968
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,6 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Diagnostik - Epidemiologie - Therapie

von Sebastian Schulz-Stübner; Markus Dettenkofer …

eBook Download (2023)
Springer-Verlag
46,99
Erste Anzeichen erkennen. Die Fülle der Therapien nutzen. Dauerhaft …

von Ulrich Hegerl; Svenja Niescken

eBook Download (2022)
Trias (Verlag)
19,99